Lass der Trauer freien Lauf
Sie entschloss sich, ihm zu antworten, jedoch...
"Also, weißt du... Ich wollte mal wieder ein bisschen durch das Land ziehen, doch Miroku-sama und Sango-chan konnten nicht mit, weil sie sich um ihre Kinder kümmern mussten und Inuyasha wollte nicht, da bin ich alleine umher gewandert."
"Sehr schön und jetzt die Wahrheit, bitte." Taro verstand es nicht.
//Warum will sie mir nicht sagen, was passiert ist? Vertraut sie mir etwa nicht?// Es brach ihm das Herz, wenn er an letzteres dachte, doch er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Kagome zu, die erst überrascht, dann ertappt aussah. Dann sagte sie mit vor Trauer schwerer Stimme:
"Also gut. Also, wie du weißt, begann es vor 6 Monaten. Ich sollte eines Tages Kräuter sammeln gehen und Inuyasha kam mit. Doch schnell begannen wir zu streiten, weil Inuyasha mich mal wieder mit Kikyou verwechselt hatte, allerdings war der Streit nur von kurzer Dauer. Wir wollten gerade umkehren, als Inuyasha mir mitteilte, dass er sich kurz in der Umgebung umsehen würde. So ging ich also alleine zurück, doch ich musste nochmal los, um frisches Wasser zu holen. Auf dem Weg zum Fluss kam ich am Goshinboku vorbei. Ich... Ich kann bis heute... Ich kann bis heute nicht vergessen, was...was ich gesehen habe. Ich...ich sah...Inuyasha und...und Kikyou. Er und sie...sie haben... Na ja... Ich bin dann weggerannt und fand nur instinktiv den Weg zu der Hütte. Ich schrieb einen Abschiedsbrief an meine Freunde und rannte dann in den Wald. Ich wollte nur noch weg. Ich weiß nicht, wie lange ich gerannt bin, irgendwann bin ich ohnmächtig geworden. Kouga-kun fand mich und brachte mich in die Höhle, in welcher er mit Ayame-chan lebt. Dort habe ich dann die ganzen Monate verbracht. Ich half, wo ich konnte, zum Beispiel bei der Jagd oder Kikennas Geburt."
Taro hörte der ganzen Geschichte stillschweigend zu und dachte nach.
//Wie kann man Kagome mit dieser stinkenden Miko verwechseln?! Ist ja auch nicht so wichtig, diese Miko ist es nicht wert, dass man sich über sie den Kopf zerbricht. Aber wie kann es sein, dass ein Mensch 6 Monate lang bei Wolfsyoukais leben kann und von ihnen akzeptiert wird?//
Plötzlich roch er Salzwasser und hörte ein Winseln von Kikenna, die durch den Geruch wach geworden war. Er sah zu Kagome und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
Sie kniff und biss die Zähne zusammen, um die aufsteigenden Tränen am Fließen zu hindern. Wieso musste sie schon wieder wegen dem Hanyou weinen? Sie wollte nicht schwach werden, schon gar nicht vor einem Daiyoukai! Doch da riss sie erschrocken die Augen auf.
Taro umarmte sie. Seine rechte Hand lag auf ihrem Kopf und drückte diesen gegen seine linke Schulter, während sein linker Arm um ihren Körper geschlungen war und die dazugehörige Hand auf ihrer linken Hüfte zum liegen kam. Sie bemerkte nur am Rande, dass er wohl irgendwann seine Rüstung ausgezogen haben musste, denn sie spürte kein Metall, sondern direkt seinen Körper.
"Kagome,", begann er und ihr Körper erzitterte leicht bei dem tiefen, sanften Bariton seiner Stimme, "du weißt, ich bin ein Youkai. Ein Youkai kennt sich meist nicht mit Gefühlen aus, weshalb wir unfähig sind, sie zu kontrollieren und zeigen sie schlicht und einfach nicht. Doch ich weiß, dass es nur schlimmer wird, wenn du den Kummer in dich hinein frisst." Taro drückte sie, während er sprach noch mehr an sich.
Erst liefen nur einzelne Tränen aus ihren Augen, sie flüsterte: "Taro...", dann schlang sie instinktiv ihre Arme um den Hals des Weißhaarigen und heulte sich an seiner muskulösen Schulter aus. Die Enttäuschung, dass sie nur ein Ersatz für Kikyou war, der Kummer um Inuyashas Verrat an ihr manifestierte sich in ihren Tränen, rollten über ihre Wange und durchnässten Taros Haori.
Sie spürte seinen ruhigen, regelmäßigen Herzschlag, der versuchte ihren eigenen Herzschlag zu beruhigen, wie es schien.
Taro reckte seinen Kopf und legte seine Wange an ihren Kopf und strich ihr mit seiner rechten Hand beruhigend über den Haarschopf.
Er gab ihr ein Gefühl von Nähe, Geborgenheit und Wärme, welches sich sich schon so lange wünschte und nun, wo sie es am meisten brauchte, wo sie es sich am meisten ersehnte, endlich bekam. Mitleidig sah er auf das Geschöpf, das sich in seinen Armen all das von der Seele weinte, was sich die letzten Monate in ihr angestaut hatte.
Kikenna und Shippou hielten sich im Hintergrund, nur ab und zu war ein leises Winseln von Kikenna zu hören. Dennoch fanden sie, dass Taro ihr gerade mehr helfen konnte als sie. Dennoch fragten sie sich, wie Kagome noch so gelassen gewesen war, wenn sie doch so von Trauer und Kummer gequält wurde.
Taro merkte, dass Kagome sich langsam beruhigte und den Griff ihrer Arme allmählich lockerte, was sein Biest zum Murren brachte, aber Taro achtete gar nicht darauf.
Kagome setzte sich wieder ihm gegenüber hin und man konnte, trotz der roten, verquollenen Augen erkennen, dass es ihr deutlich besser ging. Sie flüsterte, vom Weinen ein wenig heiser: "Danke. Vielen, vielen Dank." Er kippte den Kopf ein wenig zur Seite und fragte: "Wofür? Ist es nicht selbstverständlich einer Person den Schmerz zu nehmen, wenn der eigene Sohn schuld daran hat? Aber meinst du nicht, dass wir jetzt das Thema wechseln sollten? Ich hätte da nämlich noch eine Frage."
"Dann frag.", munterte sie ihn auf, froh, dass er nicht weiter nachbohren würde.
"Wie kann es sein, dass du Youkais genauso behandeltst wie deine Mitmenschen?"
Sie musste kichern, sie konnte nicht anders. //Das ist seine Frage?//
"Ich lege keinen Wert auf den Blutstatus. Der Charakter ist mir viel wichtiger. Außerdem, was will ich von einem unfreundlichen Kerl, wenn ich meine Zeit auch mit einem netten Youkai verbringen kann? Natürlich sind nicht alle Youkais nett, aber ich weiß auch, dass nicht alle Youkais böse sind. Du, Shippou, Kouga-kun, Kikenna und viele andere sind das beste Beispiel." Nun kippte auch sie den Kopf leicht zur Seite und lächelte ihn mit geschlossenen Augen an.
Taro, der von der Antwort beeindruckt war, murmelte bewundernd: "Kagome..."
//So ist das also. Sie akzeptiert jeden, wie er ist. Das heißt, sie würde auch ihre Kinder lieben, egal was sie sein werden. Das sieht man ja an dem kleinen Fuchs. Apropos...//
"Stimmt es denn, dass du Shippou als deinen eigenen Sohn siehst?", hakte Taro nach. Er hatte es schon in dem Abschiedsbrief von Kagome lesen können und auch an der Tatsache, dass der Kitsune sie 'Mama' nannte, erkannt, aber trotzdem musste er nachfragen!
"Du hast ganz schön viele Fragen. Aber ja, es stimmt, dass ich in Shippou den Sohn sehe, den ich nie hatte. Apropos, wieso steht ihr da hinten so rum? Kommt her." Zum Schluss hin fing sie wieder an zu lächeln und winkte Shippou und Kikenna zu sich. Shippou beschlagnahmte daraufhin sofort den Platz auf Kagomes Schoß. Also legte sich die große Wölfin hinter Kagome, wie Kirara es schon so oft bei Sango gemacht hatte.
Taro lächelte bei dem Bild, dann stand er auf.
"Huh? Wo willst du hin, Taro?", fragte Kagome, als er sich dazu anschickte in den Wald zu gehen.
"Was zu essen suchen, oder wollt ihr verhungern?", fragte er am Schluss sarkastisch.
"N-Nein, natürlich nicht.", erwiderte eine etwas verwirrte Kagome.
Taro gab nur ein belustigtes Schnauben von sich und war dann auch schon verschwunden.
//Komisch. Als Inuyasha, ich und die anderen noch umher gewandert sind, mussten wir meist selbst zusehen, dass wir was zu essen bekamen, wenn ich mal nichts dabei hatte. Wieso ist er überhaupt gegangen, er weiß doch, dass ich ich mir mein Essen am liebsten selbst suche. Oder wusste er, dass ich zu müde bin, würde mich zumindest nicht wundern.// Sie wandte ihren Blick nach oben zum Himmel. //Kein Wunder, dass ich so müde bin, es wird ja schon dunkel.//
"Kagome-onee-sama, wieso seid Ihr so still? Ihr habt jetzt schon seit mehreren Minuten geschwiegen." Kagome stuzte. Waren wirklich mehrere Minuten vergangen, seit Taro im Wald verschwand und sie in ihre Gedanken versank?
"Es geht mir gut, Kikenna. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich war nur in Gedanken." Die große Wölfin nickte verstehend und da kam auch schon Taro wieder. In den Händen hielt er 3 Fische, 2 große und einen eher mittleren. Kikenna und Kagome gab er die etwas größeren und Shippou bekam den mittleren. Dann setzte er sich an einen Baumstamm und sah den dreien beim essen zu.
Als sie fertig waren, seufzte Shippou: "Blöd, dass wir heute nicht weiterziehen konnten." und verschränkte die Arme.
"Wir können ja immernoch weiter. Dann muss Kagome eben auf Kikenna reiten und du, Shippou,, bei mir auf die Schulter. Wir müssen nur ein höheres Tempo anlegen.", schlug Taro vor.
Er erhielt keine Antwort, denn Kagome stieg auf Kikennas Rücken und Shippou sprang auf seine Schulter, aber das war ihm Antwort genug. Er löschte noch schnell das Feuer, dann gab er Kikenna ein Zeichen und lief los. Er achtete auf Kikennas Geschwindigkeit, als sie ihm folgte und passte seine eigene Geschwindigkeit an die der Wölfin an.
So preschten ein Daiyoukai mit einem Fuchsyoukai und eine Miko in Rüstung, auf einer großen Wölfin reitend, durch die Nacht, um die verlorene Zeit wieder wett zu machen.