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Die Grotten von Necrandolas

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Moin Moin,
sooo, dieses Kapitel ist eines von denen, die sich irgendwie... verselbstständigt haben :D gerade der erste Teil war so urpsprünglich überhaupt nicht geplant.
Vielleicht wieder als kleines Warning "Verdrängung"... vllt
Viel Spaß! :) Komplett anzeigen

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Unterdrückte Gefühle

Entschlossen atmete Syndia tief durch, ehe sie an Severus' Bürotür klopfte. Wie zu erwarten war, kam keine Antwort und sie trat vorsichtig ein. Das Büro war leer und so ging sie zur nächsten Tür, die in die Privaträume des Slytherins führte. Ihr Bruder saß auf dem Sofa mit einem Stapel Pergamentrollen auf dem Schoß, die er sich gerade durchlas.

„Du weißt schon was es bedeutet, wenn man nicht Herein sagt, oder?“, begrüßte Severus Syndia mürrisch, ohne aufzublicken.

Diese schloss einfach die Tür hinter sich.

„Du verkriechst dich viel zu sehr. Würde Dumbledore dich nicht zum Essen verpflichten, würde ich dich gar nicht mehr sehen.“

„Ich bin nicht so der gesellige Typ, das weißt du“, entgegnete Severus ungerührt und legte das obere Pergament neben sich auf einen anderen Stapel.

Für einen Moment betrachtete Syndia ihn sorgenvoll. Man sah ihm seine Erschöpfung an.

„Sev, ich mache mir Sorgen um dich“, sprach die Hexe sanft und trat näher heran.

„Jaa, ich weiß“, veränderte Severus nichts an seinem Ton. „Und du weißt auch, dass du das nicht sollst. Mir geht es gut.“

„Du sollst mich nicht anlügen“, sagte Syndia weiterhin sanft. „Du bist momentan sehr schnell gereizt.“

Nun sah Severus doch auf.

„Ich bin gereizt und die Noten der Schüler sind grottenschlecht“, hielt er den Stapel Pergament hoch. „Also ist alles wie immer.“

Für einen kurzen Moment konnte Syndia in die Augen ihres Bruders blicken, bevor er sich wieder den Hausaufgaben widmete.

„Was ist mit deinen Augen?“, fragte sie nun energischer nach.

„Das nennt man Übermüdung, Syndia“, seufzte der Slytherin genervt.

„Nein, ich habe in Zaubertränke gut genug aufgepasst, Severus“, wurde die Hexe lauter. „Du nimmst schon viel zu lange Schlaftränke ein, nicht wahr?“

Entnervt legte Severus die Pergamente neben sich und rieb sich die Nasenwurzel. Dabei glitt Syndias Blick über den Wohnzimmertisch. Er war für Severus' Verhältnisse sehr unordentlich und zwischen den einzelnen Magazinen lagen etliche Phiolen, leer, aber eine mit einem dunklen Zaubertrank gefüllt. Stirnrunzelnd nahm sie die volle Phiole in die Hand, da sie nicht wusste, was für ein Trank das darstellen sollte. Hastig griff Severus danach, doch Syndia war schneller und machte mit der Flasche in der Hand einen Schritt zurück. Wütend stand Severus auf und streckte die Hand aus.

„Gib mir das sofort wieder!“

„Was ist das?“, fragte sie kalt.

Die Reaktion ihres Bruders gefiel ihr ganz und gar nicht.

Wütend spie der Slytherin aus: „Ich dachte du hast in Zaubertränke aufgepasst? Und jetzt gib das her!“

„Du brauchst dich gar nicht so aufzuregen“, rief Syndia zurück und bekam langsam Angst.

Eilig betrachtete sie die fast schwarze Flüssigkeit, doch allein die Färbung reichte nicht aus, um den Trank bestimmen zu können. Severus machte einen Schritt auf sie zu, doch sie wich weiter zurück und öffnete hastig das Fläschchen, ihren Bruder im Auge behaltend. Prüfend roch sie an der Phiole. Dann zog sie fragend eine Augenbraue hoch, und betrachtete erneut die Farbe der Flüssigkeit. Der Geruch passte eindeutig nicht zur Farbe, es sei denn... Vor Schreck riss sie die Augen auf.

„Ist das Schlaftrank?“, sah sie fassungslos zu ihrem Bruder.

„Du hast doch gerade selbst gesagt, dass ich welchen einnehme“, knurrte Severus und schnappte seiner Schwester die Phiole aus der Hand.

Während er sie wieder verschloss, drehte er sich um und wollte sie wegräumen. Syndias Gesichtsausdruck verdüsterte sich.

„Die Konzentration ist viel zu hoch. Das ist ja nichtmal mehr blau“, rief Syndia aus.

„Eine normale Dosis reicht eben nicht mehr aus“, sagte Severus spitz und räumte die Phiole in seine Vitrine.

Fassungslos sah Syndia zu ihrem Bruder.

„Sev, du müsstest am allerbesten wissen, dass so eine hohe Konzentration tödlich enden kann! Und dass du noch nicht dran gestorben bist...“, sie stockte und Severus drehte sich wieder zu ihr um.

Eine Augenbraue hebend, sagte der Slytherin: „Wie du schon sagtest, Syndia: Ich weiß am besten darüber Bescheid. Deshalb brauchst du dich da auch nicht einzumischen.“

Vollkommen verdattert betrachtete Syndia den anderen. Dass er so kalt reagierte, unterstützte ihre Vermutung nur weiter.

„Du überlebst diese Dosis nur, weil du den Trank schon so lange nimmst, dass du die Konzentration langsam erhöhen konntest. Dein Körper braucht es inzwischen, nicht wahr?“

Entnervt seufzend setzte Severus sich wieder auf das Sofa und strich sich über die Augen.

„Es ist traurig, dass du mir in Sachen Umgang mit Zaubertränken nichts zutraust.“

„Traurig?“, fragte Syndia fassungslos. „Ich finde es traurig, dass ein so großer Meister der Zaubertränke wie du es bist, ausgerechnet einem Zaubertrank verfällt, ja!“

Ruhig, als wäre Syndia einfach nur eine hysterische Frau, die maßlos übertrieb, sagte Severus: „Ich habe alles im Griff, Syndia.“

„Achja? Das sagst du mir, nachdem du gerade so reagiert hast, nur weil ich deinen Trank in der Hand hatte?!“

Wieder rieb Severus sich über die Augen, doch dieses Mal ließ er sein Gesicht in den Händen verborgen und er schien ein wenig in sich einzusinken. Syndia schluckte und trat langsam auf ihn zu. Noch immer rührte Severus sich nicht und sie schob vorsichtig die Pergamentrollen zur Seite, um sich neben ihn zu setzen.

„Sev, so kann das nicht weitergehen“, flüsterte sie sanft. „Rede endlich mit mir. Oder mit Harry, das ist mir egal. Aber Hauptsache du tust was.“

Einige Augenblicke lang kam nichts, doch dann hob Severus wieder den Kopf, den Blick dabei geradeaus gerichtet.

„Die nächste Ladung des Trankes habe ich bereits wieder schwächer gebraut“, murmelte er ruhig. „Mir ist klar, dass die Dosis nicht gesund ist und dass mein Körper da inzwischen nach verlangt. Deshalb versuche ich auch sie langsam wieder runterzusetzen. Keine Sorge, ich habe alles im Griff.“

Syndia nickte, obwohl sie skeptisch blieb. Sie würde auf jeden Fall die nächsten Tage diese Phiolen regelmäßig prüfen.

„Wie konnte das passieren?“, fragte sie fast weinerlich.

„Es wirkt einfach nicht“, seufzte Severus auf und wirkte wieder vollkommen erschöpft.

„Aber dann kann eine erhöhte Dosis doch nicht die Lösung sein“, sagte Syndia mit kratziger Stimme. „Du weißt, warum du nicht schlafen kannst, oder?“

„Jaa“, sagte Severus genervt und stand auf, um wieder Abstand zu Syndia zu gewinnen. „Aber das macht das ganze nicht einfacher.“

„Harry bekommt auch keinen Schlaf ab“, stand Syndia ebenfalls auf.

„Das weiß ich“, murrte der Slytherin. „Und was soll mir das jetzt nützen?“

„Hast du mit ihm mal darüber gesprochen?“

Entnervt knurrte Severus auf.

„Syndia, was zum Teufel soll das bringen?! Sollen wir etwa den Rest unseres Lebens zusammen in einem Raum schlafen? Wie stellst du dir das vor? Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns das ganz schnell wieder abzugewöhnen, ganz einfach.“

Seufzend betrachtete Syndia ihren Bruder sorgenvoll. Sie wollte ihm so gerne helfen, doch hatte er auch Recht, es würde nichts bringen ihn und Harry in einen Raum zu sperren, damit sie ihren Schlaf bekamen. Abgesehen davon durfte der Schulleiter das auch gar nicht zulassen. Aber wenn das ganze ihren Bruder bereits zu solchen Maßnahmen trieb, war die Lage sehr ernst. Sie vermutete, dass er das nicht nur wegen dem mangelnden Schlaf tat. Wenn man unter Schlaftrank schlief, verarbeitete man keine Geschehnisse.

„Du kannst das nur erreichen, wenn du dich endlich öffnest, Sev. Hör auf alles zu verdrängen. Wenn du es mir nicht erzählen willst, dann rede eben mit Harry.“

Langsam verlor Severus die Geduld.

„Über was soll ich denn bitteschön reden?“

„Über das was dir im Kopf umherkreist“, konnte Syndia die Sturheit ihres Bruders nicht fassen. „Hör auf deine Gedanken zu betäuben, sondern stell dich ihnen. Auch wenn Harry öfter die Beherrschung verloren hat, hat er sich seinen Gefühlen wenigstens gestellt und kommt deshalb fast ohne Schlaftrank aus.“

„Was willst du von mir?“, wurde Severus immer lauter. „Dass ich einen Gefühlsausbruch bekomme?“

„Das wäre zumindest besser als das, was du zur Zeit treibst“, rief Syndia mit sprühenden Augen zurück.

„Ich habe dir bereits gesagt, dass ich die Dosis verringere! Wenn du mir nicht glaubst, kannst du es dir auch gerne ansehen. Ich habe die Phiolen in meinem Vorratsschrank!“, deutete Severus wütend zum Büro. „Diese Tränke sind deutlich schwächer und die Phiole, die du eben hattest, war die letzte von dieser Stärke!“

„Das glaube ich dir sogar. Du wärst wahrscheinlich der einzige Mensch, der von so einer Dosis gefahrlos und vor allem alleine wieder herunterkommen würde, aber das löst immer noch nicht das Hauptproblem!“

„Du willst also, dass ich mich öffne, ja?!“, spie Severus aus und trat ein Stück näher an Syndia heran.

Seine Augen sprühten vor Wut.

„Bist du so geierig darauf, dir grausame Geschichten reinzuziehen?! Dann ließ Horrorromane!“

„Du weißt genau, dass es nicht darum...!“

„ACH NEIN?!“, unterbrach Severus seine Schwester. „Bist du vielleicht auch mal auf den Gedanken gekommen, dass ich dir das einfach nicht zumuten will?! Nach alldem, was du bereits mit deiner Familie durchgemacht hast?!“

Nun kam Syndia doch ins Stocken und vergaß glatt, eine ebenso laute Antwort zu geben. Das sollte der Grund sein? Er wollte nicht, dass sie auch darunter litt?

Syndias Zögern ging dem Tränkemeister zu lang, sodass er sich von ihr wegdrehte, um ins Schlafzimmer zu flüchten und rief: „Dachte ich mir schon!“

Als der Hexe bewusst wurde, dass ihr Bruder sich gerade wieder verkriechen wollte, fing sie sich sofort wieder.

„Ich will dir helfen!“, rief sie und lief Severus hinterher, um ihn aufzuhalten, bevor er die Tür erreichen konnte. „Du bist mein Bruder. Egal was du erlebt hast, ich halte das aus.“

Sobald Syndias Hand Severus' Arm berührte, drehte er sich wütend um und schlug sie weg.

„Du glaubst immer so viel auszuhalten, aber in Wirklichkeit bist du viel zu zart für deinen Job!“, schrie er weiter. „Du denkst, du kannst den Dunklen Lord besiegen, aber du würdest ihm niemals...“

„Ich würde allem standhalten, wenn ich dadurch meine Familie schützen kann und dazu gehörst auch du! Denkst du denn ich kann mir nicht vorstellen, was du unter Voldemort zu erleiden hattest?“, unterbrach Syndia ihren Bruder. „Ich bin deine Schwester und du kannst mir alles anvertrauen! Völlig egal was es ist!“

„Wie geschockt wärst du denn, wenn ich dir sage, dass wir einen Quintaped gegessen haben?!“, schrie Severus aus Leibeskräften, in der Hoffnung seine Schwester abzuschrecken, doch Syndia erkannte etwas völlig anderes: Er verlor die Kontrolle über sich.

„Oder dass ich mir die Rippen bei der Flucht vor einem Nundu gebrochen habe!!“, schrie er sich weiter in Ekstase. „Oder dass Potter mich mehrmals fast umgebracht hat, weil er von Orks verflucht worden ist!! Oder dass ich tatsächlich TOT war, weil ein Mantikor mich durchbohrt hatte!!!“

Nun musste Syndia doch schlucken. Doch sie war ohnehin schon einen Schritt zurückgewichen, da Severus außer Rand und Band war.

„Oder dass Potters Wirbelsäule gebrochen war und er beinahe nie mehr hätte laufen können!! Oder dass ein Pogrebin mich so weit in die Verzweiflung getrieben hatte, dass ich ohne Potter nicht mehr leben würde!! Oder dass ein Erumpent mir das Bein gebrochen hatte und Potter mich deshalb stützen musste, obwohl ich genau wusste, DASS ICH IHN DAMIT UMBRINGE!! Und darauf folgend einfach die BESCHISSENE Tatsache, dass ich tagelang dachte, Harry könne mir jeden Moment unter den Händen WEGSTERBEN!!!!“

So langsam wurde es Syndia doch zu brenzlig. Beruhigend hob sie die Hände und ging langsam auf ihren Bruder zu, damit er wieder herunterkam.

Leise sagte sie dabei: „Es ist gut Severus, ihr seid jetzt beide wieder in Sicherheit.“

„GAR NICHTS IST GUT!!“, schrie Severus und stieß vor Wut die Vitrine um, die neben ihm stand.

Syndia machte einen Satz zurück, um nicht getroffen zu werden und sah wieder zu Severus auf, den anscheinend der Zerstörungswahn gepackt hatte.

„Es war noch nie alles gut und es wird auch NIE alles gut sein!!!!“

Er trat nach der umgestürzten Vitrine, dessen Türen zersplittert waren. Dann griff er zur anderen Seite nach dem Bücherregal. Syndia versuchte ihm zuvor zu kommen, sprang so gut es ging über die Vitrine und griff nach Severus' Handgelenken.

„FASS MICH NICHT AN!!“, schrie er sie an und schlug um sich.

Vor Schreck ließ Syndia ihn sofort los und wurde von ihm nach hinten gestoßen, sodass sie zu Boden fiel. Noch während sie sich aufrappelte, zerstörte Severus bereits den Wohnzimmertisch, dessen Splitter sich wild klirrend im Raum verteilten. Ratlos und außer Atem saß Syndia da und wusste nicht, wie sie ihren Bruder bändigen sollte. Als erstes fiel ihr Harry ein, doch den konnte sie unmöglich jetzt so schnell hierher holen. Oder sollte sie Severus einfach machen lassen? Sollte sie warten, bis er sich von selbst beruhigte? Aber dabei könnte er sich selbst verletzen. Sie entschied sich gerade einen Zauber zu benutzen, richtete sich auf und zielte bereits mit ihrem Zauberstab, als Severus ein letztes Mal den Sessel zur Seite stieß, dabei laut herumschrie und dann auf die Knie fiel. Erneut schrie er auf, raufte sich die Haare, sank dann zu einem Häufchen Elend zusammen und verstummte zitternd.

Schwer schluckend trat Syndia leise auf Severus zu, der stark schlotternd nach Atem rang. Ganz langsam ging sie neben ihm in die Hocke und versuchte ihm ins Gesicht zu sehen, doch das hatte er gut genug verborgen. Vorsichtig tastete sie sich an seine Gedanken heran, da er gerade nicht in der Lage war, diese abzuschirmen. Viele der Bilderfluten konnte Syndia nicht deuten, doch ein Bild war oft präsent, offenbar ein Albtraum, der ihren Bruder quälte: Er selbst mit einem reglosen Harry im Arm, der gerade seine letzten Atemzüge machte. Und Severus' Entschluss dazu, dass er Harry so lange halten würde, bis er selbst sterben würde. Den Schock herunter schluckend, strich Syndia ihrem Bruder sanft über den Rücken und als keine abwehrende Reaktion kam, zog sie ihn an sich. Er lehnte sich ohne Gegenwehr gegen sie, ließ das Gesicht aber weiterhin verborgen. Syndia versuchte ihm Halt zu geben und setzte ihm einen Kuss aufs Haar.

„Es ist vorbei. Ihr seid in Sicherheit“, flüsterte sie ruhig.

So langsam erholte sie sich von dem Schrecken. Es war gut, dass Severus endlich den Damm hatte brechen lassen, aber dass er so ausrasten würde, hatte Syndia nicht erwartet. Andererseits, wer weiß wie weit Harry bei seinen Wutausbrüchen gegangen wäre, wenn Severus ihn nicht gestoppt hätte. Syndia hatte ihren Bruder noch nie so erlebt und langsam beschlich sie das Gefühl, dass er mit viel mehr inneren Dämonen zu kämpfen hatte, als sie für möglich gehalten hätte. Und noch etwas war ihr gerade klar geworden: Severus schienen die Erinnerungen an die Kreaturen des Labyrinths viel weniger zu quälen, als die Tatsache, dass er beinahe Harry auf dem Gewissen gehabt hätte.

 

Wieder einmal lag Harry auf seinem Bett und studierte die Karte des Rumtreibers. Er und Ron hatten sich frühzeitig in den Schlafsaal zurückgezogen, sodass sie alleine waren. Während Ron irgendetwas in den Tiefen seines Koffers zu suchen schien, beobachtete Harry, wie die kleinen Punkte von Severus und Syndia in der Wohnstube des Tränkemeisters umherwanderten.

„Du guckst aber nicht schon wieder nach Snape, oder?“, fragte Ron beunruhigt.

Sich ertappt fühlend, legte Harry die Karte beiseite und setzte sich auf.

„Nein, ich... ich habe nur kurz nachgesehen.“

„Du machst das wirklich ziemlich oft“, kräuselte Ron die Nase. „Das ist irgendwie nicht normal, weißt du.“

„Jaaa“, seufzte Harry und wich dem Blick seines Freundes aus.

„Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich noch nicht alles weiß“, vermutete der Rothaarige langsam.

Schuldbewusst biss Harry sich auf die Lippe. Er hatte es ihm ohnehin sagen wollen, dann konnte er das auch jetzt schnell hinter sich bringen.

„Weißt du auch nicht“, murmelte Harry und Ron ließ den Koffer Koffer sein und setzte sich auf sein Bett.

„Und warum sagst du es mir nicht einfach?“

„Weil es...“, zögerte Harry. „Es wird dir nicht gefallen.“

„Mit deinem Herumgedruckse machst du es aber nicht besser“, murrte Ron missgelaunt.

Tief durchatmend sammelte Harry seinen ganzen Mut zusammen. Seine folgenden Sätze zerstörten vielleicht seine beste Freundschaft, aber da musste er jetzt durch.

„In Necrandolas habe ich Snape geküsst.“

Es schien einige Sekunden zu dauern, bis die Information bei Ron ankam.

Schließlich sagte er: „Hä?“

„Na ich hab... ihn geküsst. Mehrmals sogar. Ich hab... ich glaube ich stehe vielleicht... auf Männer.“

Jetzt war es raus. Mit dem schlimmsten rechnend sah er zu seinem Freund, der stark mit diesen Neuigkeiten zu kämpfen hatte.

„Ähm...“, begann er wieder, „du... bist schwul? Und stehst auf Snape?“

Harry schluckte schwer.

„Ich denke eher, dass ich bi sein könnte. Schließlich... fand ich Cho nicht unattraktiv und... ich... ich muss das einfach noch herausfinden.“

Wieder entstand eine kurze Stille, in der Ron ihn nur fassungslos anstarrte. Unruhig rutschte Harry auf seinem Platz umher und wartete auf die nächste Reaktion.

„Du stehst auf Snape?“, sagte Ron wieder im selben Tonfall.

„Ich... ich weiß es nicht, ich bin vielleicht einfach nur... er war der einzige Mensch, den ich in Necrandolas um mich hatte. Vielleicht haben meine Hormone da einfach verrückt gespielt“, versuchte Harry hastig alles mit den Floskeln von Severus herunterzuspielen. „Ich weiß einfach noch nicht, was Sache ist.“

„Na dann solltest du das lieber schnell herausfinden“, sagte Ron schlicht mit einem etwas angewiderten Gesichtsausdruck, während er langsam grün um die Nase herum wurde.

Da er offenbar nicht wusste, was er tun sollte und sich vielleicht sogar Harrys alleiniger Gegenwart bewusst war, rutschte Ron von seinem Bett herunter und stapfte ohne ein weiteres Wort zur Tür. Als diese sich hinter ihm schloss, atmete Harry aus und schlug wütend auf seine Decke. Na ganz klasse, jetzt hatte Ron Angst, Harry würde ihn anfallen. Das war ja wirklich super gelaufen!

Ächzend ließ Harry sich zurückfallen und starrte an die Decke. Der beruhigte sich sicherlich bald wieder... hoffentlich. Was war er denn bitte für ein Freund? Wäre er wirklich sein bester Freund, wäre er nicht abgehauen! Harry traf überhaupt keine Schuld, denn er hatte sich nicht falsch verhalten! Seufzend schloss Harry die Augen. Ron war so ein Idiot!

Aber in einem Punkt musste Harry ihm Recht geben: Er sollte langsam herausfinden, auf was er stand... und vor allem wollte er endlich Klarheit über seine Gefühle zu Severus haben. Denn es war wirklich nicht normal einen Menschen täglich mit der Karte zu stalken. Warum tat er das?

Tief durchatmend legte Harry seinen Arm über die Augen. Er sah wieder Severus vor sich, wie er heute Morgen im Sonnenlicht gesessen hatte, mit geschlossenen Augen. Sie hatten eine ganze Weile so auf dem Turm gesessen und Harry hatte alle Zeit der Welt gehabt den anderen zu mustern. Severus war sogar weggedöst und in Harry hatte sich ein warmes Gefühl ausgebreitet, das nicht von den Sonnenstrahlen kam. Es war der Gedanke, dass Severus ihm mehr als irgendeinem anderen Menschen vertraute. Ausgerechnet ihm. Nur in seiner Gegenwart konnte er sich so entspannen und fallen lassen. Das war ein unglaublicher Schatz.

Von sich selbst genervt, raufte Harry sich die Haare und öffnete die Augen. Das durfte doch nicht wahr sein! Wie kamen nur solch schnulzige Gedanken in seinen Kopf? Wer hatte ihm so einen Schwachsinn beigebracht?!

Kopfschüttelnd sah er an die Decke. Was sollte er nur machen? Severus aus dem Weg gehen? Nein, das war ohnehin nicht möglich. Außerdem hatte er sich dazu entschlossen ein Auge auf ihn zu haben. Also was dann? Irgendwie musste er doch diese bescheuerten Gedanken abtöten. Und warum zum Teufel fiel ihm ausgerechnet jetzt ein, wie zart Severus' Halslinie war?!

„Ahh“, rief Harry entnervt aus, drehte sich auf die Seite und drückte sich das Kissen auf den Kopf, als könne er so irgendwie seine Gedanken fernhalten.

Das war ja nicht zum Aushalten! Aber war das jetzt der Beweis dafür, dass er etwas für den Slytherin empfand? Grübelnd ließ Harry das Kissen los, damit er durch einen Spalt wieder Luft bekam und etwas sehen konnte. Vielleicht steigerte er sich da gerade nur wieder in was hinein. Severus war in Necrandolas für ihn anziehend gewesen, ja, aber dafür hatten sie ja nun schon genug plausible Gründe gefunden. Und dass diese Anziehung nicht von jetzt auf gleich wieder verschwand, war auch klar. Aber wie lange würde das dauern? Wie lange musste Harry sich noch mit solchen Gedanken quälen, bis er sicher sein konnte, dass es eben nicht die Instinkte waren?

'Vielleicht bis ich wieder schlafen kann.', überlegte der Gryffindor.

Das klang plausibel. Er konnte nicht schlafen, weil er Severus' Schutz dafür brauchte und solange er von diesem noch abhängig war, würden diese Gedanken wahrscheinlich auch nicht verschwinden. Vielleicht trickste ihn ja sein Hirn aus und schickte ihm absichtlich solche Gedanken, damit er Severus' Nähe suchte, um schlafen zu können.

„Wie mies“, murrte Harry und drehte sich wieder schmollend auf den Rücken, das Kissen dabei wegstoßend.

Dann wusste er ja was zu tun war: So schnell wie möglich wieder lernen ohne Schlaftrank zu schlafen, um diese lästigen Gedanken loszuwerden.

Und ganz nebenbei würde er sich Ron vorknöpfen!

Das klang ja endlich mal nach einem Plan.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und, hab ich übertrieben? Wie gesagt, dass mit dem Schlaftrank war nie so geplant, aber als es dann plötzlich geschrieben war, hab ich mich nicht getraut es wieder rauszunehmen :D
Bis Donnerstag! ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Im_Whats_Left
2016-09-01T14:52:42+00:00 01.09.2016 16:52
Severus ist ein Meister der Tränke; logisch, dass er die Nebenwirkungen kennt - und händeln kann. (Deswegen liebe ich ihn ja so xD <3)

Rons Reaktion ist absolut nachvollziehbar. Das entspricht einfach seinem Charakter, sehr gut getroffen an dieser Stelle. Er braucht immer eine Weile, um Veränderungen - insbesondere so gravierende - zu akzeptieren. Er ist immer impulsiv und versucht dann erstmal, das "Problem" zu ignorieren oder schlicht zu übersehen (oder davor wegzulaufen), bis er bereit ist, sich mal ein paar Gedanken zu machen.
Antwort von:  -wolfsmoon-
05.09.2016 14:23
Ich hatte gehofft, dass sich jetzt nicht alle allzu sehr an dieser Tränkeabhängigkeit aufhängen :) Klar, es ist nicht gerade ungefährlich, aber wie du schon sagst, Snape kann sowas händeln.
Super, ich hatte gehofft, Ron einigermaßen treffen zu können :) Manchmal ist das aber auch voll leicht, bei sowas ist er doch ziemlich einfach gestrickt XD


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