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Dornröschen...

von

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Special Chapter - Patrick Pellschardt
 

…und die heldenhafte Tat.
 

Patrick Pellschardt oder auch liebevoll Pelle genannt war der typische Einzelgänger. Mit seiner weniger imposanten Körperhöhe und den üblen Rettungsringen zählte er von Anbeginn der Schulzeit nicht unbedingt zu den beliebtesten Schülern. Ganz im Gegenteil. Von den anderen Schüler in das Leben eines Einzelgängers gedrängt verbrachte er die meiste Zeit allein und ohne wirkliche soziale Kontakte. Man könnte meinen er wurde von der Außenwelt isoliert. Das Schulleben war hart und Kinder, sowie auch Jugendliche, wurden nicht umsonst oft genug als Monster betitelt.
 

Doch es änderte sich an einem warmen und vielleicht auch schicksalshaften Sommertag. Die Luft ließ sich schwer atmen und der Schweiß sammelte sich in kleinen Perlen auf meiner Stirn. Stöhnend hielt ich mir das momentan noch verpackte Eis auf die Wange und genoss die angenehme Kälte. „Das Wetter ist grauenhaft“ stieß Linda mit schwacher Stimme aus, während sie bewegungslos im Gras ruhte. Max wirkte auch nicht begeistert, zum wiederholten Male wischte er sich mit dem Saum seines ausgeblichenen Bandshirt den Schweiß aus dem Gesicht. „Ich werde mich nie wieder über den Winter beschweren“ beteuerte Max und ließ sich neben seiner blonden Zwillingsschwester ins trockene Grün fallen.
 

„Du bist doch der Erste der jämmerlich über die Kälte meckert. Also hör auf zu heulen wie ein Mädchen“ ich nahm mein Eis aus seiner Verpackung und fluchte leise vor mich her als ich sah wie es bereits munter vor sich hin schmolz. „Wir sollten Baden gehen…ernsthaft. Bei der Hitze geht man doch vor die Hunde“ warf Max ein und versuchte sich an Linde zu kuscheln die angewidert wegrutschte „Du stinkst nach Schweiß Max“ – „Es sind vierzig Grad, natürlich stinke ich nach Schweiß. Das Deo was bei den Temperaturen nicht versagt muss erst noch erfunden werden“.

„Dann benutzte nicht ständig das billigste Zeug was du in der Drogerie bekommst. Alter geh weg man!“ während ich mein Eis genüsslich verspeiste – oder eher was die Hitze davon übrig ließ – beobachte ich das ungleiche Geschwisterpärchen bei ihrer unfairen Rangelei. Max war Linda bei weitem überlegen. Denn auch wenn beide erst fünfzehn waren, so schien Max mit seinen antrainierten Muskeln einfach im Vorteil gegenüber seiner gedrungenen Schwester. Max ging seit seinem sechsten Lebensjahr einigen sportlichen Aktivitäten wie Kickboxen und Fußball nach, was man ihm auch mehr als nur deutlich ansah. Linda dagegen war zwar nicht sonderlich dick, doch durch ihre Körpergröße und der nahezu nicht existierenden Körperkraft konnte sie ihren Bruder nur versuchen von sich weg zu treten. Dabei war auch sie nicht unbedingt unsportlich, ganz im Gegenteil. Nur brachte ihr Leichtathletik wenig gegen ihren Bruder.
 

„Max zu stinkst!“ rief Linda hysterisch und kämpfte um die Freiheit ihrer Arme die ihr Bruder zu Boden drückte um die Gegenwehr zu minimieren. Ein Blick über den Schulhof verriet mir, dass die Beiden gerade zur Belustigung der anderen Schüler dienten, doch ich kannte es kaum anders. Das Beckenbauer Zwillingspärchen galt an unserer Schule schon beinahe als Maskottchenduo.

„Gib mir einen dicken Schmatzer, Schwesterchen“ – „Ich trete dir gleich deine Geschlechtsorgane ab, dann kannst du für immer Jungfrau bleiben Max!“.
 

„Oh ich würde die Warnung ernst nehmen“ mischte ich mich ein, immerhin kam ich vor fast einem Jahr selbst in diesen Genuss. Ein Wiederholungsbedarf bis an mein Lebensende ausgeschlossen. Max, Linda und ich besuchten ein Horrorhaus auf dem städtischen Volksfest. Im Haus kam ich auf die dumme Idee Linda zu erschrecken. In binnen von Sekunden trat sie mir schreiend zwischen die Beine. Ihre weinerliche Entschuldigung danach half allerdings auch nicht gegen die Schmerzen. Also konnte ich Max nur raten von Linda abzulassen. Das konnte nur ins Auge gehen, oder eher zwischen die Beine. Obwohl sich mir bei allem dem eine wichtige Frage stellte: War Max denn wirklich noch Jungfrau. Gab seine Zwillingsschwester gerade ein pikantes Geheimnis preis? Sollte ich etwas gefunden haben um Max bis an sein Lebensende zu erpressen? Ich schmunzelte vor mich hin. Der große Weiberheld Max hat da wohl etwas gelogen was seine Geschichten mit älteren Mädchen anging.
 

Ich blickte auf als sich uns eine Gestalt näherte „Leute. Inzest ist immer noch verboten. Also bitte versucht euch weniger der Erregung öffentlichen Ärgernisses hinzugeben“. Ich hob die Hand zum Grüß „Auch wieder da Kapitän Leon“. Leon schüttelte lachend seine grau blonden Haare „Ja, die Meerhexe hat mich verschont und doch nicht in einem Meer aus Hausaufgaben ertrinken lassen“. Erleichterung schlich sich um mein Herz. Also musste Leon doch nicht bis zum Ende aller Tage Nachsitzen. Die Filmabende waren gerettet. Max rollte sich währenddessen von seiner grimmig dreinblickenden Schwester herunter und deutete ein Peace-Zeichen in Leons Richtung an „Sie hat dir also verziehen, dass du sie alte Wachtel genannt hast?“.
 

„Als wäre alte Wachtel wirklich eine Beleidigung“ rümpfte Linde die Nase „Die ist schon etwas sensibel die gute Frau Türke. Aber hat man etwas anderes von einer hysterischen Frau in den Wechseljahren erwartet“.
 

„Hört, hört. Was für befremdliche Worte von dir“ spottete Leon, ließ sich neben mir auf die Bank fallen „Aber nein. Keine Nachhilfe. Keine unnötigen Hausaufgaben und kein Gespräch mit meinen Eltern. Ich habe ihr erzählt, dass die neue Veränderung in meinem Leben mich einfach so aus der Bahn wirft und ich meine Unsicherheit an ihr ausließ. Was natürlich furchtbar falsch ist und ich mich auf ewig dafür schämen werde“. Seine Stimme klang als würde Leon etwas ganz beiläufiges und unwichtiges erzählen. „Veränderung?“ ich warf den Eisstiel in den Mülleimer zu meiner Rechten und blickte nicht weniger irritiert als Max und Linda.

Leon zuckte grinsend mit der Schulter „Na ja. Ich bin ein Junge mitten in der Pubertät und es könnte wirklich schwer zu verkraften sein, wenn sich der Kindheitsfreund urplötzlich als Schwul outet“.

Max lachte. Linde schien verwirrt und ich hätte meinem besten Freund am liebsten die Hände um den Hals gelegt „Wie bitte…“.

„Weist du Noah“ Leon legte mir den Arm um die Schulter „Irgendwo muss ich doch einen Vorteil aus deinen Vorlieben ziehen können. Ich sage also nichts, wenn du die Jungs in der Umkleide beobachtest und du bist dafür hin und wieder mein kleines Trauma“.
 

Mit angewidertem Gesichtsausdruck drückte ich Leons Arm weg „Als wenn ich unsere Jungs beim Sport in der Umkleide wirklich beobachten würde“. Schon allein der Gedanke schien unrealistisch und irgendwie auch ein wenig eklig. Hat er sich unsere Klassenkameraden schon einmal genauer angeschaut? Es schüttelte mich. Erneut zuckte Leon mit der Schulter „Aber du könntest“.
 

Eine Diskussion mit Leon war in den meisten Fällen ausweglos. Er war furchtbar eigensinnig und setzte seine Ideen und Vorhaben meist mit schmeichelhafter Stimme und zuckersüßem Lächeln durch. Beinahe gruselig wie gut mein bester Freund darin war Leute zu manipulieren und ihnen das Blaue vom Himmel zu erzählen. Doch leider musste ich zugeben daraus selbst meine eigenen Vorteile zu ziehen.
 

Gelangweilt lag mein Blick auf der Tafel. Frauke, unsere Politiklehrerin, stand nur noch in kurzem Stiftrock und ärmelloser dünner Bluse vor uns, die Haare ohne viel Sorgfalt hochgebunden. Man sah ihr mehr als deutlich an wie gut sie unsere Unlust verstand. Die Hitze brutzelte unsere Gehirne. Erst das aufdringliche Stupsen von Leon ließ mich das Ende des Unterrichts wirklich wahrnehmen „Linda und Max warten schon“. Leon steckte sein Handy in die Hosentasche zurück, scheinbar terrorisierte ihn Max bereits mit unsinnigen Nachrichten über den Weltuntergang sollten wir nicht in wenigen Minuten auf der Bildfläche erscheinen. Linda und ihr Zwillingsbruder gingen gemeinsam in unsere Nachbarklasse. Mühsam rappelte ich mich auf, streckte mich ausgiebig und begann Stifte, Block und Wasserflasche in meinen Rucksack zu werfen „Hetzt mich nicht Leon. Ich bin alt…“.
 

„Du bist in unserem Freundeskreis das Küken, falls du mir gestattest dich daran zu erinnern. Wenn du alt bist, was bin dann ich bitteschön“
 

Ich wendete mich zu Leon herum und grinste über beide Ohren „Scheintot?“.
 

„Ja. Ja. Ich mache dich gleich scheintot du frecher Arsch!“ gespielt beleidigt griff Leon nach meinem Rucksack und deutete mit der freien Hand auf die Tür „Madame?“. Wie es sich gehörte vollzog ich einen eher unschönen Knicks „Sehr freundlich von ihnen“ und verließ mit hocherhobenen Hauptes das Klassenzimmer. Draußen schallten bereits die Stimmen der Zwillinge über den Flur. Scheinbar wollten sich die Beiden versichern ob wir es doch noch irgendwann zu ihnen schaffen „Was hat bei euch so lange gedauert. Ey, Leon. Musstest du Noah schon wieder anbaggern. Wie oft soll er dir noch einen Korb geben. Er ist nicht so wie deine Mädels. Er hat Prinzipien und so!“.
 

„Ja wie lustig“ kam ich Leon zuvor, denn dieser wäre auf Max seine Scherze nur wieder angesprungen und sie hätten sich die wildesten Geschichten zusammen gesponnen. Wüsste ich nicht, dass die Beiden mich wegen meiner Sexualität gerne veralberten hätte ich ihnen schon längst die Leviten gelesen. Immerhin sprang ich nur weil ich mich momentan in einer schwierigen Selbstfindungsphase befand, weder alles Jungs sofort an, noch musste man mich wie ein Mädchen beschützen. Ich wusste durchaus was ich zwischen meinen Beinen hatte und eine Tucke war ich sicherlich nicht. Ich war schließlich immer noch ein Junge. Nur das ich Mädchen zwar durchaus ästhetisch, doch weniger erotisch fand. Wobei ich mir um Sex und den ganzen Kram nun noch keinen Kopf machte. Auch wenn mich dadurch vielleicht einige als Spätzünder sahen. Doch hallo. Ich war vierzehn! Meiner Ansicht nach musste man in diesem Alter noch nicht seinen Körper benutzen um seinem Gegenüber zu gefallen – obwohl mich die ganzen schwangeren Mädchen auf meiner Schule daran zweifeln ließen. Vielleicht nahm meine Mutter genau aus diesem Grund meine neuentdeckte Vorliebe mit Humor, sie brauchte sich keine Sorgen machen jetzt schon mit einem Enkelkind beglückt zu werden. Gut, vermutlich würde Sie niemals Enkelkinder von mir bekommen – alles hatte halt Vor- und Nachteile.
 

„Also“ begann Max und verschränkte beim Laufen die Arme hinter seinem Kopf „Gehen wir nun zur Mühle oder schwitzen wir lieber getrennt voneinander in unseren Zimmern herum?“. Gute Frage. Zu dieser Uhrzeit würde es bei der alten Mühle sicherlich brechend voll sein, doch gegen ein wenig Schwimmen hätte ich kaum etwas einzusetzen. Meine Augen wanderten Fragen zu Leon, welcher scheinbar noch nachdenklich die Möglichkeiten durchging „Na ja die Alternative wäre ein gemütlicher Abend mit Jenny…“ begeistert klang mein bester Freund ja nicht.

„Okay bin dabei“ also Leon sollte mal einer verstehen. Schaffte sich eine Freundin an, doch Zeit wollte er nicht unbedingt mit ihr verbringen.
 

„Wenn ich alleine daheim bleibe muss ich mich um die Hausarbeiten kümmern, mir bleibt also keine andere Wahl als mit euch Idioten den restlichen Tag zu verbringen“ Linda war also ebenfalls dabei, sehr schön. „Wir lieben dich auch Linda“.
 

Mit dem Fahrrad in Richtung Heimat. Die Badesachen waren rasch zusammengepackt und Mum legte mir sogar noch etwas Geld für ein Eis auf die Kommode im Flur. Ein Traum.

„Mum. Darf ich heute bei Leon schlafen?“ brüllte ich durch das Haus, als ich gerade mit meinem Rucksack in den Flur hechtete und in meine Schuhe schlüpfte.

Schritte ertönten und nur wenige Augenblicke später stand meine Mutter mit zartrosa Kochschürze im Türrahmen „Denke schon. Marko ist zwar noch nicht da, doch er wird wohl kaum Einwände haben“. Sie musterte mich „Ist er dein Freund?“

„Mum!“ stieß ich langgezogen aus. Ich wusste nicht ob ich entsetze oder einfach nur genervt sein sollte. „Leon ist mein bester Freund, aber sicher nicht mein fester Freund. Wie kommst du auf so eine absurde Idee!“.
 

„Na ja, ihr verbringt viel Zeit miteinander…“ sollte das ihr verdammter Ernst sein?
 

„Wir haben auch schon vor meinem Outing viel Zeit verbracht? Mama, pass mal auf“ ich seufzte „Nur weil ich Jungs mag, heißt es sicherlich nicht, dass ich jetzt plötzlich auf jeden Jungen im meiner näheren Umgebung stehe. Besonders nicht auf Leon. Ich kenne ihn bereits seit der Grundschule. Das hat schon was leicht Ekliges meinst du nicht“.

„Ich dachte ja nur“ verteidigte sich meine Mutter und verschränkte die Arme vor der Brust „Ich wollte dich ja nur an gewisse Sachen erinnern. Ihr solltet nur nicht vergessen, dass auch Männer verhüten müssen“.
 

„Mum!“ ich spürte wie sich meine Wangen vor Scharm erhitzten „Nein, ich werde kein Sex haben. Nein, besonders nicht mit Leon und nein, ich möchte über so etwas nicht mit meiner Mutter reden. Wenn es soweit ist kann ich immer noch Marko fragen“ vielleicht war es unangenehm für den neuen Mann meiner Mutter. Doch Marko würde das ganze nur halb so peinlich durchziehen wie meine Mutter.
 

Marianne kam auf mich zu und hielt mir ihre ausgestreckte Hand hin „Nehme die hier einfach mit, dann fühle ich mich besser“. Entsetzt starrte ich auf die Hand meiner Mutter, oder eher auf das was auf ihr lag. Zwei kunterbunte Plastiktütchen, welche unschwer zu erkennen gaben, dass sie in ihrem inneren Kondome beherbergten.

„Nein. Nein. Nein. Nein“ abwehrend riss ich meine Hände in die Höhe und ging einen Schritt zurück, meine Wangen brannten „Nehm die Dinger da weg“ – nicht das ich auf irgendeine Weise prüde war „Ich brauche die wirklich nicht. Steck sie wieder Weg“. Bitte!
 

„Aber Noah. Ich will doch nur, dass du dir der Gefahren bewusst wirst und dich auf die richtige Art schützt“
 

„Okay Mum“ meine Stimme klang entsetzlich hoch während ich fluchtartig nach meinem Rucksack griff „Ich bin weg. Bis morgen. Hab dich lieb“. Oder momentan auch nicht, die Entscheidung musste ich noch fällen. Die Haustür fiel hinter mir ins Schloss, ich lief zu meinem Fahrrad, schwang mich hinauf und radelte los. Wie peinlich war denn das bitteschön. Ich schüttelte den Kopf, bloß zu den anderen und diese grausige Situation vergessen. Für immer.
 

Die alte Mühle war, wie der Name vermuten ließ, wirklich eine Mühle aus irgendeinem vergangenen Jahrhundert. Torben, der Besitzer, renovierte sie vor einigen Jahren und nun war sie eines der bestbesuchten Jugendcafés der Stadt. Und das obwohl es gut eine fünfzehnminütige Fahrradtour durch die Wildnis verlangte um an dem Fluss anzukommen. Kaum näherte ich mich der Mühle wurde das Stimmengewirr lauter. Die Terrasse der Mühle war zum Zerbersten voll und auch die Badestelle schien, wie bereits erwartet, gut besucht. Ich stieg von meinem Fahrrad ab und ließ meinen Blick schweifen. Es dauerte ein Weilchen bis ich Max entdeckte, welcher unter einer hochgewachsenen Weide faulenzte. Von Linda oder Leon nichts zu sehen.
 

„Yo Noah. Wo hast du Leon gelassen“ Max saß in Badehose bekleidet auf einem Badelaken und hob zum Gruß die Hand. Wir schlugen ein und ich ließ mich neben ihm auf sein Handtuch fallen. Mein Fahrrad ging scheppernd zu Boden „Bin ich sein Babysitter? Wo ist Linda?“. Max grinste „Sind wir aneinander genäht?“. Touché.

„Warst du schon im Wasser?“ ich zog mir das Shirt über den Kopf. Max schüttelte seinen Kopf „Ne, aber Linda tollt da irgendwo in der Menge herum – schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Aber jetzt bist ja du hier und kannst mich etwas ablenken“. Max wackelte anzüglich mit den Augenbrauen, als Antwort warf ich ihm mein verschwitztes T-Shirt ins Gesicht „Spinner“.

„Außerdem teile ich mein Eigentum nicht gerne, weist du doch Max“ Leon näherte sich unserem Lager mit einem frechen Grinsen auf den Lippen „Schaut nicht so. Ihr kennt doch den Spruch. Das Beste kommt immer zum Schluss. Oder in meinem Fall: zu spät“.
 

„Wird euch das wirklich nie langweilig“

Leon lachte als er sein Fahrrad abstellte und sich zu uns gesellte „Nicht wirklich. Aber das liegt weniger an dem Tatbestand, sondern mehr an dem Gesicht was du immer ziehst“. Schön für die Beiden. „Du kannst jetzt gerne anfangen zu schmollen“ – „Nein danke. Ich bin kein Mädchen, auch wenn ihr Beide schwul scheinbar mit dem weiblichen Geschlecht gleichsetzt“.

Leon hob abwehrend die Hände „Hey, wir sind in der Pubertät. Sprich absolut unreif. Wir dürfen das“. Man konnte sich also doch alles schönreden.
 

„Da seid ihr beiden Turteltauben ja endlich. Ich dachte schon ihr wurdet aufgehalten“ mussten Linda und Max unbedingt denselben Humor besitzen. War das wirklich nötig. Eine völlig durchnässte Linda kaum auf uns zugelaufen. „Hat dich ja scheinbar nicht gestört. Wie es aussiehst hast du bereits deinen Spaß im Wasser gehabt“ meinte ich, stand auf und schüttelte mir die Jeans von den Beinen – die Badehose bereits darunter angezogen „Aber du kommst nicht drumherum noch einmal mit mir schwimmen zugehen. Kommst du mit Max?“ Max stand nickend auf und mein Blick wanderte zu Leon „Und du?“. Der Blonde schüttelte seinen Kopf „Ne, ich bleib noch ein wenige hier. Im Schatten ist es wirklich angenehm. Wir gehen nachher rein, wenn es nicht mehr so voll ist“. Nickend nahm ich seine Antwort zur Kenntnis und zog mit Linda sowie Max von dannen. Im Gegensatz zu uns Dreien war Leon Nichtschwimmer. Meist ging er dennoch mit uns ins Wasser, doch nur wenn nicht mehr so viele Menschen anwesend waren. Vermutlich eine der wenigen Dinge die ihm unangenehm waren.
 

Die Stunden rannen wie im Flug an uns vorbei und ehe wir uns versahen wurde es leerer. Nur wenige Gruppen saßen am Wasser zusammen, tranken Bier, lachten und begrüßten das Wochenende gemeinsam mit ihren Freunden. Wir taten es ihnen gleich. Leon saß neben mir und schüttelte sein nasses Haar hin und her. „Bist du ein Hund?“ fragte ich fluchend und versuchte den kalten Wassertropfen zu entkommen, was Leon nur ein Lachen entlockte „Wer weiß was bei meiner Genetik alles schiefgelaufen ist“.
 

„Psscht“ ich blickte auf und entdeckte Linda, welche sich mit mahnendem Gesichtsausdruck den Finger vor die Lippen hielt. Ein Blick auf Max erläuterte ihr Handeln. Der Junge mit dem Augenbrauenpiercing schlief den Schlaf der Gerechten, das Gesicht von uns abgewandt. Max konnte wirklich niedlich sein, wenn er mal die Klappe hielt.
 

„Was machen wir morgen?“ fragte Linda mit gedämpfter Stimme und streckte sich ausgiebig, der nasse Badeanzug bildete sich mehr als deutlich unter ihrem hellblauen Shirt ab. Leon zuckte mit den Achseln „Weiß nicht. Wir könnten zum Schloss hochfahren“. Ehrlich, seine Idee klang selbst in meinen Ohren schrecklich „Ich werde bei sechsunddreißig Grad im Schatten bestimmt keine Fahrradtour machen, können wir uns nicht einmal mit jemanden anfreunden der einen Pool besitzt?“
 

„Hey, meine Eltern haben eine Sauna“ erwiderte Leon grinsend und ich schüttelte nur den Kopf „Ja ich liebe eure Sauna auch, doch bei weiten nicht im Hochsommer“.
 

„Ich denke du bist einfach zu verwöhnt Noah…“ scherzte Leon, während ich hilfesuchend zu Linda blickte. Sie schien von beiden Ideen nicht unbedingt überzeugt „Vielleicht können wir auch einfach wieder schwimmen fahren…“.
 

Ein lauter Aufschrei ließ selbst Max zusammenfahren, welcher uns mit irritiertem Gesichtsausdruck ansah. Achselzuckend hievte ich mich auf die Knie und hielt Ausschau. Nicht unweit von uns stand eine Gruppe aus Jugendlichen und schienen jemanden zum Piesacken auserkoren zu haben.

„Das sind Mo und seine Speichellecker“ deutete Leon mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Mo war ein Typ aus den Abiturklassen, groß, laut und bekannt für seine Aggressivität. Selbst Max, welcher einem gelegentlichen Konflikt nicht aus dem Weg ging, legte sich nicht mit Moritz an.
 

„Und wer ist der Abgebrochene?“ wollte Max neugierig wissen, doch die Sorge um den Jungen bei Mo war ihm ins Gesicht geschrieben. Ich selbst ließ es noch nie auf eine Konfrontation mit dem Abiturienten ankommen, doch man hörte immer wieder Geschichten und diese besaßen niemals ein Happy End.
 

„Ich glaube das ist der dicke Pellschardt aus unserer Nachbarklasse“ unser Jahrgang bestand aus insgesamt vier Klassen. Ich schnaufte auf „Sei nicht so fies Leon“. „Was denn, stimmt doch“ mein bester Freund stand auf um die Situation besser zu überblicken, nur wenige Sekunden sah man wie Mo ausholte und Pellschardt zurücktaumelte.
 

„Was machen wir jetzt“ fragte ich leise. Meine Freunde wussten, dass ich nicht unbedingt zu den Mutigsten gehörte. Die Atmosphäre schien angespannt. Natürlich wollte jeder von uns helfen, doch welchen Preis würden wir dafür zahlen müssen. Es schien nicht nur uns so zu ergehen, denn auch die anderen Jugendlichen schienen das Spektakel genauestens zu beobachten. Hektisch sprang Linda auf, noch bevor Max nach ihr greifen konnte atmete unsere Freundin zittrig ein und entfernte sich einen Schritt von uns „Das geht so nicht. Ich geh zur Mühle und hole Torben“. Max wirkte nicht begeistert „Bist du bescheuert Linda, wenn Moritz das mitbekommt, dann verbringst du die nächsten Nächte auf der Intensivstation“.
 

„Ach und zusehen ist besser?“ forderte Linda eine Antwort. Sie hatte Recht, sollten wir hier zuschauen wie der Junge von Mo nach Herzenslust verprügelt wurde oder sollten wir so etwas wie einen Arsch in der Hose beweisen. Mein Magen tendierte tatsächlich für die erstere Option, doch mein Kopf gab andere Anweisungen und schon schwang ich mich ebenfalls unsicher auf die Beine. „Okay Linda“ ich würde das hier noch so was von bereuen „Ich lenke Mo ab und du rennst bitte so schnell wie nur möglich zu Torben“. Nun mischte sich auch Leon ein „Einen Scheiß wirst du tun. Der bricht dich in der Mitte durch“. Leon stand ebenfalls auf, die Mimik angespannt. Max erhob sich schnaubend „Das könnt ihr nie wieder gutmachen. Hoffentlich hat der Typ einen Pool“.
 

Ja und so endete unser schöner ruhiger Sommerabend mit einem mehrstündigen Krankenhausaufenthalt. Max verlor einen Zahn, ich bekam ein ziemliches Veilchen und Leon brach sich zwei Finger. Linda erreichte an diesem Tag vermutlich ihre Bestleistung im Sprinten und Torben war nach dem Geschrei für Tage heiser. Doch Pellschardt kam mit einer Gehirnerschütterung und einigen Prellungen davon. Heute erinnerte ich mich noch gerne an diesen Tag zurück. Nicht nur das ich einen Freund gewann, nein, ich bewies das erste Mal in meinem Leben echten Mut. Ein besseres Gefühl gab es wohl kaum. Ach ja, Pellschardts Eltern besaßen als Gegenleistung tatsächlich einen Pool. Ihr könnt euch also vermutlich gut vorstellen wie wir den restlichen Sommer zusammen verbrachten. Einen heldenhaften Sommer mit einem neuen Freund und einem netten Pool an dem wir unsere Wunden lecken konnten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Ray-
2016-07-27T14:56:01+00:00 27.07.2016 16:56
Sehr viel Rückblick ich muss zugeben ich bin nicht so der Fan von langen Rückblenden aber das soll nicht heißen dass du das nicht trotzdem schön geschrieben hast. Teilweise ging es mir zu sehr ins Detail weshalb ich gerne anfange Szenen zu überlesen. Trotzdem bin ich gespannt wie es weiter geht und wie du die Rehabilitation von Noah voran treibst. Viel Spaß beim schreiben!


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