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An diesem ganz besonderen Nachmittag

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An diesem regnerischen Vormittag

Schon seit mehreren Stunden war Seto Kaiba wach und arbeitete an seinem Laptop, doch etwas wirklich Produktives wollte ihm an diesem Tag nicht in den Sinn kommen.

Genervt starrte er mit kaltem Blick auf den Monitor, als wäre es seine Schuld, dass er mit dem neuen Projekt für Kaiba Land nicht voran kam und fuhr sich durch die Haare.

Normalerweise flogen seine Finger nur so über die Tastatur, doch heute gab diese keinen Mucks von sich.

Einen anständigen Kaffee hatte er heute auch noch nicht erhalten.

Die Maschine in der Firma hatte den Geist aufgegeben und sein Koch in der Villa hatte ihm zuerst eine Tasse mit dunklem Wasser unter die Nase gesetzt.

Später hatte dieser sich übereifrig entschuldigt und gemeint, er hatte vergessen den Filter zu wechseln. Mit anderen Worten: Er hatte das alte, matschige Kaffeepulver noch mal durchbrühen lassen.

Der zweite Kaffee seines Kochs war noch grausiger als der erste. Es war mehr Wasser als Kaffee und zu allem Überfluss hatte dieser auch noch den Toast anbrennen lassen.

Hatte er geglaubt, er würde es nicht merken?

Über so viel Dummheit konnte er nur innerlich den Kopf schütteln und verzog angeekelt das Gesicht bei dem Gedanken.

Zum Glück war er heute früh so in Eile gewesen, dass er ihm noch keine Standpauke halten konnte. Aber das würde er noch nach holen, allein deshalb, weil sein Magen jetzt ein wenig knurrte und er noch keine Zeit hatte etwas zu essen.

Vermutlich war das der Grund, wieso er noch keinen Gedanken ins Dokument geschrieben hatte, obwohl er schon seit fünf Stunden daran arbeitete.

Er litt eindeutig unter Kaffeeentzug!

Angespannt seufzte er leise und klappte entnervt den Laptop zu.

Das brachte alles gar nichts.

Obwohl er seine Ruhe hatte, keine Telefonanrufe, keine Sekretärin, die störte, keine unerwünschten Firmenübernahmen, kein nervender Kindergarten und keine Duelle, bekam Seto nichts zu stande.

Es gab nur eines, was ihn nervte und das war zum einen, das laute Prasseln von Hagel und Regen auf dem Autodach und zum anderen das lästige Hupen der anderen Verkehrsteilnehmer.

Er lehnte sich in die Sitze seines Wagens zurück und atmete tief durch.

Ein Blick auf die Uhr verriet, dass er noch einige Zeit hatte bis seine Konferenz anfangen würde. Zum Glück hatte er dieses Luftpölsterchen an Zeit und konnte somit in Ruhe in seinem Auto sitzen und den Stau abwarten, der sich durch einen Unfall bei dem Wetter gebildet hatte.

Das Luftpölsterchen an Zeit hatte er auch nur dadurch bekommen, dass der Sekretär seiner Partnerfirma vergessen hatte ihn darüber zu informieren, dass der Termin ausfallen würde, weshalb er sich umsonst dorthin begeben hatte, nur um dann zu erfahren, dass der Chef krank sei.

Seine Zeit hätte er auch sinnvoller nutzen können.

Wobei es gar nicht so schlimm war, dass der Termin ausfiel, denn seine Sekretärin hatte ihm die falschen Vertragsunterlagen in die Hand gedrückt, die er eigentlich für das Meeting gleich brauchen würde.

Heute war einer der Tage, an denen er sich wünschte niemals das Bett verlassen zu haben.

Seto ließ den Kopf in den Nacken sinken und schloss kurz die Augen.

Vielleicht konnte er ja auch ein wenig Schlaf finden, wenn er schon nicht arbeiten konnte.

Immerhin war die Nacht auch recht kurz gewesen.

Der Flug von London hin und zurück gestern und dann noch das vierstündige Meeting hatten ihn doch mehr Kraft und Energie gekostet, als er geglaubt hatte und das alles nur dafür, um sich neue Produkte anzusehen, die er absolut niemals vermarkten würde. Er war der Chef einer Spielzeugfirma und nicht von einer Schulbedarfsfirma.

Warum also sollte er Bleistifte, Federmäppchen und Schulranzen vermarkten wollen mit Duell Monstersfiguren darauf? Diese Leute hätten sich besser an Pegasus gewandt, anstatt an ihn. Immerhin hatte er das Spiel erfunden.

Seto schüttelte nur den Kopf.

Dabei hatte das Angebot sehr gut geklungen und interessant. Selbst im Bericht war kein Wort von diesem Merchandise gefallen.

Der Flug und die Konferenz waren reine Zeitverschwendung gewesen, die er doch hätte anders nutzen können.

Er hätte Mokuba ausnahmsweise mal ins Bett bringen und den Abend mit ihm verbringen können.

Aber nein! Stattdessen hatte er dem langweiligen Gerede eines schmierigeen Schleimers anhören müssen, das ihn auch noch fast eingeschläfert hätte.

Seto lehnte den Kopf zur Seite, währen der Motor des Autos ein hypnotisierendes Summen von sich gab.

Das Wetter war einfach furchtbar für Sommer.

Zuerst war es tagelang unglaublich heiß gewesen, so dass die Klimaanlage in seiner Firma auf Hochtouren lief und nun war es bewölkt, regnerisch und drückend heiß.

Die Luft war zum schneiden dick, kein Lüftchen wehte und selbst der Regen brachte kaum Abkühlung.

Es fühlte sich eher so an, als würde es nicht mehr lange bis zu einem Hitzegewitter dauern.

Feine Wassertropfen hatten sich an der Innenseite des Fensters gebildet und liefen langsam aderförmig daran herunter.

Wie gebannt sah Seto auf einen Tropfen und folgte mit den Augen seinem Weg.

Mit seinem Ärmel wischte er den Beschlag fort und sein Blick fiel aus dem Fenster.

Eine junge Frau auf dem Fahrrad hielt neben seinem Fenster.

Durch die schwarz abgetönten Scheiben konnte sie zum Glück nicht herein sehen und bemerken, wie er sie musterte.

Sie schien vom Regen genauso überrascht worden zu sein, wie viele andere Passanten auf der Straße auch.

Ihre Haare hingen ihr offen auf der Schulter und waren triefnass. Da schützte sie auch der Helm nicht.

Ihr kurzes Shirt und die kurze Hose klebten an ihrer Haut und unaufhörlich liefen ihr die Regentropfen in den Nacken und an der nackten Haut entlang.

Er konnte erkennen, dass sie ein wenig fror.

Die feinen Härchen auf ihrem Arm hatten sich aufgestellt und sie hatte den Kopf ein wenig eingezogen, als würde es sie davor schützen, weiter nass zu werden.

Eine weitere Person erregte seine Aufmerksamkeit.

Ein älterer Herr in Sportkleidung lief auf dem Gehweg entlang und seine Sportkleidung triefte vor Nässe.

Ihm schien das Wetter nicht im geringsten zu stören.

Im Gegenteil.

Er hatte seine Kopfhörer im Ohr und lief mit erhobenem Haupt die Straße entlang.

So knallhart waren nicht viele.

Allein an seine durchtrainierten Waden, konnte Seto erkennen, dass er schon sein vielen Jahren trainierte.

Der Anblick des Mannes erinnerte ihn an früher.

Vor ein paar Jahren war er auch jeden Nachmittag durch die Straßen gelaufen. Egal wie heiß oder kalt es gewesen war. Aber im Gegensatz zu dem Mann hatte er es nicht freiwillig getan.

Sein Sportlehrer hatte ihn dazu genötigt.

Zum Glück war diese Zeit schon lange vorbei, dass er unter den Fittichen seines Stiefvaters stand und sich von ihm sein Leben vorschreiben lassen musste.

Wenn er daran zurück dachte, fiel ihm auf, dass ihm die Gegend wage bekannt vorkam.

Sein Blick fiel auf einen Schnellimbiss, der in großen Buchstaben frisches Brathuhn anbot.

Seto erinnerte sich leicht daran, dass er daran immer vorbei gelaufen war und im Sommer eine saunartige Hitze von dem Laden ausgeströmt war, wenn die Tür offen gestanden hatte.

Diese Hitze hatte sein Training nicht unbedingt angenehmer gemacht.

Es überraschte ihn schon ein wenig, dass der Laden noch immer existierte und nicht von großen Ketten vertrieben worden war, wie die mit dem großen goldenen Bogen und dem schottisch klingenden Namen oder der mit dem Adelstitel.

Wenn er so über das Essen nachdachte, fing sein Magen leicht zu knurren an und erinnerte ihn daran, dass er seit fast einem Tag nichts mehr gegessen hatte.

Ein Seufzer entfuhr ihm.

Wie lange dauerte der Stau denn noch?

Genervt sah er wieder aus dem Fenster.

Noch immer stand dort die Fahrradfahrerin von eben.

Sie sah so missmutig aus, wie er sich fühlte.

Ein wenig Mitleid überkam ihn, aber er war kein Taxiunternehmen, das einfach so wildfremde Frauen mitnahm.

Wie würde es außerdem aussehen, wenn er sie einfach so einlud mit sich im Auto zu fahren?

Entweder hielt sie ihn für einen Entführer oder einen notgeilen reichen Sack und keines von beidem half seinem Ansehen oder dem Ruf seiner Firma.

Vor allem, wieso hatte er Mitleid mit ihr? Es war ja nicht so, als ob er sie kennen würde.

Warum also sollte er Mitleid mit ihr haben?

Seine Augen fielen auf das Fahrrad.

Es war nicht das neueste Model und der dunkelblaue Lack war an einigen Stellen schon abgekratzt.

Sicherlich hatte es auch schon die ein oder andere Reparatur hinter sich gehabt.

Aber wenigstens hatte die junge Frau daran gedacht, Reflektoren und Lampen anzubringen.

Ein Sticker am Rahmen erregt seine Aufmerksamkeit.

Die Farbe war ein wenig verblasst und an einigen Stellen war er abgerissen, aber Seto konnte noch deutlich erkennen, dass es mal eine Blumenranke gewesen war.

Verwirrt runzelte er die Stirn.

Irgendwoher kannte er es. Aber seine Erinnerung wollte ihm nicht sagen, woher.

Nur ganz dunkel sagte sein Unterbewusstsein ihm, dass es etwas mit dem Lauftraining vor ein paar Jahren zu tun hatte.

Hatte es nicht jemanden gegeben, der ihm geholfen und ihn mit dem Rad mit genommen hatte?

Seto schüttelte den Kopf und zwang sich seinen Blick von der Frau und dem Fahrrad zu nehmen.

Es war absoluter Unsinn!

Er hatte es mit Sicherheit nicht nötig gehabt, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Aber wieso war er sich dessen nicht ganz sicher?

Jahrelang hatte er nicht mehr an diese Zeit gedacht und jetzt überkam es ihn.

Was war nur los?

Er war doch sonst nicht so drauf, dass er sich Gedanken um das Vergangene machte.

Im Gegenteil.

Seto hatte es geschafft, diese schwere Zeit erfolgreich zu verdrängen und keinen einzigen Gedanken mehr daran zu verschwenden.

Er verschränkte die Arme und schloss die Augen.

Es konnte nur an der Übermüdung liegen, versuchte er sich einzureden und seufzte erschöpft.

Sein Köper brauchte ein wenig Ruhe und Schlaf und diesmal konnte er sich dem nicht widersetzen.

Seto spürte noch wie der Wagen leicht anfuhr und wieder stoppte, ehe er einschlief.
 

Es war kein besonderer Tag in seinem Leben. Es war ein Tag wie jeder andere auch.

Es gab keinen Grund, wieso dieser Tag auch besser oder schlechter sein sollte als die anderen Tage im Jahr auch. Selbst Geburtstage, Weihnachten oder Neujahr war in seinem neuen Leben kein besonderer Tag mehr.

Jeder Tag lief nach dem gleichem Schema ab.

Er stand auf, frühstückte und ging in den Unterricht zu seinen Privatlehrern bis zum Mittagessen. Dann folgten der Nachmittagsunterricht, eine kurze Pause und ein wenig Sport. Es folgte Abendessen und Abendstunden.

Selbst in der Zeit als für alle anderen Schüler Ferien waren, lief sein Tag nach diesem Muster ab. Es gab so etwas wie Urlaub und Ferien für ihn nicht.

Wenn er es zwischen seinen Unterrichtsstunden schaffte, brachte er seinen kleinen Bruder noch zum Privatlehrer, ehe er selbst wieder lernen musste.

Die Unterrichtsstunden brachten auch keine wirkliche Überraschung mehr. Der Lehrer war immer derselbe und auch der Unterricht lief im gleichen Schema ab.

Niemals würde der Lehrer es wagen vom Plan abzuweichen. Dafür hatten sie viel zu große Angst vor seinem Stiefvater und auch er konnte sich gegen ihn nicht zur Wehr setzen.

Er musste sich eingestehen, dass sein Leben nicht einen Moment so nach Plan verlaufen war, wie er es sich eigentlich vorgestellt hatte. Seine Erwartungen waren ganz anders gewesen.

Es war nicht so, als hätte er nicht gewusst, worauf er sich eingelassen hatte. Es war auch nicht so, als hätte er nicht gewusst, dass es schwer und hart werden würde, aber so wie sein Leben verlaufen war, hatte es selbst sein Vorstellungsvermögen überschritten.

Seine kurze Trainingshose hatte er bereits angezogen und auch das kurze Shirt, das nach seinem Langstreckenlauf durch das Stadtviertel sicherlich wieder in den Wäschekorb wandern durfte. Besonders jetzt im Sommer, wenn die Sonne auch noch gnadenlos auf ihn herab scheinen würde, würde er noch mehr schwitzen.

Er saß noch in seinem Zimmer auf dem Bett und band sich die Laufschuhe zu.

Diese Sportstunden am Nachmittag hasste er wie die Pest und allein beim Gedanken wieder die nächsten zwei Stunden nur laufen zu müssen, verzog er das Gesicht und schnitt eine Grimasse.

Bisher hatte er es nie geschafft die Zeit einzuhalten und in zwei Stunden durch die vorgegebene Strecke des Stadtviertels zu laufen.

Immer kam er erst nach den abgelaufenen zwei Stunden wieder in der Villa an und war außer Atem.

Besonders jetzt in den warmen und unerträglich heißen Sommertagen hatte er schon einige Mal das Gefühl gehabt einem Hitzschlag nahe gewesen zu sein.

Seine Lunge hatte vor Schmerz gebrannt und seine Knie hatten sich angefühlt, als wären sie aus Wackelpudding gemacht.

Doch eine Pause war ihm nicht vergönnt.

Noch in derselben Minute, wie er durch die Tür kam und außer Atem war, durfte er sich eine Standpauke von seinem Lehrer gefallen lassen, der ihn zusammen stauchte.

Er hörte ihn jetzt schon wieder lautstark schreien, so dass er glaubte, sein Trommelfell würde platzen.

Der Mann war die reinste Pest.

Jedes Mal baute er sich vor ihm auf, stemmte die Hände in die Hüften und schrie ihn an, so dass er sich in Acht nehmen musste nicht angespuckt zu werden.

„Jede Oma wäre schneller…“, nuschelte Seto in seinen imaginären Bart und äffte seinen Sportlehrer nach. „Du wirst es nie zu etwas bringen. Du bist ein Versager. Selbst meine Urgroßmutter wäre mit Krügen schneller und würde nicht so schwitzen…blablablabla.“

Er verzog das Gesicht und band sich den anderen Schuh zu.

Allein bei dem Gedanken an die nächste Standpauke hatte er das Gefühl sich übergeben zu müssen.

Denn sobald sein Sportlehrer mit ihm fertig war, würde er die nächste von seinem Stiefvater erhalten und diese war noch mal um eine Spur härter.

„Du wirst es nie zu etwas bringen, Seto…“, äffte er seinen Stiefvater nach, „Du wirst ein Versager bleiben….dem wird ich es schon noch zeigen!“

Leise knurrte er und stand auf.

Seto warf einen Blick nach draußen.

Die Sonne schien hell und erbarmungslos auf die Straßen der Stadt nieder und kein Wölkchen war am Himmel, was ein wenig Schatten spenden würde und ihm damit die Lauferei ein wenig erträglicher machte.

Schnell nahm er noch ein paar hastige Schlucke aus der Wasserflasche, die auf dem Tisch stand, ehe es losgehen würde.

Die nächsten zwei Stunden draußen in der brütend heißen Hitze würden zu einer reinen Folter werden und jedes bisschen Wasser würde helfen.

Nie hätte er geglaubt, dass er bis an seine Grenzen und darüber hinaus würde gehen müssen.

Aus der Halle unten hörte er jemanden seinen Namen rufen.

Seto seufzte gequält und ging langsam aus seinem Zimmer.

Er wollte das Unvermeidliche solange hinaus zögern wie es ging und genoss die klimatisierte Luft des Hauses.

Als er am Wohnzimmer vorbei ging, sah er seinen kleinen Bruder, wie er in ein Buch vertieft war.

Seto schmunzelte etwas.

Sein Bruder hatte eine merkwürdige Art und Weise ein Buch zu lesen.

Statt wie jeder normale Mensch sich auf das Sofa zu legen oder zu sitzen, lag er nur mit dem Rücken auf dem Sofa.

Seine Beine lagen über der Lehne und wippten hin und her, während sein Kopf gar nicht erst auf dem Sofa lag, sondern mehr unter der Glasplatte des Tisches hing.

Diese Position sah mehr als nur unbequem aus und erinnerte an eine verkrampfte Yoga-Übung oder an eine mittelalterliche Foltermethode.

Vielleicht war es auch beides. Seto war sich nicht so sicher.

Mit Yoga kannte er sich nicht so gut aus im Gegensatz zu den Foltermethoden des Mittealters, die ihn sein Geschichtslehrer anhand von Schaubildern und Texten gezeigt hatte.

Seto schüttelte nur den Kopf über die kleine Fledermaus namens Mokuba.

Wenn er genau darüber nachdachte, lag sein Bruder immer auf dem Boden oder saß in total verdrehten Stellungen auf dem Mobiliar. Einzige Ausnahme bildete der Unterricht oder das Essen.

Aber selbst dort wippte er ständig mit den Füßen.

Sein kleiner Bruder war wie eine kleine Sprungfeder.

Ständig war er in Bewegung, unermüdlich und biegsam.

War er als kleiner Junge aus so gewesen?

Seto konnte sich nicht daran erinnern.

Wieder hörte er seinen Namen rufen und ging mit einem letzten Blick auf seinen Bruder weiter durch die Flure.

Seine Gedanken schweiften zurück zu dem Tag, als er zum ersten Mal durch die große Doppeltür gegangen war.

Als er das Waisenhaus mit Mokuba verlassen hatte, hatte er nur eine grobe Vorstellung von dem gehabt, was ihn erwartet hatte.

Das Anwesen der Kaibas war riesig und sein Zimmer war dreifach so groß wie das, in dem er bisher gelebt hatte. Der Teppich war weich und es roch im ganzen Haus nach Politur und neuen Sachen.

Es gab keinen persönlichen Geruch, den er beschreiben konnte.

Alles roch wie neu gekauft und nach den Reinigern, die die Zimmermädchen verwendeten.

Selbst der Zigarrengeruch von seinem Stiefvater lag in keinem Zimmer in der Luft, obwohl er sehr viele davon am Tag rauchte.

Bis heute wusste er nicht, wie er das gemacht hatte.

Aber vermutlich hatte er nur die Erinnerung an diesen bestialischen Gestank verdrängt und erinnerte sich deshalb nicht mehr daran.

Seto schwörte nicht darauf, dass diese Erinnerung lupenrein stimmte.

Aber er konnte sich noch gut an den Geruch des Zimmers erinnern, das er bekommen hatte und wie er zum ersten Mal durch die großen Flure der Kaiba Villa gelaufen war.

Es war alles hell erleuchtet und alle paar Meter hing immer im gleichen Abstand zu beiden Seiten ein Wandleuchter und von der Decke ein großer Leuchter.

Ab und zu zierte ein teures Bild die Wände oder ein kleiner Beistelltisch mit einem Blumenarrangement stand an der Wand.

Alles wirkte teuer und edel.

Die Blumenvasen waren mit Sicherheit doppelt so viel Wert, wie das Gehalt eines einfachen Angestellten.

Aber in all der Zeit hatten sich die Blumen nicht verändert.

Immer standen frische gelbe Schnittblumen in der Vase und in der nächsten weiße Blumen und in der Vase danach Rote.

Die Bilder an der Wand hatten sich auch nicht verändert. Sie hingen immer noch am selben Platz. Es waren lediglich ein paar Neue dazu gekommen.

Die Tasche mit seinen wenigen Habseligkeiten, die er besaß, hatte Seto sich über seine Schulter gehängt. Sein kleiner Bruder Mokuba war ängstlich hinter ihm hergelaufen und hatte sich an seinen Pullover geklammert, während sie dem Verwalter des Hauses gefolgt waren.

Ihr neuer Stiefvater hatte sie auch nicht in Empfang genommen, aber Seto hatte auch nichts anderes erwartet.

Der Verwalter hatte ihnen erklärt, dass Gozaburo einen wichtigen, geschäftlichen Termin hatte.

Es hätte ihn auch überrascht gehabt, wenn sein neuer Stiefvater sich die Zeit genommen und sie persönlich in Empfang genommen hätte.

Seto hatte nicht wirklich erwartet, dass sie so etwas wie eine wirkliche Familie sein würden.

Als er sein Zimmer das erste Mal betreten hatte, hatte es ihm den Atmen verschlagen.

Es war im ersten Moment einfach nur gigantisch.

Etwas anderes hatte er nicht denken können.

Nachdem Seto ein paar Minuten alleine gewesen war und den ersten Schrecken verdaut hatte, hatte er begonnen sich umzusehen.

Zuerst hatte er sich voller Freude auf das Bett geworfen und war in den vielen Kissen versunken.

Es war ein riesiges Himmelbett, in dem mindestens fünf weitere Kinder mit Platz gehabt hätten.

Die Wäsche war frisch gestärkt und mit einem angenehmen, blumigen Weichspüler gewaschen worden.

Die Kissen waren weich und kuschelig.

Er hatte sich gefragt, ob er überhaupt würde schlafen können.

Auf seinem Gesicht hatte sich ein breites und zufriedenes Grinsen manifestiert, was er nicht so schnell wieder los geworden war.

Nachdem Seto eine Weile auf dem Bett gelegen und gegen den Stoff über sich gestarrt hatte, hatte er sich aufgerichtet und angefangen im Zimmer umzuschauen.

An der Wand stand ein großer Kleiderschrank und von der Decke hing ein großer Leuchter.

Die Fenster waren riesig und schwere Vorhänge hingen daran.

Ansonsten hatte es nur einen Schreibtisch gegeben, einen kleinen Glastisch und ein kleines Ledersofa.

Es hatte absolut nichts Persönliches in diesem Raum gegeben.

Aber viel Zeit zum Einrichten und entspannen blieb ihn sowieso nicht.

Dieser Tag war der letzte Tag seiner Kindheit gewesen.

Schon am nächsten Morgen, so kurz vor Tagesanbruch, dass noch die Straßenlaternen brannten, hatte der Verwalter ihn geweckt und zum Privatunterricht geholt.

Setos Schulstunden hatten fortan aus Politik, Mathematik, English, Wirtschaft, Sport, Geschichte und Technik bestanden.

Keiner dieser Fächer mochte er und einige dieser Fächer hatte er auch noch nie gehabt.

Deutlich hatte er die genervten Gesichter des Hausverwalters, seines Stiefvaters und des Privatlehrers gesehen, dass sie ihm alles von Grund auf beibringen mussten.

Was konnte er schon dafür, dass es im Waisenhaus nicht solche speziellen Fächer gab oder manche Dinge erst später unterrichtet wurden?

Bis heute fragte er sich, warum man es an ihm ausließ. Doch eine Antwort bekam er nicht.

Doch von all den Dingen, die ihm an seinem neuen Leben zu schaffen machten und die er am wenigsten leiden konnte, war der Sport am Nachmittag.

Seto löste seine Gedanken an diese Erinnerung der ersten Tage und öffnete die große Doppeltür, die in die Einfahrt führte.

Sein Sportlehrer stand schon mit in der Hüfte gestemmten Hände im Eingang und wartete ungeduldig auf ihn.

„Da bist du ja“, sagte er knapp und sah ihn herausfordernd an. „Du kennst die Strecke und du kennst das Zeitlimit.“

Seto nickte und wärmte sich wie jeden Tag mit einer kleinen Laufübung durch den Garten auf.

Die Sonne brannte ihm in den Nacken und wärmte seinen Rücken schnell auf.

Er konnte einen Schweißtropfen spüren, der ihm über den Rücken lief.

Konnte das nicht schon für den heutigen Tag reichen?

Am liebsten hätte er sich ohne zu zögern in den Pool geworfen oder in den Gartenteich, nur um sich abzukühlen.

Wieso er dieses Lauftraining in dieser versengenden Wüstenhitze machen musste, war ihm ein absolutes Rätsel.

War das nicht schon Folter?

Seto lief ein wenig in den Schatten hinein, doch das brachte nicht wirklich Kühlung.

„Komm aus dem Schatten raus!“, schrie sein Sportlehrer und er zuckte zusammen. „Mach dich jetzt auf den Weg oder wir kürzen deine Zeit um eine halbe Stunde!“

Seto knirschte mit den Zähnen und presste seinen Kiefer zusammen, um einen bissigen Kommentar runter zu schlucken und lief die Auffahrt zur Tor entlang.

Als er an seinem Lehrer vorbei lief, hörte er das Klicken der Stoppuhr.

Am liebsten hätte er nicht zum ersten Mal seinem Lehrer einen bissigen Spruch an den Kopf geworfen.

Immerhin machte er es sich in den zwei Stunden im Schatten bequem und kassierte dafür eine nicht unerhebliche Summe an Geld, während er selbst durch die Straßen lief und sich zu Tode schwitzte.

Seto hörte gleichmäßige Schritte neben sich und sein Lehrer tauchte neben ihm auf, wie jeden Tag.

Innerlich seufzte er auf und erhöhte sein Tempo, um ihn abzuhängen.

Es war das gleiche Spiel, was sie jeden Tag miteinander spielten.

Sein Lehrer folgte ihm, treib ihn an schneller zu laufen und war irgendwann verschwunden, wenn er an der Kreuzung zur Innenstadt ankam.

Erst dann verschwand er und ging in eine Kneipe, um es sich gemütlich zu machen, um sich dann mit ihm vor dem Tor zu treffen, nur damit es den Eindruck erweckte, er wäre die ganze Strecke mit ihm gelaufen.

Er konnte nur den Kopf schütteln und erhöhte sein Tempo weiter.

Die rettende Kreuzung war schon in Sicht und Seto beschleunigte noch einmal seine Schritte.

Sein Atem ging schnell und er keuchte leise.

Auf seiner Stirn hatten sich erste Schweißtropfen gebildet, doch das alles war es ihm wert, wenn er dafür endlich seinen Lehrer los wurde.

Seine Schritten wurden leiser und Seto warf einen kurzen Blick über die Schulter.

Der Mann hatte an Tempo abgenommen und der Vorsprung zwischen ihnen wurde immer größer.

Seto grinste siegreich und bog um die nächste Ecke zur Hauptstraße ab.

Er verlangsamte seine Schritte und fiel in ein gleichmäßiges und ruhiges Tempo.

Aber auch das half ihm nicht gegen die Hitze.

Mehrere Schweißtropfen liefen über seine Stirn und über sein Gesicht.

Er keuchte schnell und sein Mund fühlte sich trocken und ausgedörrt an.

Ein wenig taumelte er, als er den ersten Berg hinauflaufen musste.

Etwas zu trinken wäre nicht schlecht oder ein kühles Eis.

Seto schloss kurz die Augen und vor seinem inneren Auge zuckten kurz kleine Blitze.

Aus dem Imbissgeschäft strömte heiße Luft heraus und der Duft von frischem Braten.

Schnell lief er weiter.

Seine Knie fühlten sich an, als wären sie aus Pudding.

Er taumelte weiter.

Aufgeben kam nicht in Frage. Diesen Triumpf wollte er seinem Stiefvater und seinem Lehrer nicht gönnen!

Mit schwerem Atem schleppte er sich weiter und ignorierte dabei die tanzenden Punkte vor seinem inneren Auge.

Ganz dumpf hörte er das Klingeln eines Fahrrades und lief ein wenig zur Seite, um Platz zu machen.

Die Sonne brannte unaufhörlich in seinem Rücken und Seto hatte das Gefühl, man könnte auf seiner Haut eine Grillfeier veranstalten.

„Vorsicht!“, hörte er jemanden rufen und spürte im nächsten Moment einen starken Schmerz in der Seite.

Hart schlug er auf dem heißen Asphalt auf und schrammte sich sein Ellenbogen auf.

Das Geräusch von aufschlagendem Metall war zu hören und ein Schmerzenslaut.

Seto ließ die Augen geschlossen und blieb liegen..

Er fühlte sich zu erschöpft, als dass er sie noch länger aufhalten konnte. In seinem Kopf drehte sich alles.

„Kannst du nicht aufpassen?“, rief eine weibliche Stimme wütend.

Es klang als wäre diese Stimme kilometerweit entfernt.

„Hei, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte die Stimme und diesmal konnte er ein leichtes Nuscheln dabei heraus hören. „Sag etwas!“

Zwei Hände berührten ihn an der Schulter und schüttelten ihn leicht.

„Mist…Kannst du mich hören?“

Die Stimme wurde immer panischer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  lunaris-von-aquanta
2014-04-13T15:45:44+00:00 13.04.2014 17:45
Das Kapitel ist an sich ein guter Einstieg. Der Ortswechsel vom Büro ins Auto ist etwas abrupt. Das könntest du evtl etwas ausbessern bzw umschreiben.

Stimmungsmäßig baust du das ganze sehr schön aus und gibst viele Details damit man sich alles gut vorstellen und nachvollziehen kann.

Der Charakter von seto ist auch sehr IC was ich gut finde. Gerade seine genervte Seite kommt sehr realistisch und nachvollziehbar rüber.

Seine Gedanken sind auch sehr schön formuliert und ich finde es gut dass du von den Umgebungsbeschreibungen einen schönen uberga
Antwort von:  lunaris-von-aquanta
13.04.2014 17:51
Sorry blödes Handy.

Schönen Übergang zu seinem inneren legst.

Die Art wie du auf seine Vergangenheit umschwenkst finde ich noch etwas ausbaufähig. Das ist mir persönlich noch ne Spur zu wenig klar geschrieben.

Die Details seiner Vergangenheit hingegen hast du sehr schön beschrieben. Manches wirkt etwas gestreckt aber durchaus lesbar.

Was die Körper Reaktionen angeht gehst du auch sehr schön auf ihn ein.

Zum allgemeinen Aufbau sei gesagt dass du an manchen Stellen etwas holprig formuliert hast. Das wirkt dann grade durch den Sprung in den Zeitformen noch zusätzlich verwirrend. Manche Absätze würde ich daher nochmal überarbeiten.

Der Schluss macht gespannt auf mehr.

chiriomiep
Von:  DemonhounD
2014-03-27T17:26:01+00:00 27.03.2014 18:26
Mhm... ich mag deine Story, auch wenn ich schwrlich vergleichen kann, wie es sich mit der Serie deckt, weil ich die dafür einfach zu wenig kenne. Der erste Teil mit seinem verkorksten Tag gefällt mir sehr gut. Bei der beschreibung seines schlechten Lebens unter der Fuchtel seines Vaters wirst du stellenweise in meinen augen schon etwas zu ausschweifend, aber in jedem Fall sind deine Beschreibungen sehr lebendig und gut zu lesen.
Du hast auch sehr viele interessante und kreative Ideen aufgetan um seinen Morgen wirklich richtig richtig schlecht werden zu lassen, du Sadist!
^^
Was mir aufgefallen ist, ist dass du den Ort zwischen seiner Arbeit am Laptop und seinem Einsteigen ins Auto sehr abrupt machst. - Mir ist auch nicht wirklich klar geworden, wieso er so plötzlich den Ort wechselt (aber vielleicht habe ich da nur was überlesen).

Auch Rechtschreibtechnisch habe ich keinen wirklich auffälligen Fehler gefunden.



Daumen hoch! Mal sehen, wie es weitergeht!

Frohe Schreibziehergrüße!
-GKZ-
Von: abgemeldet
2014-03-17T10:22:27+00:00 17.03.2014 11:22
Hey :)

Ein wirklich gelungenes Kapitel! Besonders der Anfang, an dem du aufzeigst, wie alles nicht funktioniert, gefällt mir sehr gut. Er bekam nichts hin - und sogar der Kaffee war schlecht. Da musste ich sogar lachen ;D Der arme Koch (wobei er es ja verdient hat, wenn er das nicht hinbekommt und sogar den Toast anbrennen lässt), von Kaiba eine Standpauke wird sicher nicht nett - wobei ich damit gerechnet hätte, dass er ihn gleich feuert.
Und wie einfach weiter alles schief geht oder ging - herrlich zu lesen. Ich musste wirklich häufig schmunzeln. Was du dir da alles ausgedacht hast, was schief ging, ist schon erstaunlich! ;)

Auch die Erinnerung hast du wirklich toll beschrieben - ich kannte(bzw. kenne) Setos Geschichte nur sehr grob und kann mir aber durch deine Worte ein sehr viel besseres Bild machen, auch vom Charakter an sich. Das hast du sehr gut hinbekommen.
Das Ende hat mich persönlich überrascht, ich hab natürlich mit dem Fahrrad gerechnet, aber nicht so. Gute Überraschung, und ich bin schon gespannt auf das nächste Kapitel!

Das einzige, was mich hier ein wenig stört, ist, dass ich das Gefühl habe, dass du für jeden Satz eine neue Zeile beginnst, das stört ein wenig meinen Lesefluss und ich finde es auch vom Aussehen nicht sehr gut. Dadurch, dass seine Sätze auch sehr kurz sind, "hört" es sich in meinem Kopf durch die ständigen Zeilenumbrüche sehr abgehackt an.
Das ist aber auch das einzige - deine Grammatik und deine Rechtschreibung sind sehr gut, ich habe keine Fehler beim Drüberlesen gefunden.

Also wirklich gut geschrieben und es regt auf jeden Fall zum Weiterlesen an! ;)
Von:  Onlyknow3
2014-03-12T09:02:36+00:00 12.03.2014 10:02
Sehr gutes Kapitel,mach weiter so, das macht Lust auf mehr.Freue mich auf die Fordsetzung.

LG
Onlyknow3


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