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Das Spiel des Lebens

von

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Mein freundlicher Banknachbar

Kapitel 1 – Mein freundlicher Banknachbar

Kaum hatte ich einen Fuß auf dieses Grundstück gesetzt, zog mein Magen sich schmerzhaft zusammen. Jeden Tag wurde es schlimmer, ich fühlte mich hier einfach nicht wohl. Der Gang vom Schulhof zum Gebäude war noch der einfachste vom Ganzen. Dabei wurde ich schon hier von den anderen Schülern angestarrt. Getuschelt wurde natürlich auch. Und warum das Ganze? Ich hatte nichts Schlimmes getan. Ich sah halt einfach scheiße aus für gewisse Menschen. Und die mussten natürlich der ganzen Welt zeigen, dass sie so dachten und bewegten sich auf unterstem Niveau. Anfangs dachte ich, dass das schlimm war, aber schlimmer war es, dass andere Mitschüler das auch noch interessierte und unterstützten!
 

„Hey Fetti, da bist du ja! Wir hatten schon Angst, du kommst heute nicht.“

„Das wäre wirklich schade gewesen! Das Ärgern ist doch fast das Beste am Tag! Haha!“

„Hab ich einen Knick im Auge oder hat sie abgenommen?“

„Du hast eindeutig einen Knick im Auge! Ich finde sie sieht heute besonders fett aus hahaha!“
 

Ich versuchte diese Kommentare zu schlucken und ging einfach an meinen Platz. Natürlich machte mir das Mobbing etwas aus und es verletzte mich sehr. Aber was sollte ich machen? Ich war erst seit vier Wochen an dieser Schule und es dauerte keine Woche, da war ich schon das Ziel dieser blöden Zicken. Schule wechseln klappte leider nicht mehr und meine Mutter brauchte ich gar nicht erst um Hilfe bitten! Diese Frau schimpfte sich zwar meine Mutter, war es aber schon lange nicht mehr. Ihretwegen zogen wir vor einem Monat von Osaka nach Tokyo und das nur, weil Ehemann Nr.3 es wollte. Vorher konnte er aus Osaka aus arbeiten, jetzt musste es unbedingt Tokyo sein. Wir wurden nicht gefragt, drei Tage vor dem Umzug wurden wir in Kenntnis gesetzt. Mein jüngerer Bruder Sota war nicht so angepisst wie ich. Er hatte nie Probleme sich anzupassen, war immer sehr beliebt bei Lehrern und Mitschülern. So war es auch an seiner neuen Schule hier in Tokyo. Er wurde sofort von den anderen Schülern akzeptiert. Er war Fußballer, spielte auch in der Schulmannschaft der neuen Schule und hatte dadurch binnen weniger Tage eine Schar von Groupies. Leider hatte ich es nicht so leicht wie er. Ich wurde nicht von den Schülern akzeptiert, spielte in keiner Mannschaft der Schule mit oder machte sonst irgendetwas, was als „cool“ angesehen wurde.

In Osaka hatte ich nicht diese Probleme. Dabei sah ich dort nicht anders aus. Ich hatte schon immer diese paar Kilos zu viel, schon immer eine große Brille auf der Nase und diese widerspenstigen Haare. Und ich kleidete mich auch immer so. Allerdings war die Schuluniform in Osaka auch viel schöner, nicht so eng und ich sah nicht so komisch darin aus. Allerdings war ich auch etwas selbst Schuld, dass meine jetzige Schuluniform so merkwürdig aussah. Es gab zum Glück die Wahl zwischen einem langen und kurzen Rock. Und wer hätte es gedacht, der lange Rock war natürlich vorrätig, zu meinen Gunsten. Das Problem war der Blazer. Ich nahm vom Prinzip her Oberteile immer eine Nummer größer, damit diese an meinen recht großen Brüsten nicht zu sehr spannten. Damit kam ich auch gut aus. Nur gab es hier meine Größe nicht. Also entschied ich mich dazu, den Blazer in der größeren Nummer zu bestellen, sprich zwei Nummern größer als meine eigentliche Größe. Und genau so sah dieser Blazer dann auch an mir aus. Er saß vorn und hinten nicht, war zu lang, zu weit und schmiss Falten ohne Ende. Und das war für die Mädels das Dessert von allem, denn darauf sprachen sie mich so oft an. Vielmehr machten sie sich darüber lustig. Ich schämte mich dafür so sehr, aber wenigstens konnte man meinen dicken Bauch dadurch nicht so sehen. Nur leider dachte ich nicht an den Sportunterricht, dort waren alle Uniformen gleich: eng und knapp. Mein Verderben.
 

Jedenfalls waren das die einen Gründe für die Attacken. Der andere und anscheinend ausschlaggebendere Grund war mein Sitznachbar: Sasuke Uchiha.

Ganz ehrlich, ich hatte nicht wirklich viel mit diesem Jungen zu tun. Ich habe mit ihm noch nie wirklich gesprochen, nicht einmal eine Begrüßung am Morgen oder Nachmittag war drin. Er nickte mir lediglich zu, was ich ihm gleich tat. Ich konnte ihn auch überhaupt nicht einschätzen. Er sah oft genervt aus, vor allem, wenn die ganzen Mädchen bei ihm waren und ihm vorschwärmten, wie toll er doch war. Und das kam oft vor, sehr oft. Denn er war der beliebteste Junge der ganzen Schule. Selbst manche Jungs wurden rot, wenn er in der Nähe war. Und die waren nicht einmal schwul, die waren einfach nur unwahrscheinlich beeindruckt von ihm. Keine Ahnung warum. Ich konnte es nicht nachvollziehen. Sasuke Uchiha war für mich ein relativ normaler Junge. Sein Verhalten war etwas ungewöhnlich, er war ruhig, kalt und sehr erwachsen für sein Alter. Zudem war er auch ein sehr guter Schüler, sogar Klassenbester. Aber dies war für mich kein Verhalten, welches mich in starken Maßen beeindrucken konnte. Außer vielleicht die Noten, was aber daran lag, dass ich zu den schlechten Schülern gehörte. Aber der Rest waren für mich keine erstrebenswerten Charakterzüge. Allerdings konnte ich dies auch nicht so gut beurteilen, schließlich kannte ich ihn gar nicht wirklich. Dies waren nur meine ersten Eindrücke. Und sein Aussehen…. Ich wusste nicht so recht… Er war nicht hässlich, aber auch kein Adonis. Zumindest in meinen Augen. Das sagte ich einmal laut in der Gesellschaft der Mädels, das Ergebnis waren ein angesprühter Tisch, geklaute Uniform im Sportunterricht und ein Ball voll ins Gesicht.

Aber ich musste es auch nicht verstehen. Denn es machte keinen Unterschied, meine Situation veränderte sich nicht aufgrund dessen. Ich versuchte mich so gut es ging von Sasuke fernzuhalten, damit man mir nichts unterstellen konnte bzw. die Mädchen nicht noch mehr Gründe fanden, mich zu hassen.
 

Ich saß mittlerweile an meinen Tisch und packte langsam meine Sachen aus. Mit gesenktem Kopf schaute ich mich kurz in der Klasse um, die Mädels waren schon da, beachteten mich allerdings dieses Mal nicht wirklich. Sie tuschelten die ganze Zeit. Entweder ging es um Sasuke, oder sie heckten einen neuen Plan aus, um mich mal wieder bloßzustellen oder mich anzugreifen. Oder sie sprachen über beides. Ich wandte meinen Blick wieder von ihnen ab, versuchte mich nicht so sehr auf sie zu konzentrieren und die beschwerdefreie Zeit etwas zu genießen. Ich setzte mich auf meinen Stuhl und schaute aus dem Fenster. Unser Lehrer verspätete sich, obwohl er immer so pünktlich war.

Ich vermisste meine alte Schule wirklich sehr. Zwar bestand noch Kontakt mit einigen Mitschülern, aber es war eben nicht das Gleiche. Außerdem verbesserte es meine Situation auch nicht. In meiner alten Schule war ich auch nicht so beliebt, aber ich hatte meine Freunde und der Rest ließ mich in Ruhe. Sie versuchten mich aufzumuntern und mir Tipps zu geben, aber sie wären mit allem auch anders umgegangen als ich. Sie waren ganz andere Typen und hätten von Anfang an schon ihre Meinung gesagt, sich verteidigt. Allerdings schafften es meine zwei besten Freunde, Haru und Daisuke, mich immer wieder aufzumuntern. Sie waren älter als ich, viel älter, schon Anfang 20. Aber sie hielten sich derzeit im Ausland aus, machten ein Praktikum für ihr Studium. Beide studierten Medizin. Sie waren ebenso überrascht über unseren plötzlich Umzug wie ich selbst. Aber was mir Mut machte: Sie wollten auch nach Tokyo ziehen, sobald sie wieder im Lande waren. Sie planten bereits zuvor sich hier in Tokyo in einem anerkannten Krankenhaus zu bewerben, um dort ihre restlichen Praxissemester zu absolvieren. Ich wusste davon nichts, aber es freute mich umso mehr. Ich hoffte sehr und wünschte mir, dass sie angenommen würden und sie mir eine Stütze werden könnten. Aber auch wenn das in Erfüllung gehen würde, es würde noch einige Monate dauern. Bis dahin würde ich bestimmt noch einiges aushalten müssen.
 

Plötzlich wurde ich durch lautes Geschrei aus meinen Gedanken gerissen. Um ehrlich zu sein hatte ich mich sogar erschrocken. Der Grund des Geschreis war ersichtlich: Sasuke kam ins Klassenzimmer, zur Freude der Mädels. Zeitgleich kam auch Sensei Iruka abgehetzt ins Klassenzimmer gerannt.
 

„ Entschuldigt die Verspätung, es gab einen Unfall und ich musste einen Umweg fahren. Setzt euch bitte hin.“, eilig rannte er zum Lehrerpult und holte seine Lernmaterialien raus. Ich setzte mich aufrecht hin und schenkte ihm meine Aufmerksamkeit. Allerdings konnte ich mich noch so sehr auf unseren Lehrer konzentrieren, ich wurde vom Geschrei und Gewimmel unseres Tisches dennoch abgelenkt. Die Mädchen waren echt respektlos unserem Sensei gegenüber. Es hatte schon längst zum Unterricht geläutet, er bat uns bereits uns hinzusetzen und dennoch standen sie um Sasuke herum und quatschten ihn voll. Er sah wie immer genervt aus, doch das hielt sie nicht davon ab. Im Gegenteil. Es wirkte, als würden sie einen Wettbewerb daraus machen, wer es schaffen würde, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch Sensei Iruka hatte die Schnauze voll und fing an durch die Klasse zu schreien, als er bemerkte, dass einige Schüler ihn ignorierten.
 

„ Ich habe gesagt, dass ihr euch hinsetzen sollt!“, seine Wut war nur leicht bemerkbar. Aber welch ein Wunder, auch die Mädels bemerkten mittlerweile unseren Sensei und setzten sich leicht bedröppelt in Bewegung, um sich an ihre Tische zu setzen. Endlich war wieder etwas Ruhe eingekehrt.

Sensei Iruka begann mit dem Unterricht. Er war unser Geschichtslehrer und begann mit einem Thema, welches bereits in meiner alten Schule angesprochen wurde. Meine Aufmerksamkeit hielt sich daher in Grenzen. Also schweifte mein Blick wieder aus dem Fenster in die Ferne. Noch zwei ganze Jahre musste ich an dieser Schule bleiben. Wir hatten bereits Mai, die großen Sommerferien würden schon bald beginnen. Und dann musste ich noch zwei ganze Jahre an dieser Schule verweilen und um mein Leben lernen. Als ich an diese Schule wechseln musste, musste ich natürlich auch diesen Eignungstest machen. Da ich nur kurz vorher von unseren besagten Umzug und Schulwechsel erfuhr, konnte ich nicht lange lernen und bestand auch wirklich nur mit zwei fest zugeklebten Augen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es überhaupt geschafft hatte, aber es war mehr Glück. Denn ein Punkt weniger und ich wäre durchgefallen. Und was wäre dann gewesen? Ich hätte immensen Ärger mit meiner Mutter bekommen. Als ich diesen Test für die Oberschule in Osaka machen musste, hatte ich schon große Angst durchzufallen. Dabei war dieser im Vergleich meiner jetzigen Schule echt einfach. Mein kleiner Bruder Sota, der hatte nicht solche Probleme damit. Mal davon abgesehen, dass seine schulische Leistung sowieso besser war als meine, meldeten meine Mutter und ihr neuer Mann in an einer Privatschule an. Bei mir hätte es sich nicht gelohnt meinten sie letztens, als ich sie danach fragte. So hart es auch klang und mich verletzte, sie hatten Recht. Der Druck wäre zu groß für mich gewesen. Ich hatte jetzt bereits Angst, die Oberstufe sehr schlecht abzuschneiden. Eine Universität kam für mich nicht in Frage, den Aufnahmetest würde ich nie bestehen mit meiner Leistung. Ich hatte mir in Osaka eigentlich schon einen Plan zurechtgelegt, aber hier in Tokyo musste ich umdenken. Aber noch brauchte ich mich darum nicht zu sorgen, denn erst einmal müsste ich dieses lange Jahr überstehen, ohne dabei Selbstmordgedanken zu entwickeln bei dem Mobbing.
 

Ich ließ meiner Lunge einen lauten Seufzer entfliehen. Ich wollte mir darüber keine Gedanken mehr machen müssen und sah wieder zur Tafel.

' Wie lange habe ich denn geträumt? Eben war es doch noch das andere Thema und nun so weit schon? Oh, eine Aufgabe? Mist, ich hänge hinterher! Die Anderen sind schon fleißig am schreiben!', eilig griff ich nach meinem Stift und schlug mein Heft auf. Ich fing an die wichtigsten Informationen, die Sensei Iruka an die Tafel geschrieben hatte, in mein Heft zu übertragen. Auch die Aufgabe. Aber sie war etwas knifflig, um ehrlich zu sein konnte ich einfach keinen Bezug aufbauen und hatte keine Ahnung, wie ich die Aufgabe anfangen sollte zu bearbeiten.
 

„ Brauchst du nach deiner Träumerei Hilfe bei der Aufgabe?“, mein Atem stockte kurz und ich schaute überrascht zur Seite. Das war das erste Mal, dass Sasuke mich ansprach. Ich war total überrascht und auch etwas überfordert, denn ich konnte mir nicht erschließen, warum er mich ansprach. Schließlich war dies nicht das erste Mal, dass ich im Unterricht nicht aufgepasst hatte und daher nicht so schnell mit kam. Etwas zaghaft schüttelte ich mit dem Kopf, ich wollte nicht zu unhöflich sein und ihm keine Antwort geben. Er zuckte nur mit den Schultern und wandte seinen Blick wieder von mir ab.

„ Aber danke…“, murmelte ich vor mich hin. Ich war noch immer überrascht über seine Hilfsbereitschaft, die wie ein Vogelschiss plötzlich vom Himmel fiel und mich überraschend traf.

„ Kein Problem.“, seine Antwort war leise, damit uns niemand hören konnte, aber seine Stimme war freundlich. Überhaupt nicht so kalt und genervt, wie seine Tonlage im Normalfall klang. Meine Überraschung fand einfach kein Ende. Nur verstand ich nicht woher dies plötzlich kam. Hatte ich vielleicht etwas Wichtiges und Ausschlaggebendes nicht mitbekommen? Sollten wir am Ende der Stunde etwa darüber der Klasse etwas erzählen? Sollte eine Diskussion zum Thema folgen? Diese Gedanken ließen mich natürlich nicht mehr los, denn dies wäre für mich fatal gewesen. Nicht einmal nur deswegen, dass ich nicht aufgepasst hatte… Ich konnte vor Leuten nicht sprechen.
 

„Woher die plötzliche Hilfsbereitschaft? Verstehe mich nicht falsch, aber es ist nicht das erste Mal, dass ich nicht aufgepasst habe und daher nicht hinterher komme. Aber es ist das erste Mal, dass du mir helfen möchtest.“, ich konnte nicht anders und musste nachfragen. Das ließ mich nicht los. Mir kamen die absurdesten Gedanken, vor allem aber die Angst, oder vielleicht war es mittlerweile schon eine kleine Paranoia, dass er sich mit den Mädchen zusammen getan hatte. Vielleicht war es eine Falle und er hatte auch Lust mich zu mobben. Oder er wollte mich blamieren und mir falsche Antworten geben. Oder er wollte wirklich nur helfen. Ich hoffte, ich bekam eine Antwort, denn sonst gab es keine Chance für mich, mich auf die Aufgabe zu konzentrieren.
 

„ Du bist anders als die anderen Mädchen und nervst mich nicht so. Außerdem bist du bemitleidenswert, da wollte ich dir wenigstens einmal helfen, da dies ein Thema für eine Klausur ist.“, er schaute mich bei seiner Antwort nicht an, sondern schrieb in sein Heft weiter. Er hatte keinerlei Regung in seinem Gesicht, obwohl seine Worte nicht gerade nett waren. Ganz im Gegenteil. Beim ersten Satz war ja alles ok, aber der zweite Satz war unhöflich und verletzte mich auch. Bemitleidenswert war ich also in seinen Augen. Was genau meinte er damit? Schließlich kannte er mein Leben doch gar nicht. Wahrscheinlich war das auf die Attacken der Mädchen und meine schulische Leistungen bezogen. Aber waren diese zwei Dinge wirklich so bemitleidenswert in den Augen anderer? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich war nicht die einzige Schülerin mit schlechten Noten in dieser Klasse. Zum Beispiel der Klassenclown, sein Name war Naruto. Er war kein guter Schüler, hatte in fast jedem Fach schlechte Noten, so wie ich. Dieser Fresssack hinter mir, Chouji oder wie der hieß, gehörte auch nicht zu den Besten. Allerdings war er immer noch besser als ich und spielte im Mittelfeld. Aber da gab es noch andere Schüler, die auch schlecht waren und Nachmittags sogar noch zur Nachhilfe gingen. Eigentlich wäre Nachhilfe für mich auch eine hervorragende Option gewesen, um meine Noten zu verbessern. Nur kostete dieses Angebot Geld, was ich meiner Mutter und meinem Stiefvater Nr. 3 nicht wert war. Wenn Sasuke das über mich wüsste, dann hätte ich seine Aussage verstanden. Oder meinte er vielleicht noch mein Aussehen? Oder die Kombination aus den drei eben gesagten Dingen? Wie dem auch sei, seine Aussage passte mir nicht.
 

„ Das war gemein!“, brachte ich mit leiser und brüchiger Stimme von mir. Mein Hals war trocken, ich musste mich räuspern um meiner Stimme wieder etwas Stärke zu geben.
 

„ Aber die Wahrheit. Wollen das nicht immer alle?“, dieses Mal sah er mich dabei an. Allerdings konnte ich keine einzige Emotion aus seinen schwarzen glänzenden Augen lesen.
 

„ Nicht immer. Außerdem kann man die Wahrheit auch schön verpacken!“, presste ich zwischen meinen Zähnen heraus. Ich bemerkte meine Wut in mir. Ich war eigentlich ein Mensch, der immer dafür war die Wahrheit zu sagen. Lügen mochte ich nicht. Außer bei Ausnahmen, die gab es immer. Da konnte mir keiner sagen, dass wirklich jede einzelne Lüge, egal aus welchen Grund, so schlimm und verletzend war. Manchmal konnte man nicht die Wahrheit sagen, wenn man wusste, dass die Wahrheit den anderen Menschen sehr verletzen würde, ohne das die Wahrheit einen anderen Effekt hätte. Warum sollte man dann die Menschen verletzen, wenn es das einzige Ergebnis wäre? Warum sollte man eine Überraschung planen und dann auffliegen lassen, weil man nicht lügen wollte? Und selbst dann wenn man die Wahrheit sagte, kam es noch immer darauf an, wie man es sagte! Worte waren so mächtig, was viele aber nicht bedachten.
 

„Das ist Zeitverschwendung.“
 

Du bist Zeitverschwendung!“, platzte es aus mir heraus. Zum Glück konnte ich die Lautstärke meiner Stimme noch kontrollieren, denn wenn das die Anderen gehört hätten, hätte die nächste Mobbingattacke nicht lange auf sich warten lassen. Doch meine Antwort passte ihm wohl nicht, denn er starrte mich für einen kurzen Moment verwundert an. Ich drückte Luft in meine Wangen, sodass sie sich auf bliesen und schaute schmollend in mein Heft. Ich hatte manchmal zwar meine Momente wie diese, dass ich Kontra geben konnte, aber das hielt nur sehr kurz an. Sollte der Uchiha nun eine Diskussion anfangen, wäre ich geliefert, da ich keine Antwort mehr parat hatte. Ich war darin einfach unwahrscheinlich schlecht. Doch ich hatte Glück. Der Uchiha wandte seinen Blick kurz darauf wieder von mir ab und beschäftigte sich weiter mit der Aufgabe. Ich blickte nicht mehr in seine Richtung, um ein eventuelles Gespräch zu vermeiden. Aber ich meinte, ich hätte in meinen Augenwinkel ein leichtes Grinsen auf seinen Lippen gesehen. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen warum er lächeln sollte, aber ich versuchte mich an diesen Gedanken auch nicht aufzuhängen. Ich fing an mich auf diese Aufgabe zu konzentrieren. Und natürlich hatte ich noch immer keine Peilung, wie ich diese Aufgabe lösen sollte…
 

Nach 50 Minuten war die Unterrichtsstunde vorbei. Ich hatte Glück und es gab am Ende keinen Test oder dass wir die Aufgabe mündlich besprachen. Allerdings betonte unser Lehrer noch einmal, dass das Thema für unsere Klausur relevant war. Kaum hatte Sensei Iruka den Klassenraum verlassen, ging das Geschrei an unserem Tisch wieder los. Ich wusste nicht wer lauter schrie, aber mein Trommelfeld musste sehr viel aushalten. Ich legte meine Unterlagen auf dem Tisch alle zusammen und stand dann auf. Ich hatte keine große Lust mir die ganze Zeit über das Geschrei der verrückten Mädchen anzuhören. Ich wollte die paar Minuten nutzen und verließ den Raum, um auf Toilette zu gehen. Diese Idee hatte natürlich nicht nur ich, es war voll auf den Toiletten und ich musste mich anstellen. Dezent genervt stand ich da also im Flur und drückte meine Oberschenkel etwas aneinander, um den Druck der Blase etwas zu vermindern. Ich bemerkte am Anfang gar nicht, dass ich so dringend auf Toilette musste. Aber wer kannte es nicht, wenn man einmal daran dachte, musste es auf einmal ganz schnell gehen.

Allerdings wurde ich abgelenkt, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Mit einem mulmigen Gefühl drehte ich mich um, welches sofort verflog, als ich das breite Grinsen der coolen, blonden jungen Frau sah.
 

„ Na du! Gibt es hier was umsonst oder warum die Schlange?“, Temari lachte laut auf. Sie war eine Schülerin aus der Parallelklasse. Sie fiel mir von Anfang an auf, denn sie hatte eine recht verrückte Frisur. Vier Zöpfe zierten ihren kleinen Kopf, zwei oben und zwei unten. Ihre Haare sahen stachelig aus, hatten einen dunklen Blondton. Ihr blau-grünen Augen zeigten einem sofort, was sie ihrem Gegenüber empfand. Sie war ganz anders als die anderen Mädchen, dennoch wurde sie voll akzeptiert. Allerdings war dies auch kein Wunder, denn sie sagte jedem ihre Meinung, nahm kein Blatt vor dem Mund. Sie schien ein sehr netter Mensch zu sein, verschwendete ihre Zeit aber nicht mit Menschen, die für sie keine Bedeutung hatten oder dessen Charaktere ihr nicht zusagten. Sie war damals auch diejenige, die mir zum ersten Mal half, als ich körperlich von Karin angegriffen wurde. Karin war einer der größten Fans von Sasuke, wenn nicht sogar der größte. Sie wollte mir eine Backpfeife geben, Temari sah dies und ging dazwischen. Bei ihr hielt Karin sich zurück, auch wenn sie anfänglich fluchte und sie beleidigte. Aber man sollte sich mit Temari nicht anlegen, schließlich war sie im Karate-Club und hatte gerade erst im letzten Jahr das Schulturnier gewonnen.

Seitdem unterhielten wir uns öfter, sie war sehr nett zu mir und sie gab mir in diesen kurzen Momenten, in denen wir uns sahen, ein Stückchen Sicherheit.
 

„ Na was wohl… Ist doch jeden Tag das Gleiche…“, ich überlegte erst, ob ich versuchen sollte einen coolen Spruch zu bringen. Aber ich kannte mich, ich hätte den so richtig verkackt und mich blamiert. Ich gehörte nämlich zu denen, die dachten sie seien cool, waren es aber nie.
 

„Sag mal, ich habe eben mit Shikamaru etwas gesprochen. Er meinte, dass einige Mädchen dich immer noch angreifen und mobben. Stimmt das? Ich dachte eigentlich, dass mein Eingriff und die Standpauke letztens erst zumindest etwas geholfen hätten.“, sie stemmte ihre Hände an die Hüften und sah mich mit gerunzelter Stirn an. Ich zuckte mit den Schultern.
 

„Etwas hat es ja geholfen, es sind nicht mehr so viele. Aber du weißt doch wie es ist… Wenn man einmal auf deren Schirm ist, ist man am Arsch.“, das war die Tatsache. Vor allem wenn so ein Mensch das Opfer war wie ich. Ich konnte mich nicht wehren, hatte nicht das Selbstbewusstsein, welches man dafür brauchte.
 

„Und damit gibst du dich zufrieden? Das ist doch total beschissen, du musst dich dagegen wehren!“, schrie sie mir entgegen. Die anderen Mädchen drehten sich um, schenkten uns allerdings keine allzu große Aufmerksamkeit und sahen nach wenigen Sekunden wieder nach vorne.
 

„ Du weißt ganz genau, dass ich mich dagegen nicht wehren kann. Ich habe dafür nicht den Mut. Und außerdem muss ich es doch nur zwei Jahre aushalten, das wird schon!“, ich lächelte leicht. Diese Gedanken hatte ich oft und versuchte meine Situation damit etwas zu verbessern, zumindest in meinem Kopf. Zwei Jahre sollte ich doch schaffen, ohne einen großen Schaden davon zu tragen. Manche Leute mussten wirklich mehrere Jahre solch eine Qual ertragen.
 

„ Wenn du dich da mal nicht täuschst! Zwei Jahre sind eine ganz schön lange Zeit! Aber gut, dann werde ich versuchen dir etwas zu helfen. Nicht, dass du nachher hier noch von denen zerfleischt wirst!“, dabei lachte sie etwas auf und klopfte mir auf die Schulter. Danach verabschiedete sie sich von mir, nachdem mich ein Mädchen ansprach, dass ich dran war. Zum Glück, denn die Pause war bald vorbei und eine ganze Stunde sollte meine Blase dies nicht aushalten können. Eilig ging ich zur Toilettenkabine und atmete erleichtert aus, als der Schmerz und Druck verschwanden, nachdem ich meine Blase leeren konnte. Als ich auf der Toilette voller Erleichterung saß, betrachtete ich meine Unterhose. Total bescheuert was man auf dem Klo immer so ansah oder über was man nachdachte. Allerdings bekamen manche Menschen während des Toilettenganges ja auch des Öfteren gute Ideen.

'Ich würde nie einen Freund abkriegen…', diese Wörter gingen mir in letzter Zeit schon öfter durch den Kopf. Ich war mittlerweile 15 Jahre alt und ab und zu gab es da auch Jungs, die ich süß und interessant fand. Allerdings wusste ich, dass ich zu den Menschen gehörte, die in dieser Sache nicht solch ein Glück hatten. Und dabei dachte ich nicht unbedingt an mein Aussehen, sondern eher an meinen Charakter und meine Art. Ich war in einigen Sachen noch echt kindisch und wollte es auch bleiben, da es mir gefiel. So wie meine Unterhose in pink mit Pandabären drauf. Ich fand sie toll und süß, aber die Anderen würden mich dafür auslachen. Durch den Sportunterricht konnte ich ja nun schon mehrfach sehen, welche Unterwäsche die anderen Mädchen trugen. Natürlich gab es dort auch welche, die Slips mit Muster oder Tieren darauf trugen. Allerdings waren die wohl von einer bestimmten Marke und total angesagt. Andere wiederum trugen schon Strings. Aber selbst wenn ich so etwas tragen würde um zu gefallen oder dazuzugehören, würden sie mich auslachen. Ich gehörte einfach nicht zur Gruppe.
 

Eilig ging ich den Flur entlang, um nicht zu spät zum Unterricht zu kommen. Es hatte noch nicht geläutet, doch es sollte nicht mehr lange dauern. Die Schlange war dieses Mal einfach viel zu lang. Doch ich hatte Pech. Als ich um die Ecke bog, rannte ich in jemanden hinein. Der Aufprall war recht stark, da ich unvorbereitet war und mein Gleichgewicht deswegen verlor. Mein dicker Hintern küsste den Boden. Hastig wollte ich mich entschuldigen, doch als ich sah, in wen ich gerannt war, blieben meine Worte im Hals stecken. Ich musste ausgerechnet in Karin laufen!

Karin war eines der Mädchen, die es von Anfang an auf mich abgesehen hatte. Sie war sogar diejenige, die mich am meisten mobbte. Ihre Gruppe bestand aus Mädchen aus verschiedenen Klassen, teilweise waren sogar Mädchen aus unteren oder der oberen Klasse dabei. Doch niemand hasste mich so sehr wie sie. Ich konnte nicht sagen warum, ich hatte mit Karin noch nie wirklich gesprochen. Soweit ich wusste war sie aber Sasukes größte Verehrerin, versuchte wohl auch durch die verrücktesten Dinge bei ihm aufzufallen. Temari meinte mal zu mir, dass es schon fast krank war, denn Karin war bereit wirklich alles für Sasuke zu tun. Und so banal dieser Grund auch war, ich glaubte zu wissen warum sie mich hasste… Ich saß neben ihren Traummann und war ihm daher näher, als sie und das störte sie wohl so sehr.
 

„ Pass doch auf, du fette Sau!“, ihre roten Augen blitzten unter ihrer braunen Brille bösartig auf. Sie stand mit dem Rücken zu mir, hatte nur ihren Kopf in meine Richtung zum Boden gedreht.

„ Dann steh nicht so blöd rum!“, manchmal hatte ich ein loses Mundwerk und schaffte es mich zu wehren. Nur leider konnte ich mich immer nur dann wehren, wenn es nicht die beste Idee war. So wie hier.

Karin drehte sich nun vollständig zu mir um, so hastig, dass ihre roten, zerzausten Haare in der Luft tanzten. Sie kniff ihre Augen zusammen und sah mich voller Wut an. In diesem Moment war ich wie gelähmt. Ich konnte mich kaum bewegen, eigentlich gar nicht. Am liebsten wäre ich einfach aufgestanden und in den Klassenraum gerannt, aber ich schaffte es einfach nicht. Ich war zu ängstlich. Eine ähnliche Situation gab es schon einmal. Da wollte sie mich auch schlagen, doch da kam Temari dann dazwischen. Nur war die leider gerade nicht da.
 

„Was hast du gerade zu mir gesagt, du Sau?“, ihrer Stimme war nicht zu überhören, dass sie innerlich kochte. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften, sah von oben auf mich herab. Sakura stand auch im Hintergrund und grinste. Daneben standen noch zwei Mädchen, ich glaubte sie waren aus der Abschlussklasse.
 

„ Es tut mir leid, das war nicht so gemeint!“, mit einem gewissen Schwung schmiss ich meinen zu breit geratenen Körper nach vorne und entschuldigte mich für meinen Kommentar. Meine Hände lagen gefaltet auf den Boden. Ja, es war erniedrigend. Ich entschuldigte mich in aller Höflichkeit bei einer Person, die mich tagtäglich ein Stück mehr verletzte. Eine solche Verbeugung hätte nur eine respektvolle Person verdient und nicht so ein Mädchen wie sie. Aber auf was man sich nicht alles einließ, um einem Streit zu entgehen, den man nicht gewinnen konnte.
 

„Das hört sich doch schon besser an. Aber mit einer einfachen Entschuldigung kommst du nicht davon. Los, küss meinen Fuß!“, dabei lachte sie bösartig auf, sah mich mit einem Blick an, als wäre ich nichts wert. Ich dachte ich spinne, als ich ihre Worte hörte. Ich kannte sie nicht wirklich und vier Wochen waren keine lange Zeit. Aber so ein Verhalten hatte sie noch nie, noch nicht einmal mir gegenüber. Was war denn auf einmal los? Hatte sie etwa vorhin gesehen, dass ich kurz mit Sasuke gesprochen hatte? Aber selbst wenn, das war doch nichts Dramatisches! Doch meine Rettung kam, es klingelte zum Unterricht.
 

„ Es klingelt zum Unterricht, wir müssen los – Aua!“, ich sprang vom Boden auf um der Situation hastig zu entkommen, doch Karin schubste mich sofort wieder auf den Fußboden zurück, als sie meine versuchte Flucht bemerkte. Der Stoß tat weh und ich fiel auch auf meinen Fuß. Viel mehr landete ich mit meinem Hintern darauf.
 

„Du bleibst hier! Wir gehen nicht eher, bist du meinen Schuh geküsst hast!“, sie beharrte darauf und streckte ihn mir erneut ins Gesicht. Ich wurde rot vor Wut, ballte meine Hände zu Fäusten. Das machte ich nicht, das ging zu weit.
 

„Karin, wir sollten gehen. Wir kriegen sonst Ärger.“, warf Sakura ein. Ich schaute unter meiner Brille und meinem Pony hervor und sah, dass sie einen verwirrten Gesichtsausdruck hatte. Wahrscheinlich war sie über Karins Aktion genauso überrascht wie ich. Sie sah zu mir hinab und sah mich für eine Sekunde traurig an, ehe sie ihren Blick wieder zu Karin gleiten ließ.
 

„Wir hauen ab. Kannst uns ja später erzählen, wie weit sie ging. Hahah!“, die zwei Mädchen aus den anderen Klassen verabschiedeten sich mit einem widerlichen Lachen. Sie mussten an mir vorbei gehen, eine von ihnen zog mir an meinem Dutt. Ich schrie daraufhin kurz auf, denn es tat weh. Ich schaute ihnen hinterher, sie blickten ebenfalls noch einmal zurück und grinsten wie eine Hexe, die gleich ihren teuflischen Plan durchführen wollte. Ich hatte die Schnauze voll und stand wieder auf, ging dabei einen Schritt zurück. Ich wollte Karin nicht schon wieder die Gelegenheit geben, mich dabei erneut zu Boden zu schubsen. Wir waren nun auf Augenhöhe. Sie blickte mir stur in die Augen, ich schaute auf den Boden. Augenkontakt zu halten war nicht so meine Stärke.
 

„ Ich werde nicht eher gehen, bis du meinen Schuh geküsst hast, Dicke!“
 

„Nein, das werde ich nicht tun!“, ich beharrte darauf. So tief wollte ich nicht sinken. Ich versuchte mich erneut aus der Situation zu retten und setzte zum Gehen an. Doch selbstverständlich sollte es nicht so einfach sein. Sie hielt mich am Arm fest, drückte dabei stark zu, sodass es schmerzte.
 

„Karin, lass sie los! Wir müssen in den Unterricht, wir werden einen Eintrag bekommen!“, Sakura drängelte Karin, die ganze Sache zu lassen. Sie hatte ebenso wenig wie ich Lust darauf, Ärger mit unserem Sensei zu bekommen. Doch Karin ließ mich nicht los, bis plötzlich eine mir neue bekannte Stimme ertönte.
 

„Du hast Sakura gehört, lass sie los, Karin!“, ruckartig ließ sie meinen Arm los, erstarrte einen kurzen Augenblick. Sasuke Uchiha stand plötzlich vor mir und hinter Sakura. Er blickte sie an, zeigte natürlich keinerlei Regung in seinem Gesicht. Seine Hände ließ er lässig in seinen Hosentaschen baumeln.
 

„Sasu-lein, was machst du denn hier? Die Stunde hat doch bereits begonnen!“, Karins Stimme wurde widerlich hoch, schon fast quietschend. Ihre Wangen waren gerötet, genauso wie die von Sakura. Karin machte einige Schritte auf Sasuke zu, wollte ihn betatschen, doch er setzte einen Schritt zurück und ging in Abwehrhaltung.
 

„Unser Sensei hat mich geschickt, um nach euch zu suchen. Ihr habt einen Eintrag und sollt euch bei ihm melden.“, gab er gelassen von sich. War ja klar, dass ich wegen dieser blöden Sache auch noch Ärger mit dem Sensei bekam. Einen Eintrag, ich hatte noch nie einen!
 

„Na toll, ich hab es dir gesagt Karin! Lass uns jetzt endlich gehen!“, wütend stampfte Sakura davon, Karin ging mit einem verliebten Grinsen hinterher, fasste Sasuke beim Vorbeigehen noch einmal an. Mich würdigte sie nicht mehr eines Blickes, aber das war mir auch ganz recht. Ich setzte mich ebenfalls in Bewegung, doch ich wurde ein zweites Mal am Arm festgehalten. Nur war der Griff nicht so fest und wurde auch nicht von der selben Person ausgeübt.
 

„Was soll das? Lass mich los, ich muss in den Unterricht. Du hast doch selbst gesagt, dass wir uns beim Sensei melden sollen!“, ich zappelte etwas herum, er sollte mich loslassen. Ich hatte kein besonders großes Interesse daran den Ärger zu verschlimmern. Doch er ließ nicht sofort los.
 

„ Das war gelogen. Ich hatte gesagt, dass ich auf Toilette muss, da ich mein Portemonnaie dort liegen gelassen habe. Ich dachte mir schon, dass Karin dich aufgehalten hat.“, ich war etwas verdutzt über seine Aussage. Er war also meinetwegen gekommen? Nein, da musste ich etwa falsch verstanden haben, das konnte nicht sein. Schließlich sprachen wir heute das erste Mal miteinander, und dann sollte er mir plötzlich ganz bewusst helfen?
 

„ Dann vielen Dank dafür. Trotzdem will ich jetzt in den Unterricht zurück.“, ich schwang meinen Arm aus seinen Griff und ging zügig zum Klassenzimmer. Auch wenn es gelogen war, war ein Eintrag nicht unwahrscheinlich. Ich wusste gar nicht, was ich dem Lehrer sagen sollte. Ich drehte mich kurz um, Sasuke ging nah hinter mir. Irgendwie war der Typ komisch.
 

„ Du läufst am Raum vorbei.“, hörte ich ihn plötzlich sagen. Und leider hatte er Recht. Ich war von seiner Einmischung noch so perplex, dass ich völlig in Gedanken war und am Klassenraum vorbei ging. Peinlich berührt ging ich wieder die paar Schritte zurück. Sasuke machte die Tür auf. Die Schüler, die in der ersten Reihe saßen, starrten uns verwirrt an. Unser Sensei blickte uns ebenfalls an. Ich traute mich gar nicht in die Klasse zu gehen. Ich hasste es die Aufmerksamkeit von Leuten zu haben, wenn sie mich anstarrten. Deshalb waren Vorträge auch meine große Schwäche oder wenn ich laut in der Klasse etwas beantworten musste. Ich hatte permanente Angst etwas falsch zu machen und das die Anderen mich auslachen würden. Und in dieser Klasse war das noch nicht einmal unwahrscheinlich.

Mir lief der Schweiß auf der Stirn herunter, meine Nerven spielten verrückt und ich spürte ein leichtes Kribbeln im Körper. Sasuke bemerkte meine kurzzeitige Lähmung wohl. Er blieb ein Stück vor mir stehen und zog mich ins Klassenzimmer herein. Ich senkte meinen Kopf, wollte die Blicke nicht sehen. Gott, es war so peinlich. Ich fühlte mich so vorgeführt.
 

„Da bist du ja. Ich dachte schon, du hast solche Angst vor den Testergebnissen, dass du abgehauen bist!“, mein Kopf wurde knallrot, ich blieb abrupt stehen. Leicht ängstlich sah ich zu unserem Sensei. Doch es schien, als würde er mich angrinsen. Wirklich sehen konnte ich es nicht. Unser Sensei Kakashi war recht speziell. Von seinen zerzausten grauen Haaren mal abgesehen, die an ihm verdammt cool aussahen, trug er eine Maske ab der Nase abwärts. Ich wusste noch nicht einmal, dass das erlaubt war. Aber das machte den Mann ziemlich geheimnisvoll. Auch seine Art war sehr interessant. Ich mochte ihn zumindest sehr.

Allerdings brachte ich nicht mehr als ein Brummen heraus und ging einfach weiter. Recht zügig. Ich wollte einfach nur noch an meinen Platz. Ich setzte mich eilig hin und ließ meinen Kopf hängen. Mich umzusehen traute ich mich nicht, ich wollte nicht Karins Blick sehen oder die der Anderen. Wer weiß wie die nun über mich dachten. Ich weiß, so etwas konnte mir egal sein, aber irgendwie…
 

„ Da wir ja nun vollzählig sind, kann ich ja weitermachen. Ich hatte die Tests ja eben bereits angesprochen. Sie fielen im Großen und Ganzen ganz gut aus. Wie immer sind ein paar dabei, die besonders gut waren oder eben nicht so viel gelernt haben. Allerdings haben fast alle bei einer Aufgabe versagt, was ich nicht so ganz nachvollziehen kann.“, dabei kratzte er sich an seinem Kopf. Das machte Sensei Kakashi immer, wenn er über etwas verwundert war oder ihm etwas unangenehm war. Aber eigentlich fand ich ja alles cool, was er machte. Er war mir einfach mega sympathisch.
 

„ Ich kann nicht so wirklich verstehen, warum dort so viele durchgefallen sind. Schließlich hatten wir dafür extra eine Exkursion gemacht. Aber das zeigt mir, dass ihr dort nichts mitbekommen habt und euch auch danach nicht mehr damit beschäftigt habt.“, dabei lief er im Klassenzimmer herum und teilte die Arbeiten aus. Ich sah mir meinen Test an. Ich war an sich eine wirklich schlechte Schülerin, allerdings war Biologie eines meiner Lieblingsfächer und dort hatte ich unwahrscheinlich viel gelernt. Mir fiel das Lernen in diesem Fach aber auch sehr leicht, da ich es interessant fand. So schlecht hatte ich gar nicht abgeschnitten, es war eine 3+. Ich schaute mir die angesprochene Aufgabe an. Ich hatte dort gerade mal 3/15 Punkten. Wie jämmerlich. Wieso hatte ich dabei denn so versagt? Ich hatte im Museum doch so aufgepasst und mir alles aufgeschrieben.
 

„Die Meisten von euch haben die Aufgabe nicht so wirklich verstanden, weshalb die Punkte nur im unteren Bereich liegen. Das hat bei vielen die Note versaut.“, Sensei Kakashi war mittlerweile wieder an seinen Lehrerpult angekommen.
 

„Das haben sie doch mit Absicht gemacht, Sensei! Sie haben uns eine Falle gestellt, echt jetzt!“, schrie ein Junge in die Klasse.
 

„Nein, das war es nicht, Naruto! Aber ich bin ja nicht so. Ihr habt zwar noch viel Zeit, um eure Noten zu retten, da das Schuljahr gerade erst angefangen hat, aber es wird auch noch schwerer werden. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, euch in Gruppen aufzuteilen. Jede Gruppe bekommt ein Thema. Ich habe mich dazu entschieden, dass ihr einen Vortrag zu häufigen oder auch seltenen Krankheiten vorbereiten sollt. Momentan haben wir den Menschen ja als Thema, und ich denke, dass die Themen nicht zu schwer sein sollten. Ihr bekommt eine Woche Zeit, um den Vortrag dazu vorzubereiten und ihn dann der Klasse vorzutragen. Ich erwarte dazu auch Materialien, wie zum Beispiel Folien, Plakate oder Informationsblätter. PowerPoint ist natürlich auch gern gesehen. Aber wie gesagt, ihr habt nur eine Woche Zeit.“, kaum hatte er seinen letzten Satz beendet, brach eine Unruhe in der Klasse aus. Die Meisten fingen an zu Stöhnen, einige meckerten und andere waren einfach nur entsetzt. Gruppenarbeit. Vortrag. Zwei Dinge, die für mich nicht gerade einfach waren. Vor allem kam es dabei ja auch auf den Partner an. Sollte ich das Glück haben und mit jemanden zusammenarbeiten, der mich nicht hasste? Nein, ich hatte wahrscheinlich eher das Pech und musste mit Karin oder Sakura zusammen den Vortrag machen. Oder noch mit Ino, obwohl die ja gar nicht so schlimm war.
 

„ Ich habe die Gruppen bereits zusammengestellt. Ich fange jetzt an die Namen und das jeweilige Thema vorzulesen.“, es wurde wieder ruhig, alle hörten aufmerksam zu.
 

„ Naruto Uzumaki und Sakura Haruno, ihr habt das Thema Trisomie 21.“, man konnte ein lautes Stöhen von Sakura hören, dieser Naruto freute sich dafür umso mehr. Sakura strafte ihn mit einem harten und bösen Blick, doch dieser bemerkte es gar nicht. Er freute sich über seine Partnerin noch viel zu sehr.

„ … und Sasuke Uchiha, ihr sollt etwas zur multiplen Sklerose erzählen.“, ich sah auf. Das war doch mein Name eben, oder nicht? Ich war noch von diesem Naruto zu sehr abgelenkt und hatte daher nicht richtig zugehört. Ich sah zu Sasuke. Sollte ich wirklich das Glück haben, dass ich nicht mit einer der Furien zusammenarbeiten musste? Aber ob Sasuke da besser war? Klar, er mobbte mich nicht und war heute auch unwahrscheinlich nett und hilfsbereit mir gegenüber, was schon etwas gruselig wirkte. Aber er war der beste Schüler der Klasse und gehörte auch zu den Besten der ganzen Schule. Daneben fühlte ich mich einfach total blöd. Auch wenn es in meinem starken Fach war, ich würde mich bei ihm bestimmt blamieren. Ich war in der Gegenwart anderer immer aufgeregt, da ich Angst hatte etwas Falsches zu sagen oder zu machen. Und ich dann ausgelacht werden würde. Und wenn man dann noch mit so einem guten Schüler zusammenarbeiten musste, fühlte man sich doch gleich noch drei Ecken dümmer als sonst.

Aber Sasuke regte sich nicht ein bisschen. Er sah nicht zu mir rüber. Vielleicht hatte ich mich doch verhört.

Ich schaute an Sasuke vorbei und blickte Karin an. Diese sah mich wütend an. Mir war bewusst, dass ihr diese Einteilung nicht gefiel. Aber das war nicht meine Schuld, unser Sensei teilte uns ein. Aber ihrem Blick zufolge hatte ich Recht, ich war doch mit ihm in einer Gruppe. Sollte ich mich freuen?
 

Der Unterricht war nun vorbei und wir steckten noch mitten im Putzdienst. Ich ging gerade den Flur entlang um das Dreckwasser zu entsorgen. Dabei lief ich Sensei Kakashi über den Weg.

„ Ich hoffe, du bist mit der Gruppeneinteilung zufrieden?“, er blieb direkt vor mir stehen. Seine Augen waren geschlossen, unter seiner Maske konnte ich ein Lächeln erkennen. Also war die Entscheidung kein Zufall und bedacht.

„ Ja, ich bin Ihnen sehr dankbar, Sensei Kakashi. Es hätte mich schlimmer treffen können.“, ich erzwang mir ein Lächeln. Natürlich war ich froh, dass ich einen Partner hatte, der mich bisher noch nie angegriffen hatte. Aber ich konnte ihn eben so schlecht einschätzen und wusste nicht, was auf mich zukam. Der Blick des Senseis wurde auf einmal etwas traurig. Er sah mich so komisch an…

„ Ich weiß… Einige Lehrer, darunter auch ich, haben bereits bemerkt, dass gewisse Schüler dich verbal angreifen. Allerdings ist uns auch aufgefallen, dass du bisher nichts gemeldet hast. Wir waren uns nicht sicher, in wie weit wir da eingreifen sollten. Und eine Situation zum Gespräch ergab sich bisher nicht. Da nutze ich die Chance jetzt auch gleich…“, sie hatten es also bemerkt. Aber das war auch kein Wunder. Karin und die anderen Mädchen machten daraus ja auch kein Geheimnis. Mir fiel aber auf, dass er nur die verbale Angriffe nannte. Das hieß, dass sich die körperliche Attacke noch nicht rum gesprochen hatte. Aber es war damals ja auch nicht viel passiert…

„ Natürlich melde ich das nicht, Sensei. Das würde es nur schlimmer machen. Ich würde als Petze gelten und jeder weiß, dass das mein Verderben wäre.“, ich hatte wirklich schon einmal darüber nachgedacht, mich bei einem Lehrer zu beschweren und um Hilfe zu bitten. Ich sprach mit meinem Bruder und fragte nach seiner Meinung. Er meinte gleich, dass ich das lassen sollte, da die Angriffe danach schlimmer werden würden. Er gab mir den Tipp, dass ich versuchen sollte, mich einer Gruppe anzuschließen. Aber er hatte leicht Reden, dem liefen alle Gruppen hinterher. Ich musste den Gruppen hinterherlaufen.

„ Das stimmt, aber soll das so weitergehen? Es einfach zu akzeptieren und auszuhalten, macht die Situation nicht besser. Du wirst dir wahrscheinlich ein bestimmtes Fell aneignen, aber solche Umstände gehen an die Psyche. Und das nehmen wir hier sehr ernst, dafür ist einfach zu viel passiert!“, verwirrt blickte ich meinen Sensei an. Was genau meinte er damit? Hatte Karin vor mir etwa schon andere gemobbt und die haben geschmissen?

„Was genau meinen Sie damit, Sensei Kakashi?“, sein Blick wurde trauriger, er richtete sich gerade auf und schloss für einen Moment seine Augen.

„ Ich möchte dir helfen. Ich habe vorhin gesehen, dass du mit Sasuke zusammen rein kamst. Sensei Iruka meinte zu mir vorhin, dass er dich mit ihm auch reden sah. Wir wissen nicht, ob ihr euch gut versteht oder nicht, aber es war für mich einen Versuch wert mit der Gruppe. Du kannst mir ja berichten. Denn solltest du dich mit Sasuke gut verstehen, würde ich den anderen Lehrern Bescheid geben, dass solche Arbeiten bei dir bevorzugt mit ihm stattfinden. Du kannst mir aber auch einfach alle Namen der Leute nennen, die dich mobben. Diese vermeiden wir dann dir zuzuteilen.“, er bemühte sich wirklich, um es mir etwas einfacher zu machen. Dafür war ich ihm auch dankbar, denn dies war nicht selbstverständlich. Allerdings wollte ich keinen Namen nennen. Denn irgendwie bezweifelte ich, dass es nur für die Vermeidung der Gruppeneinteilung dienen sollte.
 

„ Wir werden sehen. Ich sage Ihnen dann einfach Bescheid, wie es mit Sasuke lief. Aber ich möchte nicht bevorzugt werden. Es wird schon alles klappen. Und jetzt muss ich auch leider los, sonst verpasse ich meinen Bus.“, ich verbeugte mich tief vor Sensei Kakashi und rannte dann an ihm vorbei. Es war mir unangenehm darüber mit einem Sensei zu sprechen. Zumal jeden Moment auch ein Schüler vorbeikommen konnte. Man hätte mir das Gespräch auch anders auslegen können. Er rief mir kurz noch etwas nach, aber ich drehte mich nicht mehr um. Ich hoffte, dass er mein Verhalten nicht als sehr unhöflich ansah, aber ich wollte auch keinen Fehler machen. Ich wollte unter keinen Umständen als blöde, dicke Petze gelten!
 

Nachdem ich das Dreckwasser entsorgt hatte und auch den Eimer und den Rest der Putzutensilien wieder in der Kammer verstaut hatte, nahm ich meine Tasche und verließ das Klassenzimmer. Die meisten Schüler waren bereits gegangen. Es waren nur noch zwei oder drei dort, die sich mit ihren zugeteilten Aufgaben viel Zeit ließen. Die meisten Schüler gingen zu ihren Kursen, die nach der Schule stattfanden. Man gab mir damals auch die Liste, in der alle Kurse und Clubs aufgelistet waren. Eigentlich ist dies eine Schulpflicht, aber ich konnte mich damals nicht entscheiden. Nun gut, um ehrlich zu sein hatte ich mich entschieden, entweder Kunst oder Musik. Aber die Kurse waren überfüllt, man kam nur mit einer bestimmten Qualifizierung rein. Und da hatte ich mal wieder zu große Angst darin zu versagen. Außerdem wusste ich auch nicht, was da für Leute drin waren. Doch ich musste über meinen Schatten springen. Letzte Woche wurde ich von Sensei Kakashi erneut diesbezüglich angesprochen. Er gab mir ausnahmsweise noch zwei Wochen Zeit. Sonst sollte ich mal in alle Kurse reinschnuppern, um den richtigen zu finden. An sich ein guter Vorschlag, aber als „Neue“ wird man immer so ausgelassen von den Anderen. Ich wusste, ich war ein viel zu ängstlicher und unsicherer Mensch, hatte kaum Selbstbewusstsein. Ich musste etwas daran ändern, aber dazu fehlte mir der Mut.

Während ich mich wieder einmal über die Clubs sorgte, ging ich die Treppen hinunter um ins Foyer zu gelangen. Auch hier war es recht leer. Ich begrüßte die Stille. Großen Lärm oder auch Gedrängel empfand ich als sehr störend, wahrscheinlich wie die meisten anderen Leute auch. Ich ging zu meinem Schuhfach. Langsam zog ich meine Schuhe der Schule aus und tauschte sie gegen meine Straßenschuhe ein. Ich brauchte unbedingt mal neue! Sie waren schon so ausgelatscht, das Laufen war schon lange nicht mehr bequem. Aber meine Mutter war geizig, gab das Geld lieber für sich und Shinichi aus. Sota bekam alles was er wollte. Er war der Liebling. Er war der Sohn, den Shinichi immer haben wollte. Er selbst hatte wohl auch einen aus erster Ehe, aber soweit ich es richtig verstand, wollte er mit ihm nichts zu tun haben, da er homosexuell war. Total bescheuert da so ein Theater zu machen. Natürlich konnte ich in gewisser Weise verstehen, dass es für die Eltern schwer sein musste dies zu akzeptieren. Aber deshalb direkt den Kontakt abzubrechen und ihn als Schande zu bezeichnen? Das konnte ich nicht verstehen.
 

Langsam ging ich die Straße entlang. Meinen Bus hatte ich tatsächlich verpasst. Ich hatte keine Lust zu warten und ging daher zu Fuß. So weit war es zur Bahn nicht. Außerdem hatte ich Zeit. Shinichi war eh noch arbeiten. Meine Mutter war wahrscheinlich auch noch unterwegs. Und Sota, entweder war er mit seinen Freunden unterwegs oder in einem seiner Schulclubs. Ich war immer als erste zu Hause. Daher musste ich auch fast alles machen. Kochen, Tisch eindecken und abräumen, spülen und am Wochenende musste ich auch putzen. Eigentlich die Aufgabe einer Mutter. Viele Mütter taten dies auch, obwohl sie arbeiteten. Meine Mutter musste nicht arbeiten, sie hatte ausgesorgt. Mein Vater hatte damals schon Vermögen, arbeitete sich dafür aber auch wund. Wir hatten nie so viel Zeit, wie wir Kinder es uns wünschten. Und Shinichi leitete eine erfolgreiche Firma, die er vor Jahren aufgebaut hatte. Dadurch musste meine Mutter keinen Finger krümmen. Früher nutzte sie die Zeit um für uns da zu sein, erledigte den Haushalt, die Einkäufe, half uns bei den Hausaufgaben und verbrachte die Zeit mit Sota und mir. Doch seit dem Tod meines Vaters fuhr sie einen starken Egotrip. Sie überließ mir fast alle Aufgaben, kümmerte sich nur noch um sich. Sota erlaubte sie noch viel und gab ihm auch ein hohes Taschengeld. Ich hingegen hatte kaum noch Zeit für mich, musste mich für alles rechtfertigen und bekam nur ein sehr kleines Taschengeld. Und wenn ich mal eine neue Brille brauchte oder eben neue Schuhe, zögerte sie es hinaus. Und Shinichi… Er gab öfters nach und gab mir dann das Geld dafür, allerdings nur für eine Gegenleistung. Ich musste dann mal für seine Firma ein Gericht kochen, was für 30 Mann reichen musste. Ich stand fast den ganzen Tag in der Küche, musste mich dafür sogar in der Schule krank melden. Es hörte sich nicht nur schlimm an, es war auch schlimm. Und warum das alles? Ich wusste es nicht genau, ich konnte nur vermuten. Ich kam nach meinem Vater. Ich sah ihm ähnlich. Für die Beiden wohl zu ähnlich. Sota kam nach meiner Mutter. Ich konnte mir nicht anders erklären, warum bei uns solche Unterschiede gemacht wurden…
 

Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als ein Auto laut anfing zu hupen. Ich sprang etwas zur Seite, hatte mich arg erschrocken, da ich zu vertieft in meinen Gedanken war. Ich sah einen schwarzen Wagen, der langsam in meine Richtung fuhr. Er sah schick aus, sehr elegant. Aber ich war auch leicht zu beeindrucken, was auch damit zu tun hatte, dass ich von Autos absolut keine Ahnung hatte.

Die Fenster waren dunkel getönt, daher konnte ich nicht erkennen, wer in diesem Auto saß. Der Wagen kam neben mir zum Stehen. Das Fenster fuhr langsam herunter und ich konnte schwarze Haare erkennen. Es war Sasuke. Also langsam wurde das alles etwas gruselig. So viele Aufeinandertreffen an einem Tag und dann auch noch nach der Schule.

„ Warte mal kurz.“, er machte den Motor aus und stieg langsam aus dem Wagen. Gemütlich schlenderte er auf mich zu. Kurz vor mir kam er zum Stehen. Er war mir nah, zu nah. Ich ging einen Schritt zurück. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommen sollte. Was wollte er schon wieder von mir?

Er streckte mir seine Hand entgegen. Etwas verdattert starrte ich sie an. In dieser lag sein Smartphone. Es sah aus, als hätte er eines der neusten Modelle! Beeindruckend! Der Wagen, das Smartphone… Er stammte bestimmt aus gutem Hause!

„ Gib mir mal deine Handynummer.“

„ Warum denn das?“, ich stand perplex vor ihm. Meine Handynummer? Warum das denn auf einmal?

„ Wie soll ich dir denn sonst wegen des Projektes schreiben? Wir müssen uns absprechen!“, seine Stimme war bestimmt, sein Blick etwas genervt. Der erwartete wohl auch, dass man sofort auf alles kam! Ein Junge fragte nach meiner Handynummer, da durfte ich ja wohl im ersten Moment verdutzt sein! Auch wenn es hier nur um die Schule ging!

„ Ach so ja, klar…“, gab ich kleinlaut von mir. Gut, dass ich zuvor nichts Blödes gesagt hatte. Ich nahm vorsichtig sein Smartphone in meine Hände und tippte meine Nummer ein. Es war ein ganz komisches Gefühl, so ein teures Ding in meinen Händen zu halten. Klar, Smartphones sind nicht erst seit gestern auf dem Markt, aber ich hatte noch so ein altes Klapphandy, wie viele andere auch in meinem Alter. Ich hatte Angst, es fallen zu lassen, was leider zu mir passte, da ich ein Tollpatsch war. Doch es ging alles gut und ich gab ihm, mit eingetippter Nummer, sein Handy zurück. Er nahm es rasch an sich und tippte noch etwas ein. Danach verstaute er sein top modernes Telekommunikationsmittel in seiner Hosentasche.

„ Ich werde dir heute Abend schreiben, damit wir alles abklären können. Ich will die Sache so schnell wie möglich hinter mir haben.“, in diesem Moment war mir klar, dass er von mir und unserer Gruppe genervt war und nicht viel davon hielt. Warum sollte er das auch? Ich war die Neue, nicht beliebt und entsprach mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht dem Typ Mädchen und Mensch, mit dem er sich normalerweise abgab.

„ Alles klar…“, ich machte auf dem Absatz kehrt und setzte meinen Weg fort. Mir wurde ganz komisch, nachdem er dies so gesagt hatte.

„ Soll ich dich nach Hause fahren?“, überrascht blieb ich stehen, drehte mich verunsichert um. Er wollte die Arbeit mit mir schnell hinter sich bringen, aber dann nach Hause fahren?

„ Nein, ich laufe, danke.“, ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Außerdem mochte ich es nicht, wenn man mich extra nach Hause fuhr. Wenn er den gleichen Weg gehabt hätte, wäre es was anderes gewesen.

„ Ich fahre aber in deine Richtung. Also steig an.“, er drehte sich zu seinem Wagen um und machte bereits die Fahrertür auf. Ich drehte mich nun ganz zu ihm um. Ich war skeptisch, zu Recht.

„ Woher weißt du denn, in welche Richtung ich muss? Habe ich nie gesagt…“, er konnte doch gar nicht wissen, wo ich wohnte. Woher auch… Er blickte mich einen Moment lang an, schien zu überlegen.

„ Ich habe letztens gesehen, wie du am Bahnhof in Harajuku eingestiegen und zur Schule gefahren bist. Also schlussfolgere ich daraus, dass du dort wohnst. Es sei denn, du bist dort von deinem Freund gekommen…“

„ Ich habe gar keinen Freund…“, nun hatte ich das Gefühl, dass er mich verarschen wollte. Als ob er nicht gewusst hätte, dass ich keinen Freund hatte. Aber mich interessierte, was er in Harajuku machte? Das Viertel war beliebt, gerade bei uns jungen Menschen. Ob er dort auch wohnte? Ich drehte mich wieder um. Sein Ton gerade war sehr arrogant.

' Daraus schlussfolgere ich bla bla bla…', hielt er sich nun für einen Detektiv? Idiot. Ich hörte, wie die Autotür zuknallte und der Motor starrte. Er ließ mich wohl nun alleine und in Ruhe nach Hause laufen. Ich dachte im ersten Moment, dass er vielleicht doch gar nicht so blöd war, wie ich dachte. Aber ich glaubte, ich hatte mich geirrt. Er war zwar irgendwie nett, aber auch arrogant. Und mit solchen Personen hatte ich meine Probleme, was aber wohl mehr an meinen Minderwertigkeitskomplexen lag. Plötzlich blieb der Wagen wieder neben mir stehen, sein Fenster war noch geöffnet.

„ Ich frage kein zweites Mal.“, gab er monoton von sich. Verdutzt blieb ich stehen.

„ Was willst du von mir? Warum bist du auf einmal so nett zu mir? Darum habe ich dich nie gebeten!“, ich hatte bei diesem Jungen einfach ein merkwürdiges Gefühl. Keine Ahnung warum, aber da war etwas, was mich abschreckte, mir ein Unwohlsein bereitete.
 

„ Das habe ich dir bereits im Unterricht gesagt.“, er blickte nach vorne zur Straße, schenkte mir also nicht einmal einen Blick. Das war wohl zu viel verlangt.
 

„ Ach stimmt, ich war ja so bemitleidenswert…“, mein Ton war gerade auch nicht der freundlichste. Aber das Gesagte tat mir vorhin und auch nun auch einfach sehr weh.
 

„ Richtig. Es ist deine Entscheidung. Aber du solltest wissen, dass gerade im Radio gesagt wurde, dass die Buslinie, die hier fährt, aufgrund eines schweren Unfalls vorübergehend nicht fährt.“, mein Kopf schnallte in einem sehr zügigen Tempo mehr in seine Richtung. Was hatte er gesagt? Ok, kein Problem, ich wollte ja eh bis zur Bahn laufen. Aber fuhr die denn auch? Ja, das sollte gehen, schließlich fuhr die Bahn nicht auf der Straße. Das Eine hatte mit dem Anderen nichts zu tun. Sasuke schien es wohl nicht mehr zu interessieren, denn er ließ das Fenster wieder hoch gleiten. Zeitgleich bekam ich eine SMS. Ich holte mein Handy heraus. Es war ungewöhnlich, dass ich Nachrichten bekam, mir schrieb eigentlich nie einer. Verwundert öffnete ich mein Klapphandy. Die Nachricht war von Shinichi.
 

' Um 19 Uhr komme ich mit einem wichtigen Geschäftspartner, er will meine Familie kennenlernen. Bis dahin hast du bitte etwas gekocht und die Wohnung aufgeräumt.‘
 

Das war scheiße, verdammt scheiße.
 

„Stopp!“, als ich bemerkte, dass Sasuke gerade anfahren wollte, schrie ich laut und schlug meine Hand auf die Motorhaube. Zum Glück hielt er auch und gab mir nicht das Gefühl eines nassen Pudels, der einfach stehen gelassen wurde. Das sagte man doch so, oder?

Eilig rannte ich zur Beifahrertür, riss sie mit voller Kraft auf und ließ mich in den Sitz fallen. Dies war mir kurz danach allerdings unangenehm, da ich bemerkte, dass das Auto für einen Moment nach unten sackte. Dieses blöde Fett. Das waren solche Dinge, die mir peinlich waren. Genauso wie, wenn ich in einen Fahrstuhl stieg und dieser etwas in die Tiefe ging, oder mein Gewicht so stark war, dass selbst ein Gullydeckel sich dadurch bewegte.

Sasuke starrte mich fragend an.

„ Ich muss schnell nach Hause, daher nehme ich dein Angebot an. Danke.“, eine Erklärung war ich ihm schuldig. Erst lehnte ich sein Angebot ab und stellte blöde Fragen und nun setzte ich mich einfach in sein Auto.

„ Ok.“, mehr brachte er nicht heraus. Er setzte sich seine Sonnenbrille auf und drückte aufs Gaspedal. Währenddessen schnallte ich mich noch schnell an.
 

Da war ich nun. Ich saß im Auto des beliebtesten und besten Schülers der Schule, als einer der unbeliebtesten und schlechtesten Schülerinnen. Irgendwie war der Tag heute echt komisch…



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