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Was übrig bleibt, ist Chaos

von

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Bruchteile, die sich nicht zusammenfügen

9: Bruchteile, die sich nicht zusammenfügen
 

Etwas ratlos hatte Goku die letzten Minuten neben dem Kleineren verbracht, Sorge mischte sich mit Überraschung, als er seinen Namen hörte – jenen Namen, den nur Vegeta immer aussprach. Für alle Anderen war er Goku und es war mehr Freude, die diesen kleinen Augenblick Überhand gewann, gleich wieder durchbrochen von Sorge, als Vegeta letzten Endes ganz zusammenbrach.

Eigentlich kein Grund sich sinnlos Sorgen zu machen, es war wohl mehr ein sensorischer Overload als alles andere, eine kleine Erinnerung, die sich ihren Weg nach oben gebahnt hatte und noch mehr Chaos hinterließ. Vielleicht war es ja sogar ein kleiner Grund zur Freude, immerhin war es ein Fortschritt, den er so schnell nicht erwartet hatte. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es Vegeta dabei ausgeknockt hatte und Goku seufzend zurückließ. Er sah ihn sich noch einige Sekunden stumm an, stand dann auf und hob ihn mit einem leichten, kaum sichtbaren Lächeln auf. Vielleicht war diese Farce hier ja schneller vorbei, als sie alle gedacht hatten… aber für den Moment wollte er nicht zuviel Hoffnung da hinein legen. Für den Moment wollte er einfach abwarten und den Kleineren zurück bringen.
 

Was er auch tat, nachdem er sich erneut zwei Finger auf die Stirn legte und auf Bulmas Ki konzentrierte. Sie war klein und schwach im Vergleich zu den anderen, die er irgendwie immer im Hinterkopf behielt um zu wissen, ob alles okay war, aber es reichte um zurück zu kommen. Ohne dass sie es auch nur merkte, schlüpfte er auch schon aus dem Raum, nachdem er ihrem Rücken einen Blick zugeworfen hatte und sah, dass sie noch immer an dieser dämlichen Maschine arbeitete. Kein Grund sie zu erschrecken, oder weitere Zeit zu verschwenden; kein Grund sie zu sorgen, indem er Vegeta wieder nach Hause trug, anstatt dieser selbst lief.

In Vegetas Zimmer angekommen, legte er diesen erst einmal auf die Matratze, bevor er grob die Reste des Essens und des Geschirrs wegräumte, die der Kleinere an der Wand und auf dem Teppich verteilt hatte. Das erledigt verließ er das Zimmer wieder, noch immer dieses kleine blödsinnige Lächeln auf seinen Lippen, weil er es einfach nicht stoppen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. War es Zufall oder warum hatte er sich zu Allererst an ihn erinnert? War es Zufall oder nicht, dass es nicht Bulma, oder sogar sein Sohn war, die den ersten Platz in seinem Gedächtnis sichern konnten? Er wusste es nicht, es war eigentlich auch egal, aber er konnte es nicht aufhalten, darüber froh zu sein. Vielleicht wurde aus der Freundschaft ja doch noch etwas, aber zuerst sollte er ihn ein wenig schlafen lassen, er würde schon spüren, wenn er wieder aufwachte.
 

„Hey Goku.“ Er sah auf und merkte erst jetzt, dass er auf direktem Weg in die Küche gelaufen war, nur um Trunks über den Weg zu laufen. Irgendwie tat ihm der Junge leid, er wusste zwar was Sache war und kam erstaunlicherweise gut damit zurecht, aber er hatte seinen Vater seit geschlagenen vier Tagen nicht ein einziges Mal gesehen. Nicht, dass sie sonst auch den ganzen Tag miteinander verbringen würden, aber ein sporadisches „Sohn.“ und „Vater.“, war trotz allem zu vernehmen.

„Hey Trunks. Wie geht’s?“ Es war ihm auf irgendeine Weise unangenehm, er selbst verbrachte mehr Zeit mit Vegeta als dessen eigener Sohn, aber wer konnte es ihm verübeln? Der andere Saiyajin konnte sich ja nicht einmal an ihn erinnern und würde wahrscheinlich noch mehr durcheinander gebracht, als er ohnehin schon war.

„Ganz gut.“ Trunks zuckte mit den Schultern, das emotional so neutral gehaltene Gesicht hatte er eindeutig von seinem Vater.

„Wie geht’s Dad? Ihr wart den halben Tag irgendwo anders, ist was passiert?“ Er hatte die Energien gespürt, das kurzzeitige Ansteigen als Vorbereitung für einen Kampf, der kürzer ausgefallen war, als er dachte. Vielleicht war ja irgendwas nicht in Ordnung und er beobachtete den Älteren, wie dieser die Hand hinter den Kopf nahm und ihn schief anlächelte.
 

„Nein, eigentlich ist alles okay. Ich hab ihm nur endlich diese Schellen abgenommen und na ja, das wollt ich nicht hier machen.“ Ein Nicken war Antwort genug, der Junge wusste auch so was passierte, wenn man das tat.

„Kein Kampf?“, wollte er dann doch direkt wissen und wusste dabei ganz genau, dass Goku wusste, was er wusste.

„Kurzzeitig. Nichts Wildes.“, antwortete er deshalb.

„Hab ich gemerkt, aber warum?“ Musste er so viele Fragen stellen? Dieser Junge war intelligenter als man ihm zutrauen würde und als gut für ihn war.

„Hat nicht so geklappt wie dein Vater wollte.“ Wieder ein schiefes Lächeln, zu jeder anderen Zeit wäre Vegeta ausgerastet, wäre seine Energie vor Wut explodiert. Vor allem, oder spätestens, als er ihm sagte, dass seine Technik miserabel ist.

„Verstehe.“ Kam es ihm nur so vor, oder war dieses Gespräch etwas steif? Lag es an ihm oder an der Situation an sich?

„Also dann, ich muss noch lernen, so ein Studium macht sich nicht alleine.“ Er seufzte, wandte sich ab und verließ die Küche, während ihm Gokus Blick folgte, bis er ihn nicht mehr sehen konnte.
 

Warum hatte er ihm nicht gesagt, dass er sich an etwas erinnert hatte? Warum hatte er wirklich nur die nötigsten Informationen weitergegeben, den eigenen Sohn im Dunkeln stehen lassen? Warum?

Er verstand sich gerade selbst nicht, drehte sich ebenfalls um und lief zurück zu seinem Ausgangspunkt, blieb vor der Tür stehen. Unsicher, was er jetzt machen sollte blieb er stehen, wartete und fragte sich erneut, warum er das getan hatte. Hätte es Trunks gefreut oder ihn vielleicht sogar verletzt, weil die erste wirkliche Erinnerung an Kakarott war? Aber er schob den Gedanken zur Seite, es war doch nur ein winziger Schritt in eine Richtung, die viele Wege zur Verfügung hatte, viele Kreuzungen besaß und erst einmal gegangen werden musste. Sich jetzt deswegen ein schlechtes Gewisse einzureden wäre wirklich dumm und so beließ er es dabei, öffnete die Tür und trat ein, nur um Vegeta so zu erblicken, wie er ihn verlassen hatte. Er seufzte, setzte sich auf die Überbleibsel des Bettes, ein blankes Gestell ohne Auflagen und beobachtete ihn.
 

Das erste, was Vegeta tat als er an die Grenze des Wach-Seins rutschte, war die Hand in seinen Haaren zu vergaben, die Augenbrauen zusammen zu ziehen. Die Tage hatten ihre Spuren am Gesicht des Älteren hinterlassen, die immer alarmbereite Haltung verwehrte ihm den Schlaf, den er eigentlich gebraucht hatte, die fehlende Energie tat ihren Rest und die Mahlzeiten, die er verweigert hatte, unterstützten das alles nur.

Er beschloss ruhig zu bleiben, so lange bis Vegeta seine Umgebung wahrnehmen konnte. Noch so eine Szene wie vor ein paar Tagen wollte er nicht heraufbeschwören, auch wenn es schwer war den Mund zu halten und ihn nicht zu fragen, wie es ihm ging. Wahrscheinlich würde er dann eher aufspringen und auf ihn losgehen, bevor er sich wieder in seiner Ecke verkroch und auf stumm schaltete und das wollte er nun wirklich nicht. Nicht jetzt, wo er einmal angefangen hatte ein wenig aufzutauen, wo er angefangen hatte ein paar Worte von sich zu geben. Zugegeben, die Tage waren schwer, es brachte ihm nichts Selbstgespräche zu führen, aber der heutige Tag war für Vegeta wohl nach dem ersten, auch der Schlimmste.

Das undefinierbare Geräusch von Vegeta, als dieser ins Land der Lebenden zurückkehrte, lenkte seine Aufmerksam wieder auf diesen. Langsam, als ob es ihm unglaubliche Anstrengung abringen würde, drehte er sich auf die Seite und öffnete die Augen, nur um sie sofort wieder zu schließen.
 

„Kopfschmerzen?“ Er konnte es nicht für sich behalten, beobachtete wie der Ältere die Augen aufriss und mit einem Ruck auf seinem Platz saß statt zu liegen, ihn geschockt ansah.

„Tut mir leid, wollt dich nicht erschrecken.“, hängte er dem mit einem leichten Lächeln an, bevor eben jenes wieder verschwand und er ernst wurde.

„Du hast dich erinnert.“ Immer mit der Tür ins Haus, es brachte ihm nichts zu warten oder um den heißen Brei herum zu reden, denn dann würde er morgen noch auf Antworten warten, die er dringend haben wollte. Es tat ihm wirklich leid, der Andere sah nicht zwingend gut aus, aber ihn in Watte zu packen, war auch nicht der Sinn der Sache. Es dauerte ein paar Sekunden, bis aus dem geschockten Gesichtsausdruck ein ernster wurde und er ein Nicken zur Antwort erhielt.

„An was?“ Oh, er wusste es, er wollte es nur aus seinem Mund hören, noch einmal hören. Vielleicht hatte er zu zweifeln begonnen diesen Namen jemals wieder zu hören, aber als er ihn heute sagte, war es eindeutig gewesen.
 

„Dich.“, war aber alles, was er erhielt. Ein Blinzeln, sekundenlanges Starren und der verzweifelte Versuch das Bild erneut herauf zu beschwören, festzuhalten. Was machte er sich vor, es tat weh daran zu denken, es war da, aber es kam nicht wieder.

„Kakarott?“ Beinahe hätte Goku nicht verstanden was gemeint war. Beinahe hätte er die Bedeutung verpasst und ein „Was?“ hinterher geworfen, bevor er sich selbst aufhalten konnte. Selbst Vegeta musste mitbekommen haben wie ihn Bulma genannt hatte, er konnte es wahrscheinlich nicht in Verbindung bringen.

„So hast du mich immer genannt.“ Ein Lächeln, er mochte diesen Namen eigentlich nicht, aber jetzt und hier fühlte es sich besonders an. Außer Vegeta nannte ihn sowieso niemand so. „Muss wohl mein Name von unserem Planeten sein.“ Ein Schulterzucken folgte, wie sollte er ihm das erklären, wenn er es selbst nie ganz verstanden hatte. Aber er konnte diesen fragenden Gesichtsausdruck nicht übergehen, konnte ihn nicht ignorieren und holte tief Luft.

„Man hat mich als Kind auf die Erde geschickt, ich hatte aber damals auch nen kleinen Unfall und vergaß das alles, bis du gekommen bist.“ Die Geschichte war weder vollständig, noch sagte sie viel aus, aber es musste für den Moment einfach reichen. Die volle Wahrheit konnte er ihm nicht sagen, wollte sie ihm nicht sagen. Vielleicht erinnerte er sich irgendwann daran, vielleicht blieb sie aber auch in den Tiefen der Vergessenheit verloren. Letzteres würde er besser finden, zur Zeit war Vegeta besser zu handhaben als jemals zuvor, wenn man mal alle Dinge berücksichtigte und von einigen Kleinigkeiten absah.
 

Ein Nicken, mehr nicht. Er konnte sehen, dass Vegeta nicht ganz verstand, aber das musste er auch nicht – es reichte wenn er wusste, dass er ihn immer so nannte. All die Momente ihrer Geschichte, ihrer Vergangenheit wollte er ihm einfach nicht erzählen, es wäre im Augenblick nicht richtig gewesen. Die Zeit, als Vegeta nur hier auf der Erde war, um ihn zu töten, um sich mit ihm zu messen. Irgendwann musste er sich wohl, ohne es selbst zu merken, an diesen Planeten gewöhnt haben und war geblieben – aus freien Stücken.

„Noch irgendwas?“ Er hegte wirklich Hoffnung, auch wenn er wusste, dass es vielleicht zuviel des Guten gewesen wäre. Aber auch jetzt senkte Vegeta nur seinen Blick, starrte einige Sekunden stumm vor sich, bevor er den Kopf wieder in seine Hände legte, sein Gesicht mit ihnen verdeckte und schließlich leicht den Kopf schüttelte. Es war diese kleine Geste, die irgendwie so verzweifelt aussah, es war die Stille, die sich über sie legte und sein Herz gleich mitnahm. Es einhüllte und zum stolpern brachte – nur ein winziges Bisschen, nur ein kleiner Fehler in der sonstigen Routine.
 

„Was hältst du davon was Essen zu gehen?“ Nach all der Aufregung, dem kleinen Kampf, den wirbelnden Gefühlen musste er fast ausgehungert sein, doch auch jetzt dauerte es einige Sekunden, bevor er überhaupt eine Reaktion erhielt. Zumindest eine gewollte Reaktion, Vegetas Magen knurrte bei der Erwähnung schon wütend auf und verlangte lautstark danach, doch sein Besitzer sah ihn einfach nur an. Die Augenbrauen zusammen gezogen schien er ernsthaft zu überlegen dieses Angebot auszuschließen, die Möglichkeiten abzuwägen und seufzte am Ende nur leise, ergeben. Ein Schulerzucken, dann stand er auf.

Goku hätte sich ernsthafte Sorgen gemacht, wenn er das Angebot abgeschlagen hätte. Auf besondere Art und Weise konnte er vielleicht sogar verstehen, dass sein Appetit nicht der größte war, aber er sollte die Signale seines Körpers nicht ignorieren, weil er sich zu viele Gedanken um etwas machte, das er leider nicht mit Gewalt wiederbringen konnte. Er konnte es nicht einfach zurückwünschen und erwarten, dass es passierte, er konnte es nicht mit noch soviel Willen zu sich bringen. Gerade jetzt wünschte der Größere, dass es doch ginge, diese Gefühle, dieses Gesicht, das Vegeta machte, passte nicht zu ihm. Und doch musste er es ertragen, niemand anders wollte sich damit auseinander setzen, niemand anders war bereit, ihn durch diese Zeit zu begleiten…

Der Gedanke machte ihn traurig.
 

„Dann komm.“, sagte er noch, stand selbst auf und verließ das Zimmer wieder, gefolgt vom Kleineren, der in einigem Abstand fast schon zögerlich einen Fuß vor den Anderen setzte. Eine Augenbraue leicht nach oben gezogen und einen konzentrierten Gesichtsausdruck versuchte er sich den Weg zu merken und gleichzeitig umzusehen, wie Goku bei einem kleinen Blick nach hinten feststellen konnte. Seltsam, diese Gänge waren sonst sein zu Hause und jetzt war es das erste Mal seit Tagen, dass er das Zimmer verließ, alleine wahrscheinlich aufgeschmissen wäre.

Es waren diese kleinen Selbstverständlichkeiten, in denen das Verlorene am meisten auffiel. Es war nicht die sonstige Art, die verschränkten Arme – es war das offensichtliche Interesse in seiner Umgebung, ein verzweifelter Versuch zu greifen, was nicht mehr da war. Vegeta hatte hier Jahre verbracht und jetzt war er es, der ihm den Weg zeigen musste, vorlaufen musste wie bei einem Kind und innerlich seufzte er laut auf ließ sich äußerlich jedoch nichts anmerken. Dass Bulma es endlich geschafft hatte ihr Labor zu verlassen und sich an ihrem Zielort befand, machte sein Unterfangen nicht unbedingt leichter.
 

Für einen Moment kam es ihm vor, als ob er in ihr Verderben laufen würde, für einen Augenblick fühlte es sich falsch an, Vegeta in eine solche Situation zu bringen. Aber ihn tagelang weiter zu schützen, vor jeglichen Konfrontationen, machte es auch nicht besser. Es würde nichts bringen, ihn in seinem Zimmer zu lassen und Bulma damit nur zu bestätigen, dass er vielleicht gefährlich war – das war er nicht, er war umgänglicher als jemals zuvor. Er war ruhiger, in manchen Dingen vielleicht ein wenig sprunghaft, aber dennoch… er musste ihnen Beiden beweisen, dass all ihre Vermutungen und Vorurteile falsch waren.

Er musste Bulma zeigen, dass ihre Annahme falsch war und auch ein Genie mal einen Fehler machen konnte. Dass ihr eigener Mann, den sie seit Tagen nicht gesehen hatte, nicht sehen wollte, sich nicht wieder in ein Monster verwandelt hatte. Und er musste Vegeta beweisen, dass diese Frau nicht gefährlich für ihn war. Dass er sie nicht als Feind abstempeln musste, auch wenn ihr Temperament seinem manchmal in nichts nachstand. Wahrscheinlich war das der Grund, warum sie überhaupt vor so vielen Jahren zusammen gekommen waren – die unmissverständliche Anziehung zweier Charaktere, die nie nachgeben wollten. Der Gedanke ließ ihn lächeln, während er in die Küche lief.
 

„Hey Bulma.“ Sie stand mit dem Rücken zu ihm und machte sich gerade einen Tee, zuckte zusammen und drehte sich mit einem Ruck zu ihm um. Niemals würde sie sich daran gewöhnen können so erschreckt zu werden, die Mitglieder dieser Familie hatten die außerordentliche Gabe sich derart anzuschleichen, dass ihr nichts anderes übrig blieb. Saiyajins würden sie mal noch ins Grab bringen, mit dieser Art immer irgendwie aufzutauchen, wenn sie geistig in ganz anderen Welten war.

„Mensch Goku, warn mich das nächste Mal vor.“ Sie zog für einen Moment die Augenbrauen zusammen, entspannte sich dann aber wieder.

„Dann hättest du dich deswegen erschreckt.“, erwiderte er darauf nur, zuckte mit den Schultern und verzichtete heute mal auf seine normale Geste mit der Hand hinter dem Kopf.

„Wo du Recht hast…“ Sie atmete tief ein, ließ die Luft als kleines Seufzen wieder entweichen, während Goku zur Seite trat und den Blick auf denjenigen hinter sich freigab. Ein Blick zu Vegeta sagte ihm, dass er dessen Gesichtsausdruck gerade nicht lesen konnte, allerdings war er in all seinen Bewegungen eingefroren, stand dort im Eingang der Küche und rührte keinen Muskel.
 

Dann blickte er zurück zu Bulma, die Vegeta ebenso offen anstarrte wie er sie. Nur dass er bei ihr die verschiedensten Emotionen in ihren Augen lesen konnte, wie in einem offenen Buch – von Überraschung, zu Schock, weiter zu Unglauben, bis sie sich schließlich wieder zu Überraschung wandelte und auch dabei blieb.

„Goku…“ Sie sah ihn für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augenwinkeln an, dann wieder zurück zu Vegeta. Was erwartete sie eigentlich selbst? Dass er jede Sekunde einfach nach vorne springen würde und ihr an die Kehle ging? Dass er sich umdrehte und wieder ging? Sie wusste es nicht, das ausdruckslose Gesicht, das gerade so wie immer aussah, gab ihr einfach keine Anhaltspunkte, sagte nichts aus und gab nichts preis. Sie wollte fragen warum er hier war, warum nicht oben und auch dort blieb. Sie wollte ihn nicht sehen, bevor sie sich sicher sein konnte, den Mann wieder zu bekommen, den sie verloren hatte. Sie wollte keine billige Kopie, die nur so aussah und sich ganz und gar nicht wie er verhielt!
 

„Was wird das?“, sagte sie dann doch noch. Sie war selbst nicht bereit, sich damit auseinander zu setzen und fragte sich im selben Atemzug, wie sie das nur tun konnte. Wie sie vor der Verantwortung wegrennen konnte, anstatt alles dafür zu tun, dass es besser wurde. Und Vegeta sah sie dabei nur an, ließ eine Augenbraue fragend in die Höhe rutschen, nur eine winzige Bewegung, bevor er schluckte und zu Goku sah. Der Ausdruck blieb, ernsthafte Verwirrung stand in seinem Gesicht und alleine die Geste, die unausgesprochene Frage lieber an den anderen Saiyajin zu wenden, als sie sich selbst zu beantworten, ließ das schlechte Gefühl, das gerade in ihr aufgekommen war, nur verstärken.

„Abendessen. Wenn du die Zeit da unten vergisst und regelmäßige Mahlzeiten nur bekommst, weil deine Mutter sie dir bringt…“ Er ließ den Satz in der Luft hängen, hatte das seltsame Bedürfnis Vegeta zu verteidigen und ihr gleichzeitig die Meinung zu sagen, aber er brachte es nicht übers Herz. Die Situation war schwer genug für alle Anwesenden, das konnte er sehen und er musste nicht noch Öl ins Feuer gießen damit es besser brannte. Aber das hatte er schon, lag doch jetzt ihr aufgebrachter Blick auf ihm.
 

„Entschuldige bitte, dass ich Arbeit habe da unten!“ Sie stemmte die Hände in die Hüfte, funkelte ihn an.

„Wenn sonst schon keiner die Dinge reparieren kann, die ER kaputt gemacht hat, dann bleibe ja wohl nur noch ich übrig!“ Bei ER zeigte sie mit dem Finger auf Vegeta, welcher bei der Geste zwar so weiter keine Reaktion zeigte, aber dennoch fast wie in Zeitlupe einen Schritt zurück ging. Eine Reaktion, die zu langsam war und deshalb an ihr vorbeiging, Goku aber hatte sie gesehen.

„Das war keine Absicht und das weist du!“ Es war lauter aus seinem Mund gekommen, als er beabsichtigt hatte, konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie der Blick Vegetas immer zwischen ihnen hin und her sprang. Als ob er sich nicht entscheiden konnte was er machen sollte, blieb er an Ort und Stelle stehen, Unbehagen zu deutlich auf seinem Gesicht.

„Das weiß ich und doch hat er es getan. Und ich kann keine Untersuchungen machen, wenn die Geräte kaputt sind, also komm’ mir nicht mit so nem Scheiß daher. Wenn ich es nicht mache, macht es keiner…“ Sie wurde leiser, merkte selbst, dass diese Unterhaltung sinnlos und viel zu hitzig war um vernünftig geführt zu werden.

„Schon gut, ich geh wieder runter. Mama müsste noch genug übrig haben, schau doch einfach in den Kühlschrank.“ Damit nahm sie ihre Tasse, drehte sich um und verschwand, nicht ohne im Laufschritt an Vegeta vorbei zu hechten, als ob er eine gefährliche Krankheit hätte, die bei Berührung ansteckend war.
 

Er sah ihr nicht nach, starrte nur von außen in die Küche und beobachtete stumm das Schulterzucken des Größeren, bevor dieser tat, was ihm zuletzt gesagt wurde. Ungläubig blinzelte er, der Schmerz in seinem Kopf war für diese wenigen Minuten in den Hintergrund gerückt, nur um jetzt mit voller Gewalt wieder nach vorne zu drücken. Er versuchte ihn zu ignorieren, wegzudrücken und einfach stehen zu bleiben, aber so leicht wie er es sich vorgestellt hatte, war es zum Schluss doch nicht. Es fühlte sich an, als würde sein Kopf platzen wollen, sein Hirn anschwellen und den Knochen von innen heraus brechen. Er keuchte leise, sein Blick verschwamm.

Da war noch etwas anderes, etwas, was an die Oberfläche wollte, nur noch nicht genug Platz fand um es auch zu tun. Es drückte sich seinen Weg gewaltsam durch seinen Verstand und riss ihn dabei auseinander, hinterließ Lücken und Spalten, die sofort wieder gefüllt wurden.

Es war nur zerlaufenes unscharfes Bild, eine winzige Sekunde, die nicht so war, wie sie sein sollte. Der Schmerz der Erinnerung zerrte an seinen Eingeweiden und er kniete auf dem Boden bevor er es selbst registriert hatte. Das Gefühl einer zähen Flüssigkeit auf seiner Haut, das Gefühl nicht atmen zu können und der Schmerz, der immer präsent in seinem ganzen Körper weilte, während der eigene Blick durch die Flüssigkeit getrübt nichts preisgab als die eigenen Gedanken.
 

Es war so schnell verschwunden wie es gekommen war, das Gefühl aber blieb. Nur schwach war er sich dessen bewusst, dass Goku neben ihm kniete, ihm irgendwas sagte, das er nicht verstand, nicht hören wollte, weil er zu sehr damit beschäftigt war, dem Bild eine Bedeutung, eine Zeit zuzuordnen. Zu sehr damit beschäftigt den Schmerz auf einem Level zu halten, sich daran zu erinnern, dass er nicht echt, sondern nur ein Fetzen seiner Erinnerung war. Schnappend holte er Luft und vergrub die Finger in seinen Haaren, vage gestützt durch Arme, die ihn aufrecht halten wollten, damit er nicht ganz auf dem Boden landete.

Dann endlich ließ der Schmerz nach, aber anders als zuvor konnte er mit diesem Fetzen Nichts wirklich nichts anfangen. Es gab kein Gesicht, keine Worte, es gab nur die schmerzenden Gedanken und das Gefühl des Versagens, das sich für diesen Augenblick in ihm eingenistet hatte. Kein Stolz und keine Arroganz, es war nur der Schmerz des Versagens und es zwang ihn mit seiner Stärke in die Knie, ließ ihn stockend nach Luft schnappen. Keine Bedeutung, es hatte keine Bedeutung und doch gehörte es zu ihm, war er und es wirbelte seine Welt auf den Kopf.

Er hätte es nicht einmal erklären können, selbst wenn er gewollt hätte. Aus seinen Augen betrachtet war es nichts als ein unscharfes Bild, ein Gefühl, ein Gedanke. Wie sollte er etwas damit anfangen? Wie sollte er ordnen was in ihm war, wenn er nicht einmal Zeit dazu bekam und jedes kleine Bild, jeder Fetzen solche Schmerzen mit sich brachte? Wie sollte aus den Bruchstücken, die nicht einmal zusammen hingen, eine Geschichte entstehen, ohne dass ihm dabei wahrscheinlich etliche große Stücke fehlten.

Text, den er erst noch finden musste.

Bilder, die erst noch gezeichnet werden mussten.
 

Er holte tief Luft als der Schmerz nachließ, das Gefühl jedoch ein wenig länger in seinem Geist lungerte. Versagen… es war nicht schön und gleichzeitig fragte er sich, bei was er versagt haben könnte. Die Schmerzen waren eindeutig, Muskeln und Knochen protestierten als er sich von der knienden in eine sitzende Position schob, noch einmal tief durchatmete. Dieses Mal nur nicht den Halt verlieren, es nicht gewinnen lassen. Dieses Mal nicht zusammenbrechen, sondern es ertragen und versuchen einzuordnen, in eine Schublade zu stecken und zu warten, bis das nächste kam, was dort hinein passte.

Es wäre einfacher gewesen sich dem hinzugeben.

Es wäre einfacher gewesen einfach zu schlafen und den Schmerz abebben zu lassen, aber das wollte er nicht. Er konnte sich nicht jedes Mal hingeben, wenn sein Hirn sich entschloss ihn zu malträtieren, in den unpassenden Momenten den Hauch einer Erinnerung freizugeben. Es dröhnte in seinem Kopf, aber er konnte spüren, dass das Summen in seinen Ohren nachließ und die besorgte Stimme des Anderen an Stärke gewann. Er konnte es hören und der kleine Erfolg ließ ihn lächeln, bevor es wieder verschwand und er versuchte aufzustehen. Dieses Mal nicht! Dieses Mal würde aufstehen, selbst wenn es mit Hilfe war und er würde sich hinsetzen, etwas essen. Nicht unterkriegen lassen. Nicht zu viele Gedanken an etwas verschwenden, was er sowieso nicht einordnen konnte, wovon er nicht wusste, wohin es gehörte.

Und das tat er, wenn auch mit Mühe. Versuchte den fragenden, bohrenden Blick des Anderen zu ignorieren – er hätte es nicht erklären können, auch wenn er die Frage gestellt hätte, was es dieses Mal war. Nur Schmerz und Versagen, beides Dinge, die er für sich behalten wollte und der Andere schien ein Einsehen zu haben, hielt den Mund und fragte nicht, zumindest nicht mit Worten.



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