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Professor Layton

und das Tor der Wünsche
von

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Prolog


 

An Dich,

mein geschätzter Freund,
 

Tief im Norden von Schottland existiert eine Stadt fernab unserer heutigen Gesellschaft.
 

Der Professor erhielt einen Brief,

in welchem die Königin dieses unabhängigen Mikrostaates ihn um Hilfe bittet.


 

Sie berichtet, dass vermehrt mysteriöse schwarze Flecken auf den Händen der Bewohner auftauchen.

Wenige Tage später verschwinden diese Bürger spurlos.
 

Vielleicht handelt es sich um einen grausamen Fluch?
 

Der Professor, Emmy und ich werden nach Furness reisen um die Rätsel dieser Stadt zu lösen.
 

Mit besten Grüßen,

 

Luke Triton
 

Auf Großer Fahrt

Mit lautem Tuckern durchquerte ein kleines, rotes Auto in Windeseile die beinahe unberührten saftig grünen Landschaften von Schottland. 
Tapfer hatte es hunderte Meilen hinter sich gebracht, um seine drei Insassen ihrem Ziel näher zu bringen. Ihre Reise hatte bei Tagesanbruch in London begonnen. Viele der größeren Städte hatten sie bereits hinter sich gelassen. Vorbei an Sheffield und Leeds, über die Ländergrenze, ein Stopp in Glasgow und immer weiter Richtung Norden.
 

Inzwischen neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen. Einige Male war dem kleinen Wagen die Puste ausgegangen - eine Fahrt in diesem Ausmaß war es nicht gewohnt. 
Doch die Reisenden hatten diese Zwangspausen entspannt mit ein paar Sandwiches und Tee verbracht. Sie nutzten die Zeit um für eine Weile die Aussicht zu genießen, Fotos zu machen und sich mit einem kleinen Spaziergang die Beine zu vertreten. 
Danach war der Motor wieder abgekühlt und alle Parteien hatten sich genug erholt, damit es weiter gehen konnte.
Auf das Laytonmobil war immer Verlass.
 

Der Besitzer des Autos saß hinter dem Lenkrad und fuhr das tapfere Mobil an der schottischen Küste entlang. Alle Fenster waren heruntergekurbelt um die frische, salzige Meeresluft hinein zu lassen. Der Himmel war in die herrlichsten Rottöne getaucht und es würde nicht mehr lange dauern, bis die ersten Sterne am Firmament aufblitzten.
 

Bald hatten sie es geschafft. 

 

Der Professor hatte sich die letzten Stunden mit seiner Assistentin abgewechselt. Sie war, außer ihm, die einzige Person die das Laytonmobil fahren durfte. Besonders auf langen Strecken wie dieser war Layton froh, so viel Vertrauen in Emmy haben zu können. Sie raste zwar gut und gerne mal, doch sie war in jedem Falle eine sichere Fahrerin.
 

Der kleine Luke hatte die gesamte Fahrt auf der Rückbank verbringen müssen. Vorsorglich hatte er sich ein Buch mitgenommen, welches er lesen konnte, allerdings war er schon nach wenigen Stunden damit fertig. Ab und zu hatte er einfach nur verträumt aus dem Fenster gesehen und sich vorgestellt eigenständig einen schwierigen Fall zu lösen. Oder er hatte sich mit dem Professor und Emmy über Dies und Das unterhalten; Vergangene Abenteuer, Menschen die sie kennenlernen durften, Lektionen was einen Gentleman ausmachte, Geschichten und Fakten über die Burgen an denen sie vorbei fuhren.
 


Sonderlich viel gab es während einer Autofahrt nicht zu tun. Der Professor stellte ihnen zum Zeitvertreib einige Rätsel, doch selbst die gingen ihm nach einer Weile für’s erste aus. Eine Tatsache, die man kaum zu glauben vermochte, wenn man den guten Professor auch nur ein bisschen kannte.
 

Auf der letzten Etappe holte Emmy schließlich ein weiteres Mal ihre Notizen, welche sie über die Stadt Furness gesammelt niedergeschrieben hatte, hervor. Eins konnte sie nach all dem Stöbern mit Fug und Recht behaupten: Es handelte sich um eine merkwürdige, exzentrische Ortschaft. 
Vor vielen Jahrzehnten hatten die Bewohner eine Mauer um ihre Stadt gezogen und ihre Stadt von jeglichen Landkarten getilgt. Sie lebten isoliert vom Rest der Welt, welcher ihre Existenz bereits größtenteils vergessen hatte.
 

„Die Industrielle Revolution hat Furness nie erreicht“, las Emmy vor.
 

Sie hatte Stunden damit zugebracht in den Archiven der Gressenheller Universität nach Informationen über die Vergessene Stadt zu suchen. Jedes Bisschen an Vorwissen könnte von Nutzen sein, um die vorgefallenen Ereignisse zu verstehen.
 

„Zwar hat sich die Stadt erst zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts abgekapselt, hielt sich aber bereits schon viel länger aus den Weltgeschehnissen heraus. Laut meiner Recherchen haben die Bewohner ihre eigene, auf dampfbetriebene Maschinen basierende, Technologie entwickelt“, fuhr sie fort.
 

Der Professor nickte, den Blick fest auf die Straße vor ihm gerichtet. Er hatte sich ebenfalls bereits zu dem Thema schlau gemacht und sich dafür durch die Unterlagen in seinem chaotischen Büro gekämpft. Nun versuchten sie ihr beider Wissen auf einen Nenner zu bringen. 
„Ganz richtig, Emmy. Ohne die Erfindung von Benzin hätte unsere gesamte westliche Welt so aussehen können. Dann würden wir heute vermutlich vermehrt Zeppeline und Züge zur Fortbewegung nutzen.“
 

„Dann gibt es dort also keine Autos?“, fragte Luke.
 

Dank der Reisen mit dem Professor hatte er schon viele Städte und Ortschaften kennengelernt. Gemeinsam hatten sie einige Abenteuer erlebt. Zu Land, zu Wasser und in der Luft. Trotzdem war seine Neugierde nie gestillt, neue Orte und andere Zivilisationen zu entdecken. Es war einfach zu beeindruckend, die Welt mit eigenen Augen zu sehen, als dass er sich diese Erfahrungen entgehen lassen könnte.
 

„Keine Autos, keine Mopeds. Jedenfalls nicht so, wie wir sie kennen. In Furness werden sie bestimmt ihre eigene Art von Transportmitteln haben“, stimmte Emmy zu. „Oder weiterhin auf Altbewährtes zurückgreifen, wie Kutschen. Hat doch etwas ziemlich romantisches, nicht wahr? Obwohl ein Pferd allein auch schon ausreichen würde. Mit dem ist man ohnehin viel schneller unterwegs.“
 

„Warum leben die Leute denn fernab vom Rest der Gesellschaft? Wäre es nicht spannender andere Kulturen zu erforschen und von ihnen zu lernen?“, entgegnete Luke.


Er konnte nicht so recht verstehen, warum jemand das Leben in einem goldenen Käfig dem Bereisen der Welt vorziehen wollen würde. Es war doch wichtig medizinische und technische Fortschritte miteinander zu teilen. Wenn man eine Auswahl hatte, konnte man sich für die Errungenschaften entscheiden, die für alle das beste waren und den meisten helfen konnten.
 

„Tja, wer weiß? Bestimmt können wir Näheres herausfinden, wenn wir erst einmal dort sind!“ 


Aufgeregt überprüfte Emmy zum dritten Mal die Einstellungen an ihrer Kamera und ob das Objektiv in Ordnung war. Kein Sprung, kein Dreck, alles hatte seine Richtigkeit. Es wäre zu schade, könnte sie ihre Erlebnisse nicht festhalten.

„Das könnte ein sehr interessanter Bericht werden, nicht wahr, Professor? Die Aufklärung mysteriöser Geschehnisse in einer Stadt, die sich selbst von der Außenwelt abschottet.“
 

Layton lachte etwas nervös. Berichte schreiben zählte nicht unbedingt zu seinen liebsten Beschäftigungen. Meist prokrastinierte er für Wochen, bis er sich endlich dransetzte sie anzufangen. Dabei hatte er eigentlich stets gute Intentionen, aber es kam immer etwas dazwischen. Nicht selten war es eine spontane Teepause.
 

„Wenn Furness sich vor allem anderen verschließt, kommen wir dann überhaupt hinein?“, fragte Luke.
 

Ein grausiges Szenario entfaltete sich in seinem Kopf, in welchem sie vor den Toren der Stadt standen und niemand sie hinein ließ, weil Fremde dort nicht erlaubt waren. Sie hatten den gesamten Weg umsonst auf sich genommen, der Sprit war ihnen ausgegangen und eine Unterkunft hatten sie auch nicht.
Luke erschauderte kurz bei diesem Gedanken und versuchte ihn deshalb ganz schnell wieder los zu werden.
 

„Ihre königliche Hoheit hat uns die nötigen Ein- und Ausreisepapiere gleich mitgeschickt. Luke, wärst du so freundlich einen Blick auf sie zu werfen? Sie befinden sich in der Tasche auf dem Sitz neben dir“, bat Layton seinen Lehrling.
 

Insgeheim fiel diesem ein Stein vom Herzen und er antwortete mit einem inbrünstigem: „Geht klar, Professor!“
 

Mit ein paar mehr oder weniger gezielten Griffen hatte er die Unterlagen aus der Ledertasche gekramt. Es waren edel verzierte Papiere auf denen mit ordentlicher Handschrift ihre Aufenthaltserlaubnis beglaubigt wurde. Jedes Dokument enthielt sieben Unterschriften hoher Regierungspersonen. Einige Minister, deren Namen kaum lesbar waren und ein paar Beamte, welche die nötigen Formulare ausgefüllt und bearbeitet hatten. Scheinbar unterlag selbst einer Königin nicht das alleinige Recht Besuch zu autorisieren. Wahrscheinlich handelte es sich dabei nur um eine reine Formalität, jedoch sollte man meinen, dass die Unterschrift eines Monarchen jede weitere nichtig machte.
 

„Fällt dir etwas auf, Luke?“, hakte der Professor nach.
 

Luke sah sich die Papiere genauer an und blätterte zwischen ihnen hin und her. „Ist das eine Art Rätsel, Herr Professor?“
 

„Nur eine kleine Probe deiner Beobachtungsfähigkeiten“, lächelte Layton und warf einen Blick in den Rückspiegel, um die Reaktion des Jungen erkennen zu können.
 

Der kleine Lehrling war sofort in seinem Element und versuchte sogleich jedes noch so kleine Detail zu erfassen und analysieren, wie es ihm der Professor beigebracht hatte.
 

„Hmmm.“ Nachdenklich rieb sich Luke sein Kinn und kratzte sich am Kopf, während seine Augen weiterhin prüfend über die Papiere huschten.
 

„Es sind Unterschriften von sieben Personen. Sie unterscheiden sich zwar deutlich voneinander, aber die Tinte und die Füllstärke sind bei jeder einzelnen gleich. Sogar der Text wurde scheinbar mit dem selben Schreibwerkzeug verfasst.“
 

Luke sah verwundert auf. „Kann das sein? Würde jemand in einem hohen Stand nicht mit seinem eigenen Füller unterschreiben?“
 

Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen; Ein eigenes spezielles Schreibwerkzeug war wie ein Siegelring, es diente zur Identifikation der Herkunft und Überprüfung der Echtheit eines Briefes. Fehlte diese persönliche Note, musste das also heißen…
 

„Professor, ich hab’s!! Ist es möglich, dass die Unterschriften gefälscht wurden?“, platzte Luke heraus.
 

Emmy nickte wissentlich. Sie hatte sich die Papiere bereits genauestens angesehen und war zu dem selben Schluss gekommen.

„Gut erkannt, kleiner Hilfsassistent“, grinste sie spitzbübisch.
 

„Ich bin Professor Laytons assistierender Lehrling!“, erwiderte Luke bestimmt und verschränkte trotzig seine Arme. 
Er konnte es nicht leiden, wenn Emmy ihn aufzog. Sie war außerdem kaum länger mit dem Professor unterwegs als er, weshalb sie sich nichts einzubilden brauchte.
 

„Wir sind also vielleicht in einem gar nicht so offiziellen Auftrag unterwegs, wie man meinen möchte“, schlussfolgerte der Professor eilig, in einem Versuch eine mögliche Streiterei zu unterbinden. 
Die beiden gerieten des öfteren aneinander. Es war nie etwas ernstes und galt eher als eine freundschaftliche Neckerei. Aber es war weder ein passender Zeitpunkt, noch sonderlich hilfreich, entschied der Professor.
 

Emmy hatte erreicht was sie wollte und konnte sich demnach voller Genugtuung ebenfalls wieder dem eigentlichen Thema widmen.


„Es könnte sich also um einen schlechten Scherz handeln oder aber ein ernstzunehmender Hilferuf sein. Ich hoffe wirklich, dass sich nicht einer ihrer Studenten so viel Mühe gemacht hat, nur um ihnen einen Streich zu spielen. Auch wenn es schön ist, die Vielfältigkeit der britischen Landschaft zu ergründen.“
 

„Ich bezweifle, dass es sich dabei nur um einen Scherz handelt. Eine solche Torheit würde ich meinen Studenten nie zuschreiben. Nichtsdestotrotz ist dieser Ausflug eine geeignete Chance mehr über die Vergessene Stadt in Erfahren zu bringen“, erwiderte der Professor.
 

„Wenn der Brief tatsächlich aus Furness, aber nicht von der Königin ist, frage ich mich, wer diesen Brief letztendlich verfasst hat…“, wunderte sich Luke, während er die Papiere in seinen Händen noch einmal andächtig betrachtete.
 

Die geschilderten Ereignisse erinnerten Luke sehr an das, was in seiner Heimatstadt Misthallery vorgefallen war. Damals war er es gewesen, der unter falschem Namen den Professor um Hilfe gebeten hatte.
 

Dem Absender musste sein Anliegen äußerst wichtig sein, wenn er dafür die Strafe für Urkundenfälschung in Kauf nahm. Immerhin handelte es sich nicht um irgendeine gefälschte Unterschrift, sondern ausgerechnet die der höchsten Instanz. Bestimmt wurde man für so ein Vergehen hingerichtet oder bekam zumindest Lebenslang.
 

Sie wussten so wenig über die Vergessene Stadt. Wie war ein Königreich in einem Königreich möglich? Warum interessierte sich niemand dafür, was diese Leute taten? Was war vor so vielen Jahren vorgefallen, dass sich eine Stadt von dem Rest der Welt isolierte? Eine spannende und vermutlich traurige Geschichte schien auf sie zu warten.


Luke hoffte, dass sie es auch dieses Mal gemeinsam schafften, die Mysterien, die sich vor ihnen auftaten, zu lösen.

Die Mauern von Furness

Entfernte Lichte tauchten den Horizont in ein warmes braun. Das Laytonmobil hatte die Highlands weit hinter sich gelassen und war inzwischen wieder in flachere Gefilde eingekehrt. Inzwischen konnten die Reisenden eine hohe Mauer ausmachen, von der die Lichter ausgingen. Das musste Furness sein. Auch wenn die zahlreichen Schilder einen anderen Eindruck erwecken wollten. Seit einigen Meilen verkündeten diese nämlich, dass sie sich einem Kernkraftwerk näherten.
 

Der Zweck erfüllte sich zumindest in dem Maße, dass es Luke verunsicherte, ob sie auch wirklich richtig waren. Ihnen blieb nur ein Blick auf die Landkarte und die Hoffnung, dass die vage Wegbeschreibung, welche dem Brief beigelegen hatte, sie in die richtige Richtung führte. Genau genommen war es ein Rätsel gewesen, welches sie lösen mussten um die Lage von Furness zu erfahren. Doch das war inzwischen nichts ungewöhnliches für den Professor und seine Begleiter.
 

Es schien ein ungeschriebenes Gesetz zu sein wichtige Angaben für den Professor zu verschlüsseln. Entweder um sicher zu gehen, dass die Informationen nicht in die falschen Hände gerieten, oder als eine Art Prüfung, ob er sich als würdig erweisen konnte. Immerhin wollte man seine fundamentalen Angelegenheiten nicht jedem dahergelaufenen Hinz und Kunz anvertrauen.

Erschöpft kam das strapazierte Laytonmobil vor den meterhohen Stadtmauern zum Stehen. Von Weitem hatten sie die Gebäude nicht verdecken können, aber als sie so davor standen, kam sie den Reisenden ziemlich gewaltig vor.
 


 

Hoch oben auf dem Wall stand einsam ein Wächter herum, welcher sich an seinen Schild und Speer lehnte, welche er fest umklammert hielt und so wirkte, als drohte er jeden Moment einzuschlafen. Mit Mühe hielt er seine Augen einen Spalt breit geöffnet und konnte schemenhaft die Scheinwerfer des komischen Gefährtes und seine aussteigenden Insassen erkennen. Er erkannte einen Mann mit Zylinder, eine Frau deren Kleid ihn im Licht blendete und einen kleinen Jungen der die Stadtgrenze bestaunte.
 

Sentinel war viel zu müde, um auch nur einen genervten Seufzer entweichen zu lassen. Es kam nicht selten vor, dass sich Leute so weit raus verirrten. Ein paar Meilen von hier hatte vor einigen Jahren ein Golfclub eröffnet und seitdem musste er des öfteren ein paar wohlbetuchten Hobbysportlern erklären, wo sie ihre Schläger schwingen durften. Oder wohin sie ihre liegen beliebenden Transportmittel hinschieben mussten, oftmals auch bei Regen und Sturm.
 

Ein wenig taten ihm diese Leute Leid. Aber Sentinel hatte seine Befehle, an die er sich strikt zu halten hatte. Und die besagten, dass er weder jemanden durch die Tore rein noch raus lassen durfte. Auch nicht in einem Notfall. Obwohl, vielleicht durfte er dann eine Ausnahme machen, da musste er sich aber vorher an seine Vorgesetzten wenden. Dafür mussten sie erstmal definieren, wann es sich um einen Notfall handelte. Wenn eine Person schwerverletzt zum Stadttor kroch oder eine Frau jeden Moment ihr Baby erwartete. Wenn es auf jede Sekunde ankam, war es dann richtig noch ein Gespräch über die Wichtigkeit ihrer Hilfeleistung zu führen? Der Gedanke allein brachte Sentinel ins Schwitzen. Glücklicherweise war noch keine solcher Situationen eingetreten.
 

Viele Leute zeigten sich allerdings schon allein für seine Wegbeschreibung kenntlich und schenkten ihm ab und zu einen Golfball. Auch wenn seine Aussage einzig und allein aus „einfach rechts die Straße runter“ bestand, da sein eigenes Wissen über die Welt außerhalb der Stadtmauern sehr eingeschränkt war. Allerdings schien es den meisten schon eine große Hilfe zu sein. Sentinel besaß inzwischen eine ordentliche Sammlung an diesen kleinen, harten Bällen, von der er leider niemandem erzählen durfte. Sie war sein wohlgehütetes Geheimnis. Gegenstände aus der Außenwelt waren in Furness verboten, daran hatte sich jeder Bürger zu halten, besonders eine Stadtwache.
 


 

Angestrengt zwang sich Sentinel dazu die Augen zu öffnen und sich würdevoll aufzurichten. Seit Stunden war er auf den Beinen, was das Stehen nicht erleichterte und seine Laune ließ auch zu wünschen übrig. Ausgerechnet heute hatte er eine Dauerschicht und sein Kollege würde ihn erst bei Sonnenaufgang ablösen. Sentinel hatte auf eine ruhige Nacht gehofft, stattdessen musste er sich also nun mit diesen orientierungslosen Golfer-Leuten rumschlagen. War es denn so schwierig Karten und Schilder zu lesen?
 

„Was ist euer Anliegen, Fremde?“, sprach er die Verirrten mit lauter, klarer Stimme an. Wenn er eins in all den Jahren in seinem Beruf gelernt hatte, dann wie man seine Müdigkeit am besten verbarg. Es war ein Talent, welches sich in vielen Lebenslagen als durchaus nützlich erwies.
 

Der Mann mit dem Zylinder antwortete ihm: „Mein Name ist Hershel Layton. Das hier sind Emmy Altava und Luke Triton. Wir wurden nach Furness gerufen, um uns des Rätsels um das mysteriöse Schwarze Mal anzunehmen.“
 

Gut, schloss Sentinel, dann handelte es sich bei diesen Leuten also nicht um eine Hobbygolfer-Familie, sondern um Reporter oder der Art. Diese waren auch nicht selten. Sie kamen und wollten Interviews führen und Fotos machen, jede einzelne Information über seine wunderschöne Heimatstadt herauspressen um dann der ganzen Welt von ihr zu erzählen, damit Touristen vorbeikamen, das Umland mit sogenannten Hotels bebaut wurden und ganz viele Firmenchefs von der Vermarktung von Furness profitieren konnten. Und sie sähen davon keinen Penny. Nur Müll, den diese Touristen auf ihrem schönen Grund und Boden zurückließen. Sentinel kannte diese Geschichten zuhauf. In ihrer Dreistigkeit erfanden sie nun auch noch Gründe um sich in die Stadt zu schleichen! Aber nicht mit ihm.
 

„Und von wem, wenn ich fragen darf?“, erwiderte die Stadtwache spitz.
 

Der Junge wedelte mit einigen Papieren in der Hand herum.
„Ihrer Majestät, der Königin von Furness!“, platzte er hervor.
 

„Sie sehen also, dass wir auf royaler Mission unterwegs sind“, fügte die Frau im gelben Oberteil hinzu.
 

„Das glaube ich erst, wenn ich es sehe! Tse!“
 

Sentinel verließ nur ungern seinem Posten - genau genommen bewegte er sich einfach nur ungern - und stieg die Leiter hinab zum Tor. Dabei murmelte er Dinge wie „Sowas ist mir ja noch nie untergekommen“ und „Eine Frechheit“. Er hatte doch nur ein Nickerchen machen wollen. All die körperliche Anstrengung schadete seinem Gemüt noch mehr.
 

Missmutig öffnete er das Holzfenster, um sich die Papiere näher ansehen zu können. Der Junge reichte sie ihm durch die Luke. 

 

Die müden Augen der Stadtwache überflogen im Fackellicht die, für seinen Geschmack, viel zu verschnörkelte Schrift. Voller Entsetzen weiteten sie sich immer mehr. Anscheinend hatten diese Leute recht. Sie waren auf Geheißen der Schwarzen Königin hergekommen. Ihre Unterschrift zierte feinsäuberlich das Ende des Briefes.
 

„Donnerwetter. Das ist ja-“, Sentinel räusperte sich kurz, „Verzeiht. Wie mir scheint, sind Sie offizielle Gäste der Stadt. Ich werde sogleich das Tor für Sie öffnen.“
 

Eilig drehte die Wache an der schweren Kurbel, welche den massiven Balkenriegel langsam von seinem Ruheplatz wegzog. Die Konstruktion wehrte sich ein bisschen, doch das war nach Jahrzehnten ohne Wartung absehbar gewesen. Dass sie sich überhaupt bewegte, glich einem Wunder. Mit aller Kraft zog Sentinel an dem großen Tor und öffnete es einen Spalt, gerade breit genug, sodass eine Person durch passte.
 

„Bitte tretet ein. Euer Gefährt hingegen lasst draußen stehen.“
 


 

Nachdem der Professor sein Mobil sorgfältig abgeschlossen hatte quetschten sich die drei Reisenden nacheinander durch die Öffnung in die Stadt. Mit einem lauten Rumsen fiel das Tor hinter ihnen zu und die Wache kümmerte sich darum, alles wieder gut zu verschließen.
 

Furness bot ihnen einen prachtvollen ersten Eindruck. Zur späten Stunde waren die Laternen und Gaststätten hell erleuchtet und tauchten die Umgebung in ein warmes Licht. Dumpf klangen die Gespräche und das Klirren von Geschirr auf die Straße. Die Gebäude glichen rustikalen Fachwerkhäusern, welche allerdings in zwei oder drei Etagen gestapelt waren. Die untersten beherbergten Geschäfte, einige Keller waren zu Gasthöfen umfunktioniert Treppen führten in die oberen Stockwerke, welche Wohnstuben beherbergten. Viele Schornsteine zierten die Dächer, aus einigen dampfte und qualmte es.
 

„Willkommen in Furness“, ließ die Wache noch verlauten, ehe sie die Leiter zu ihrem Posten wieder erklomm.
 

Professor Layton erwiderte ihm noch ein „Vielen Dank“ ehe sich die kleine Gruppe tiefer in das Innere der Stadt wagte.
 

Am liebsten wollten Emmy und Luke ihrem Forschungsdrang nachgehen, doch der Professor stellte fest, dass das Beziehen einer Unterkunft höchste Priorität hatte. Die Rätsel würden ihnen schon nicht weglaufen, es hatte also keine Eile. Sie konnten die Stadt auch noch nach Sonnenaufgang erkunden.
 

„Aber Professor, ich glaube nicht, dass es hier Hotels geben wird“, warf Luke ein.
 Ohne Touristen hatte es schließlich keinen Sinn Zimmer zu vermieten.
 

Emmy zuckte mit den Schultern und meinte optimistisch: „Vielleicht gibt es eine Wohngemeinschaft die noch ein paar freien Betten hat? Da lässt sich bestimmt etwas finden. Lasst uns erstmal etwas essen, ich hab ganz schönen Kohldampf.“
 Zielstrebig lief sie zur erstbesten Gaststätte vor.
 

„Warten Sie, Emmy! Ich komme mit!“, rief Luke und eilte ihr hinterher. „Worauf warten Sie, Professor?“
 

Für eine kurze Weile hatte sich Layton in seinen Gedanken verloren. Sein Gehirn lief auf Hochtouren, verarbeitete die vielen Eindrücke und knüpfte Verbindungen, stellte Fragen und suchte Antworten. Lukes Zuruf holte ihn ruckartig aus seinen Gedanken hinaus. Layton schüttelte leicht den Kopf, um sich wieder auf das Geschehen um ihn herum konzentrieren zu können und folgte seinen Assistenten mit gemächlichen Schritten.
 


 

Ein hölzernes Schild verkündete den Namen der Gaststätte, welche Emmy kurzerhand ausgesucht hatte: Die Finnamore Bar. In ihr wurde klangvolle Musik gespielt, zu welcher einige Gäste ausgiebig tanzten. Den Professor erinnerte sie an die Swing-Lieder, mit denen er aufgewachsen war. Viele Tische standen frei und so setzten sie sich an einen in der Nähe der Theke.
 

Die beschürzte Frau hinter dem Tresen säuberte beiläufig ein paar Gläser und ließ ihren Blick zu den eingetroffenen Gästen schweifen. Augenblicklich hielt sie in ihrer Bewegung inne. Diese Leute kannte sie nicht. Das war unmöglich! Sie kannte jeden in dieser Stadt! Das musste bedeuten-! Vor Schreck ließ sie beinahe das Glas fallen. Fremde. Von der Außenwelt. Aber das hieße doch, dass sie das Tor geöffnet hatten! Jeder kannte die Regeln: Nichts und niemand durfte aus der Stadt weder hinaus noch hinein. Was hatte das also zu bedeuten?
 

Mit einem freundlichen Lächeln winkte der Professor die Kellnerin zu sich heran.
 

„Guten Abend“, stotterte die Frau und versuchte dabei nicht aus Nervosität das Geschirrtuch in ihren Händen zu erwürgen. So etwas wie neue Gäste kannte sie nicht. So etwas gab es nicht. Es war viele Jahre her, dass sie sich das letzte Mal vorstellen musste. „Ich bin Benz Finnamore, das hier ist meine Bar. Was kann ich Ihnen bringen?“
Sie musste sich selbst zugestehen, dass es gar nicht so schlecht war, obwohl ihr die Übung fehlte.
 

„Wir hätten gerne eine Kanne Tee und dreimal ihr Tagesgericht“, bestellte Emmy.
 

Benz blinzelte die junge Frau, welche ungefähr in ihrem Alter sein musste, perplex an.
 

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, falls wir Sie überrumpelt haben“, warf Layton hastig ein, seine guten Manieren stets im Hinterkopf haltend.
 

Die Besitzerin winkte ab schüttelte den Kopf. „Oh, kein Problem. Es ist nur so, dass wir äußerst selten Gäste von Außerhalb haben. Also, schwarzer Tee und Cullen Skink für drei, alles klar.“ Mit diesen Worten düste Benz geschwind zur kleinen Küche.
 

Luke sah den Professor fragend an. „Was ist denn Cullen Skink?“
 

„Soweit ich weiß handelt es sich dabei um eine Fischsuppe. Es könnte sich hier allerdings auch um eine abgewandelte Spezialität handeln“, antwortete Layton.
 

„Schottische Küche ist dafür bekannt, dass sie deftig ist und gut sättigt“, fügte Emmy hinzu. „Genau das richtige für einen leeren Magen!“
 

Kurze Zeit später kehrte Benz an ihren Tisch zurück, während sie geschickt ein großes Tablett mit ihrer Bestellung balancierte. Sorgfältig richtete sie Getränke und Essen an. „Ich wünsche einen guten Appetit.“
 


 

Wohl genährt sanken Luke und Emmy auf ihren Stühlen zusammen und rieben sich die Bäuche. Sie hatten was Nachschläge anging kräftig reingehauen. Es war jedes Mal erstaunlich zu sehen, wie viel in diese schmalen Körper reinpasste.
 

Die fröhliche Musik war inzwischen verklungen und die meisten Gäste hatten sich verabschiedet um heimzukehren. Die wenigen übrigen waren dabei ihr letztes Bier auszutrinken. Es wurde zunehmend ruhiger in der Bar.
 

Schwungvoll stellte Benz einen Stuhl an den Tisch der Neuankömmlinge und gesellte sich zu ihnen. Ihre Nervosität war abgeklungen und die Neugier packte sie. Sie sah eine gute Gelegenheit die Fremden kennenzulernen.
 

„Ihr habt mir noch gar nicht erzählt, wer ihr seid“, platzte sie mit der Tür ins Haus. In Furness galt es als Unding nicht jede Person mit Namen zu kennen. Ohnehin war dies fast unmöglich, außer man besaß ein schreckliches Gedächtnis. 
Höflich stellten sich die drei also erneut vor.
 

Benz erfuhr, dass sie extra aus London hergereist waren. Sie nahm an, dass es ein weiter Weg gewesen sein musste. Insgeheim hatte sie nämlich keine Ahnung, wo dieses London lag. Landkarten gab es hier nicht. Sie wusste nur, dass es sich um die Hauptstadt Englands handelte. Fasziniert lauschte sie, als die drei den Grund für ihren ungewöhnlichen Besuch nannten. Es waren ihr selten so interessante und sympathische Leute begegnet. Und es war so erfrischend ihnen zuzuhören.
 

„Sagt mal, wo werdet ihr die Nacht eigentlich schlafen?“, fragte Benz schließlich.
 

Ihre Gäste sahen sich etwas ratlos an.
 

„Wir hatten gehofft, Sie könnten uns da etwas empfehlen, Frau Finnamore“, erwiderte der Professor.
 

„Tut mir Leid, etwas empfehlenswürdiges existiert hier leider nicht“, entgegnete Benz. Sie blickte in die enttäuschten Gesichter und überlegte sich schnell etwas. Immerhin konnte sie diese netten Leute nicht einfach im Stich lassen. „Aber ich habe oben ein kleines Zimmer mit einem Sofa und Kissen. Vielleicht könnte man sich da arrangieren?“
 

„Haben Sie vielen Dank. Das ist sehr großzügig von Ihnen.“

Die Bestehensprüfung

Ein neuer, grauer Tag brach über die nördlichen Landen von Schottland herein. Das Zierzen der frühen Vögel erklang nur leise aus den Bäumen, als beklagten sie sich unzufrieden über den Morgen, welcher nicht so richtig hell werden wollte, und drehten sich stattdessen lieber noch einmal um. Nichtsdestotrotz begann das Leben in den Golfbetrieben, wo der Rasen gemäht werden wollte, auf den Feldern, die abgeerntet wurden und auch das ruhige Furness wachte langsam auf.
 

Die Menschen schlenderten über die Straßen und begrüßten sich freundlich, wenn sie einander begegneten. Man hielt Plausche über das typische Wetter, die Gesundheit der Familie und der Tagesplanung. Dann wünschte man sich gegenseitig gutes Gelingen für die Arbeit und ging weiter seines Weges, bis man den nächsten Bekannten traf. Oft stand man in Gruppen zusammen, um Zeit zu sparen. So hatte es sich in Furness eingebürgert, dass einige Leute jeden morgen auf dem großen Platz ein ruhiges Frühstück abhielten. Wer mochte konnte sich dazu gesellen.
 

Professor Layton, Emmy und Luke fanden sich, teilweise noch verschlafen, um sieben Uhr auf dem großen Platz ein. Benz bestand darauf, dass die drei Besucher am alltäglichen Leben teilhaben sollten um die Stadt kennenzulernen. Sie hatte jedem von ihnen etwas Gebäck und eine Tasse Tee in die Hand gedrückt und sie losgeschickt. 
Und obwohl sie Fremde waren, begrüßte sie ein jeder auf die gleiche familiäre Weise, wie jeder andere Bürger von Furness. Es erweckte den Anschein, dass niemand überrascht war, neue Gesichter in der Stadt zu sehen. Man unterhielt sich auf ganz normale Weise mit ihnen und band sie in seine Gespräche ein.
 

Vor der Mittagszeit würde die Finnamore Bar nicht öffnen, und so nutzte Benz die Gunst der Stunde und durchquerte rasch die Straßen um den Besitzer einer kleinen Werkstatt drei Blöcke weiter aufzusuchen.
 

Im Gegensatz zu den meisten anderen Städten konzentrierte sich die Infrastruktur von Furness auf das Soziale Leben. Wenn man durch das Tor in die Stadt trat gelang man direkt zum großen Platz, welcher von Gaststätten, Ateliers, Friseuren und verschiedenen Tante Emma Läden umringt war. Sie bildeten das Zentrum. 
An ihnen grenzten Boutiquen, Bäcker, eine Marktstraße und sonstige Etablissements. 
Dahinter bauten sich die ersten Arbeitsviertel auf, welche größtenteils aus Werkstätten bestand. Ob für Geräte, Schuhe oder Hüte - jedes Handwerk hatte seinen Platz. Auch Ärzte waren in diesem Teil untergekommen, da ihre Arbeit ebenfalls als ein zu erlernendes Handwerk angesehen wurde. 
Den äußersten Bezirk bildeten Bauernhöfe, Fischereien, Holzfällerbetriebe und alles, was sonst Platz und Nähe zur Natur benötigte.
 

Die Idee, das Wohngebiet auf die zweite und eventuelle dritte Ebene zu bauen, war aus der Platznot hervorgegangen. Anfangs hatte man geplant, dass die Menschen in Wohnstuben über ihren Arbeitsplätzen lebten. Das ging auch einige Jahre gut. Doch dieses Prinzip beizubehalten wurde bei wachsender Bevölkerung zunehmend schwieriger. Zudem wurden, einige Jahrzehnte später, Betriebe nicht mehr, wie früher gewöhnlich, generationsübergreifend weitergegeben. Die Nachkommen wollten oft einen ganz anderen Beruf ergreifen, als den, welchen ihre Eltern ausübten. So wurde die Wohnsituation mit jeder Generation chaotischer und inzwischen war es zu einer Seltenheit geworden, dass ein Arbeiter in der Nähe seines Ladens oder seiner Werkstätte nächtigte.
 

Toto O’Donnell war einer solcher Querschläger, mit dem unverschämtem Glück eine Wohnung über seiner Werkstatt zu besitzen. Seine Eltern waren Bäcker gewesen, doch schon in seiner Kindheit verstand er, dass Früh Aufstehen nicht zu seinen Stärken zählte. Lieber schlief er bis spät in den Tag und arbeitete dafür bis spät in die Nacht an seinen Projekten. Sehr zum Argwöhnen seiner Nachbarn, welche sich durch das Schleifen von Holz und Hämmern zur vorangeschrittener Stunde belästigt fühlten.
 

So kam es, dass Toto auch an diesem Morgen noch im tiefen Schlummer in sein Kissen sabberte, während seine Mitmenschen ihren Arbeitsweg bestritten.
 

Lautes Klopfen riss ihn jedoch aus dem schönen Traum, in welchem er gerade von vielen kleinen Hundewelpen neugierig beschnüffelt, angeleckt und liebevoll angeknabbert wurde.

Erschrocken fuhr der junge Mann auf, den Blick desorientiert und mit nur halb geöffneten Augen ungefähr in Richtung Tür gerichtet.
 

„Wrsja?“, schoss es aus seinem Mund, ehe dieser die Worte richtig formen konnte.
 

„Dein Weckdienst, wie’s aussieht“, klang die Stimme von Benz dumpf von der anderen Seite der Tür.
 

„Wahte-imma-uf“, nuschelte Toto und schälte sich mühselig aus dem Laken und torkelte durch das Zimmer.
 

Seine Finger tasteten blind nach dem Schlüssel und drehten ihn im Schloss herum. Mit der anderen Hand rieb sich währenddessen den Schlaf aus den Augen und gähnte herzhaft. Sein Mund war noch sperrangelweit geöffnet, als er die junge Frau hinein ließ und zur Begrüßung nickte.
 

„Charmant, wie eh und je“, kommentierte Benz sein Verhalten trocken.
 

„Ich bin ein Gentleman“, protestierte Toto und gähnte erneut. Er ließ die Tür zurück ins Schloss fallen und schlurfte zur kleinen Kochnische um Tee aufzusetzen.
 

„Nur nicht bei Tageslicht“, stimmte Benz zu.
 

Ausgiebig kratze sich Toto mit der einen Hand am Kopf, das brünette Haar kämmend, und mit der anderen am, mit einer gestreiften Schlafhose bedeckten, Hintern. Benz hatte noch nie im Leben einen Affen gesehen, aber wenn man ihr einen beschreiben müsste, bot sich dieser Anblick als einen schnellen und einleuchtenden Vergleich an. 
„Was kann ich also zu dieser unheiligen frühen Stunde für dich tun?“
 

Benz warf einen kurzen Blick auf die Wanduhr. Ihre Zeiger überquerten gerade wacker die halb Neun Marke. Abfällig rollte sie mit den Augen. Sie unterdrückte einen genervten Seufzer und nutzte die Luft in ihren Lungen um stattdessen ihre Erzählung zu beginnen.

„Ich bekam gestern Abend interessanten Besuch.“
 

Das schrille Pfeifen des Wasserkessels unterbrach die spannende Geschichte über die Außenseiter, welche sich Zugang in die Stadt verschafft hatten. Eilig nahm Toto das Kesselchen vom Herd runter und schüttete das kochende Wasser in zwei Tassen.

Seine Gedanken kreisten um Benz’ Beschreibung der drei Personen. Ein Professor, eine Frau und ein Junge aus London. Ein hoher, brauner Zylinder. Irgendwie kam ihm das bekannt vor. Eine Zuordnung, woher er sie kennen könnte, schien ihm beinahe unmöglich. Obwohl, wenn er genauer drüber nachdachte, gab es überhaupt nur eine Möglichkeit.
 

„Und dann habe ich- … hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Benz. Sein geistesabwesender Blick war kaum zu übersehen. Sie kannte diesen Phasen von ihm und sparte sich ihren Atem lieber, bevor sie später alles noch einmal erklären musste.
 

Zylinder. Professor. Archäologie! Mit einem lauten Knall landete das Kesselchen wieder auf dem Herd und Toto stürmte in seinem Geistesblitz zu seiner Kommode. Er riss deren Schubladen auf und verteilte den gesamten Inhalt großzügig auf dem Boden.

Interessiert beobachtete Benz das Treiben und rührte in ihrer Teetasse. Bemerkenswert, wie plötzlich er auf Hochtour laufen konnte. Und das ganz ohne einen Tropfen Koffein. Vorsichtig nahm sie einen Schluck und verbrannte sich trotzdem prompt den Gaumen.
 

Papiere und Zeitungen wurden hektisch durchwühlt. Toto blätterte in einer Handvoll von ihnen und schmiss die Sammlung dann achtlos zur Seite. Auf einmal stieß er ein triumphierendes „Aha!“ aus und hielt einen zerfledderten Zeitungsartikel in die Höhe.

Der junge Mann sprang auf und war mit einem Satz wieder bei Benz um ihr das Papier unter die Nase zu halten.
 

„Hershel Layton, Professor für Archäologie an der Gressenheller Universität in London! Er ist dafür bekannt Mysterien aufzuklären!“, sprudelte es stolz aus Totos Mund.
 

Benz nahm ihm den Ausschnitt aus der Hand und studierte ihn eingehend.

„Das ist er!“, gab sie erstaunt von sich, als sie ein kleines Bild des Gentleman mit Zylinder erblickte. „Hier steht, dass es Professor Layton und seinen Assistenten zu verdanken ist, dass Misthallery von dem Fluch des Phantoms befreit sei. Er entlarvte den Drahtzieher und hat außerdem noch den Goldenen Garten entdeckt.“ So recht wusste sie nicht, was das bedeutete, aber es klang großartig.
 

Auch Totos Augen strahlten voller Erwartungen. „Er könnte uns helfen! All die offenen Fragen in dieser Stadt beantworten! Wem der Professor hilft, kann ein besseres Leben versprochen werden! Weißt du, was das heißt, Benz?!“
 

„Dass du dich erstmal wieder beruhigen solltest. Wir wissen nicht, ob er wirklich der Echte ist. Geschweige denn, ob er uns überhaupt helfen wird“, erwiderte die Angesprochene ruhig.
 

Da sprach sie einen wunden Punkt an, mit dem sie leider Recht hatte. Es könnte sich bei dem Herren um einen Schwindler handeln, welcher sich für den Professor ausgab, um… tja, wozu eigentlich? Soweit Toto wusste, gab es nichts in Furness, was es sich lohnte zu stehlen. Warum sollte jemand freiwillig den Aufwand betreiben, sich Zugang in die Stadt zu verschaffen, wenn es hier eh nichts zu holen gab? Kein überragendes Wissen, keine unnachahmliche Technik, keine unzähligen Reichtümer. Toto kam zu dem Schluss, dass es sich höchstwahrscheinlich um den wahren Professor Layton handeln musste. Doch wie konnten sie sich dessen sicher sein? Für ihn war er ein Mann der Mysterien.
 

Plötzlich hatte Toto einen grandiosen Einfall. Er schlug mit der Faust auf seine Handfläche und sein Gesicht erstarrte in diesem typischen Ausdruck der Erleuchtung. „Ich werde ihn ausfindig machen. Und dann stelle ich ihm ein Rätsel, welches nur er lösen kann“, sagte er entschlossen.
 

„Und was soll das für eins sein? Versteh mich nicht falsch, aber nur weil du es nicht lösen kannst, heißt es nicht, dass es eine unglaublich schwere Knobelaufgabe ist“, entgegnete Benz trocken.
 

Für diese Aussage erntete sie ein empörtes „Hey!“. Es führte immerhin eigentlich kein Weg daran vorbei, die unterschwellige Botschaft nicht zu bemerken.
 

Benz zuckte entschuldigend mit den Schultern.
 

„Natürlich kenne ich bereits die Antwort auf das Rätsel! Er soll doch nicht meine Mathehausaufgaben machen.“ 
Außerdem hatte er als ausgelernter Mechaniker schon lange keine Hausaufgaben mehr, also bitte. Vor allem keine, die er inzwischen nicht mit Links lösen könnte! Wobei Mr Finnamore’s Prüfungsaufgaben ihn damals oft ins Schwitzen gebracht hatten.
„Ich weiß auch schon genau, welches Rätsel ich ihm stellen werde. Aber dafür brauche ich deine Hilfe.“
 

Keiner der anderen Bürger von Furness zeigte sich so neugierig wie Miss Finnamore. Als der Professor, Luke und Emmy durch die Stadt spazierten fragte sie niemand, woher sie kamen und was sie zu ihnen führte. Man gab sich die größte Mühe die Fremden zu behandeln, als lebten sie schon immer hier. 
Für Professor Layton gab es viel auszukundschaften. Wer hatte den Brief an ihn geschrieben? Und was hatte es mit diesem Schwarzen Mal auf sich? Die nötigen Informationen aus den Leuten zu kitzeln stellte sich als deutlich fordernder heraus, als zu Anfang gedacht. Es hatte den Anschein, dass nicht nur das Interesse an den Besuchern sehr gering war - mehr als den üblichen Small Talk beherrschten sie nicht. 
An jeder Straßenecke und in jedem Laden vernahmen sie die selben Gesprächsfetzen. Das Wetter ist heute nicht so besonders, wie geht es der Familie, was macht die Arbeit, Tommy hat sich gestern das Bein gebrochen. 
Luke beschlich das Gefühl, dass sie in einer Stadt gelandet waren, die ausschließlich von Robotern gewohnt wurde.
 

Die Besucher nahmen sich Zeit und schlenderten durch die Straßen, sahen sich die Läden an und bewunderten die auffällig eigenartige Architektur.


Nachwort zu diesem Kapitel:
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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Zeichenfeder
2017-12-21T07:50:25+00:00 21.12.2017 08:50
Ein wirklich sehr gelungenes Kapitel!
Es gefällt mir wie du die Layton typischen Elemente einbaust, wie sein Laytonmobil und das erste Rätsel. Leider konnte ich nicht genau nachvollziehen wie Luke darauf gekommen ist, dass es sich um nur ein Schreibgerät handelt.
Mir gefällt wie die Charaktere alle in-character bleiben.
Auf jedenfall bin ich schon auf Furness gespannt. Ärgert mich schon ein wenig, dass ich jetzt zur Arbeit muss. Ich lese danach weiter ;)
Von:  Zeichenfeder
2017-12-21T06:16:53+00:00 21.12.2017 07:16
Hi ich hab die FF gerade entdeckt und kann hier schon mal sagen, dass mich das Mysterium total interessiert. Kommt wie bei den Spielen rüber!
Freut mich schon auf diesen Fall ;)


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