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Und wir nennen es Freundschaft

von

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Es regnet, wie so oft in letzter Zeit.

Aber das liegt wohl in der Natur dieser Jahreszeit, der Herbst ist nunmal eine regnerische Angelegenheit.

Klassischerweise redet man von buntem Laub welches an den Bäumen hängt und von einem Windstoß zu Boden geweht wird, einen orange-roten Teppich bildet.

Nur ist das Laub nicht farbenfroh sondern braun und grau, die vereinzelten Blattgerippe an den Ästen und auch die, die auf dem Asphalt zu einer matschigen Schicht vereint sind.

Die letzten sonnigen Tage des Jahres sind längst vorbei. Schwere dunkle Wolken zieren den Himmel, kalter Wind und Regen statt sanften Brisen und Sonnenschein.

Menschen dekorieren gerne zu der jeweiligen Jahreszeit passend. Der Herbst wird dominiert von putzigen Waldtieren und grinsenden Kürbissen.

Zumindest die süßen, flauschigen Freunde sind in natura eher zermatscht und plattgefahren auf der Straße anzutreffen, bremsen will dann doch keiner für sie.

Es ist die Jahreszeit in der man sich mit Freunden zu gemütlichen Dvd-Abenden trifft, Heißgetränke schlürft und die Welt draußen lieber aussperrt.

Der Junge der den Bürgersteig entlang geht, versucht den Pfützen die seinen Weg pflastern so gut es geht auszuweichen, da die Wassertropfen die sonst an seinen Hosenbeinen hochspritzen immer so schlammige Flecken hinterlassen und er heute wieder waschen müsste.

Trotz Regenschirm kleben die schwarzen Haare ihm in seinem blassen Gesicht. Vor dem Schaufenster eines kleinen Floristikgeschäfts bleibt er stehen und überlegt.

Als er die Tür öffnet und eintritt klingelt ein Glöckchen, das Mädchen hinter dem Tresen schaut von der Zeitschrift auf in der sie bis eben geblättert hat.

Ein schnelles Umschauen, doch es ist nichts dabei was ihn sonderlich anspricht. Sein Blick wandert wieder zu dem Mädchen mit den langen blonden Haaren die ihn anlächelt.

Wunderschön ist das erste was ihm durch den Kopf schießt, nicht in sexueller Weise, für so etwas interessiert er sich herzlich wenig, eher in Hinsicht auf ihr gesamtes Sein. Ausdrucksstarke blaue Augen, ihre Proportionen, die Form ihres Gesichts, ihre Haare, ihre Ausstrahlung, einfach sie als Ganzes.

Schätzungsweise ist sie ein bis zwei Jahre jünger als er selbst, wahrscheinlich 17.

"Kann ich dir helfen?"

Die klare, helle Stimme passt zu ihrer Erscheinung.

"Suchst du etwas Bestimmtes? Einen Strauß für deine Freundin vielleicht?"

Warum sie ihm zuzwinkert ist ihm ein Rätsel, ebenso von welcher Freundin sie spricht. Weder Partnerin noch Freunde hat er jemals für nötig befunden.

"Nein danke. Ich suche... etwas herbstliches. Ein Gesteck wäre ideal, aber ohne künstliche Dekoelemente. Rein pflanzlich."

"Hmm so etwas haben wir nicht hier, aber ich könnte dir eins machen, würde ungefähr eine Stunde brauchen. Wenn du nicht extra noch einmal herkommen willst, bring ich es dir vorbei. Musst mir nur deine Adresse geben."

Lächelnd schiebt sie Zettel und Stift über den Tresen.

"Das wäre sehr freundlich. Wie viel würde das kosten?"

"Sag mir einfach wie viel du ausgeben möchtest, ich such mir in der Preisklasse dann was zusammen."

Kurzerhand legt der Schwarzhaarige alles Geld was er gerade dabei hat auf den Tresen, greift dann nach Stift und Zettel um seinen Namen und Adresse aufzuschreiben. Sie wirft einen kurzen Blick darauf.

"Also... Sai, ich heiße Ino..."

"Yamanaka.", beendet er ihren Satz. "Der Name steht draußen auf dem Schild, ich nehme an das Geschäft gehört Ihren Eltern?"

Ein lautes Lachen entfährt ihr und grinsend verstaut sie das Geld in der Ladenkasse.

"Genau, ich helfe nur aus. Aber du brauchst mich doch nicht siezen, sag einfach Ino zu mir! Bist doch garantiert nicht jünger als ich!"

"Ich bin 19 Jahre alt, ich denke ich bin also älter. Jedoch dachte ich es wäre höflicher Sie zu benutzen, aber wenn du es so wünscht, auch gut... Ino."

"Super! Dann bring ich dir dein Gesteck nachher vorbei. Ist ja auch gleich um die Ecke dann werde ich nicht so nass."

"Hast du keinen Regenschirm?"

Etwas verlegen streicht Ino sich durch ihre Haare.

"Doch schon, das heißt ich hatte einen. Ich hab ihn wohl verlegt, auf jeden Fall finde ich ihn nicht wieder. Ich schätze ich bin einfach zu unordentlich..."

Ohne groß zu überlegen, streckt Sai ihr aus einem spontanen Impuls heraus seinen eigenen Schirm entgegen.

"Nimm den! Dann bleibst du trocken!"

Etwas verwirrt über seine eigene Handlung drückt er ihn ihr in die Hände, dreht sich abrupt um und verlässt den Laden.

Der Dauerregen durchnässt ihn in den wenigen Minuten die er braucht um zu seiner Wohnung zu gelangen, komplett.

Kaum ist die Tür ins Schloss gefallen, lässt er seine Umhängetasche zu Boden fallen und schält sich aus seiner Kleidung, die gleich in der Waschmaschine landet.

"Jetzt muss ich doch heute waschen... Es ist erst Freitag..."

Während er trockene Kleidung aus seinem Schrank holt verschwimmt das Ticken der Uhr und die Geräusche des Fernsehers, den er eben angeschaltet hat, zu einem angenehmen Hintergrundgeräusch.

Es ist eine schlechte Angewohnheit den Fernseher nebenbei ständig laufen zu lassen, vor allem weil sie die Stromrechnung in die Höhe treibt, aber in all den Jahren in denen Sai schon in dieser Wohnung lebt hat er sich eine Menge Dinge angewöhnt.

Mittwochs wird Wäsche gewaschen und zum Mittag gibt es jeden Tag nur ein Sandwich. Gewohnheiten bürgern sich schneller ein als man denkt.

Das laute, elektronische Surren der Türklingel lässt ihn von dem Buch aufschauen in dem er die letzte halbe Stunde gelesen hat, eigentlich ist es nicht sonderlich interessant, aber es ist momentan auf Platz eins der Bestsellerlisten und um Konversation mit seinen Arbeitskollegen betreiben zu können hat er es sich in der Bibliothek ausgeliehen.

Sorgfältig wird es wieder ins Regal gestellt und kaum hat er den Knopf zum Öffnen der Haustür gedrückt geht jemand mit schnellen Schritten die Treppen zur Wohnung herauf.

Mit einem engelsgleichen Lächeln zwängt Ino sich durch den Spalt zwischen Türrahmen und der noch nicht ganz geöffneten Tür.

"Hey! Na bist du denn vorhin trocken hergekommen?"

"Nein."

Verblüfft über ihre augenscheinliche Begeisterung vergisst er ebenfalls eine Begrüßung auszusprechen.

Den tropfenden Regenschirm stellt sie zu den sehr feuchten schwarzen Schuhen an die Wand.

"Soll ich die ausziehen?", fragt sie und deutet auf die violetten High Heels an ihren Füßen. Immer noch perplex über die Selbstverständlichkeit mit der dieses Mädchen sich in Sais Wohnung bewegt, starrt er sie nur an.

Schulterzuckend zieht Ino ihre Schuhe aus und geht zum Tisch um ihre Handtasche darauf abzustellen. Um es vor Kälte und Nässe zu schützen wurde das Gesteck in braunes Papier eingewickelt, welches nun mit kaum merklich zitternden Fingern von ihr entfernt wird.

Derweilen drängt sich Sai die Frage auf ob diese 'Schuhe' wirklich für dieses Wetter geeignet sind. Unvorstellbar überhaupt auf diese Teilen zu laufen, aber sonderlich wasserabweisend sehen sie auch nicht aus.

"Und? Wie findest du es?"

Herbstlich trifft es... irgendwie...

Natürlich, alle typischen Herbstblumen wurden verwendet nur wie ist... ungewöhnlich. In einem aus kahlen Zweigen zurechtgebogenen Korb, oder was auch immer das darstellen soll, steckt ein rosa-rotes Durcheinander aus Blüten. Hier und da ragt ein dürres Ästchen zwischen Dahlien, Herbstzeitlosen, Chrysanthemen und Sternbergien heraus.

"Okay es ist vielleicht nicht ganz so wie du es dir vorgestellt hast... aber ich bin eigentlich nur Aushilfe im Laden, ich binde zwar total gerne Sträuße und so aber ich mach das nicht sehr oft und du wolltest sowas schwieriges, aber ich wollte dir das unbedingt vorbeibringen!"

Betreten schaut Ino zu Boden, fragt dann: "Willst du dein Geld wieder?"

"Nein, behalt es. Sicher ich habe etwas anderes erwartet, doch die gestellten Kriterien hast du erfüllt. Vielleicht solltest du für das nächste Mal noch etwas üben."

Der Herbst ist grau, kahl und trüb, vermittelt das Gefühl, dass nichts je wieder gut werden wird, denn mit dem nassen, dunklen Wetter sorgt er nicht gerade für Hoffnung.

Die kahlen Zweige verstärken die drückende Leere in Sais Herzen, die er weder versteht noch ihren Namen kennt. Verstehen kann er Gefühle eigentlich nie, vielleicht ist das normal, aber deswegen versucht er sie und das Chaos welches aus ihnen entstehen kann zu vermeiden.

"Es ist okay...", sagt er, nimmt das Gesteck vom Tisch um es auf der Fensterbank neben Jimmy zu platzieren.

Jimmy ist eine kleine, grüne Topfpflanze die ihm vor einigen Monaten ein etwas eigenartiger, ständig Selbstgespräche führender Kerl verkauft hat. Woher dieser den Namen der Pflanze weiß beziehungsweise wieso sie überhaupt einen Namen hat, weiß Sai nicht.

Schweigen durchbrochen von dem Ton des Fernsehers und der Uhr erfüllt den Raum.

Der Schwarzhaarige hat ihr nichts mehr zu sagen, aber sie macht keinerlei Anstalten sich zu verabschieden und zu gehen.

Schließlich zerknüllt Ino das Papier in dem das Gesteck eingewickelt war.

"Wofür wolltest du es denn haben?"

"Ich möchte es malen."

Ihr Blick wandert durch den Raum, als würde sie ein Zeichen für Kreativität suchen, bleibt bei den Leinwänden, Farben, Papierstapeln, sprich dem einzigen chaotischen Fleck im Raum hängen.

"Bist wohl ein ziemlicher Kunst Fan, was?"

"Nein, ich glaube nicht. Ich verbringe meine Freizeit damit zu malen und zu zeichnen. Künstler können mit ihren Bildern etwas ausdrücken, ich kopiere nur nach Vorlage und Modell."

"Willst du mich malen?"

Lachend wirft die Blonde sich in Pose. Sie lacht viel, aber es ist ein hübsches Lachen, nicht so nervtötend laut, angenehm eben.

"Wenn du das möchtest kann ich das tun."

Sai versucht sich an einem Lächeln, doch das leichte Zucken seiner Mundwinkel macht eher einen gruseligen Eindruck als einen freundlichen.

"Würdest du denn gerne?"

Ihr Zwinkern wird mit Schweigen beantwortet, was soll man darauf auch antworten?

"Na dann vielleicht ein anderes Mal... Ich muss jetzt auch los also..."

Schnell greift Ino nach dem schwarzen Handy auf dem Tisch, zieht ihr eigenes aus ihrer Handtasche hervor und Sai kommt zu dem Schluss, dass lila ihre Lieblingsfarbe ist.

"Ich speicher dir meine Nummer ab, dann kannst du mich mal anrufen!"

Dann wandert das Handy zurück in die Hände seines Besitzers.

"Wirst du mich anrufen?"

"Vielleicht?"

Lachend zieht sie sich ihre Schuhe wieder an und als sie sich aufrichtet schaut sie aus dem Fenster.

"Es hat aufgehört zu regnen, wenn ich mich beeile schaffe ich es trocken nach Hause, auch ohne deinen Schirm."

"Tja..."

Er zuckt zurück als Ino ihre Hand ausstreckt, aber sie klopft ihm nur leicht auf die Schulter,

"Du bist ein netter Kerl Sai. Seltsam aber nett."

Und dann geht sie, erst als das Geräusch der violetten Absätze auf den Stufen verklungen ist schließt Sai die Wohnungstür.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  BrokenPride
2016-04-18T22:02:28+00:00 19.04.2016 00:02
Der Herbst gehört tatsächlich zu einer meiner Lieblingsjahreszeiten, ich sehe definitiv etwas anderes darin als Sai. Mit den bunten Blättern mag er recht haben, auch mit dem Gerippe der Äste und dem braun-grauen Matsch der Blätter auf den Gehwegen, Straßen und Wiesen, aber ich habe ihn bisher nie hoffnungslos empfunden. Dennoch mag ich die Beschreibung und die Atmosphäre die du schaffst und ich muss ganz ehrlich sagen, dass du Sai unglaublich gut getroffen hast und ihn sowas von OC in ein alternatives Universum eingesetzt hast. Ich kann ihn mir lebhaft vorstellen und ich kann mir auch sehr gut vorstellen, woher Jimmy kommt :D Das lockert die eher schwere und graue Atmosphäre in diesem Kapitel deutlich auf, genau wie Inos auftreten. Es kommt mir tatsächlich so vor, als wenn eine farbige und eine schwarz weiße Welt aufeinander prallen und die Farbe langsam aber sicher schwarz weiße Welt eindringt... Sehr schönes Kapitel und wirklich toll geschrieben <3

Liebe Grüße
Pride


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