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Der Wunschbaum

von

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Lucy hatte es nicht lassen können und hatte den Brief, den sie in einem alten, hohlen Baumstumpf zur Grenze des verbotenen Waldes gefunden hatte, geöffnet. Eigentlich war es kein Brief gewesen, sondern nur ein Zettel. Die Schrift war verschnörkelt und schön geschwungen, ganz anders als Lucys eigene Handschrift. Auf dem Zettel stand „Ich möchte mit Edward Tonks zusammen sein!“

Es verwirrte Lucy etwas, dass sie keinen Edward Tonks kannte. Ein Edward Tonks ging nicht nach Hogwarts und Edward Lupin war schon aus der Schule und vermutlich von den Meisten vergessen. Sie selbst war drei Jahre nachdem er die Schule beendet hatte nach Hogwarts gekommen.

Doch sie vergaß den Zettel bald wieder und kümmerte sich um andere Dinge. Immerhin musste sie in all ihren Fächern ein O schaffen, damit sie bei Meister Blishwick in die Lehre gehen durfte. Schon als kleines Mädchen wollte sie Meister der Zaubertränke werden. Wobei sie selbst gar nicht mehr wusste, ob das schon immer ihr Traum gewesen war. Ihr Berufswünsche hatten sich ständig geändert Eine Zeitlange wollte die Fluchbrecherin werden, so wie Onkel Bill, dann Auror. Eine Weile dachte sie auch darüber nach Fotografin zu werden. Bis heute war sie nie ohne ihre Kamera anzutreffen und ihre Schnappschüsse waren wunderbar und ihre Shootings zeichneten sich durch zauberhafte, teilweise durch Magie abstrakte Werke aus. Sie liebte die Fotografie, aber ebenso liebte sie Zaubertrankkunde.

Erst als sie einige Wochen später wieder an dem Baumstumpf saß um Scorpius einen Brief zu schreiben, erinnerte Lucy sich an den Zettel, den sie gefunden hatte. Er lag zwischen in einem ihrer Schulbücher als Lesezeichen. Sie wollte nicht nachschauen, denn irgendwie hatte sie sich schlecht gefühlt, nachdem sie den Zettel einfach gelesen und mitgenommen hatte und wollte auch Scorpius noch nicht davon erzählen. Also schrieb sie ihm über die Alltäglichkeiten in Hogwarts und beteuerte ihm, dass sie ihn sehr vermissten, aber sich schon sehr auf den nächsten Ausflug nach Hogsmeade freute um ihn endlich wiederzusehen. Manchmal erachtete sie die Schulregeln als zu streng. Nur wegen ihnen konnte sie Scorpius nur alle drei oder vier Monate treffen. Sie könnte sich natürlich heimlich mit ihm treffen, aber sie wollte nicht ihren Platz in dem Quidditch-Team der Ravenclaws verlieren. Also war sie weiterhin die brave Lucille, die alle kannten.

Als die den Brief fertig geschrieben hatte, war es noch nicht so spät wie vermutet und sie hatte keine Lust auf den lärmenden, gemütlichen Gemeinschaftsraum, so blieb sie noch eine Weile sitzen an den Stumpf gelehnt und grübelte über den Zettel nach. Irgendwie wollte sie wissen, wer Edward Tonks war und wer in ihn verliebt war. Vielleicht sollte sie doch noch einmal nachschauen, ob ein neuer Brief in dem Stumpf lag.

Lucy zögerte eine ganze Weile. Immerhin störte sie die Privatsphäre von Jemanden, wenn sie die Briefe las, die nicht für sie bestimmt waren. Aber sie auch so furchtbar neugierig und wollte mehr wissen.

Schließlich rappelte sie sich auf und blickte in die leuchtende Sonne, die die letzten Septembertage erhellte und fasste einen Entschluss. Wenn jetzt kein Brief in dem Baumstamm war, würde sie nie wieder nachschauen, aber wenn einer drin lag, dann würde sie recherchieren und rausfinden, wer Edward Tonks war.

Als sie in den Stumpf sah, sah sie einen ganzen Haufen Briefumschläge. Manche waren dick, als würden mehrere Seiten Pergament in ihnen stecken und manche waren so dünn, dass sie leer zu sein schienen. Kein einziger war adressiert. Ohne dass sie recht wusste, was sie tat, griff Lucy nach ihrer Kamera und versuchte ein Foto von dem Stumpf voller Briefe zu machen. Erst nach mehreren Versuchen steckte sie die Kamera zurück in die Tasche und nahm den ganzen Packen Briefe aus dem Stumpf. Sie setzte sich wieder und nahm den obersten Brief und öffnete ihn vorsichtig. Es war wieder nur eine Notiz, allerdings in derselben schönen Schrift. „Er sieht mich nicht an!“

Nachdenklich sah Lucy die Notiz an. Es gab nichts falsch zu verstehen. Wer auch immer Edward Tonks war, beachtete die Fremde nicht. Sie legte die Notiz in ein Buch, damit sie nicht verknitterte. Gerade als sie den nächsten Brief öffnen wollte, sah sie, wie der Himmel sich zu zog. Ein ziemlicher plötzlicher Wetterumschwung, wie sie fand. Gerade als sie die Briefe in ihre Tasche steckte, fielen die ersten großen Regentropfen zu Boden. Sie versah ihre beiden Taschen mit einem Regenabweisenden Zauber und rannte los, an dem See vorbei in Richtung des Schlosstores. War der Weg schon immer so lang gewesen?

Endlich erreichte sie ganz durchnässt den Schlosseingang. Mittlerweile waren es keine einzelnen Tropfen mehr, die da vom Himmel fielen, sondern ein dichter Schleier. So stark hatte es seit Monaten nicht mehr geregnet. Mittlerweile war Lucy auch ziemlich kalt geworden und um zu verhindern, dass sie krank wurde trocknete sie mit einem geschickten Schlenker und leise gemurmelten Worten sich selbst.

Warm und trocknen, wie sie nun war, beschloss sie in der Bibliothek nachzufragen ob das Schulregister öffentlich zugänglich sei.

In der Eingangshalle war es ruhig. Normalerweise war hier immer jemand, und wenn sie nur durchquert wurde. Ob es Zeit fürs Essen war? Sie hatte keine Uhr dabei. Lucy zuckte mit den Schultern und ging zur Bibliothek. Sie war nicht sonderlich gerne in der Bibliothek. Natürlich waren die Bücher spannend und informativ, aber der junge Bibliothekar missfiel ihr. Er sah jedes Mädchen immer so seltsam an. Vor der Tür atmete sie tief ein und öffnete sie. An dem Pult fragte sie ihn leise und schon hatte sie das dicke, schwere Schulregister in der Hand, welches sie nur hier lesen durfte. Sie suchte sich einen Tische, der weit vom Pult entfernt war und machte es sich dort gemütlich. Nachdenklich sah sei das alte, staubige Register an. Sie hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte, noch nicht mal, nach welchem Haus sie suchen musste. Wahllos schlug sie eine Seite auf. In großen, gelben, altertümlichen Buchstaben stand da „Hufflepuff – Jungen“. Auf der nächsten Seite stand eine Jahreszahl, etwa 100 Jahre nach der Gründung von Hogwarts. Darunter standen altertümliche Namen, die sie nicht kannte. Sie überschlug ein paar Seiten und las die nächsten Namen. Aber es brachte ihr nichts. Sie hatte gedacht, das Register würde ihr helfen etwas zu finden. Aber es waren zu viele Namen! Sie blätterte ganz zum Ende des Hufflepuffteils, zum Jahr 2019 und las aufmerksam die Namen. Viele kannte sie vom Hören, gegen andere hatte sie im Quidditch gespielt. Aber nirgends wurde ein Edward Tonks erwähnt. Sie hatte es doch gewusst. Kurz viel ihr Nymphadora Tonks ein, aber sie verwarf den Gedanken wieder. Alles, was sie wusste, war, das Nymphadora im großen Krieg gestorben war

Frustriert brachte sie das Buch zurück und ging in den Gemeinschaftsraum, der voller Schüler war, die miteinander redeten. Lucy blieb gar nicht erst dort, sondern ging ich ihr Bett um dort die weiteren Briefe zu lesen. Das meiste waren weitere Notizen, in der Art der ersten Notiz. Nichts, was sie weiterbringen.

Gerade als sie den dicksten Umschlag öffnen wollte, fragte jemand: „Was liest du da?“

Sie blickte auf und erkannte Linda Bulstrode.

„Hey, Lin, ich dachte, du wärst noch beim Zauberschach?“

„Ich hatte heute nicht so viel Lust“, sagte Linda gähnend. Sie streckte sich ausgiebig und ließ sich dann zu Lucy aufs Bett fallen.

„Also, was liest du?“

„Ist nicht so wichtig, nur einen Brief“, murmelte Lucy und faltete den Brief sorgfältig zusammen. Sie hatte schon das Gefühl, dass es falsch war, dass sie die Briefe las, dann wollte sie sie niemand anderem zeigen, auch wenn dieser jemand ihre beste Freundin war.

Linda zuckte mit den Schultern und fragte nicht weiter nach. Sie kuschelte sich in ihre Decke und schlief kurz darauf, mit dem Kopf auf Lucys Beinen, ein.

Lucy war dankbar, dass sie eine so tolle Freundin hatte, die wortlos akzeptierte, dass sie nicht über alles reden wollte. Beide waren der Ansicht, dass es wichtig war, dass sie gut Freiraum hatten, gerade wenn man im Internat Tag für Tag zusammen war.

Als Linda schlief, faltete Lucy den Brief wieder auf.

Es war dieselbe schöne Schrift wie auf den Notizen.

„Lieber Wunschbaum,

eigentlich ist es schon albern an dich zu glauben, aber ich weiß nicht, was ich sonst tun sollte. Ich bitte dich darum, dass Ted noch einmal mit mir ausgeht Ich liebe ihn wirklich sehr, aber ich habe Angst, dass er mich nicht mehr sehen will, nachdem, was meine Schwester Bellatrix ihm angetan hat. Ich finde es so schlimm, dass sie mir mein Glück nicht gönnt, sondern sofort loszieht und Ted verflucht, weil er es gewagt hat mir auszugehen. Was soll ich bloß tun? Ich möchte ihn nicht verlieren, sondern ihn heiraten und glücklich werden. Und das werde ich tun, egal was Bellatrix und meine Familie dazu zu sagen haben. Ich verstehe es einfach nicht, was daran so schlimm sein soll, dass Ted ein Muggelstämmiger ist. Er ist nicht anders als ich oder andere reinblütige Zauberer. Im Gegenteil, er ist witzig, charmant und wortgewandt, zudem sieht er gut aus. Damit ist er viel netter, als all die Reinblüter, die um mich warben. Sie waren oft furchtbar arrogant und eingeschränkt in ihrer Weltsicht. Nicht, dass ich schon immer anders war. Mir wurde auch von Kindesbeinen an beigebracht, dass Muggelstämmige Abschaum sind. Lange Zeit habe ich das geglaubt. Bis ich nach Hogwarts kam und Muggelstämmige kennenlernte. Sie waren nicht anders. Vielleich ein bisschen unbeholfen, weil ihnen einiges unbekannt war. Einige waren freundlich, andere nicht. Genau wie es auch bei reinblütigen Zauberern und Hexen war. Weshalb waren sie also schlecht?

Zu Hause verschwieg ich diese Erkenntnis, weil ich Angs vor der Reaktion meiner Eltern hatte, Ich hoffte, dass meine Schwestern dieselben Erfahrungen machen würden wie ich, wenn sie erstmal nach Hogwarts gingen. Aber ich habe mich getäuscht. Bellatrix sympathisiert offen mit dem dunklen Lord, der an Macht dazu gewinnt. Täglich lese ich von getöteten Familien der Muggelstämmigen im Propheten. Ich verstehe nicht, wie sie diese Agenda unterstützen kann. Aber auch meine Eltern unterstützen ihn, aber wollen sich – vermutlich noch nicht – auf seine Seite stellen, aber unterstützen Bellatrix in ihren Plänen. Narcissa hingegen tut das, was sie schon immer gut konnte. Sie lächelt ihr engelsgleiches Lächeln und nimmt keine klare Stellung zu diesem Thema. Allerdings bewundert sie Bellatrix für ihre Entschlossenheit. Und sie schaut Lucius Malfoy immer nach.

Die ganze Entwicklung macht mir wirklich Sorgen. Dieses sinnlose töten, das Heruntersetzen der Muggelstämmigen… und Bellatrix‘ Fluch war so schlimm, dass Tod noch immer im Krankenflügel liegt. Wenn es ihm nicht bald besser geht, soll er in das St. Mungo-Hospital verlegt werden. Ich hoffe, das passiert nicht. Ich möchte doch einfach nur glücklich sein!
 

Deine Andromeda Black
 

Lucy schluckte, nachdem sie den Brief gelesen hatte. Sie hatte eine Andromeda gekannt, wenn auch noch flüchtig. Andromeda Tonks, Teddys zu früh verstorbene Großmutter. Aber konnte es sein, dass sie früher Black geheißen hatte? Dennoch hieß genau wie der Mann aus den Briefen mit Nachnamen. Das konnte kein Zufall sein.

Sie blickte auf ihre Nachtischuhr. Lucy hatte noch genügend Zeit ein weiteres Mal in die Bibliothek zu gehen. Aber würde ihr das etwas nützen? Es gab zwar das Schulregister, aber keine Heiratsliste. Sollte sie vielleicht einfach an Andromeda schreiben?

Sie las den Brief ein weiteres Mal und blieb bei dem Namen Bellatrix hängen. Sie wusste, dass Bellatrix eine furchtbare Frau gewesen war, die viele Menschen getötet und gefoltert hatte. Und scheinbar war sie schon als junge Frau so schrecklich gewesen. Es erschütterte Lucys Glaube an das Gute im Menschen furchtbar, aber andererseits wusste sie, dass das Ted und Andromeda später heiraten würden. Allerdings beschloss sie, der jungen Andromeda trotzdem eine Nachricht zukommen zu lassen.

Sie reckte sich in Richtung ihres Nachtisches um nach Pergament und Feder zu greifen, doch sie durfte sich nicht zu sehr bewegen, sonst würde Linda aufwachen und furchtbar meckern. Außerdem kribbelten ihre Beine unangenehm durch Lindas Gewicht. Sie ruckelte ein bisschen mit ihren Beinen, so dass Linda sich anders hinlegte. Lucy gähnte herzhaft und kuschelte sich an Linda. Den Brief würde sie auch noch morgen schreiben können.
 

Als Lucy erwachte schien die fahle Morgensonne durchs Fenster. Der Schlafsaal schien leer zu sein, bis auf sie und Linda. Linda lag mit dem Kopf auf ihrem Bauch und schien noch immer tief und fest zu schlafen.

Lucy blickte auf die Uhr und bekam einen Schreck. Es war weit nach 11 Uhr. Sie hatten beinahe den gesamten Unterricht verschlafen. Ohne auf Linda zu achten schwang sie sich aus dem Bett. Linda öffnete verschlafen ihre Augen und reckte sich.

„Was ‘n los?“, murmelte sie schlaftrunken. Lucy hingegen war schon halbangezogen und versuchte gerade ihre Bluse zu zuknöpfen.

Entnervt sah sie Linda an und sagte: „Wir sind viel zu spät zum Unterricht!“

„Lu, meine Liebe, heute ist Sonntag“, antwortete Linda, drehte sich um und schlief wieder ein.

Sonntag? Lucy zog ihre Kniestrümpfe an und ging in den Gemeinschaftsraum. Tatsächlich war er voller Schüler, die ausgelassen quatschten. Einige hatten sogar auf ihre Schuluniform verzichtet. Sie ärgerte sich über sich selbst und ging wieder hoch in ihren Schlafsaal. Mit Tinte, Feder und Pergament machte sie sich es Lindas Bett gemütlich, denn Linda hatte sich über ihr ganzes Bett verteilt.

Sie rollte das Pergament aus, öffnete das Fass und tunkte die Feder hinein. Viele schrieben mittlerweile mit Füllern oder Kugelschreibern, doch Lucy liebte dieses Kratzen der Feder auf Pergament.

„Liebe Andromeda,

mein Name ist Lucille Weasley und ich lebe in der Zukunft, im Jahr 2026. Ich habe deine Briefe gelesen. Es tut mir Leid, aber sie waren plötzlich in einem Baumstumpf. Was ist der Wunschbaum? Ich habe davon noch nie etwas gehört. Dabei halten sich gerade Legenden Ewigkeiten in Hogwarts. Natürlich verändern sich manche Dinge, aber der Kern bleibt erhalten.

Wie geht es Ted? Hat er sich von dem Fluch erholt?

Das, was du schilderst klingt schrecklich. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich die Beschreibung deiner Familie lese. Mir wird klar, was es heißen muss, in den Zeiten zu leben, in denen Lord Voldemort stark wird. Ich kenne nur die Geschichten meiner Eltern und der restlichen Familie über den großen Krieg und seinen Fall. Aber selbst wachse ich in friedlichen Zeiten auf. Ich sollte wohl öfter dankbar sein, für mein Glück.

Die Beschreibung deiner Familie klingt wirklich … nicht schön. Sehr angespannt. Aber es ist schön, dass du dich von den Ansichten versuchst loszusagen. Gerade deswegen ist es wichtig, dass du Ted nicht aufgibst. Ihr könntet ein Statement setzen und das Bild verändern. Und einfach nur glücklich sein.

Ich glaube nämlich ganz fest daran, dass er dich liebt. Das wünsche ich dir. Außerdem wirst du später einen Enkelsohn haben, der denselben Namen trägt.

Deine Lucy“

Auch wenn der Brief recht kurz war, so hatte Lucy lange gebraucht. Sie hatte sich ständig umgesetzt, musste ständig absetzten um den Satz vernünftig zu formulieren. Sie blickte auf ihr Bett. Linda schlief noch immer. Sie würde schnell den Brief zum Baum bringen und dann sie wecken. Immerhin wollten sie heute Aktivitäten für die jüngeren Schüler planen, die spannender waren als Quidditch und Zauberschach. Vielleicht einen Leseclub oder Parcours laufen, dachte sie, als sie in ihre Schuhe schlüpfte. Linda schlief in letzter Zeit noch mehr als sonst. Sie hatte schon immer viel geschlafen. Aber sie hatte den Jordan-Jungen schon lange nicht mehr bei ihr gesehen? Ob sie sich getrennt hatten?

Als sie das Tor nach draußen aufschob, schluckte sie. Die Länderei war ein einziger Sumpf. Sie blickte zu ihrem sorgfältig beschrifteten Brief und dann wieder in den Regen. Sie schob den Brief unter ihren Umhang und rannte los. Der Weg zu dem Stumpf war weit. Als sie ihn erreichte, fehlte ein Schuh und sie war durchnässt. Sie fror erbärmlich und ihre Hand zitterte als sie den Brief in den Stumpf legte. Er verschwand. Sie blinzelte. Er war einfach verschwunden, wie in Luft aufgelöst. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Sie hoffte, dass sie alles richtig gemacht hatte und dass der Brief bei Andromeda landen würde. Dann spürte sie, wie sich Matsch um ihren Fuß schloss und ihr wurde klar, dass sie ihren Schuh finden musste. Lucy sah sich suchend, die Arme um sich geschlungen, um. Auf halben Weg zwischen dem Stumpf und der leerstehenden Hütte steckte ihr Schuh im Schlamm. Jetzt langsam, und den Regen trotz der Kälte genießend, schlenderte sie zu ihrem Schuh und befreite ihn.

Lucy liebte den kühlen Regen auf ihrer Haut. Es fühlte sich an wie Freiheit und die Luft roch nach Abenteuern und fremden Geschichten.

Für den Rückweg brauchte sie bedeutend länger als für den Hinweg. Am Schlosstor betrat sie einfach das Gebäude und dachte nicht an die Flecken, die sie hinterließ. Normalerweise war sie umsichtig genug, sich vorher magisch zu trocknen, aber heute war sie zu sehr abgelenkt von der Hoffnung auf eine Antwort. Erst im Ravenclawturm fiel ihr auf, dass sie den ganzen Weg schmutzig gemacht hatte. Sie schwang ihren Zauberstab und beseitigte den gröbsten Dreck und zog sich einen Moment später einen von Großmutter Mollys gemütlichen Strickpullovern an.

Linda lag nicht mehr in ihrem Bett und wenn sie im Gemeinschaftsraum gewesen wäre, hätte sie Lucy angesprochen. Sie nahm ihre Fototasche und hastete runter in die große Halle, in der oft Schach gespielt wurde.
 

Fast drei Wochen vergingen, ehe Lucy Zeit fand, zu dem Stumpf runter zu eilen. Nachdem Ende September das Wetter noch nach Sommer schmeckte, wirkte es nun, Ende November so, als würde es nie wieder aufhören zu regnen. Obwohl Lucy den Regen liebte, wurde er auch ihr irgendwann zu viel. Quidditchtraining, Pflege magischer Geschöpfe und manchmal auch Kräuterkunde im Freien. Außerdem musste sie auch für ihre UTZ-Prüfungen lernen, wenn sie nicht kurz vor den Prüfungen in Panik verfallen wollte. Die Aufsätze und Projektarbeiten türmten sich zusätzlich noch vor ihr auf. Dann war da noch die Schülerzeitung, die sie mit Linda ins Leben gerufen hatte und die mehr Arbeit mit sich brachte als gedacht. Sie machte nicht nur Fotos, sondern bearbeitete sie, musste Motive und Stories finden, Artikel editieren und formatieren.

Aber eines Montagnachmittags fasste sie sich ein Herz, vertraute Linda ihre Kamera an und rannte durch den Regen. Da lag ein trockener Brief in dem Stumpf. Lucy schob ihn ihre Umhangtasche und rannte frierend ins Schloss. Sie musste den Brief allerdings hinten anstellen, da ihr auf dem Weg Jonathan Stone begegnete im Quidditch-Umhang.

„Sag ihm, ich komme gleich nach!“, rief sie ihm über die Schulter nach und hastete weiter in den Ravenclawturm.

Klatschnass und durchweich saß sie mehrere Stunden im Gemeinschaftsraum und schrieb den Aufsatz in Wahrsagen zu Ende, den sie morgen abgeben musste. Danach fiel Lucy erschöpft ins Bett und stand so spät auf, dass sie das Frühstück ausfallen lassen musste. Und da sagte nochmal jemand, sie solle sich nicht beklagen, weil sie nur ein paar Fächer hatte. Kräuerkunde, Pflege magischer Geschöpfe, Wahrsagen, Zaubertränke und Zauberkunst, dazu noch ihre außerschulischen Aktivitäten. Da kam jede Menge zusammen, was erledigt werden wollte. Aber es war ja nicht so, als hätte Lucy keinen Spaß ihren Aufgaben, ganz im Gegenteil. Sie war nur glücklich, wenn etwas zu tun war.
 

Erst eine Woche später hatte sie den Brief wieder in Händen, als sie den Umhang wieder trug. Diesmal nahm sie sich sofort die Zeit und öffnete den Briefumschlag mit zitternden Fingern. Jetzt, da es endlich so weit war, war Lucy furchtbar aufgeregt. Mitten im überfüllten Gang blieb sie stehen. Sorgsam faltete sie den Brief auseinander. Sie erkannte die Schrift sofort wieder. Gierig begann sie zu lesen.

„Liebe Lucy,

ich darf doch Lucy sagen, oder? Ich war sehr erschrocken, als ich plötzlich einen Brief in dem Loch im Baum fand. Und dann aus der Zukunft? Ich hoffe einfach, dass dies kein Streich meiner Schwester ist, sondern, dass du tatsächlich existierst.

Der Wunschbaum ist ein großer, alter Baum, an der Grenze zum verbotenen Wald. Er ist der größte und älteste an der Grenze. Man sagt, wenn man ein Zettel in das Loch in dem Stamm legt, wird ein Wunsch erfüllt. Ich möchte gerne daran glauben, dass der der Geist, der in dem Baum versiegelt wurde, jenen hilft, die ihn nicht vergessen. Aber vielleicht ist das ja nur Aberglaube.

Wir kennen und später? Es ist schon unwahrscheinlich, dass ich mit jemanden aus der Zukunft schreiben sollte. Schließlich weiß jeder Zauberer, dass es gefährlich ist mit der Zeit zu spielen. Schreckliche Dinge könnten passieren, noch schrecklichere als eh schon. Und falls du mich auch noch kennen solltest, sind die Auswirkungen viel größer sicherlich noch um einiges größer. Ich habe Angst davor, dass noch schlimmere Dinge geschehen könnten, verstehst du das?

Ich erzähle dir trotzdem, was mit Ted geschehen ist. Er ist wieder aufgewacht, hat aber große Teile seines Gedächtnisses verloren, das nach und nach wieder hergestellt wird. Im Moment funktioniert es ganz gut mit Magie. Er erinnert sich schon wieder daran, dass er auf eine Schule für Hexerei und Zauberei geht. Und wir verbringen viel Zeit miteinander. Ich werde deinen Ratschlag befolgen und weiterhin Zeit mit ihm verbringen. ich liebe meine Familie, aber sie macht mir Angst, wegen ihrer Haltung. Ich hoffe mein Cousin Sirius behält seine offene, ausgelassene freie Art. Die Familie braucht ganz dringend Frohsinn.

Aber Lucy – auch wenn du mir sehr sympathisch bist – so bitte ich dich, mir nicht mehr zu schreiben. Es tat gut, mir alles von der Seele zu schreiben, aber ich habe zu viel Angst wegen der Auswirkungen in der Zeit. Was, wenn ich wegen dieser Briefe niemals einen Enkelsohn haben sollte? Dann kann ich zu Recht sagen, du hast mir die Zukunft verbaut.

Es sollte nicht sein.

Deine Andromeda Black“
 

Lucy war enttäuscht. Sie zitterte sogar, weil sie nicht wusste wohin mit ihren Gefühlen. Es störte sie noch nicht einmal, dass andere Schüler sie anrempelten und über sie schimpften. Sorgsam faltete sie den Brief zusammen. Es war nicht so, dass sie Andromedas Argument nicht nachvollziehen konnte, aber trotzdem wäre es spannend gewesen, weiter mit ihr zu schreiben.

 

Der Fluss der Zeit machte auch in Hogwarts nicht halt. Die Monate zogen dahin und Lucy kontrollierte weiterhin den Baumstumpf, aber nie lag ein Brief darin. Sie war jedes Mal enttäuscht, wenn sie nichts vorfand und nach dem dritten oder vierten Versuch, ließ sie es bleiben. Sie vergrub sich in Prüfungsvorbereitungen, beschäftigte sich mit der Schülerzeitung, die ein immer größeres Ausmaß annahm und gerne und viel gelesen wurde, und nutze die Hogsmeade-Wochenenden um Scorpius zu treffen, den sie viel zu selten sah.

Endlich waren die Prüfungen geschrieben und der letzte Monat in Hogwarts brach an. Lucy konnte es sich nicht vorstellen, dass Schloss zu verlassen, obwohl sie sich sehr auf ihre Wohnung mit Scorpius freute. Trotzdem war Hogwarts sieben Jahre in zu Hause gewesen und Linda nicht mehr ständig um sich zu wissen, machte ihr Angst. In dieser Zeit fotografierte sind Linda ziemlich häufig, allerdings auch den Rest des Schlosses. Sie machte Klassenfotos, Fotos mit den Lehrern, lichtete das Quidditch-Stadium ab, und einfach alles was ihr sonst noch vor die Linse kam. In diesem Zuge ging sie auch noch mal zu dem Stumpf. Sie schluckte als sie vor ihm stand. Ein letztes Mal blickte sie in ihn herein. Ihr Herz machte einen Hüpfer als dort ein vergilbtes Stück Pergament lag. In der ihr bekannten, schönen Schrift stand da „Ich werde ihn nach der Schule heiraten. Andromeda“ Lucy lächelte als sie das Pergament las. Es war so schön, dass Andromeda tatsächlich Edward heiraten würde, dass die beiden glücklich waren. Sie schob den Zettel, der ihr später als Glücksbringer dienen würde, in ihre Kameratasche und sah zufrieden in den Sonnenuntergang. Jetzt konnte sie Hogwarts mit einem guten Gewissen verlassen.
 

Einige Tage später feierte sie mit ihrer großen Familien ihren gelungen Abschluss. Sie saßen alle gemeinsam rund um einen großen Tisch im Garten des Fuchsbaus. Der Tisch bog sich unter der Last, des Festessens, welches Molly gezaubert hatte. Musik war in der Luft und wurde übertönt von Gesprächen und Gelächter. Lucy fand es schön, dass wirklich alle Familienmitglieder um den Tisch saßen. Sogar Onkel Harry war da.

Neben ihr saßen Hermine und Teddy. Als es einen Moment stiller wurde an ihrer Ecke, fragte Teddy: „Wieso habt ihr mir nie erzählt, dass meine Mum mit zweiten Vornamen Lucille hieß?“

Hermine sah ihn verwirrt an. Lucy hingegen schaltete schnell und lächelte. Andromeda hatte ihr Kind nach ihr benannt. Ein schönes Gefühl. Bevor jemand auf Teddys Frage antworten konnte – denn anscheinend hatte niemand dies gewusst, fragte Lucy: „Können durch fehlgeleitete Zauber magische Portale entstehen?“

„Nur durch sehr mächtige. Wieso fragst du?“, sagte ihre Tante.

„Nur so“, antwortete Lucy lächelnd und zog die Schokotorte an sich ran.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2016-04-28T15:32:53+00:00 28.04.2016 17:32
Das ist wirklich ein cooler Dreh mit dem Baum! Anfangs dachte ich ja, der Wunschbaum sei wie ein Flaschengeist, der eben Wünsche erfüllt. Aber das mit den Briefen hast Du richtig toll dargestellt, finde ich. Das erinnert mich an den zweiten Harry Potter-Film, wo er mit einem Schüler per Buch kommuniziert. Solche mysteriösen Vorgänge mag ich sehr gern, gerade, wenn sie wie hier so gut veranschaulicht werden.
Von:  Sanguisdeci
2015-11-20T21:42:15+00:00 20.11.2015 22:42
Eine wundervolle Kurzgeschichte, die sich sehr schön liest. Mach weiter so =)
Antwort von:  Finvara
21.11.2015 18:56
Vielen Dank :)
Von: irish_shamrock
2015-11-20T13:20:16+00:00 20.11.2015 14:20
Meine liebe Finvara,

soeben bin ich in den Genuß deiner Geschichte gekommen und hatte beim Lesen stets dieses "wie süß!" im Kopf.
Die Idee mit dem Wunschbaum ist spannend und genial zugleich.
Bei der Wahl der Charaktere habe ich zuerst gestutzt, mich gewundert, wie du das wohl hingezaubert hast, und dann ein dickes Grinsen im Gesicht gehabt. ~♥
Du hast dir so viel Mühe mit der Ausarbeitung gegeben, sowohl inhaltlich, als auch drum herum und die kleinen Feinheiten.
Lucy ist dir toll gelungen und ich freue mich, dass du dir den Steckbrief zu "meiner" NextGeneration so sehr zur Brust genommen hast.
Eine Verbindung zwischen Andromeda und Lucy herzustellen, war bestimmt nicht einfach, aber dir ist das toll gelungen. Der Briefwechsel und das "Problem" mit der Zeit, beziehungsweise dem Zeitreisen, war fließend und nachvollziehbar.
Und der Schluss war herzwärmend!!
Es hat mir riesigen Spaß gemacht, dein Werk zu lesen. (die paar kl. Rechtschreibfehler (u/o Wortwiederholungen) machen den Bock nicht fett, wem passiert so was denn mal nicht?!)

Alles Liebe,
irish C: ~♥
Antwort von:  Finvara
21.11.2015 18:56
Es freut mich, dass dir die Geschichte gefällt.
Ich dachte, wenn du schon Steckbriefe hast, dann orientiere ich mich an ihnen. Schließlich sollte es deine Lucy sein und nicht meine. Meine unterscheidet sich sehr von deiner (Deswegen Meisterin der Zaubertränke. Ich konnte es mir nicht verkneifen...)
Tatsächlich fiel mir die Verbindungen zwischen den beiden sehr leicht. Vielleicht weil sie so gar nichts miteiander zu tun haben. Ich weiß es nicht
Der Schluss musste sein. Ich mag ihn auch sehr. Gerade weil die kleinsten Dingen einen großen Einfluss haben können.
Die Rchtschreibfehler, um die ich mich kümmern werde, sobald ich ein wenig Abstand von dem Werk hatte, sind dem Plothole geschuldet, dass ich gezaubert hab. Es hat mich bis zum letzten Tag in Atem gehalten~

Liebste Grüße
Finny


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