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Die Vier Jahreszeiten des Okumura Rin

Kid-Fic
von

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Oneshot

Okumura Rin war ein einfaches Kind im Allgemeinen. Er war fröhlich, aufgeschlossen und furchtlos (manchmal zu sehr zum Leidwesen seines Vaters), und vor allem immer bereit, sich um seinen ängstlichen, zögerlichen Bruder zu kümmern.

Dass das gar nicht uneigennützig war, das brauchte Rin ja niemandem zu verraten, nicht wahr?

 

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Im Winter war es zum Beispiel wunderbar, sich mit dem Kopf voran in den Schnee zu stürzen, um allerlei Unheil anzurichten.

Besser war es sogar noch, sich nach dem Spielen erschöpft unter eine flauschige, dicke Decke zu kuscheln und vor dem flackernden Kaminfeuer zu kauern um Vaters Geschichten zu lauschen.

Am besten war es unter diesen tollen Decken-Tischen, deren Namen Rin immer wieder vergaß, die nicht nur die erfrorenen Füße und Beine wunderbar aufwärmten, sondern auch seinen nie zu stopfenden Magen glücklich machten, erlaubten sie es ihm schließlich, sich nebenbei mit warmem Essen vollzuschaufeln.

Aber am allerbesten war es, wenn Yukio bei ihm war. Rin konnte auf Decken, Feuer, Geschichten und Essen verzichten, denn an seinen Bruder gekuschelt war es doch am Wärmsten.

Nur, dieses Ziel zu erlangen brauchte einen guten Plan.

 

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„Yuuuuuuuuuukioooooo! Yukio!“

Rin rüttelte am Arm seines Bruders, ungerührt, dass dadurch seine Hand wackelte, und damit der schön säuberliche Pinselstrich auf dem Papier wenig säuberlich und fein wurde, sondern… naja, mehr wie Rins Pinselstriche aussah.

„Yukio! Aki aus unserer Klasse hat erzählt, dass hinten im kleinen Wäldchen ein wunderbarer Schneehügel ist. So wunderbar, dass man da noch wunderbarer Schlittenfahren kann!“

Während Yukio mit fast tränenden Augen auf seine ruinierte Arbeit sah, wurde ihm der Pinsel geradezu aus der Hand gerissen und er von seinem Platz hochgezogen.

„A-Aber Nii-chan! Ich muss das hier fertig machen. Unbedingt. Geh doch allein? Oder mit Aki…“

Rin seufzte melodramatisch, schüttelte dann den Kopf.

„Nee. Too-san hat gesagt, ich darf nicht allein gehen und dass ich dich mitnehmen soll, weil du ja soooo vernünftig bist.“

Dass das nur zum Teil der Wahrheit entsprach kümmerte Rin nicht. Ihr Vater sagte das immer, wenn Rin irgendetwas wollte, da brauchte er gar nicht mehr zu fragen und außerdem… Rin wollte ja gar nicht mit dem blöden Aki gehen. Er wollte Yukio!

Yukio seufzte.

„Nii-chan. Ich bin nicht fertig. Warte noch ein bisschen?“

Wenn Yukio ernsthaft gehofft hätte, dass das Rin dazu brächte, abzuziehen, dann hatte er sich natürlich getäuscht.

Aber Rin war ja ein lieber großer Bruder, und so strahlte er Yukio an.

„Ein bisschen!“, bestätigte er, und sprang dann völlig ungeniert auf die nächste Fensterbank, um abwechselnd das Schneetreiben draußen und Yukios konzentrierte Pinselstriche drinnen zu beobachten.

Ein bisschen.

„Yuuuuukioooo! Dein bisschen ist vorbei. Wir gehen jetzt!“

Und weil ein Okumura Rin keinen Widerspruch duldete, zog er Yukio einfach mit sich, zog ihm die Mütze über den Kopf und wickelte schnell den Schal um Yukios Hals und Mund, sodass jeder Protest ungehört – oder zumindest unverstanden – blieb.

„Na also!“

Er lachte, selbst schnell genug angezogen (die eigene Mütze vergaß er natürlich), und schleppte Yukio hinaus.

Zu den Tempeltoren hinaus kam sogar gar kein Protest mehr, und Rin war sich sicher, dass Yukio auch Spaß hatte, als sie auf dem alten Holzschlitten den Berg hinunter brausten durch die Schneewehen.

Leider war Rin bald genug durchnässt bis auf die Haut, und als Yukio seine zitternden Lippen sah, musste er natürlich den verantwortungsbewussten großen kleinen Bruder herauskehren.

„Wir gehen zurück, Nii-chan. Du siehst ja ganz verfroren aus!“

Und weil Yukio wusste, dass Rin ihm schon folgen würde, marschierte er einfach los.

Er hatte nicht mit Rins Entschlossenheit gerechnet, und auf einmal traf ihn ein hart geworfener Schneeball auf den Hinterkopf, brachte ihn zum Stolpern. Die Tränen heruntergeschluckt fuhr er herum, funkelte seinen großen Bruder an, der nur lachend einen neuen Schneeball formte.

„Du wirst krank werden!“

Rin lachte nur.

„Nicht, wenn ich mich bewege und warm werde! Komm, hilf mir! Oder willst du, dass ich krank werde?“

Das wollte Yukio seinem Bruder natürlich nicht antun, das wusste Rin nur zu genau. Und so war bald die wildeste Schneeballschlacht im Gange.

Die Rin leider haushoch verlor. Er mochte besser werfen können, und zielen obendrein, aber er vergaß immer wieder, Yukio im Auge zu behalten beim Bücken nach dem Schnee, und so konnte sein kleiner Bruder sich viel zu taktisch von hinten anschleichen, nur um sofort wieder hinter einem Baum in Deckung zu gehen. Er lachte nicht einmal die ganze Zeit so manisch verrückt wie Rin, und war so noch unsichtbarer im Schnee.

Spaß machte es schon, aber jetzt zitterte Rin noch mehr, und Yukio war noch immer trocken und…

„Wir gehen zurück!“

So viel Entschlossenheit kannte man von Yukio nur selten. Eigentlich nur, wenn er mit seinem Bruder allein war, und wenn das Wohl seines Bruders in Gefahr war. Das wusste sogar Rin, und er wusste, dass er Yukio nicht mehr lange erweichen konnte. Aber einen Versuch hatte er noch.

Und so ließ er sich rücklinks in den Schnee fallen, lachte.

„Nur, wenn du mich beim Schneeengelmachen besiegst!“, verkündete er heiter, und begann augenblicklich, Arme und Beine recht hektisch zu bewegen, um einen wunderbaren Schneeengel zu produzieren. Schließlich sprang er auf, aus seinem Kunstwerk heraus und grinste Yukio siegesgewiss an.

Der zog in einer wunderbaren Imitation der Erwachsenen eine Augenbraue hoch, und schüttelte dann den Kopf.

„Der hat eine Wurzel im Bauch, und Fußspuren am Kopf“, kam die niederschmetternde Kritik. Rin hatte eben noch nie die Ruhe gehabt, sich einen guten Platz auszusuchen für seine Schneeengel. Yukio dagegen ging langsam zwischen den verschneiten Bäumen herum, bis er den Platz für seinen Engel fand.

„Warte da drüben, Nii-chan“, verlangte er grinsend, hüpfte dann weit genug in den frisch gefallenen Schnee, um ihn von Fußspuren zu verschonen, und legte sich dann hin, um sich um seinen Schneeengel zu kümmern.

Genau das richtige Signal für Rin. Mit einem wilden Schrei warf er sich auf seinen kleinen Bruder, rang ihn nieder und begann ihn gnadenlos mit Schnee einzuseifen. Einiges Quietschen und Wimmern und Schimpfen später standen beide Jungen mehr als Schneemänner auf der weißen Wiese, und Yukio funkelte seinen großen Bruder an.

„Du hast geschummelt! Das heißt, ich habe gewonnen!“, verkündete er zitternd vor Kälte. Großzügig nahm Rin seinen eigenen, ebenfalls viel zu durchweichten Schal ab und legte ihn Yukio zusätzlich um.

„Du hast gewonnen, wir gehen nach Hause“, sagte er versöhnlich, doch das Grinsen in seinem Gesicht wich nicht.

Mission erfüllt.

Denn natürlich war es keine Überraschung, dass der fürsorgliche Vater die beiden durchgefrorenen Kinder erst einmal in ein heißes Bad steckte, und dann unter die warme Decke, zusammen mit dem warmen Essen, das Rin sich so gewünscht hatte.

Rin rückte ein Stück näher an Yukio, der noch immer etwas zitterte.

„Da, ich hab genug Warm für uns beide“, bot er großspurig an. Yukio funkelte ihn erst an, doch dann lachte er.

„Du bist unmöglich, Nii-chan.“

 

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Im Frühling liebte Rin es, endlich wieder aus dem Tempel hinaus über die grünen Wiesen zu rennen.

Besser war es sogar noch, die Kinder der Gegend um sich zu scharen, um auf dem Bolzplatz miteinander zu toben und zu spielen.

Am besten war es, wenn dann das Grün der neuen Welt getupft wurde vom den Farben der aufblühenden Knospen, und alle Nase lang ein tolles Festival stattfand, wo Rin sich den Bauch vollschlagen konnte.

Aber am allerbesten war es, wenn Yukio bei ihm war. Denn wer kümmerte sich um Rins aufgeschlagene Knie, oder seinen voll-schmerzenden Bauch, wenn nicht sein Bruder?

Nur, irgendwie war Yukio nicht so leicht zu motivieren, die Bücher der neuen Klasse hinter sich zu lassen.

 

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„Yuuuuuuukiooooooo! Yukioooo!“

Rin humpelte gar tragisch zum Schreibtisch seines Bruders hin, wo der, natürlich, mit dem neuen Schulbuch saß. Yukio sah mit einem leisen Seufzen auf. Rins Knie waren beide starrend vor Schmutz und Dreck, und an dem einen lief ein kleines Rinnsal Blut herab.

„Nii-chan. Seit wann bist du so eine Memme?“, neckte der Junge seinen Bruder, während er natürlich trotzdem aufstand, um aus einem Schubfach Desinfektionsspray und Pflaster zu holen.

„Hmpf! Ich bin gar keine Memme! Aber wegen dir haben wir das Spiel verloren!“, empörte sich Rin.

Yukio sah Rin mahnend an.

„Wegen… mir.“

Rin zog die Nase hoch.

„Ja wohl! Du warst nicht da, um mich direkt zu verarzten und – au!“

Das Brennen des Desinfektionsmittels unterbrach seinen Protest aber nur kurz.

„Jedenfalls musste ich schwer verletzt weiterspielen und hab deswegen nicht stark genug schießen können, um ein Tor zu machen! Und deswegen haben die Kinder von der anderen Schule den Ball zurückerobern können und uns ein Tor reinhauen können.“

Er sah seinen Bruder mit einem schelmischen Glänzen in den Augen an, während der das Pflaster auf seinem Knie befestigte.

„Jedenfalls, die zweite Halbzeit beginnt in fünf Minuten, und du musst unbedingt mitkommen. Falls so etwas nochmal passiert.“

Yukio machte einen Laut, der verdächtig nach „ts!“ klang und verstaute seine Ausrüstung wieder.

„Muss ich das, ja?“

Rin nickte.

„Musst du.“

Dann grinste er noch mehr.

„Oooooooder du darfst jetzt noch lernen, aber dafür gehst du später mit mir runter in die Stadt? Auf dem Markt ist irgendein Fest, keine Ahnung und egal, warum, aber ich habe gesehen, dass sie ein Karussell aufgebaut haben, und es gibt bestimmt ganz viel zu Essen und…“

Rin zog die Nase hoch.

„Wenn du mich schon so tragisch mit meiner Verletzung allein lässt, dann musst du mich natürlich später begleiten! Um sicher zu gehen, dass ich keine…späteren Verletzungen habe. Dass es sich nicht entzündet oder so, weil ich so viel rumlaufen muss, ohne das du aufpasst! Und überhaupt, Too-san würde mich sowieso nicht alleine gehen lassen!“

Yukio lachte leise.

„Und du, Nii-chan, hast natürlich eh nicht mehr genug Taschengeld, um dir irgendetwas zu kaufen, und brauchst mich deswegen? Geh dein Spiel gewinnen, Memme. Ich komme dich später abholen.“

Rin sprang jubelnd auf, strafte sein Drama über sein Knie damit deutlich genug Lügen, lief aber schnell genug hinaus, als dass ihn niemand darauf festnageln würde.

Würde Yukio ohnehin nicht. Dazu war er viel zu lieb. Und er würde mitkommen! Was wollte Rin denn mehr?

Gar nichts, eben.

Naja, fast nichts. Die hereinbrechende Dunkelheit schickte die Kinder viel zu früh am Abend von ihrem Festival wieder zum Tempel zurück, doch im Licht der Lampions spendeten noch genug Helligkeit, dass Rin auf dem Nachhauseweg etwas ins Auge fiel.

„Yukiooo! Schau mal, da oben!“

Er zeigte auf einen der schon fast verblühten Kirschbäume.

„Da oben! Der letzte Blütenzweig…“

„Oh nein“, stöhnte Yukio, doch das hinderte Rins Kopf nicht daran, sich Ideen hinein zu setzen.

„Den muss ich haben! Yukio, mach mir eine Räuberleiter, ich muss da hoch! Der letzte Zweig soll doch Glück bringen, wenn man ihn in eine Vase tut!“

Rin zog seinen Bruder unter den Baum, und als er nicht schnell genug reagierte, packte er dessen Hände einfach selbst zusammen, um sich eine Leiter daraus zu bauen.

„Nii-chan, ich weiß nicht…“

Doch Rin kümmerte es nicht. Mehr oder weniger mit Yukios Hilfe kam er auf den Baum hinauf, kletterte bald außerhalb jeder Reichweite.

„Halt dich bloß fest, Nii-chan!“, rief Yukio mit einem besorgten Zittern in der Stimme hinauf.

„Jaja“, meinte Rin natürlich nur. Hielt er sich nicht immer fest?

Höher und höher kletterte er in den Baum, hörte hier einen Ast knacken, wippte da ein bisschen zu sehr, doch es ging gut, und schließlich kam er mit viel strecken und Fingerspitzenarbeit an den letzten Blütenzweig heran.

Rin strahlte, als er den Zweig abgebrochen in der Hand hielt, winkte zu Yukio hinunter.

„Sieh mal! Ich hab ihn!“

KRACH! – brach natürlich genau in dem Moment der Ast unter Rin ein, und der Junge stürzte eine viel zu gruselig lange Weile in die Tiefe, ehe die dickeren Äste ihn auffingen. Yukio hatte sich vor Schreck die Augen zugehalten, wagte erst wieder hinzusehen als er Rins Stöhnen hörte, bald gefolgt von seinem Ruf.

„Alles gut, alles gut!“

Ohne weitere Katastrophen kletterte er den Rest des Weges hinab. Dass das zweite Knie nun auch blutete, hatte auf dem Rückweg kaum Bedeutung, nur, dass Yukio sich an seiner Hand festklammerte, den Glückszweig zwischen ihren Händen haltend.

„Ich werde ihn dir auf den Schreibtisch stellen, Yukio. Dann merkst du vielleicht, wie viel Glück es ist, nicht nur Bücher zu lesen“, meinte Rin zufrieden.

Sein Grinsen wurde in dieser Nacht nur von Yukios eigenem überstrahlt.

 

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Im Sommer war es Rins liebste Beschäftigung, sich auf das Sportfest und das Sommerfest vorzubereiten und (mehr unabsichtlich) endlich einmal vor den Lehrern zu glänzen.

Besser war es sogar noch, sich ohne Schulsorgen den nächstbesten See zu suchen (oder auch ein Tümpel, in der Hitze war Rin nicht wählerisch), um sich darin abzukühlen.

Am besten war es, wenn ihr Vater sie mitnahm, um die Käfer des Sommers zu finden. Rin hatte seine helle Freude an den kleinen und großen Krabbeltieren, und würde sie am liebsten alle mitnehmen.

Eine Meinung, die Yukio nicht teilte. Und weil es bekannter Maßen ja für Rin am besten war, wenn Yukio bei ihm war, musste ein Plan her, damit er auch im Sommer seine Yukio-Zeit bekommen würde.

 

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„Yuuuuki-“

„Nein, Nii-chan!“

„Aber Yuuukioooooo!“

Yukio funkelte seinen älteren Bruder an, als der so völlig ungeniert vor sich hin jammerte.

„Kommst du trotzdem mit mir mit? Im kleinen Wäldchen soll es einen Goldhirschkäfer geben, der ist sooooo groß! Ich muss unbedingt einen haben, und…“

„Nein!“

Rin zog eine Schnute.

„Nicht einmal, wenn ich dir verspreche, dass du ihn erforschen kannst?“

Yukio klappte sein Buch etwas zu laut zu, um gut gelaunt und überzeugt zu wirken.

„Genauso, wie ich deine Wasserspinne haben durfte, und deinen Marienkäfer, und deine Blattläuse, und deinen Regenwurm?“

Rins Schnute wurde noch kläglicher. Er hatte all die kleinen Krabbler und Kriecher behalten.

„Wir… können ja zwei Käfer fangen?“, bot er als Kompromiss an, doch heute schien Yukio unerbittlich.

„Nein.“

Demonstrativ wurde das Buch wieder aufgeschlagen, und Rin wusste, er hatte verloren. Er trat den Rückzug an.

Erst einmal.

Und als Yukio das nächste Mal sein Zimmer verließ, um wichtige Dinge für kleine Yukios zu erledigen, schlüpfte Rin wieder hinein, schnappte sich die ersten vier Bücher, die auf Yukios Tisch lagen, und preschte damit aus dem Zimmer, aus dem Tempel, hin zum kleinen Wäldchen.

Als er bald genug ohne Bücher wieder zurückkam, begrüßte ihn ein verzweifelt dreinschauender Yukio.

„Meine Bücher! Sie sind fort! Das war bestimmt ein Kobold, aber das eine war ein Buch aus der Schulbücherei, und wenn ich das nicht morgen zurückgebe, dann…“

Seine Verzweiflung fand ein Ende, als sein Blick auf Rins Gesicht fiel, das viel zu schnell von selbstzufrieden nach schuldbewusst zusammenfiel.

„Ehm… ups?“

„Nii-chan!“, schimpfte Yukio. „Du hast meine Bücher versteckt! Los, bring sie mir sofort wieder!“

Rin trat von einem Fuß auf den anderen.

„Vielleicht… weiß ich nicht mehr so genau, wo sie sind? Sie sind im kleinen Wäldchen. Wir können sie ja zusammen suchen gehen? Dann geht es viel schneller. Und dann finden wir vielleicht ganz zufällig auch einen Goldhirschkäfer?“

Yukio sah ihn völlig empört an, dann packte er sich seine leere Büchertasche, schulterte sie und marschierte an Rin vorbei.

Drehte sich auf halbem Weg zum Tempel hinaus um.

„Kommst du nun?“

Und auch wenn Rin wusste, dass es falsch war, grinste er zufrieden. Es hatte eben doch wieder funktioniert. Yukio musste ja nicht wissen, dass die Bücher halbwegs sicher in der kleinen Baumhöhle bei Rins Lieblingsversteck waren. Sollten sie ruhig eine Weile suchen.

Die frische Luft munterte Yukio zum Glück bald genug auf,  und so wurde es ein vergnüglicher Nachmittag, und am Ende hatten sie nicht nur zwei Goldhirschkäfer gefunden, sondern auch einen Marienkäfer für Yukio, und einen wunderschönen blauen Stein, der Rins neuer Schatzstein werden sollte.

Und schließlich fanden sie ja sogar ganz zufällig die Bücher auch wieder. Rin grinste vergnügt, während Yukio sie liebevoll abtastete, dass ihnen ja nichts passiert war, und dann eines nach dem anderen in die Tasche steckte. Nur das letzte Buch behielt er zurück, und musste natürlich ganz Bücherwurmig sofort etwas nachlesen.

Viel zu breit grinste Yukio seinen großen Bruder schließlich an.

„Was du da hast ist übrigens kein Goldhirschkäfer. So etwas gibt es nämlich gar nicht.“

Er hielt Rin das Buch hin, was ihn erst einmal die Nase rümpfen ließ, und dann die Schultern zucken.

„Ich mag ihn trotzdem. Aber Aki kann etwas erleben, dass er so einen Quatsch erzählt! Der sollte vielleicht auch ab und zu mal ein Buch aufschlagen, kann echt nützlich sein!“

Yukio lachte über Rins Naserümpfen nur, steckte dann auch das letzte Buch weg, schulterte seine Tasche und bot seinem Bruder dann die Hand.

„Völlig richtig, das sollte Aki sich unbedingt mal hinter die Ohren schreiben“, meinte er spöttisch. Aber hey, dafür, dass Rin seinen Willen bekommen hatte, konnte er ruhig etwas Spott ertragen, oder?

 

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Im Herbst war es einfach nur wunderbar, allerlei Nüsse und Samen zu sammeln, zu trocknen, noch mehr zu sammeln und dann allerlei Spiele und Basteleien damit zu machen.

Noch besser war es allerdings, die Früchte zu sammeln, die nun endlich reiften, und sich noch im Baum sitzend damit vollzustopfen.

Am besten war es, wenn sie im Tempelhof die Blätter aufkehren mussten. Denn dann hatte man eine absolute Ausrede, warum man sich in die fein säuberlichen bunten Haufen werfen durfte - man war ja selbst zuständig, sie wieder weg zu machen.

Und wenn es nach Rin ging, natürlich, musste Yukio auch hier dabei sein.

 

###

 

„Yuu-“

„Es ist genug, Nii-san!“

„Abe-“

„Nein! Nii-san, wir haben nun dreimal den gesamten Hof gefegt, und dreimal hast du dich wieder in das Laub geworfen. Ich werde das nicht noch ein viertes Mal mitmachen!“

Rin sah jämmerlich zu seinem kleinen Bruder, der sich zu seiner vollen Größe aufgebauscht hatte, den Rechen fest in der Hand. Yukios Gesicht spiegelte die unerbittliche Haltung zu dem Thema leider viel zu gut wieder. Hilflos ging Rins Blick zwischen dem wunderbaren Blätterhaufen und seinem Bruder hin und her.

„Kann ich dich irgendwie erpressen?“

„Nein.“

Rin blinzelte hilflos.

„Ich kann deine Hausaufgaben für dich machen?“

„Mach erstmal deine eigenen.“

„Oder deine Schuhe putzen?“

„Damit sie hinterher noch dreckiger sind?“

Rin seufzte.

„Du bist ein schwerer Verhandlungspartner!“, meinte er mit allem Ernst, den ein Kind so einen Satz sagen konnte. Yukio lachte nur unbeeindruckt.

„Bisher hast du eben nichts Sinnvolles geboten? Ehrlich, Nii-san, wenn du dich da noch einmal reinwirfst, dann fegst du alles allein auf. Ich bin fertig für heute.“

Rin verengte die Augen.

„Und wenn ich Too-san sage, dass du mitgemacht hast, dann musst du auch mitaufkehren! Die Blätter in deinen Haaren beweisen es!“

Yukio funkelte Rin mahnend an.

„Soll ich ihm wirklich sagen, dass du ihn angelogen hast? Ich glaube, er wäre sehr enttäuscht. Und er würde mir eher glauben in der Sache als dir.“

Rin verzog das Gesicht. Das stimmte leider auch. Sein Vater glaubte ihm einfach nie irgendwas!

Aber, in einer Idee begann er schließlich zu grinsen.

„Und wenn… ich dir deinen Lieblingsapfelkuchen backe? Ich habe viel geübt, und dann mache ich einen ganzen nur für dich!“

Rin sah, dass Yukios Entschlossenheit zu wanken begann, also musste er natürlich noch einen draufsetzen.

„Ich mach auch Puderzucker drauf? Egal, was Too-san sagt?“

„Ich weiß nicht…“

Rin rümpfte die Nase.

„Was muss ich denn noch bieten?“, fragte er völlig überfordert. „Langsam ist genug!“

Yukio grinste selbst schief, bot Rin dann versöhnlich eine Hand an.

„Iss den Kuchen mit mir zusammen, Nii-san. Wenn wir fertig mit dem Laub sind.“

Rin brauchte keine weitere Aufforderung, um in den Deal einzuschlagen und sich dann jauchzend in die bunten Blätter zu werfen.

 

###

 

 

In Rins Leben gab es nichts Besseres als seinen Bruder. Und für den, der ihn kennen mochte, würde es also kaum eine Überraschung sein, wie ernsthaft Rin dreinsah, als er im nächsten Winter bei den Festlichkeiten zum neuen Jahr vor dem Altar des Tempels auf die Knie sank, den Blick herausfordernd erhoben.

"Ich wünsche mir von dir genug Kraft, dass ich meinen Bruder Yukio immer beschützen kann.

 Yukio soll immer bei mir sein."

 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Miyara
2018-09-02T00:26:50+00:00 02.09.2018 02:26
OMG wie süß *-*
Antwort von:  Hampelmann
02.09.2018 08:39
Danke~ :)


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