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Josephine Klick - Allein unter Cops

von

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Kapitel 38
 

„Ihr werdet also noch ein wenig brauchen bis ihr wieder in Berlin seid?“

„Vermutlich ja. Wir stehen schon eine Weile im Stau. Das Weiterkommen ist wirklich schleppend“, antwortete Fritz, der mit Benny auf dem Rückweg nach Hause war. Die beiden waren eine Woche an die Ostsee gefahren. Fritz hatte mich gebeten mitzukommen, aber ich lehnte aufgrund der Trainingseinheiten und der Untersuchungen ab. Außerdem wollte ich den Abenteuerwahn der beiden durch meinen geschwächten Körper nicht unterdrücken. Glücklicher Weise hatte ich diese Woche viele Fortschritte gemacht.
 

„Wir sehen uns heute Abend?“, fragte Fritz.

„Wenn ihr nicht zu lange im Stau steht...“ Benny unterbrach meine Antwort.

„Papa hat dich ganz schrecklich vermisst. Du musst auf jeden Fall heute Abend vorbeikommen. Ich habe dir auch noch ganz viel zu erzählen.“ Ich musste lachen bei seinem fordernden Tonfall und erklärte mich einverstanden.

„Dann meldet euch, wenn ihr da seid. Ich komm später vorbei. Fahrt vorsichtig!“
 

Ich beendete das Gespräch und sah aus meinem Wagen zum Gebäude in dem Falk wohnte. Ich war wieder einmal ziellos durch Berlin gefahren und irgendwie hier gelandet. Seit Tagen wollte ich schon mit ihm reden und heute hatte mein Unterbewusstsein die Entscheidung für mich getroffen. Dieses Bedürfnis stieg mit jeder Minute und ich konnte nur hoffen, dass er da war. Ich atmete tief durch, schnallte mich ab und stieg aus dem Auto.
 

Noch bevor ich die Klingel betätigte sprang die Tür der Wohnung auf und ich zuckte vor Schreck zurück. Sophia stand mit Jacke und Tasche im Türrahmen und sah mich ebenso überrascht an.

„Josephine“, rief sie freudig aus und umarmte mich. Im nächsten Moment hörte ich schon die Stimme von Falk.

„Was ist hier los?“, fragte er und trat in den Flur. Falk sah mich verwundert an, aber ich blickte nur böse zurück. Er runzelte seine Stirn.

„Du siehst mich schon wieder so an, als wenn du mich gleich anschreien willst. Warum tust du das immer, wenn du unangemeldet vor meiner Tür stehst? Das ist wie ein Flashback. Ich kriege noch nen Trauma wegen dir.“ Er versuchte die Situation aufzulockern, aber mein Blick verfinsterte sich weiter.

„Ich bin jetzt nicht zum Scherzen aufgelegt.“
 

Sophia löste sich aus der Umarmung und sah erst mich und dann Falk fragend an. „Was hast du schon wieder angestellt?“

„Keine Ahnung“, entgegnete Falk und hob abwehrend die Arme.

„Ich bin immer noch stinksauer auf dich“, warf ich in den Raum. Stille breitete sich für einen Moment im Flur aus.

„Oka~y“, brach Sophia das Schweigen. „Ich würde ja gerne zusehen, wie du meinem Bruder die Ohren langziehst, aber ich habe noch ne Lernrunde für die Uni... Lass ihn in einem Stück. Solange ich hier noch wohne, genieße ich meine Mietfreiheit.“ Sophia zwinkerte mir zu und verabschiedete sich von uns.
 

Die Wohnungstür fiel ins Schloss und ich drehte mich wieder zu Falk. Er lächelte mich übertrieben an und öffnete einladend seine Arme. „Partner“, rief er aus und machte einige Schritte in meine Richtung. Ein warnender Blick von mir reichte und er hielt inne. Nach einigen Sekunden blickte er ernster und deutete schließlich zum Wohnzimmer. Ich folgte ihm wortlos und nahm auf der Couch Platz. Falk setzte sich mir gegenüber.
 

„Okay, was ist los?“, wollte er wissen. „Du bist doch nicht noch sauer wegen dem Job, oder?“

„Das ist nicht der Grund warum ich hier bin, aber natürlich bin ich noch sauer. Du kanntest meine Meinung dazu. Ich kapier einfach nicht, warum du von deiner Position zurücktrittst und ohne mein Einverständnis die Schuld alleine trägst. Schön, dass jetzt kein Verfahren gegen mich laufen wird, aber du hast so hart für diesen Job gearbeitet und jetzt gibst du ihn einfach auf?“
 

„Vielleicht fällt es dir schwer zu glauben, aber ich freue mich auf meinen neuen Job. Immerhin können wir Partner bleiben...“ Ich blickte ihn unschlüssig an und er atmete schwerfällig aus als er mich weiterhin betrachtete. „Worüber machst du dir schon wieder Sorgen?“, fragte er mich. „Es wäre quatsch ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe das nicht nur wegen euch gemacht. Es war kein fixer Gedanke von mir. Dieser Job... Du weißt, dass er einem Zweck diente.“
 

„Aber du willst doch nicht leugnen, dass dir der Job auch viel bedeutet. Warum hättest du dich sonst halb tot arbeiten sollen...?“

„Ich nehme jeden Job den ich annehme ernst. Er hat lange genug mein Leben bestimmt und ich freu mich auf einen neuen Abschnitt mit neuen Zielen. Mit euch zusammenzuarbeiten hat mir gezeigt, warum ich überhaupt Polizist geworden bin. Ich möchte wieder raus und an Fällen arbeiten wie früher... Was ist daran falsch?“

Sein zweifelnder Blick traf mich und dieses Mal bekam ich wirklich ein schlechtes Gewissen. Er sollte nicht glauben, dass ich ihn nicht willkommen hieß im Team. Aber es war ein großer Schritt und er sollte sich absolut sicher sein.
 

„Ist es für dich ein Problem, dass ich dein Partner werden soll? Ich will euer Team nicht zersplitten.“

„Natürlich nicht.“ Die Worte verließen meinen Mund ein wenig zu schnell, aber sie stimmten. Unser Team würde sich nur erweitern und nicht aufteilen. Vielleicht war es für die Beziehung von Fritz und mir ebenfalls förderlich, wenn wir ab und an unabhängig von einander arbeiten konnten. Ich hatte die vergangene Woche viel darüber nachgedacht und konnte nur positive Aspekte finden. Falk würde ein guter Partner werden. „Ich will nur, dass du dir sicher bist, Falk.“

„Glaub mir, dass bin ich. Solange keiner von euch was dagegen hat. Du weißt, dass ich mich sonst in ein anderes Revier versetzen lasse. Ehrlich gesagt hatte ich erwartet, dass Fritz Einwände erhebt. Ich war erstaunt, dass er sich so schnell einverstanden erklärte.“
 

Da musste ich Falk zustimmt. Alex hatte wie ich mit seiner Antwort gezögert. Wir waren alle überrascht als Fritz nach nur zwei Tagen dem Vorschlag vom Chef als Erster zustimmte. Er war die Tage zuvor sehr nachdenklich gewesen, hatte kaum darüber geredet und es mit sich selbst ausgemacht. Einige Zeit nach der Entscheidung war er mit Benny in den Urlaub gefahren und mir blieb keine Möglichkeit mit ihm darüber zu reden. Ich begrüßte die Entscheidung, hatte aber noch so viele Fragen. Vor allem weil er seit dem Tag nicht mehr darauf einging, was eigentlich zwischen ihm und Falk im ersten Verhör vorgefallen war. Was war der Grund? Glaubte er die zukünftige Partnerschaft zwischen Falk und mir dadurch zu gefährden? Ich brauchte endlich Antworten und war mir sicher von Fritz keine zu bekommen. Wir hatten über viele andere Dinge geredet, wie zum Beispiel über das Video auf meinem Handy, aber bei dem Verhör mit Falk stellte er sich stur.
 

„Erzähl mir vom ersten Verhör zwischen dir und Fritz“, forderte ich Falk auf und konnte die Verwunderung in seinen Augen sehen.

„Er hat es dir noch nicht erzählt?“

„Sonst würde ich dich wohl kaum fragen...“ Ich sah Falk an, dass er Fritz lieber die Antwort überlassen wollte. „Ich muss es wissen, Falk. Ich kann nicht mit dir zusammenarbeiten, wenn ich nicht den anfänglichen Disput zwischen euch beiden verstehe. Wir sind zukünftig ein Team, da müssen solchen Sachen geklärt sein.“ Den letzten Satz sprach ich mit etwas mehr Nachdruck und er schien Wirkung zu zeigen.

„Ich gehe davon aus, dass du keine Ruhe gibst bis du eine Antwort hast?“

„Richtig!“

„Deine Sturheit ist unglaublich.“

„Danke. Eine meiner vielen guten Eigenschaften, die du als mein Partner in der Zukunft genießen darfst“

„Ich freue mich jetzt schon darauf“, schnaubte er und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Dann wurde ich aber wieder ernst.
 

„Also?“, lenkte ich das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema.

„In Ordnung. Aber verstehe bitte, dass ich nur meinen Job gemacht habe... Mein Auftrag war den Tathergang bestmöglich zu rekonstruieren und zu analysieren.“ Er sah mich prüfend an und fuhr nach einer zustimmenden Geste von mir fort. „Ich versuchte ihn zu provozieren, wollte so an mehr Infos kommen, aber er blieb bei seiner Aussage der Notwehr. Herr Brehmer habe die Rettung behindert und dein Leben gefährdet. Seiner Aussage nach hätte Hr. Brehmer dich genauso gut mit einer Waffe bedrohen können.“

„Womit er nicht Unrecht hatte.“

„Es stand außer Frage, dass er handeln musste. Aber ein Messer ist keine Dienstwaffe, wodurch der Gebrauch einer Straftat gleichkommt. Die rechtlichen Bestimmungen waren mir fürs Erste egal. Darüber sollten sich die Juristen den Kopf zerbrechen. Ich suchte nach dem Motiv. Mein Ziel in diesem Gespräch war eigentlich...“ Er zögerte weiterzusprechen, also beendete ich seinen Satz.

„...herauszufinden, ob wir ein Paar sind?“
 

Er sah mich einen Augenblick nachdenklich an, bevor er mir zustimmte.

„Das war der Plan. Ich wollte ihn irgendwie aus der Reserve locken, ihn zu unüberlegte Äußerungen verleiten. Sein Temperament schien dafür zu sprechen, dass es nicht so schwer werden sollte. Also ging ich auf seine Scheidung ein, spielte darauf an, dass er als Ehemann versagt hatte, vielleicht sogar als Vater. Ich unterstellte ihm Angst zu haben nun auch als Polizist und Partner zu versagen. Besonders bei einer Kollegin an der er offensichtlich interessiert schien.“

Ich hörte ihm weiter zu, als er noch von weiteren Provokationen berichtete. Mich überraschte es nicht. So etwas war zu erwarten. Falk war vorgegangen wie man es erwarten konnte. Aber Fritz kannte das Vorgehen der Kollegen. Hatte es wirklich nur diese Provokationen gebraucht, dass Fritz so eine Abneigung gegen Falk entwickelte?
 

„Wie hat er reagiert?“, wollte ich wissen.

„Unerwartet ruhig. Er ließ sich auf nichts ein, zeigte keine Reaktion. Ich glaubte schon auf Granit zu beißen. Aber auf eine Sache reagierte er dann doch...“ Er hielt kurz inne, sah mich unsicher an und ich fragte mich was es wohl war, dass Fritz aus der Ruhe gebracht hatte. „Ich habe ihm von dem Vorfall mit deiner Mutter erzählt.“

Mir stockte der Atem, als ich Falk fassungslos ansah. Meine Mutter? Was hatte sie damit zu tun und wie konnte er von ihr wissen? Redete er etwa über den Tag an dem sie bei einem Raub ums Leben gekommen war?
 

„Woher...?“

„Ich habe dir doch erzählt, dass ich mich über dich informiert habe. Natürlich ging die Recherche etwas tiefer und ich fand ungewollt auch einige Details über den Tod deiner Mutter. Ich plante nicht es im Verhör zu benutzen, aber als er auf nichts reagierte, erzählte ich ihm von ihr. Die Fälle hatten keine Ähnlichkeit, aber das war nicht das Entscheidende für mich. Ich ließ ihn glauben, dass du ihn immer als Mörder sehen würdest und er nicht besser wäre als der Mann, der deine Mutter erschossen hat. Du würdest ihm nie wieder vertrauen, selbst wenn es auf Notwehr hinauslaufen sollte. Ich spielte eine weitere Karte aus und fragte, ob er wüsste, warum du so gut schießen kannst. Er fand darauf keine Antwort, wirkte durcheinander. Also erzählte ich ihm, dass du jahrelang wie eine verrückte trainiert hast, weil du Verbrechen bekämpfen wolltest ohne dabei jemanden wirklich tödlich zu verletzten. Selbst wenn du es nicht zugibst, aber dir fällt jeder Schuss auf eine Person schwer. Du hast viele Jahre gebraucht um den Verlust deiner Mutter zu verkraften. Ich musste feststellen, dass er nicht einmal wusste, dass deine Mutter nicht mehr lebt. Er hatte überhaupt keine Ahnung von deinem Leben, bevor du nach Berlin gekommen bist. Das sprach natürlich nicht dafür, dass ihr zwei zu diesem Zeitpunkt ein innigeres Verhältnis hattet.“
 

Er machte kurz eine Pause und ließ mir Zeit um die Informationen zu erfassen. Ich hatte alles Mögliche erwartet, aber nicht das was ich gerade von Falk hörte. Seine Schachzüge waren clever und beantworteten so viele meiner Fragen. Die Unsicherheit von Fritz, sein Rückzug nach Konfrontationen mit mir. Er musste nach dem Verhör geglaubt haben, dass ich ihn verachtete, dass ich ihn gleichstellte mit dem Mörder meiner Mutter. Ich schloss meine Augen und dachte über die erste Tage nach seiner Festnahme nach. Erst war ich kühl zu ihm, dann hatte ich in auf dem Revier umarmt – ich musste ihn mächtig verwirrt haben. Was war ihm die ganze Zeit durch den Kopf gegangen? Ich atmete tief durch, bevor ich meine Augen wieder öffnete und Falk unschlüssig ansah.
 

„Wow... Wer hätte gedacht, dass du so ein Arschloch sein kannst!“ Ich war erstaunt wie ruhig ich dabei blieb. Sollte ich nicht wütend sein? Wenn es nicht um mich ginge, würde ich ihn vermutlich bewundern für sein Vorgehen. Er hatte nicht umsonst den Ruf gefährlich im Verhör zu sein. Bisher hatte er noch aus jedem die Wahrheit rausbekommen. Ich musste einfach verdrängen, dass er meine Vergangenheit für seine Zwecke missbraucht hatte.

Falk blickte mich gequält an. „Du reagierst nicht wie erwartet!?“

„Was soll ich deiner Meinung nach machen? Ausrasten und dir eine knallen?“

„Ich habe an diesem Tag meinen Job gemacht. Nur hatte ich zu dir als betroffene Person mehr Hintergrundwissen als bei anderen Fällen. Ich hab versucht das Wissen auszublenden, aber im Verhör mit Fritz ist mein Ehrgeiz einfach mit mir durchgegangen.“

„Falk, du brauchst mir das nicht erklären. Ist schon klar, dass es für dich ein Job wie jeder andere war.“

„Wirklich?“, fragte er

„Sachlich betrachtet, ja“, erwiderte ich knapp.

„Aber du kannst das nicht nur sachlich betrachten, oder?“

Ich musste ihm Recht geben, also schwieg ich und sortierte erst einmal meine Gedanken. Es verging gefühlt eine Ewigkeit bis Falk weitersprach.
 

„Ich glaube, sein größtes Problem war, dass ich soviel von dir und deinem Leben wusste. Die Vorbereitungszeit auf das Verhör mit ihm war nicht lang genug um an diese ganzen Informationen zu kommen. Also war ich mir sicher, dass er ein privates Interesse dahinter vermutete. Er sprach es nicht aus, aber ich konnte es in seinen Augen sehen. Ich war mir nicht sicher, ob es Eifersucht oder einfach nur Revierverhalten war. Das wollte ich im Nachgang rausfinden. So sind bestimmt einige Missverständnisse zwischen ihm und mir aufgetreten und ich muss zugeben, dass ich nicht gerade dazu beigetragen haben sie aus dem Weg zu räumen.“

„Vermutlich hast du sie noch geschürt.“

„Er ließ sich viel zu leicht provozieren.“
 

Ich blickte ihn warnend an. Gerade als ich was sagen wollte klingelte mein Handy. Fritz war dran. Der Stau hatte sich schneller aufgelöst als gedacht und er würde mit Benny wohl in einer Stunde in seiner Wohnung ankommen. Wenn ich jetzt losfuhr konnte ich mich zuhause noch frisch machen und dann pünktlich bei den beiden sein. Mich durchlief ein Kribbeln, als ich daran dachte endlich Fritz wieder zu sehen. Ich hatte ihn die Woche über schrecklich vermisst und durch die neuen Erkenntnisse war mein Bedürfnis nur noch gestiegen ihn endlich in meine Arme zu schließen. Ich wollte alle Unsicherheiten, die er vielleicht noch immer in sich trug, beseitigen.
 

„War das Fritz?“, fragte mich Falk als ich das Gespräch beendete.

„Ja, er kommt heute wieder zurück“.

„Also habt ihr es endlich geschafft?“ Ich sah Falk bei seiner Bemerkung verwirrt an. Er sah zufrieden aus.

„Geschafft? Wie meinst du das?“

Sein Mund verzog sich und er richtete eine Augenbraue auf um mich prüfend anzusehen. „Willst du es etwa geheim halten, dass ihr zusammen seid?“

„Natürlich nicht, was glaubst du denn? “

„Ich weiß nicht. Mich verwundert es nur, dass ihr beide zusammen seid, aber bisher niemand davon weiß.“

„Es gab einfach noch keine Gelegenheit“, erwiderte ich etwas missmutig und stand auf. Ich hatte jetzt wirklich keine Lust mit ihm darüber zu diskutieren und auch keine Zeit. Zumal es etwas Privates zwischen Fritz und mir war. „Außerdem geht dich das nichts an, verstanden?“

Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, als er mir in den Flur folgte.

„Charmant wie eh und je.“
 

***
 

Ich hörte das bekannte Klicken des Schlosses, als ich mit dem Schlüssel die Wohnungstür öffnete. Fritz hatte mir einen Ersatzschlüssel gegeben und ich konnte mich so in die Wohnung schleichen. Es war später geworden als gedacht und Benny musste bereits eingeschlafen sein. Ich zog gerade meine Schuhe aus und legte meine Tasche ab, als Fritz in den Flur trat.
 

„Hey“, begrüßte er mich und schenkte mir dieses warme Lächeln, das meine Knie weich werden ließ. Als ich ihn ansah musste ich wieder an das Gespräch mit Falk denken. Es hatte so viele Missverständnisse gegeben. Ich konnte nur erahnen, was ihm die ganze Zeit durch den Kopf gegangen sein musste.

Der Drang ihm ganz nahe zu sein war überwältigend. Ohne was zu sagen ging ich auf ihn zu und schlang meine Arme um seinen Oberkörper. Ich bettete mein Gesicht auf seinem Brustkorb und atmete tief ein. Ich war die ganze Woche ohne ihn so rastlos gewesen. Nie hätte ich geglaubt, dass mir der Abstand zu ihm so viel ausmachen würde. Vielleicht lag es daran, dass wir noch ganz am Anfang unserer Beziehung standen. Aber irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Wunsch nach seiner Nähe für mich nur der Anfang war. Sein Duft und die Wärme seines Körpers umschmeichelten meine Sinne und beruhigten mich.

Meine Reaktion musste ihn überrascht haben, denn er war für einige Momente wie erstarrt. Als er langsam seine Arme um mich legte blickte ich ihn an.
 

„Womit hab ich diesen Empfang verdient?“, schmunzelte er mich an und streichelte mein Gesicht bevor er mir einen zarten Kuss auf den Mund hauchte.

„Ich hab dich vermisst“, entgegnete ich ohne Umschweife. Bei meinen Worten konnte ich ein leichtes Flackern in seinen Augen erkennen. Ich lehnte meinen Kopf an seine Halsbeuge und schloss meine Augen. Seine Hand strich über mein Haar und ich genoss das Gefühl. Mir war es egal, dass wir mitten im Flur standen. Von mir aus könnten wir hier noch eine Ewigkeit stehen. Wann hatte ich mich das letzte Mal so geborgen gefühlt? Ich nestelte mich tiefer in sein Shirt während ich mich in meinen Gedanken verlor.
 

„Ich liebe dich.“

Die Worte hallten in meinem Kopf nach und ich war mir nicht sicher, ob sie nur ein weiteres Mal durch meinen Kopf gegeistert waren oder ich sie dieses Mal tatsächlich ausgesprochen hatte. Die Reaktion von Fritz ließ keine Zweifel. Sein Atem stocke und er hielt in seiner Bewegung inne. Ich war erstaunt, dass mein Puls nicht in die Höhe schnellte und mein Herz wie verrückt gegen meinen Brustkorb schlug. Was war eigentlich los mit mir? Wie von allein war die Angst vor meinen eigenen Gefühlen einfach verschwunden und ich war bereit sie auch in Worte zu fassen.
 

Ich blickte zu ihm auf. Er sah mich noch immer völlig überrascht an und ich musste mir auf die Lippen beißen um nicht zu lachen. Sein Gesichtsausdruck in diesem Moment war einfach unbezahlbar.

Langsam kam er wieder zu sich und seine Hände umfingen mein Gesicht, als er mich ernst anblickte.

„Was hast du gerade gesagt?“, fragte er heiser. Ich konnte die Ungeduld in seinen Augen erkennen.

„Ich liebe dich.“

Noch nie war ich mir damit so sicher gewesen wie in diesem Augenblick und noch nie waren mir die Worte so leicht über die Lippen gegangen. Er lächelte mich erleichtert an, bevor er seinen Kopf senkte und mich küsste bis mir schwindelig wurde. Wie viel mehr von diesen Glückhormonen würde ich noch vertragen? Konnte man an einer Überdosis sterben?
 

„Ich sollte wohl öfter ne Woche verreisen...“, flüsterte er spielerisch als seine Stirn gegen meine lehnte.

„Auf keinen Fall“, protestierte ich und schlug ihm warnend auf die Brust. Er lachte leise, bevor er seinen Arm um meine Schultern legte und mich ins Wohnzimmer manövrierte.

Wenig später lagen wir beide auf der Couch und ich hatte mich an ihn geschmiegt. Der Fernseher lief leise, aber ich achtete nicht auf den Film. Das Gespräch mit Falk drehte noch immer Runden in meinen Kopf.
 

„Ich war heute bei Falk.“

Fritz sah mich fragend an, aber er ahnte wohl schnell worum es bei meinem Besuch gegangen war. Es war leicht an seinem unzufriedenen Gesichtsausdruck zu erkennen.

Ich sah ihn besänftigend an. „Reg dich jetzt nicht wieder auf. Wenn ich mit ihm als Partner arbeiten soll, müssen solche Dinge geklärt sein, findest du nicht?“

Nach kurzem Zögern stimmte er mir zu. „Wie geht´s dir?“

„Gut soweit. Ich denke wirklich, dass wir von Falk in unserem Team nur profitieren können. Er ist beim Verhören ja wirklich skrupellos.“
 

„Er hat mir von deiner Mutter erzählt“, sagte Fritz nach einer Weile.

„Ich weiß.“

„Ich wusste nicht...“

„Fritz, dass weiß ich“, unterbrach ich ihn. „Wir haben alle unsere Vergangenheit und jeder kämpft mit irgendwas. Ich bin da keine Ausnahme. Aber Falk lag mit einigen seiner Schlussfolgerungen nicht ganz richtig. Ich habe dich nie gleichgesetzt mit dem Mann, der für den Tod meiner Mutter verantwortlich war. Außerdem habe ich nicht nur so gut schießen gelernt um zu vermeiden jemanden ungewollt tödlich zu verletzten. Er hat Recht, dass mir jeder Schuss auf eine Person schwer fällt, aber als Polizistin muss ich auch in der Lage sein gezielt jemanden auszuschalten, wenn die Situation es erfordert. Besonders wenn es darum geht jemand anderen zu schützen.“
 

Eine Weile schwiegen wir beide. Ich wusste nicht, was ich sonst zu diesem Thema noch sagen konnte. Wenn Fritz etwas wissen wollte, würde er mich fragen. Wir brauchten keine Geheimnisse mehr voreinander haben. Früher oder später würde ich ihm sowieso mehr von mir und meiner Vergangenheit erzählen.

„Vielleicht war es doch richtig, dass du mit Falk gesprochen hast.“

„Natürlich war es das. Aber eines würde mich noch interessieren.“

„Und das wäre?“

„Warum du so schnell zugestimmt hast, dass Falk in unser Team kommt.“

„Die Kurzfassung?“

„Ja, die reicht mir.“

„Ich glaube, dass zwei Menschen, die zu sehr versuchen aufeinander aufzupassen schnell den Fokus für das Wesentliche verlieren. Das beeinträchtigt die Arbeit und kann in bestimmten Situationen gefährlich werden.“

Ich verstand was er meinte. Wir würden uns gegenseitig ablenken, wenn wir wie bisher ständig so eng zusammenarbeiten würden. Einen weiteren Teamkollegen zu habe brachte viele Vorteile.
 

„Der wird sich umsehen, wenn er nächste Woche bei uns anfängt. Der bekommt erst mal von mir und Alex ein Spezialtraining im Außeneinsatz. Dieser Anzugsträger wird wohl ziemlich eingerostet sein. So kann ich ihn nicht mit dir losziehen lassen. Er muss noch viel lernen. Ein Verhör ist keine Ermittlung draußen auf der Straße.“

Die Vorstellung schien Fritz zu gefallen Falk mit in den Außendienst zu schleifen. Ich ahnte, dass Falk keine leichte Schule bevorstand. Alex und Fritz würde es genießen wieder in die Rolle der Platzhirsche zu schlüpfen und dem Neuen erst mal deren Revier zu zeigen. Da musste Falk wohl durch. Aber ich war mir sicher, dass er sich gut machen würde.
 

„Er weiß von uns.“

„Ist das schlimm?“

„Nein, aber wir haben darüber noch nicht gesprochen, ob wir es den anderen sagen...“

Fritz richtete sich etwas von der Couch auf und griff nach der Fernbedienung. Er stoppte den Film bevor er mich unzufrieden ansah. „OB? Willst du etwa ein Geheimnis daraus machen?“
 

Ich legte beruhigend meine Hand in seine und zog ihn wieder zurück auf die Couch. „Fritz, natürlich nicht! Sie sollen es doch wissen, aber ich möchte auch zukünftig mein Privatleben und meine Arbeit voneinander trennen. Das verstehst du doch, oder?“ Er sah noch immer nicht ganz zufrieden aus, wirkte aber etwas ruhiger. “Erinnere dich, was du mir zu dem Video auf meinem Handy erzählt hast. Du hast Alex gesagt, dass du nicht mehr denken kannst, wenn ich alleine in einen Einsatz gehe. Mir geht es doch nicht anders. Genügend Zwischenfälle haben das ja nun mittlerweile bewiesen. Wir müssen auf der Arbeitsebene einfach ein wenig mehr Abstand voneinander haben. Wir können ein Team bleiben, aber keine direkten Partner. Daher ist der erste Schritt, dass du wieder hauptsächlich mit Alex arbeitest und Falk mit mir. Wenn wir wollen, dass es mit uns beiden funktioniert, müssen wir Privates und Dienstliches besser trennen.“
 

Fritz ließ sich ins Couchkissen zurücksinken und stöhnte entnervt auf. „Wirklich schwere Kost für so eine Uhrzeit. Ich dachte eigentlich, dass wir uns heute einen entspannten Abend machen und gemütlich einen Film gucken ohne mal wieder über solche Themen zu sprechen, die sowieso noch Zeit haben.“

Ich lächelte ihn an als ich seine Schulter küsste und meinen Kopf an seinen lehnte. „Tut mir leid.“

Er zog eine Augenbraue hoch, als er mich aus dem Augenwinkel heraus betrachtete. Langsam verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. „Schon ok. Ich weiß, dass du Recht hast.“

Ich blickte ihn skeptisch an. „Wow, wirklich interessant diese Worte aus deinem Mund zu hören. Könnte ich das vielleicht schriftlich bekommen?“

„Auf keinen Fall“, grinste er, legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich enger an sich. Er ließ den Film weiterlaufen, bevor er die Fernbedienung neben sich platzierte und seinen Kopf zu mir drehte. „Und jetzt haben wir erst mal genug darüber gesprochen, klar?“
 

„Glasklar“, stimmte ich zu und drückte Fritz einen Kuss auf seine Lippen. Als seine Berührungen andauerten und intensiver wurden war schnell vergessen, dass wir eigentlich den Film zusammen sehen wollten. Nur gedämpft drangen die Klänge vom Fernseher an mein Ohr, denn ich genoss viel zu sehr die Liebkosungen von Fritz. Hitze stieg in mir auf, als er uns in einer fließenden Bewegung drehte und mich mit seinem Gewicht in die Kissen der Couch drückte. Die Fernbedienung fiel zu Boden und ich atmete schwer, als sich seine Lippen von meinen lösten. Sein Gesicht verweilte nur wenige Zentimeter über meinem und ich spürte die Hitze seines Atems auf meiner Haut.
 

Mein Körper brannte und mich erfasste wieder diese Unruhe, wie immer, wenn er mich so sinnlich berührte. Ich blickte ihn mit halbgeschlossenen Augen an und konnte sehen, dass es ihm genauso ging. Seine Stimme klang rau und heiser als er mir leise ins Ohr flüsterte.

„Eigentlich wollte ich wirklich erst diesen Film mit dir gucken, bevor ich über dich herfalle, aber um ehrlich zu sein reicht meine Geduld bis zum Abspann einfach nicht mehr aus.“
 

Kaum waren die Worte ausgesprochen, löste er sich von der Couch und zog mich mit einem Ruck in seine Arme. Meine Arme schnellten reflexartig um seinen Hals, als ich nach Halt suchte. Er war wirklich ein Mann der Tat, dachte ich amüsiert und erregt zugleich. Ich lehnte meinen Kopf an seinen als er mit mir in Richtung Schlafzimmer ging.

„Kommen wir jetzt zu dem Part, wo du mir die Klamotten vom Leib reißt und mich aufs Bett wirfst?“, flüsterte ich in sein Ohr.

„Das war der Plan“, entgegnete er knapp und trat durch die geöffnete Tür ins Schlafzimmer. Ich konnte die Frage in seinen Augen sehen. Als Antwort ließ ich die Tür langsam ins Schloss fallen.

„Ein wirklich guter Plan“, lächelte ich ihn an und beugte mich vor um ihn zu küssen.



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