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Geliebter Blutsbruder

von

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Die Ruhe vor dem Sturm

Der Doktor tat, was im Rahmen seiner Möglichkeiten machbar war, aber viel war es nicht. Keine der neuerlichen Verletzungen war lebensgefährlich, es war eher die Summe aus sämtlichen körperlichen Beeinträchtigungen der letzten Zeit sowie die ständigen Überanstrengungen, die meinen Freund jetzt regelrecht umgehauen hatte. Nach dem Messerstich mit dem immens hohen Blutverlust hätte er eigentlich nach Einhaltung der Bettruhe mindestens noch vier Wochen Schonung und Erholung gebraucht, so der Doktor, statt dessen kam eine Verwundung nach der anderen hinzu, und von Ruhe konnte nun wirklich keine Rede sein, im Gegenteil. Somit konnte der Arzt sich noch so sehr anstrengen, solange die Umstände nicht so waren, wie sie sein sollten, würde er keine vollständige Heilung des Apatschen erzielen können.
 

Wir hatten ab jetzt noch zwei volle Tage bis zum Angriff Zeit, vielleicht aber auch nur eineinhalb, wenn wir den Ort des Überfalls verlegen würden, aber bis dahin wollten wir dafür sorgen, dass Winnetou sein Bett auf keinen Fall mehr verließ. Insgeheim hoffte ich tatsächlich, dass er danach immer noch so geschwächt sein würde, dass ihm die Einsicht kommen musste, an dem Kampf nicht teilnehmen zu können. Im Moment sah es zumindest danach aus, als ob diese Möglichkeit gar nicht so unwahrscheinlich war, denn mein Freund schlief am Rande der Bewusstlosigkeit und es sah nicht so aus, als ob sich das so schnell wieder ändern würde. Das war auch wirklich das Beste, was ihm passieren konnte, denn so spürte er zum Glück seine Schmerzen nicht mehr; diese mit anzusehen und nicht helfen zu können, war für mich fast nicht zu ertragen gewesen.

Aufgrund von Hendricks Infusionen wurde Winnetous Körper mit dem Notwendigsten versorgt, so dass überhaupt kein Grund vorhanden war, ihn mittels irgendwelcher Medikamente zur Besinnung kommen zu lassen. Der Arzt beschloss aber, während des Tiefschlafs an seiner Seite zu bleiben, um den Kreislauf ständig überwachen zu können. Deshalb wollte ich mich in meinem eigenen Bett zur Ruhe begeben, obwohl mir das fast schon seltsam vorkam - zu sehr hatte ich mich an die körperliche Nähe meines Blutsbruders gewöhnt.
 

Vor der Nachtruhe begab ich mich aber nochmals in die Gaststube der Farm. Die zurückgebliebenen Gefährten sowie der Treckführer und Tobias Helmer selbst wollten nämlich nochmals aus erster Hand von dem Ergebnis unseres Kundschafterritts unterrichtet werden, und außerdem mussten wir allmählich einen genauen Plan zur Verteidigung ausarbeiten. Es fiel mir nicht leicht, meinen Freund auch nur für diese kurze Zeit zu verlassen, aber ich wusste ihn ja in den besten Händen.
 

Als ich eintrat, hatten sich schon sämtliche Westmänner und die meisten Apatschen im Gastraum versammelt. Auf ausnahmslos allen Gesichtern war eine große Besorgnis um den Apatschenhäuptling zu lesen und so musste ich erst einmal genauestens Auskunft über seinen Zustand geben und die Anwesenden so gut wie möglich beruhigen, was mir aber nur leidlich gelang, denn es war mir nicht möglich, meine eigenen Ängste vollständig zu verbergen.
 

Anschließend begann ich, Winnetous und meine Überlegungen während des vergangenen Nachmittags ausführlich darzulegen und stieß damit auf breite Zustimmung. Alle hielten einen Überfall auf die Geier in der kleinen Schlucht für die beste Methode, ihnen ein für allemal den Garaus zu machen, ohne Gefahr zu laufen, dass wieder einige von ihnen entkommen würden. Auch die Idee des Apatschen, eine Spur zur Schlucht zu legen, um die Banditen dorthin zu locken, war in den Augen aller die beste Möglichkeit. Die Frage war nur: Wie sollte diese Spur aussehen, die ein solch großes Interesse bei den Verbrechern erwecken musste, dass sie ihr mit allen Bandenmitgliedern auf jeden Fall folgen würden? Wir sannen hin und her, kamen aber zu keiner Lösung, und da es schon spät am Abend war, beschlossen wir, die Diskussion auf den nächsten Tag zu verschieben.
 

Ich begab mich schnellstmöglich zurück in Winnetous und mein Zimmer und versuchte währenddessen, die fast schon surreale Angst, es könnte ihm in der Zwischenzeit wieder etwas Neues zugestoßen sein, zu unterdrücken. Oben angekommen, signalisierte mir der Doktor - dem Himmel sei dank! - sofort mit einer beruhigenden Handbewegung, dass es dem Apatschen im Moment den Umständen entsprechend gut ging. Ich trat daraufhin noch einmal an sein Bett, nahm seine Hand und betrachtete lange das von mir so unendlich geliebte Antlitz, aus dem der schmerzgepeinigte und gequälte Ausdruck jetzt zum Glück gewichen war. Er machte einen fast schon entspannten Eindruck, und ich hoffte von ganzem Herzen, dass dieser Zustand so lange wie möglich anhalten würde.

Hendrick versicherte mir nochmals mit großem Nachdruck, dass ich mich ohne Sorge zur Ruhe begeben könne. „Solange Herzrhythmus und Blutdruck stabil bleiben, zwar im Moment auf ziemlich niedrigem Niveau, aber immerhin stabil, haben wir nichts zu befürchten. Legt Euch ruhig hin, Mr. Shatterhand, ich lasse Euren Freund nicht aus den Augen!“

Ich legte ihm dankend meine Hand auf seine Schulter, drückte sie kurz und begab mich endlich zur Ruhe. Und obwohl ich nicht damit gerechnet hatte, war ich dann doch innerhalb weniger Minuten tatsächlich eingeschlafen.
 

Der Morgen war schon ein paar Stunden alt, als ich endlich erwachte. Offensichtlich hatte ich den Schlaf wirklich nötig gehabt, und jetzt fühlte ich mich auch wie neugeboren. Mein nächster Gedanke galt Winnetou, und so war ich im Nu aus dem Bett und an seiner Seite. Dr. Hendrick, dem man die durchwachte Nacht ansehen konnte, gab mir sofort flüsternd Auskunft. Winnetous Zustand war weiter unverändert, aber da sein Schlaf ein sehr tiefer und fester war, hatte er einen äußerst erholenden Effekt.
 

Tobias Helmer betrat kurz darauf leise den Raum, in den Händen ein Tablett voller guter Gerichte für ein ausgiebiges Frühstück. Der Doktor gab ihm bei dieser Gelegenheit den Auftrag, sämtlichen auf der Farm anwesenden Personen mitzuteilen, dass im Augenblick keinerlei Besuche für Winnetou erwünscht waren. Damit wollte er verhindern, dass eine zu große Unruhe im Zimmer entstand, wodurch der Apatsche eventuell geweckt werden könnte. Ihm lag, genauso wie mir, sehr viel daran, dass dieser solange wie nur irgend möglich absolute Ruhe einhielt, und das war bei Winnetou offensichtlich nur im Schlaf der Fall, wie er uns in der letzten Zeit ja mehrfach bewiesen hatte.
 

Uns leise flüsternd unterhaltend, frühstückten Hendrick und ich in aller Ruhe, dann schickte ich ihn letztendlich mit Nachdruck aus dem Zimmer, damit auch er den fehlenden Schlaf nachholen konnte. Ich brauchte allerdings zwei oder drei Anläufe, bis er endlich nachgab; es fiel im sichtlich schwer, meinen Freund ohne ärztliche Überwachung zu lassen, weshalb ich ihm auch hoch und heilig versprechen musste, Winnetous Zustand ständig zu kontrollieren und ihn auch bei der kleinsten Veränderung sofort zu benachrichtigen.
 

Nachdem er dann schließlich doch das Zimmer verlassen hatte, setzte ich mich zu meinem Freund und begann, seine Hand dabei in meiner haltend, über die Ereignisse der letzten Zeit und über die bevorstehenden Kampfhandlungen nachzudenken. Mal angenommen, es gelang uns, wie auch immer, die Banditen vollständig in die kleine Schlucht zu locken, wie sollten wir dann weiter vorgehen? Wir waren siebenunddreißig bestens bewaffnete Männer, wenn wir die männlichen Treckmitglieder außer Schumann nicht mitzählten. Diese mussten wir am besten so instruieren, dass sie auch mit ihren geringen Kenntnissen in der Lage waren, den Treck vor eventuellen Angriffen zu schützen, während wir anderen die Geier in der Schlucht angriffen. Das war eine Aufgabe, der sich einige Westmänner heute und morgen mit größtmöglicher Intensität widmen sollten.
 

Um die Banditen in der Schlucht zu überwältigen, mussten wir es so anstellen, dass wir sie, ohne von ihnen bemerkt zu werden, an uns vorbei in das kleine Tal hinein reiten ließen, um den Eingang desselben sofort im Anschluss mit mehreren Männern zu besetzen. Wenn wir dazu auch noch andere Barrieren benutzten, wie zum Beispiel brennende Holzstöße oder ähnliches, welche man schon vorher zwischen den dort in Massen vorhandenen Schlingpflanzen versteckt vorbereiten könnte, wären nicht viele Männer für die Überwachung des Einganges notwendig.

Die anderen Gefährten mussten sich schon vorher über den gesamten Rand der Schlucht, an der die Hochebene angrenzte, verteilen, um auf ein Zeichen hin mit ihren Gewehren die Verbrecher von oben zu bedrohen. Wenn wir Glück hatten, würden diese ihre Unterlegenheit anerkennen und sich ohne Blutvergießen in unsere Hände begeben.
 

Blieb nur noch die Frage, wie wir die Burschen in die Schlucht locken sollten? Mir schwebte ein einzelner Planwagen aus dem Treck vor, der von der Farm aus auf dem Weg, der von dem Versteck der Geier direkt bis zu Helmers Home führte, den Verbrechern entgegen fahren und dann in Höhe der kleinen Schlucht in Richtung derselbigen abbiegen könnte. Vielleicht war es möglich, dass wir es so aussehen ließen, als ob der gesamte Treck in diese Richtung gefahren wäre, so dass die Kerle sich schon fast gezwungen sehen mussten, ihm zu folgen!
 

Bis zu diesem Punkt erschien mir die Abwehrstrategie als die Richtige, und so wollte ich sie den Gefährten so schnell wie möglich mitteilen, musste aber damit warten, bis der Doktor mich ablöste, da ich Winnetou auf keinen Fall auch nur für wenige Minuten alleine lassen wollte. Während ich über all das nachdachte, kontrollierte ich immer wieder seinen Puls und seine Atmung, konnte aber bis auf die Tatsache, dass beides etwas verlangsamt war, nichts Außergewöhnliches feststellen, worüber ich natürlich äußerst froh war.
 

Ich brauchte dann doch nicht auf das Erscheinen von Hendrick warten, denn gegen Mittag klopfte es, trotz des ausgesprochenen Besuchsverbotes, ganz leise an der Tür. Ich ging schnell hin und öffnete; es war Emery, der mit mir etwas besprechen wollte und wegen der Störung fast schon ein schlechtes Gewissen hatte. Ich konnte ihm das schnell ausreden, zog mich mit ihm aber auf den Flur zurück, um gar nicht erst in Gefahr zu geraten, dass Winnetou durch uns erwachte.

Emery wollte als erstes erfahren, wie wir nun weiter vorgehen sollten, denn so allmählich drängte die Zeit, da wir ja auch noch einiges vorzubereiten hatten. Ich breitete ihm daher meine bisherigen Überlegungen aus, mit denen er voll und ganz einverstanden war, und teilte ihm mit, dass ich die weiteren Maßnahmen und Vorbereitungen ihm und den Gefährten vollständig anheim stellte. Hier auf Helmers Home war ein großer Teil der fähigsten Männer des Westens versammelt, und so konnte ich mich ohne Weiteres darauf verlassen, dass diese alles Notwendige bis hin zur Perfektion durchführen würden und meiner Hilfe nicht bedurften.
 

Bevor er ging, bat Emery mich mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck, ihm das Jagdhemd des Apatschen auszuhändigen. Bevor ich etwas verwundert nach dem Grund fragen konnte, erklärte er mir: „Die Damen des Trecks haben gestern Abend die erneuten Blutflecken auf dem Hemd bemerkt und reißen sich jetzt geradezu darum, es für Winnetou wieder in einen tadellosen Zustand zu versetzen!“ Schmunzelnd ging ich zurück ins Zimmer und holte es ihm, worauf hin er mit einem breiten Grinsen ergänzte: „Die meisten der unverheirateten Ladies haben unseren Winnetou absolut in ihr Herz geschlossen - und wenn ich mich nicht völlig täusche, könnte ich mir vorstellen, dass auch einige der verheirateten Damen liebend gern ihren eigenen Gatten gegen ihn austauschen würden!“ Jetzt konnte auch ich mich einen leisen Lachens nicht erwehren, und Emery spann seinen Gedankengang noch weiter: „Vielleicht werden ihre Hoffnungen auch dadurch genährt, da sie ja nun in Winnetous unmittelbare Nähe ziehen und sich daher die ein oder andere Gelegenheit ergeben könnte....“ Sein Grinsen konnte man jetzt nicht mehr anders als anzüglich bezeichnen.
 

Nachdem er mir noch mitgeteilt hatte, dass auch Entschah-koh, der mittlerweile von seinem Ritt zu dem ersten Posten zurückgekehrt war, mit mir etwas besprechen wollte und mich deshalb ebenfalls gleich aufsuchen würde, ging Emery wieder nach unten und ich setzte mich erneut an Winnetous Seite. Mir war gerade ein Gedanke gekommen, der schon des öfteren, wenn auch nur flüchtig und kaum greifbar, durch mein Unterbewusstsein gegeistert war, dem ich aber, seit mein Bruder und ich zueinander gefunden hatten, nie Raum gegeben hatte.

Wenn Winnetou nur wollte, würde er innerhalb kürzester Zeit eine Lebensgefährtin finden, dessen war ich mir sicher. Hatte er eigentlich jemals erwähnt, ob er überhaupt Kinder haben wollte? Und wenn ja, stand ich ihm mit meiner Liebe zu ihm da nicht unweigerlich im Weg? Stand ich nicht sogar seinem Lebensglück im Weg, auch wenn er selbst das im Moment vielleicht nicht so sah?

Ich wurde jetzt wirklich unsicher, da ich mir diese Fragen in keinster Weise mit einem klaren Nein beantworten konnte. Da half nur eins, ich musste mit ihm darüber sprechen, sobald die Zeit und Muße für solch ein intensives Gespräch vorhanden war. In einem aber war ich mir absolut sicher: Um meinen geliebten Blutsbruder glücklich zu machen, würde ich auch auf mein eigenes Glück verzichten, selbst wenn das hieß, dass ich auf ihn verzichten musste, so schwer mir das auch fallen würde!
 

Ich hatte aber weiter keine Zeit mehr, mich mit solch schwerwiegenden Gedanken herumzuplagen, denn jetzt klopfte es erneut; Entschah-koh stand vor der Türe und bat um ein Gespräch, und sein äußerst ernster Gesichtsausdruck zeigte mir, dass es sich um kein erfreuliches Thema handelte.

Wieder ging ich mit ihm hinaus in den Flur. Ich wagte es noch nicht einmal, in den nächsten Raum zu wechseln, da ich Winnetou ständig im Auge behalten wollte, weshalb ich auch ab und zu ins Zimmer schaute, um ja keine Änderung seines Zustandes zu verpassen. Ich kam mir, ehrlich gesagt, wie eine Glucke vor, die ihr Küken nicht aus den Augen lässt, aber ich konnte nichts dagegen tun - meine Sorge um ihn war einfach übermächtig.
 

Der Unterhäuptling gab mir zunächst ein Gefäß in die Hand, in der sich eine Art Salbe befand, die er selber hergestellt hatte. Auf seinem Ritt zurück zur Farm hatte er nach einer seltenen Heilpflanze gesucht und sie auch glücklich gefunden. Die daraus hergestellte Salbe sollte ich auf Winnetous großflächige Wunden an der Hüfte und der Taille auftragen, sie würde nicht nur für eine schnellere Heilung, sondern vor allem für fast völlige Schmerzfreiheit sorgen, worüber ich natürlich äußerst erfreut war. Ich wollte ihm daraufhin meinen ausführlichen Dank aussprechen, den er aber schnell abwehrte; für ihn zählte nur, dass es seinem Häuptling so schnell wie möglich wieder besser ging.
 

Sein zweiter Gesprächsgrund war dann für mich auch wirklich nicht sehr erfreulich. Es ging sich um den von mir erschlagenen Banditen. Ich hatte mich am Ort des Geschehens nicht mehr sonderlich darum gekümmert, wohin er verbracht werden sollte; die Apatschen hatten mir nur zugesichert, dass sie sich seiner annehmen wollten. Es war für mich natürlich klar gewesen, dass man ihn dort nicht liegen lassen konnte. Die Geier hatten schon in der Nähe ihres Verstecks in der großen Höhle die zwei gefesselten Posten zwangsläufig vermisst und mit Sicherheit auch gefunden. Wenn sie jetzt noch einen dritten Kumpan, diesmal erschlagen, fanden, und das dann noch auf dem Weg nach Helmers Home, dann musste ihr Verdacht auf uns fallen, denn sie hatten ja schon bewiesen, dass sie alles andere als dumm waren. Außerdem würden sie spätestens heute ihren Unteranführer vermissen, und somit war es mehr als fraglich, ob sie ihre Pläne nicht vielleicht sogar ändern würden.
 

Aus diesem Grund hatte Entschah-koh mit seinen Apatschen etwas getan, was ich wahrscheinlich nicht gutgeheißen hätte, wenn er mich vorher um Erlaubnis gefragt hätte. Um den Banditen vorzugaukeln, dass ihr Unteranführer und sein Begleiter nicht uns, sondern einem Indianerüberfall zum Opfer gefallen waren, hatten sie den toten Verbrecher skalpiert sowie ihn und die Umgebung so präpariert, dass es aussehen musste, als ob er von Indianern erschlagen und der Kopfhaut beraubt worden wäre, während der Unteranführer von ihnen gefangen und verschleppt worden wäre. Aufgrund des rohen und gemeinen Charakters der Geier würden die Bande wohl niemals auf die Idee kommen, den vorgetäuschten Spuren der Indianer zu folgen, um ihren Komplizen zu retten. Die Apatschen hatten zudem ganz bestimmte Hinweise hinterlassen, die nicht auf die Mescaleros schließen ließen, sondern auf einen umherstreifenden Kiowa-Stamm.

Den Unteranführer hatten wir übrigens mit zur Farm genommen, es war uns auch gar nichts anderes übrig geblieben, da er immer noch völlig desorientiert war und eigentlich nicht mehr als seinen Namen wusste. Man hatte ihn hier in einen Verschlag eingesperrt.
 

Ich sah Entschah-koh einen Augenblick lang unschlüssig an. Sollte ich ihm zürnen, ihn gar tadeln? Nein, schoss es mir durch den Kopf, er hatte das getan, was am sinnvollsten und notwendigsten war, und das war wahrscheinlich sogar die beste Lösung. Der Verbrecher war durch meine Schuld getötet worden, nicht durch die des Unterhäuptlings, da konnte auch dessen Tat nichts mehr daran ändern. Ich erklärte mich also mit allem einverstanden, bedankte mich für seine Hilfe und begab mich wieder an Winnetous Seite, und begann, äußerst vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, die Salbe auf seine Wunden aufzutragen.

Kurze Zeit später betrat der Doktor wieder den Raum, und obwohl er nicht allzu lange geschlafen hatte, fühlte auch er sich wieder frisch und munter. Er begann sofort, Winnetou nochmals gründlich zu untersuchen und betrachtete sich dann das Ergebnis meiner Arbeit. Er hatte ja ein großes Interesse an den Naturheilkünsten der Indianer, weshalb er sich schon oft mit Entschah-koh über die verschiedenen Heilkräuter und deren Wirkungen unterhalten hatte. Es war ihm anzusehen, dass er den Unterhäuptling so bald wie möglich über die Herstellung dieser Salbe befragen würde.
 

Der Apatsche schlief den ganzen Tag über tief und fest. Dieser Zustand änderte sich jedoch gegen Abend, als es schon zu dämmern begann. Sollte ich es Glück oder Unglück nennen? Zu diesem Zeitpunkt nannte ich es natürlich Glück, als ich sah, dass er auf einmal mehrmals hintereinander tief durchatmete und dann auch sehr schnell die Augen öffnete. Heute aber weiß ich, dass er besser in diesem Zustand verblieben wäre, um so an dem Kampf nicht teilnehmen zu können.



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