Vielleicht
Das Leben geht seltsame Wege.
Mal scheint es dir wohlgesonnen zu sein, doch schon im nächsten Moment kann es dir genauso gut ein Messer in den Rücken rammen.
In seinem Fall war es ein Kunai gewesen.
Dieses eine Kunai, mit dem sie ihn hatte töten wollen.
Naiv war es gewesen, naiv zu glauben, sie würde es schaffen, naiv zu glauben, sie wäre überhaupt dazu in der Lage.
Eine Farce.
Müde rieb er sich den Schlaf aus den Augen.
Warum hatte es so weit kommen müssen?
Als ob er nicht schon genug Probleme gehabt hätte.
Ein leises Rascheln.
Sie hatte sich herumgedreht, im Schlaf.
Ein behagliches Seufzen drang aus ihrer Kehle.
Wie gerne würde er seine Hände um sie legen, diesen zierlichen Hals, zudrücken und warten.
Es würde nicht lange dauern. Zwei, drei Minuten, höchstens.
Sie kuschelte sich näher an ihn.
Wie ihr Blut wohl aussehen würde? Wie tief wohl sein Rot?
Warmer Atem schlug gegen seine nackte Brust.
Dieses verdammte Kunai.
Rosafarbene Haare kitzelten seine Nase.
Diese verdammte Sakura.
Er seufzte.
Der Mond schien noch ziemlich hell.
Es war Vollmond. Ausgerechnet Vollmond musste es sein.
Es war ein Fehler gewesen.
Er hatte es gewusst, schon von der ersten Sekunde an.
Es würde ihn vor neue Probleme stellen, neue Streitereien, die ihm dann doch nicht so ganz unbekannt waren.
Warum also hatte er sich hierauf eingelassen? Warum ausgerechnet sie?
Warum dieses dumme, lügende, weinende, schreiende Mädchen mit ihrer seltsamen Haarfarbe, den treuseligen grünen Augen und ihrer kindlichen Naivität?
Warum konnte er sie nicht einfach umbringen und vergessen, dass es sie gegeben hatte?
Er sah sie an.
Sie lächelte.
Er verstand es nicht.
Er verstand sie nicht.
Wie konnte sie nur glücklich sein, wenn er neben ihr lag? Wieso hatte sie ihn nicht aufgegeben? Wieso konnte sie ihn einfach nicht in Ruhe lassen?
Selbst wenn sie ihn lieben sollte, kam er nicht darum herum, ihren gesunden Menschenverstand in Frage zu stellen.
So dumm konnte doch kein Mensch sein.
Er war ein Uchiha. Er war ein Nukenin. Er war ein Mörder.
Ja, er sah gut aus, das wusste er, aber das konnte nicht über diese Tatsachen hinwegtäuschen.
Sakura war klug.
Sie sollte es besser wissen.
War sie vielleicht masochistisch veranlagt?
War es das?
Sie bewegte sich.
Bald würde sie aufwachen.
Was würde sie wohl tun, wenn sie merkte, dass er immer noch hier war, dass es kein Traum gewesen war?
Bestimmt würde sie ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarren, weinen, stottern vielleicht. Oder würde sie gar kein Wort herausbringen?
Er konnte nicht sagen, warum er geblieben war.
Ja, er und Sakura hatten sich getroffen.
Ja, sie hatten miteinander geschlafen.
So ungern er es auch zugab, aber er war neugierig.
Er wollte herausfinden, was Sakura antrieb.
Warum lief sie ihm nach all den Jahren immer noch hinterher?
Vielleicht konnte er sie deswegen nicht töten, einfach, weil er noch keine Antworten auf seine Fragen gefunden hatte.
Vielleicht war es das.
Wie sollte es jetzt weitergehen?
Er konnte sie nicht wieder nach Konoha lassen.
Er konnte sie aber auch nicht mit sich nehmen, oder?
Madara würde Fragen stellen. Karin würde Probleme machen, von Konoha ganz zu schweigen.
Sakura wäre im Weg und zuschauen würde sie bestimmt nicht.
Nicht bei dem, was er vorhatte.
Man würde sie töten, früher oder später, und das wollte er nicht.
Nur er hatte das Recht dazu.
Sie war seine Nemesis.
Mit ihr ging es nicht, aber ohne sie noch viel weniger.
Es würde eine schwere Zeit auf ihn zukommen.
Erneut sah er sie an, nur diesmal blickte sie zurück.
Er würde sie beschützten.
Solange, bis er die Antworten auf seine Fragen gefunden hatte.
Vielleicht sogar länger.