Ein fehlendes Detail
Diese idiotische Idee war schon vor einem Jahr beschlossen und auch nicht die tollste gewesen aber er konnte seiner Schwester einfach nichts abschlagen. Sie musste ihn nur einmal mit ihren strahlend, blauen Augen fixieren und sein Herz war erweicht. Nun das schaffte auch nur sie. Sie ganz alleine! Seine kleine Schwester Lamy.
Schon damals, als sie beide noch jünger gewesen waren, schaffte sie es mit Leichtigkeit Law für sich zu gewinnen und mit ihr zu spielen. Früher waren sie fast unzertrennlich gewesen, wenn er sich mal von seinen Büchern los reißen konnte, war er oft mit ihr in den Stadtpark gegangen und nicht nur dort war er mit ihr gewesen – Nein! Eigentlich hatten sie oft die Gegend auf ihre eigene Art und Weise unsicher gemacht. Abends konnte er dann immer noch ein gutes Buch lesen, erst hatte er Lamy den Anfang laut vorgelesen, dann hatte er mit ihr im Arm einfach weiter gelesen, als er schnell merkte das sie eingeschlafen war. So verweilte er bis er schließlich selbst im Reich der Träume versunken war. Oh ja! - daran erinnerte er sich, zumindest ganz Wage kamen die Erinnerungen ab und an wieder. Doch immer wenn er so seine Schwester ansah, die Stundenlang mit ihrer besten Freundin telefonierte, da fragte er sich schon, wo die Kleine von Früher geblieben war.
Da ihre Eltern sehr eingenommen von ihren beruflichen Aufstiegen gewesen waren, hatte es Law sich schon sehr früh zur Aufgebe gemacht, sich um seine Schwester Lamy zu kümmern. Er konnte seine Eltern verstehen, die lieber ein Kindermädchen einstellten, damit sie immer alles hatten was sie doch gebraucht hätten. Beide waren Ärzte gewesen und waren früher oft in ärmere Länder vereist um dort zu helfen. Jetzt waren sie hier zusammen in einem der besten Hospitales. Doch er wusste genau das man die Mutter und den Vater nicht mit einem Kindermädchen ersetzen konnte.
Ein schwerfälliges Seufzen trat zwischen seinen Lippen hervor. Warum konnte seine Schwester nicht, die Kleine sein, die noch gerne mit Puppen spielte und gerne etwas vorgelesen bekommen wollte? Nein… mittlerweile war sie auf der High-School und nahm an jeglichen Programmen teil die, die Schule überhaupt anbot. Von manchen Dingen hatte er sogar noch nie etwas gehört gehabt. Vor einem Jahr hatte sie sich bei einem Austauschjahr angemeldet, wo die Annahmebestätigung vor ein paar Wochen im Briefkasten gelandet war.
Wer hatte sich diese Idee überhaupt ausgedacht? Person A reiste von irgendwoher an und blieb bei Person B und am Ende von diesem Austauschjahr begleitete Person B, Person A, wo Person B schließlich nur 2 Monate bleiben würde.
Dazu erklärte man sich die Hälfte der Kosten auf sich zu nehmen. Klar… Lamy hatte schon immer ein gutes Herz gehabt was bedürftige anging, aber das schien doch etwas suspekt. Doch immer wenn Law etwas gegen dieses Projekt sagte, bekam er nur böse Blicke zu spüren und im nächsten Moment knallte irgendeine Tür in der kleinen 2-Zimmer Wohnung zu und er bekam Lamy ein paar Tage nicht zu Gesicht.
Irgendwann hatte er mal ihre beider Eltern angerufen, fand aber auch auf keinen wiederstoß, eher auf zureden. Klar, als er Volljährig wurde hatte er sich eine eigene Wohnung gesucht und da die High-School von Lamy zu Fuß nur 10 Minuten betrug, ließ er sie hier einziehen…da konnte er ja nicht ahnen das so etwas auf ihm zu kam oder? Also redeten die Eltern auf ihn solange ein, bis er schließlich ja sagte…
Tolle Sache, wirklich! Darauf freute er sich bereits so sehr, dass er Luftsprünge verüben könnte! Was für eine Ironie.
Ein ganzes Jahr sollte man also Gastfreundlich gegenüber einer Person sein, die man noch nie gesehen hat, das konnte ja nur schief gehen.
Und? Trotzt Protest, dennoch stand der junge Medizinstudent nun dort. Wo er stand? Mitten auf dem Londoner Flughafen mit einem kleinen Schild in den Händen, auf dem der Name des Anreisenden stand. Überaus genervt und gestresst von der Situation trat er mit dem flachen Fuß auf dem Boden auf und ab. Nachdem schon wieder ein Flieger gelandet war, aber die zutreffende Person nicht dabei war, entschloss er eine kleine Bahn des Ganges entlang zu gehen.
Lamy hatte gesagt es sei ein junges Mädchen, das sie damit aber nur meinte, dass der Name danach klang, hatte sie ihrem großen Bruder verschwiegen.
Hätte Law also gewusst, dass ein junger Mann zu ihnen kommen würde, hätte er sicher gewaltig dagegen protestiert, vor allem weil ein Gästebett in Lamy´s Zimmer hergerichtet war.
Eigentlich hatte er sich gehofft, dass er das Wochenende ruhig verbringen konnte. Doch jetzt glaubte er schon gar nicht mehr daran, dank seiner kleinen Schwester.
Law hatte sie vor etwa zwei Stunden zurück ins Bett geschickt, nachdem ihm aufgefallen war, was für glasige Augen sie doch gehabt hatte… und vor allem das ihre Stirn glühte.
So hatte er ihr schneller ein Fieberthermometer in den Mund gesteckt, bevor sie sich einen Schal um den Hals wickeln konnte, um nach Draußen zu gehen.
Statt das sie hier stand, stand er hier und wartete sich die Füße blutig. Nun da kam halt der Instinkt des Beschützers in ihm zum Vorschein. Der große Bruder halt.
Als endlich die lang ersehnte Durchsage kam, das der nächste Flieger gelandet war und die nächste Passagiere nun bald aussteigen würde, so setzte er das Schild wieder etwas höher an. Er wollte ja schließlich, dass die Person zu ihm kam.
Doch auch wieder stellte sich heraus, dass es wohl wieder eine Niete gewesen war, denn an Bord des Fliegers schienen nur Typen auf Steroide gewesen zu sein. Ein Typ war breiter und höher gebaut als der Andere, die an ihm vorbei gingen!
Gerade als Law das Schild wieder senken wollte, sah er ein zierliches Mädchen, welches sich suchend in der Menge umsah. Sie hatte orangene Haare, eine schlanke Figur aber dafür sehr üppig oben herum ausgestattet.
Nun vielleicht war der Austausch ja doch nicht so schlecht gewesen.
So musste Law selbst etwas lächeln und setzte sich in Bewegung, nun seinem Glück konnte er ja jetzt auch noch etwas auf die Sprünge helfen sollte dieses hübsche Persönchen die Austauschschü- …
Abrupt blieb er stehen, sah langsam nach oben und rümpfte die Nase als so ein Muskelprotz sich vor ihm aufbaute. Dazu pfefferte er ihm einen Seesack und einen Koffer vor die Füße, sodass er fast darüber gestürzt wäre.
„Können Sie nicht aufpassen wo Sie ihren Kram fallen lassen? Typisch… keine Manieren …!“, wurde er lauter und hielt die Hand vor den Kopf um resignierend abzuwinken. „Idiot!“, murmelte er fast tonlos hervor und biss sich mahnend auf die Unterlippe um nicht noch lauter zu werden. Okay, dieser Typ würde auf dem ersten Eindruck sowieso nicht sehr Wortgewannt sein, um ihm großartig folgen zu können, was er da überhaupt von sich preis geben würde.
Schnell wollte er von dem Rotschopf weg, doch musste er bereits bei einem kurzen Blick an diesem vorbei feststellen, dass die Schönheit in den Armen eines anderen lag. Fehlanzeige…
Dann war die Kleine wohl auch nicht in diesem Flieger gewesen.
Mittlerweile war es auch schon 1 Uhr Nachts, er hatte in 7 Stunden eine Vorlesung, die recht wichtig gewesen war. Das er wieder keinen Schlaf bekäme, war ja nichts Neues aber es würde nun mal auch noch eine Stunde dauern, bis er wieder in seiner Wohnung gewesen wäre.
So zückte er sein Handy und wählte die Nummer seiner Schwester.
Der Rotschopf vor ihm schien echt von einem anderen Stern zu sein, denn so sah er ihn noch immer an und wich ihm auch nicht von der Seite… eh… ja…seltsam halt….
Law drehte ihm den Rücken zu, wollte halt etwas auf Abstand gehen. Aber ob ihm das wirklich gelang war fraglich.
„Hey… hey Lamy!.. ja ich bin es… bist du dir sicher das- …. Ja.. ich verstehe… aber ich warte hier schon 2 Stunden und es ist noch immer niemand da…
Wie.. wer hier noch steht? Du bist witzig… ich stehe hier alleine… naja okay… hier ist noch son Typ.“
Ja und der Typ schien mit Law reden zu wollen, aber er winkte einfach ab und ging immer wieder einen Schritt weiter weg… er war schließlich kein Touristenführer, oder? Außerdem telefonierte er gerade.
So verdrehte er genervt seine Augen und sah kurz über seine Schultern hinweg, ja der Typ stand noch immer da... und während er diesen musterte und seiner Schwester zuhörte wurden seine Augen immer größer.
„Nein.“
Eine kurze stille die er aber selbst schnell wieder unterbrach.
„Das… nein! Lamy wie konntest du mir dieses ´kleine´ Detail, - wie - du - es – gerade - abtust, nicht erwähnen!? Er ist ein Kerl verdammt… du weißt genau wie meine Meinung dazu steht!“
Langsam flatterte das Schild welches er los ließ, Richtung Boden, wobei es einen kleinen Schlenker auf die Füße des Rotschopfes machte.
´Welcome Kid´, stand auf diesem geschrieben.
Kid war keine Abkürzung für ein Mädchen Name. Oh nein… Kid war einfach ein Name für einen Kerl, der mit Steroiden aufgepumpt war!
„Wir unterhalten uns wenn ich wieder zuhause bin Lamy… glaub mir… das wird noch ärger geben!“
Eher er seine Schwester weiter ausreden ließ, legte er auf und betrachtete den Rotschopf mit verengten Augen.
„Kid?“, fragte er deswegen voraussehend, das er Niemand anderes sein konnte.
So bekam er ein nicken und ein freches Grinsen zurück.
In diesem Moment stand fest, dass dieser Kerl nicht in Lamys Zimmer schlafen würde! Oder auch nur in ihre Nähe kam! Okay…. Nicht näher als 2 Meter! Mehr stand wohl einfach nicht in seine macht um realistisch zu bleiben.
„Du… Lamy? Ich lerne deine Sprache… ist nicht perfekt, sie ist.“, kam es stotternd zustande und Law rieb sich nur die rechte Schläfen, bis er diesem Gigolo erklärt hätte, das er sich gefälligst ein Hotel nehmen sollte, wäre vermutlich die Sonne schon längst wieder aufgegangen. Stattdessen winkte er ihm einfach hinter sich her.
„Ich bin Law, Lamys Bruder… aber das brauchst du dir nicht merken du wirst morgen wieder zurück fliegen.“
„Fliegen? Morgen? Ich nicht verstehen.“, brachte der Rotschopf mit Mühe und Not hervor, man sah ihm an, das er lange für die Worte gebraucht hatte, um sie zu finden.
Law schüttelte nur den Kopf und biss sich auf die Unterlippe. Winkte genervt ab und wollte so wenig wie möglich mit dem Kerl reden.
„but…Netter Arsch…du wirst von… mir lernen.“
„Eh,… w-was? Was hast … du gerade von dir gegeben?“, kam es erst mit einem stottern, eher er seine Stimme wieder fand und ruhiger wurde. Schließlich wollte er sich keine Blöße geben.
Aber nochmal…
Was…. Hatte er sich gerade verhört? Nein… aber…. Sicherlich meinte der Rotschopf etwas anderes… hoffentlich, denn das gerade wurde ja sonst immer schlimmer…
Laws Blick sagte wohl alles, weshalb Kid erneut die Sprache erhob. „Nett dich kennenzulernen, man sagt das so?“, fragte er gelassen während er sich den Seesack über die Schultern warf und den Koffer hinter ihnen her zog, denn Law hatte einen wie für sich üblichen strammen Schritt drauf.
„Eh.. ja… danke… beeilen wir uns einfach, wir haben noch eine ganze Ecke vor uns.“, säuselte er etwas ruhiger, dennoch hatte sein Herz einen kleinen Sprung gemacht, nicht weil es ihm gefallen hatte, eher weil er damit nicht gerechnet hatte und die Situation darum seltsam erschien.
Seltsamer Kerl. Äußerst Seltsamer Kerl und total fremd.
Nachdem die Begrüßung so stockend verlaufen war hatte Law sich den anderen nochmals genauer von der Seite heraus angesehen. Er schien muskulös zu sein. Ja, es hielt sich dennoch im normalen, aber im Gegensatz zu ihm sah Kid wohl so aus als würde er bei jeder Tagesmahlzeit die dreifache Portion verdrücken und dennoch keinen Gramm Fett an sich haben.
Was hatte sich Lamy nur dabei gedacht? War daran die Pubertät schuld gewesen? Seit wann belog sie ihn so schamlos?
Da käme wohl noch einiges auf ihn zu, was ihn mit Sicherheit an seine Grenzen bringen wird.
