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New Millennium

von

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Enttäuschung und ein Wirrwarr an Emotionen

Um sechs Uhr morgens kam Blaire ins Quartier zurück. Er hatte draussen geschlafen, auf einem Dach des Maschinenhangars. Es war nicht schlecht, nur etwas frisch und ziemlich laut. Diese Akademie war so geschäftig, selbst in der Nacht herrschte Hochbetrieb. Auf der Gloriana war das anders, die Pilotenschule war ziemlich abgelegen, sie hatten auch keine Hallen zum Trainieren sondern kämpften im All. Und die Militärbasis war auch nicht am selben Ort. Er musste schon zugeben, Heliopolis war in den meisten Punkten besser. Aber bei der Mutter aller Kolonien nur zu erwarten.
 

Auf dem Bett lag Lyial, seine Pose beim Schlafen wirkte sehr starr. So fand er ihn auch am Vortag vor. Bequem sah das nicht aus, noch dazu „schlief“ Merlin neben seinem Kissen, aber das war wohl eher der Stand-By Modus ...
 

Müde war Blaire immer noch, auch wenn der Schlaf im Freien eine erfrischende Wirkung hatte, ein paar Stunden in einem warmen Bett würden ihm sicher nicht schaden. Er wusste mittlerweile auch schon, dass sein Zimmerkollege schwer zu wecken war, deswegen legte er sich nun einfach auch auf das Bett. Schon ärgerlich, dass es hier nur eines gab, ob man da nicht etwas ändern konnte? Es war zwar riesig, aber er brauchte auch immer viel Platz … Mit einem Griff entzog er Lyial dann noch die Decke, von der es auch nur eine gab, und döste dann friedlich ein.
 

Kaum zwei Stunden, nachdem Blaire endlich zurückkam, klingelte der Wecker. Nun, es war eigentlich Merlin, der mit geöffnetem Maul neben dem Bett stand und ein ohrenbetäubendes Piepsen von sich gab. Lyial wurde sofort wach, was der Hund merkte und aufhörte. Ein wirklich praktischer Wecker. Der Junge setzte sich auf, rieb sich die Augen und gähnte herzhaft. Und dann merkte er, dass etwas nicht stimmte. Dieses eigenartige Gefühl, dass jemand anderes hier war, überkam ihn mal wieder. Langsam fiel sein Blick neben sich.
 

Blaire regte sich, bei dem ohrenbetäubendem Lärm, den der Hund von sich gab, kein Wunder. Er hob den Kopf, sah zu Lyial, der ihn wohl gerade bemerkt hatte. „Morg'n ...“, murmelte er nur.
 

Und Lyial erschrak, wie schon beim ersten Aufeinandertreffen, kullerte vom Bett und schlug sich noch dazu den Kopf an. Am Boden merkte er auch, dass ihm eiskalt war. Er ging auf die Knie, sah über den Matratzenrand hinweg zu Blaire. Er hatte sich also die Decke geschnappt. Dabei fröstelte Lyial immer so schnell, besonders in der Früh.
 

„Pfffff ...“ Blaire richtete sich auf und prustete. Was für ein Tollpatsch, dachte er nur belustigt. Lyial stand auf und blickte böse zu dem schadenfrohen Jungen. Ja, so einen Blick hatte er auch drauf, wenn auch selten.
 

Wegen dem hatte er sich letzte Nacht so fertig gemacht? Er kam einfach zurück, als wäre nichts gewesen. Selbst für Lyial, den sonst alles kalt ließ, war es nicht in Ordnung. Er war verärgert. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Und … und ich war traurig. Wegen dir. Aber das … das war alles umsonst.“ Er gab offen zu, was er gestern fühlte, aber nur, weil er es nun schnell vergessen wollte. Und er hungerte, wegen ihm. Die Pizza stand sogar noch am Tisch. Und dieser Hunger machte sich nun auch noch bemerkbar. „... Ich habe Hunger.“
 

Er schlurfte dann zum Terminal. Zeit fürs Frühstück. Kurz zögerte er. Blaire war nun hier … Sollte er ihm auch etwas bestellen? Abschätzend linste er zurück. Lieber bestellte er zwei Portionen. Sollte Blaire nicht wollen, wollte er sie selbst essen. Der Hunger war ja da …
 

„Hä? Wovon redest du?“ Natürlich hatte Blaire keine Ahnung, was Lyial durch den Kopf ging, als er fort war. Und ehrlich gesagt war er ja auch selbst sauer auf ihn gewesen. Weniger wegen seinen prüden Worten, viel mehr, weil er so lange im Bad verbrachte und ihn warten ließ. Er war doch so ungeduldig.
 

"Du hast dir Sorgen gemacht? Ach, weil ich gestern gegangen bin? Ich wollte nur duschen und essen, aber du hast so lange gebraucht. Also hab ich das alles draussen erledigt. Wo liegt das Problem?" Er zuckte mit den Schultern. „Außerdem habe ich deine Kollegin getroffen. Wie war ihr Name … ? Sorata oder so, nicht? Gesprächig ist sie ja nicht sonderlich. Aber sie wollte meine Hilfe. Cool, oder? Ein Elitepilot wollte meine Hilfe!“ Da war er richtig stolz auf sich.
 

Im Grunde war er aber zunächst etwas überfordert, aus heiterem Himmel tauchte die Eliteanführerin auf und schleifte ihn mit in einen Trainingsraum. Dort zeigte sie ihm Aufnahmen ihrer Kämpfe und bat ihn darum, ihr zu sagen, was er davon hielt. Sie tauschten sich lange aus, bis Blaire endgültig zu müde war und sich zurückzog.
 

Lyial starrte ihn nur sprachlos an. Sorata war bei ihm? Hieß das … die beiden freundeten sich an? Eigentlich sollte er sich ja freuen. Blaire fand Freunde, auf einer völlig neuen Kolonie. Das war doch gut. Aber wieso … gelang es ihr so spielend leicht und ihm nicht? Und er schien richtig begeistert von ihr zu sein. Das verstimmte ihn nur noch mehr. So fühlte er sich noch nie. Was … richtete dieser glorianische Pilot nur an?
 

„Ich bin mir sicher, wenn ich sie frage, tritt sie gegen mich an. Dann darf ich endlich gegen jemanden der Elite kämpfen! Du bist ja sicher auch gut, aber du willst ja nicht. Heh, so komme ich auch zu einem Rivalen.“ Blaire sprang vom Bett auf und streckte sich. Er nahm alles so locker. „Hey, was ist los? Hat's dir die Sprache verschlagen?“ Jetzt merkte er auch, wie still Lyial geworden war.
 

„… Ich wusste nicht, wo du warst. Ich dachte, du kommst wieder … habe uns Essen bestellt … mich gefreut … mit dir gemeinsam … zu essen ...“ Ja, er hatte sich gefreut. Das war dieses Gefühl. Gefreut und anschließend … war er enttäuscht. Freunde finden war wirklich schwer. Vielleicht war er auch selbst einfach zu ungeschickt für eine Freundschaft. Freunde … wie funktioniert das denn nun?
 

Aber in Blaires Kopf drehte sich alles nur ums Kämpfen. Und er sprach ja schon wieder davon. Und er hätte Sorata nicht erwähnen sollen. Er hatte ja persönlich nichts gegen sie, aber ihr plötzliches Interesse an seinem Zimmerkollegen brachte seine sonst schon so wirren Emotionen noch mehr durcheinander.
 

Blaire hob die Augenbrauen, sichtlich überrascht. „Das hättest du doch sagen können. Oder deinen Arsch im Bad schneller bewegt.“ Er kratzte sich am Hinterkopf, das klang nun fast so, als hätte er Lyial schwer enttäuscht. Wie lästig, dachte er sich nur. Er konnte doch nicht von ihm verlangen, Rücksicht auf ihn zu nehmen. Lieber machte er, was er wollte.
 

Bevor die beiden weitersprechen konnten, kam schon das Frühstück. „Ich sollte mich beeilen. Dieser Grummelgeneral will mich heute unbedingt ganz früh schon trainieren. Ich find's ja toll, dass er mich für so genial hält, aber ich geh' wohl bei dem seinen Methoden schneller vor die Hunde, als da draußen im Krieg!“ Blaire ging zur Tür und nahm das üppige Frühstück entgegen. So viel konnte er doch niemals essen …
 

Kaum drehte er sich mit dem Tablett in der Hand um, stand Lyial schon bei ihm. Daraufhin erschrak er nur, sonst war der Junge doch abnormal langsam. „Wirst du etwa schneller, wenn du hungrig bist? Dann setz' ich dich auf Diät. Du redest manchmal so lahm, dass ich in der Zwischenzeit ein Buch, oder sogar zwei, lesen könnt.“
 

Aber darauf erwiderte der Weißhaarige nichts. Er war wirklich einfach nur hungrig. Er schnappte sich die Schüssel mit Cornflakes und war blitzschnell unter der Bettdecke verschwunden, dort, wo er immer gerne aß, da ihm ja früh morgens so kalt war.
 

„Du hast echt einen an der Waffel, weißt du das?!“ Blaire runzelte nur die Stirn, es gefiel ihm irgendwie gar nicht, wie der Junge ihm die kalte Schulter zeigte. Es kränkte ihn wohl wirklich, dass er am Vortag nicht zurückkam. „Was soll dieser Unsinn nur?“, fragte sich Blaire innerlich, während er sich mit seinem Essen an den Tisch setzte und zu dem Buckel auf dem Bett linste.
 

Aber dafür hatte er nun keine Zeit. Er schlang seine Mahlzeit hinunter, schüttete noch einen Kaffee hinterher und machte sich dann fertig fürs Training. Er sah nochmal zu seinem komischen Mitbewohner, der weiterhin unter der Decke schmollte. Dabei verdrehte er nur die Augen und verließ dann wortlos das Zimmer.
 

Als die Tür zufiel, linste Lyial unter der Decke hervor. „... Ich will doch nur dein Freund sein ...“, murmelte er. Aber das hätte er ihm direkt sagen sollen, wusste er ja genau, aber er traute sich nicht so recht, vor allem, da Blaire an einer Freundschaft wirklich nichts lag …
 

An einem ganz anderen Schauplatz war es gerade Mittagszeit. Zwei junge Neumenschen wollten eigentlich ihren freien Tag genießen und gemeinsam die Zeit verbringen, mal wieder mit virtuellen Spielen. Doch irgendwie …
 

„Oh Mann, Tzila! Was hast du in unserem Spiel zu suchen?!“ Zwei junge Krieger auf Stufe 79, bekleidet in altertümlichen Rüstungen, mit Schwertern geschmiedet aus digitalem Stahl, standen vor einem Wissenschaftler im Kittel, der sich unerlaubt in das Spiel gehackt hatte.
 

„Heh … Das macht ihr beiden also immer, wenn ihr frei habt? Eine virtuelle Welt … Gras aus Pixel. Und eine frische Brise, die lediglich ein schlecht programmierter Code ist. Hahaha! Ihr seid wirklich noch Kinder. Da draußen gibt es eine echte Welt, die ihr erobern könnt. Aber mich würde all das Grünzeug, die Viecher und der kalte Wind echt stören. Ist nicht so mein Ding.“ Tzila verschränkte die Arme, dass er nicht in diese eigentlich friedliche Spielwelt passte, sah man von Weitem. Ein verrückter Professor inmitten einer Waldlichtung, wo sich sonst nur wilde Fantasiemonster tummelten, die man für Quests abschlachten musste.
 

Die Anwesenheit des Mannes ging vor allem Jirair ziemlich auf die Nerven. Nicht mal in seiner Freizeit hatte er Ruhe vor ihm? Sofort hob er sein Schwert, rannte los und versuchte, zuzustechen, aber da stellte sich gleich heraus, dass Tzila lediglich eine Projektion war, kein wirklich Spielcharakter. Trotzdem, er schlug mehrmals auf ihn ein, auch wenn jede Berührung durch ihn durch ging, war er so wütend, dass er sich nur so abreagieren konnte. Schließlich ging Matos zu ihm und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
 

„Bestimmt hat er uns etwas Wichtiges mitzuteilen. Hören wir ihn an und dann … wechseln wir den Server.“ In dieser Welt konnte Matos sprechen, seine Stimme war allerdings nicht so sanft wie sein Charakter vermuten ließ. Er hatte für sein Alter eine relativ tiefe Stimme. Und in der hörte man auch gleich die Abneigung Tzila gegenüber. Wenigstens konnte er ihm hier nicht mit Spritzen drohen …
 

„Hahaha! Genau, wär's nicht wichtig, würde ich euch beide niemals bei euren kindischen Spielen stören. Ich nutze meine Zeit immerhin sinnvoller. Also … Ich habe einen neuen Plan ausgetüftelt. Und diesmal … krieg' ich so eine Elitemaschine aus Heliopolis! Und ihr helft mir. Also … packt euch zusammen, wir treffen uns im Hangar. Das ist übrigens ein Befehl, kein Einladung. Hopp, hopp!“ Und kaum hatte der Kittelträger zuende gesprochen, verschwand sein Hologramm auch wieder, bevor die beiden Jungs etwas erwidern konnten.
 

„Gahhh! Aber Tzila! Das ist unser freier Tag! Verdammt … Wir sind noch mitten im Quest, du verkackter Quacksalber!!“ Jirair fluchte lautstark und stampfte auf, manchmal hatte er ein sehr aufbrausendes Temperament. Und seine wüsten Beschimpfungen während eines Kampfes waren selbst für erwachsene Ohren zuviel.
 

„... Ist doch gut. Jirair. Du willst doch immer noch deinen Bruder finden, oder? Womöglich ist er auf Heliopolis. Wenn wir es schnell einnehmen, können wir dort suchen.“ Das Thema war eigentlich heikel und Jirair reagierte immer ein wenig niedergeschlagen, wenn es um seinen jüngeren Bruder ging. So auch jetzt. Er ließ die Schultern hängen und seufzte.
 

„Es ist nun zehn Jahre her. Zehn Jahre, die er spurlos verschwunden ist … Aber ich gebe nicht auf. Er lebt. Das weiß ich ganz genau! Und bestimmt haben ihn diese Urmenschen entführt … Wer weiß, was sie ihm antun? Matos, lass uns schnell los!!“ Und schon war die Motivation des Weißhaarigen geweckt. Seinen Bruder finden und retten, das wollte er. Um jeden Preis. Er war ihm so wichtig, die beiden waren früher immer zusammen. Mittlerweile hatte Matos seinen Platz eingenommen, aber seinen kleinen Bruder, der so rebellisch und draufgängerisch war, der ihn immer beschützte, auch wenn es umgekehrt hätte sein sollen, er konnte ihn nicht vergessen.
 

Und während die beiden sich auf den Weg machten, bereitete sich auch Tzila auf seinen Einsatz vor. Das letzte Mal war er nicht dabei, er beobachtete nur, aber er merkte gleich, dass sie seine Hilfe brauchten. Er war eindeutig der kluge Kopf des Trios. Und mit Esna Gamma hatte er eine Menge Tricks auf Lager.
 

„Ah, von dieser komischen virtuellen Spielewelt hab' ich doch glatt Kopfschmerzen bekommen. Wie halten die das dort nur aus? Muss ich mir Sorgen um die beiden machen?“ Tzila wandte sich zu dem Mädchen, das neben ihm stand. Yue assistierte ihm an diesem Tag, es war auch ihr Tipp, wo er die Jungs finden würde, da sie nicht zu kontaktieren waren.
 

„Hihi … Sie sind nun mal noch Jugendliche. Neumenschen kommen später in die Pubertät. Aber sie wachsen auch ab einem gewissen Alter langsamer. So wie du, Professor. Du siehst aus wie dreißig, wärst du aber ein Urmensch, würdest du mit deinen sechsundneunzig Jahren im Rollstuhl sitzen. Obwohl, diese Augenringe lassen dich älter aussehen. Sagen wir … vierzig, hihi ...“ Yue kicherte lieb, dabei beleidigte sie ihren „Erbauer“, wie sie Tzila manchmal nannte. Er war an dem Projekt um ihre Erschaffung beteiligt und lieferte die meisten Ideen und Baupläne. Und sie arbeiteten noch dazu eng miteinander, all ihr Wissen hatte sie von ihm. Nicht persönlich beigebracht, nein, aber er hatte ihr zumindest die Daten eingespeichert.
 

„Du bist so ehrlich wie eh und je. Das schätze ich an Maschinen. Und halben, so wie du. Sie lügen nie. Sie sagen immer die Wahrheit. Und vierzig ist doch eigentlich ganz gut, oder? Hahaha!“ Tzila nahm es gelassen. Er kümmerte sich sowieso nie um sein Äußeres. Das erklärte auch die Augenringe und die zerzausten Haare.
 

„Also werdet ihr nun gemeinsam kämpfen. Schade, ich wäre auch gerne dabei. Aber unseren besten Dreien möchte ich nicht ins Handwerk pfuschen, vor allem nicht dir.“ Das klang ein wenig gespielt, eigentlich wollte Yue unbedingt mit, aber wenn Tzila einen fixen Plan hatte, war es besser, ihn gewähren zu lassen. „Sag, wie geht es eigentlich mit deinem anderen Projekt voran? Seit dem Fall von Memphis Theta hat sich nicht viel getan. Vate-, ich meine, der Kommandant wird ungeduldig. Er ist der Meinung, bei dem Tempo könnten wir gleich Heliopolis direkt angreifen. Wir haben genug Einheiten, um diesen Krieg ein für alle Mal zu beenden. Und die Produktion läuft immer weiter.“
 

Yue wippte auf den Fersen auf und ab. Sie wussten von Tzilas Plänen, Heliopolis genauso einzunehmen, wie Memphis Theta. Und diese Raumstation zuvor. Aber irgendwie war das fast schon zu friedlich. Wo blieb da der Spaß am Krieg?
 

„Heliopolis ist riesig, kein Vergleich zu Memphis. Die Sicherheitsmaßnahmen dort sind enorm. Ich habe schon viele Daten, aber das reicht nicht, um einzugreifen. Der Kommandant soll sich noch gedulden. Mit all unseren Maschinen in den Krieg zu ziehen … Das ist dumm und gegen unsere Einstellung.“ Tzila schnalzte mit der Zunge. Eine Kolonie einzunehmen war ein größerer Sieg, als sie einfach zu zerstören, das war seine Ansicht. “Wir werden diesen Krieg gewinnen … Mit den Mitteln der Technik. Ah, ich sollte los. Yue, pass inzwischen auf das Labor auf.“ Er tätschelte sie am Kopf und zischte dann ab.
 

Von einer unangenehm Situation in die nächste, Lyial hatte es momentan nicht leicht. Als würde seit Blaires Ankunft sein ganzes Leben aus dem Ruder geraten. Gerade war er alleine mit Alvis beim Training. Und das war höchst ungewohnt. Normal war zumindest der General anwesend, aber der kümmerte sich gerade um seinen neuen Schützling und hinterließ für die Elite nur Anweisungen, er wollte sich erst nachmittags um sie kümmern. Sorata verschwand zu den Schießeinheiten, und Golyath war gerade lieber bei Clovis im Krankenhaus, als sich dem Training zu widmen.
 

Der weißhaarige Junge schwieg die ganze Zeit, war wohl besser so. Konzentriert stemmte er zwei Hanteln, aber natürlich die leichtesten Gewichte. Er war körperlich echt schmächtig und würde auch nicht mehr schaffen. Aber irgendwie hatte er diesen seltsamen Gedanken, wenn er stärker und selbstbewusster werden würde, würde ihn Blaire auch mehr akzeptieren. Vielleicht konnten sie dann Freunde werden? Langsam merkte er, wie obsessiv er fast schon wurde. Solch tiefe Sehnsüchte waren beängstigend … Auch wenn es etwas so simples wie der Wunsch nach Freunden war.
 

Keuchend legte Lyial die Hanteln zur Seite. Man könnte eigentlich meinen, von dem ganzen Putzen und Schrubben müsste er doch längst mehr Muskelmasse haben. Doch für den General reichte es ja sowieso nie. Ein Pilot musste körperlich in Topform sein. Er seufzte leicht und trank einen Schluck Wasser. Dann linste er zu Alvis. Aber bevor Blickkontakt entstehen konnte, wandte er sich wieder dem Training zu.
 

Und Alvis bemerkte, dass Lyial ihn anstarrte. Gerade machte er noch Liegestützen, nun stand der Jüngste der Elite auf, schnaubte leicht. "Hey. Warum bist du eigentlich so zurückweisend? Hast du irgendein Problem mit mir... mit uns? Oder bist du einfach gerne allein?" Es war in seinen Augen seltsam, wie Lyial die meiste Zeit in seinem Quartier verbrachte. Er hatte doch nicht einmal Hobbys, kam es ihm vor. Keine Familie, keine Freunde, keinen Liebhaber ... oder Liebhaberin. Total einsam. "Du solltest echt langsam mal sozialer werden. Das sagen sie Sorata auch immer, aber selbst sie verbringt mehr Zeit unter Menschen."
 

Wieder legte Lyial die Hanteln weg. „Zurückweisend … ?“ War er das? Er grübelte. Eigentlich war er sehr offen. Aber ihm war immer unwohl in der Nähe von anderen. Vielleicht war das ja eine Phobie oder so etwas, oder er hatte wirklich einen Knacks, aber die Anwesenheit von anderen gab ihm immer das Gefühl, seltsam zu sein. Und die meisten ignorierten ihn ja. Und wenn nicht, sahen sie ihn schräg an, lachten ihn aus oder hielten einfach Abstand. Und von seinen Kollegen wurde er doch auch oft verarscht, zumindest von den Jungs. So etwas mochte er eigentlich nicht. Er war ja doch sehr sensibel … Doch all seine Gefühle nach außen zu zeigen fiel ihm schwer. Auch jetzt hatte er wieder nur einen desinteressierten Ausdruck.
 

Gut, er musste zugeben, er war wirklich nicht sehr sozial. Aber es war auch schwer, aus sich herauszukommen. Das fiel ihm nur bei Maschinen leicht. Die hielten aber auch nicht viel von Spott und waren generell viel offener. „Ich hätte schon gerne Fr- …“ Er verstummte plötzlich, als die Tür aufging. Er hätte schon gerne Freunde, wollte er sagen. Aber das brachte er nun nicht mehr raus.
 

„Alvis, Lyial. Der General lässt uns ausrücken. Es gibt Probleme auf der Raumstation Chemmis. Neumenschen greifen sie an.“ Es war Sorata, die mit einem direkten Befehl von Samuil kam.
 

Die Raumstationen der Urmenschen waren wichtige Institute für die Erforschung und Überwachung der Erde, dienten aber auch als Zwischenlager für Rohstoffe. Sie wurden streng bewacht, hatten ihre eigenen Kampfeinheiten, waren aber keine Wohnstätten, so wie die Kolonien. Seit aber die Raumstation Buto vor einigen Jahren den Neumenschen in die Hände fiel, waren die Kolonien umso vorsichtiger. Deshalb schickten sie Verstärkung, selbst bei dem kleinsten Verdacht auf Angriffe.
 

„Heh, momentan dürfen wir oft raus. Na dann, auf geht’s!“ Alvis war sichtlich motiviert, er hatte wohl die Schmach vom letzten Mal ganz vergessen. Er eilte gleich los, ließ Lyial und Sorata zurück.
 

Zwischen den beiden herrschte auch eine eisige Kälte. Lyial stand langsam auf, schweigend und ging an Sorata vorbei, die ihm mit Abstand folgte.
 

„... Der General will die Neith zur Unterstützung mitschicken. Hinter dem Angriff stecken die drei Neumenschenmaschinen, die uns immer Probleme machen. Diesmal sollen wir sie endgültig ausschalten.“ So lauteten die Worte des Generals, die Sorata wiederholte.
 

Lyial schluckte. Die Neith würden mitkommen. Das bedeutete, sie hätten eine größere Chance, aber … gehörte Blaire nicht auch dazu? War Percival nicht ein Teil der Neith-Einheit? Dann würde er das erste Mal gemeinsam mit ihm kämpfen. Ein wenig war ihm unwohl dabei. Und doch irgendwie … freute es ihn. Seite an Seite mit ihm kämpfen. Sich von seinem wilden Feuer anstecken zu lassen … Das würde ein interessanter Kampf werden, dachte er sich nur. Ohne es selbst zu merken beschleunigte er seine Schritte. Er war noch nie so aufgeregt vor einem Kampf.
 

„Was soll das heißen, ich muss hier bleiben?!“ Golyath stellte General Samuil zu Rede und Antwort, inmitten des Kontrollraums wurde er lautstark. Er bekam gerade die Nachricht, dass die Elite ausrücken musste, sogar die Neith, aber er nicht. Natürlich, Anubis war noch in Reparatur, aber er konnte sich doch eine andere Maschine leihen. Aber der General blieb hartnäckig.
 

„Du bist momentan nicht in der Lage, in einem großen Einsatz zu kämpfen. Du sollst heute nur zusehen. Also … Halt die Klappe und setz dich!!“ Nun wurde auch Samuil laut, doch bevor Golyath eingeschnappt abrauschen konnte, packte er ihn am Kragen und bugsierte ihn auf den Platz neben sich. Das alles hatte schon seinen Sinn und Zweck. Golyath war mit seiner tiefen Abneigung Lyial gegenüber einer der Gründe, warum es dauernd Streitereien gab. Er sollte ihn diesmal also beobachten, er sollte sehen, dass sein neuester Kollege ein würdiger Nachfolger von Franklin war.
 

Ein fast schon spöttisches Kichern war zu hören, Ammadon saß zwei Reihen weiter vorne, bei den ganzen Navigatoren, die die Piloten der Neith unterstützten und amüsierte sich über Samuils Probleme. Die hatte er nicht, seine Navigatorinnenn hatten gute Manieren.
 

Der Platz des engelsgleichen Generals war immer mittig, vor den großen Monitoren. Zu seiner Rechten war Mellan, die bereits in Kontakt mit den Elitepiloten in Vorbereitung war. Und zu seiner Linken …
 

„Cecil. Bist du aufgeregt? Das ist das erste Mal, dass du und Blaire für Heliopolis zum Einsatz kommen. Generell ist das der erste Einsatz der Neith. Meinst du nicht, dass das eine spannende Angelegenheit ist? Aber keine Sorge, sollte es Probleme geben, bin ich für euch da.“ Er wusste selbst, wie nervös das erste Mal war. Alles war neu, alles war ungewiss. Er legte eine Hand auf die des rothaarigen Navigators, der nur zusammenzuckte und errötete.
 

„D-Das … I-Ich … Ich gebe mein Bestes, Herr General!“ Die Stimme des nervösen Jungen überschlug sich, das war fast schon zu niedlich. Er passte so perfekt in diesen Job …
 

„Nenn mich Ammadon. Das tun doch alle. Ich bin zwar dein Vorgesetzter … aber auch dein Kollege. Nun denn … Alle Piloten sind anwesend. Dann starten wir mal, nicht? Die Piloten zählen auf euch.“ Und dann lehnte sich der blonde Mann zurück. Er beobachtete wieder nur, und würde eingreifen, wenn es brenzlig wurde. Aber das hoffte er natürlich nicht. Dennoch … der Feind war zu bekannt. Wenigstens war es diesmal kein Hinterhalt, sondern ein offener Angriff.



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