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Seelen- Bound

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Verlorene Nähe

Ian bemühte sich es nicht zu zeigen, aber er war beleidigt. Ganz sicher sogar. Ich hätte mehr darum kämpfen müssen, dass er nicht ging, aber irgendwas hielt mich davon ab, auch wenn ich diese azurblauen Augen jetzt schon schmerzlich vermisste.

Es war bereits Nacht und ich starrte hinauf zu den wenigen Sternen die ich durch die Öffnung in der Decke unseres Zimmers sehen konnte. Ian hatte einen Arm unter meinem Kopf und einen auf meinem Bauch gebettet. Sein Atem ging ruhig, aber daran, dass er noch nicht alle Viere von sich gestreckt hatte, konnte ich erkennen, dass auch er dem Schlaf noch fern war.

"Wanda?"

"Ja?"

"Bist du glücklich?" Seine Stimme war leise wie ein Hauch und eine Spur Unsicherheit schwang in ihr mit. Ein Seufzen unterdrückend legte ich beschwichtigend eine Hand auf seine und bemühte mich ihm fest und aufrichtig zu antworten.

"Ja." Das war ich. Ich war in meinem gewähltem Zuhause bei meiner Familie. In den Armen meines Ankers. Was wollte ich mehr? Er stieß einen wohligen Laut aus und gähnte ausgiebig. Wie konnte er mir glauben? Ian, der mich fast so gut wie Melanie kannte. Mel. Ich glaubte mir selbst nicht, obwohl es doch die Wahrheit war.

"Fällt es dir nicht schwer mich gehen zu lassen?" Jetzt wurde er deutlicher und ich richtete mich auf, um meinen Lügen, die jetzt folgten, die nötige Wahrheit mitzugeben. Um sie ebenso wirklich erscheinen zu lassen und vorallem selbst glauben zu können.

"Natürlich Ian. Ich vermisse dich schon jetzt." Das stimmte.

"Aber ich weiß auch, was wir alles erreichen können wenn wir uns mit anderen zusammenschließen. Ich denke wirklich, dass das mit einer Seelenemigrantin deutlich schwieriger sein würde. Ich wüsste aber auch beim besten Willen nicht, wer besser dazu geeignet wäre als Jared und du." Es war wahr und doch wieder nicht. Ich hatte Angst, dass wir einem Krieg immer näher kämen, umso mehr wir in Aktion treten würden. Aber ein anderer Teil in mir wollte diese Gedanken weder mit Ian teilen, noch sie überhaupt wahr haben. Nachdem ich mich wieder zurücklehnte spürte ich an meiner Schulter wie er leicht nickte und wenige Augenblicke später begann er sich auf unserer Matratze auszubreiten. Er schlief. Endlich. Und morgen würde er mit Jared abreisen. Seit der kleinen Versammlung hatte ich durchgehend einen kleinen Stich in meinem Herzen verspürt. Ian würde eine ganze Weile weg sein und mit ihm Jared. Es würde sicher länger dauern als einige Wochen. Schwer abzusehen wie lange tatsächlich. Doch die Stiche waren nichts im Vergleich zu der Verwirrung die Melanies Passivität auslöste. Es war bei weitem nicht so schmerzhaft. Weder für mich noch für meinen jungen Wirt, aber es setzte sowohl mir, als auch den Knochen, dem Fleisch und der Haut extrem zu, welche die winzige silbrige Gestalt umhüllten, die ich eigentlich war. Vielleicht wollte sie dieses Gespräch einfach nicht vor uns allen austragen? Vielleicht stritten sie jetzt grade darüber? Ich lauschte. Jareds und Melanies Zimmer war nicht weit von Ians und meinem entfernt. Ebenfalls im dritten Gang von links. Doch ich hörte nichts. Vielleicht waren sie gar nicht in ihrem Zimmer um darüber zu diskutieren? Vielleicht sprachen sie aber auch wirklich nicht miteinander, so wie Ian und ich? Wieder spürte ich wie sehr die Trennung von ihr mir zusetzte. Ich wollte wissen wie es ihr geht und was sie denkt. Morgen würde ich sie fragen. Wenn Ian und Jared aufgebrochen waren.
 

Der Wecker, den Ian sich am Abend zuvor, gestellt hatte klingelte Früh und riss mich aus meinen verworrenen Träumen. Nicht dass wir hier Uhren brauchten, aber die beiden wollten vor Anbruch des Tages aufbrechen. Ich hatte von vergangenen Tagen geträumt. Nicht aus einem meiner anderen vorherigen Leben. Als ich eine Spinne war, oder ein Seetang. Nein ich war wieder eins mit Melanie. Ich träumte von den wenigen unbeschwerten Tagen die wir gemeinsam in ihrem Körper verbracht und auch miteinander geredet hatten. Wir hatten noch immer keine Erklärung dafür, dass sie so viel schwächer geworden war, wenn es nichts gab wogegen sie direkt ankämpfen musste. Auch das beschäftigte mich ein ums andere mal.

Ich schüttelte den Traum rasch ab und überlegte ob ich einfach tat als würde ich noch immer schlafen, um der Abschiedsszene aus dem Weg zu gehen. Allerdings würde ich mir nie verzeihen das getan zu haben, würde Ian etwas unterwegs passieren. Dieser Gedanke lies mein Herz gleich aus mehreren Gründen schmerzhaft krampfen. Die Vorstellung von Ians Tod. Ich schauderte. Wie sehr es ihn verletzten würde, wenn ich ihn nicht verabschieden würde schmerzte aber fast genauso sehr. Er nahm mir sie Entscheidung ab.

"Guten morgen Süße. Ich muss los." Ich blinzelte den letzten Schlaf aus den Augen und erblickte seine blauen direkt vor mir. Sein Atem strich angenehm seicht über mein Gesicht, bevor er meine Lippen kurz mit seinen verschloss.

"Bleib liegen. Es ist noch dunkel. Schlaf weiter."

"Nein.", sagte ich, drängte ihn sanft zur Seite und erhob mich langsam. Dieser Körper war wirklich nicht belastbar. Ich fühlte mich schlaff und träge, aber der Entschluss war gefasst. Ich hörte ihn hinter mir leise schmunzeln. Wenige Augenblicke später schob ich eine der beiden Türen beiseite und trat heraus. Während ich ihm noch ein halbes Lächeln schenkte, lehnte ich sie an die zweite und wurde plötzlich hart gestoßen. Mir entwich ein spitzer Schrei und ein weitere, weniger spitz, aber dafür genauso bekannt wie mein eigener, drang an meine Ohren. zwei dumpfe Geräusche zeugten von Melanies und meinem Aufprall auf dem Boden. Im sanften Hellblau, des nahenden Tages, erkannte ich, dass sie sich den Kopf rieb und sprang auf, zu ihr.

"Ah, Wanda. 'Tschuldige, ich steh noch..." Ohne es zu wollen unterbrach ich sie harsch.

"Mel, alles gut? Hast du dir den Kopf angeschlagen? Sollen wir zu Doc?" Die Worte sprudelten viel zu schnell aus meinem Mund. Meine Gedanken überschlugen sich. Wann war mir Melanies Wohl, nicht ihr Leben, der Verbleib in ihrem Körper, so wichtig geworden? Auch Melanie schien es zu bemerken und sah mich mit einer Mischung aus Erstaunen und Verwirrung an. Jemanden so bestimmt zu unterbrechen, dann noch in meinem zierlichen Körper, war so gar nicht meine Art. Für den Bruchteil eines Herzschlages herrschte absolute Stille. Eilige Schritte näherten sich und durchbrachen sie. Aus meinem Zimmer und von weiter hinten im Gang. Jared und Ian stürzten aus unterschiedlichen Richtungen zu uns. Knieten sich beinah synchron nieder. Melanie schaute mich noch immer an, beachtete die beiden gar nicht. Ihr Blick hielt mich gefangen.

"Was ist denn hier los?", fragte Jared an uns beide gewandt und holte Melanie aus ihrer Starre.

"Ach nur schlechtes Timing. Ich bin in Wanda gerannt, als sie aus ihrem Zimmer kam." Ich antwortete nicht. Noch immer hielten mich die Wirren Gefühle dieses Körpers gefangen. Dieses Körpers? Meines Körpers. War dieser Wirt vielleicht schuld an dieser Verwirrung? Oder meine eigenen Gefühle? Ian nestelte an meinem Oberteil herum, das sich ein wenig verschoben hatte und machte Anstalten mich in die Höhe zu ziehen.

Nachdem Ian mich und Jared Melanie in eine Aufrechte befördert hatte, machten wir uns einvernehmlich auf den Weg zum Ausgang der Höhle. Ich hatte mir schon gedacht, dass Jeb dort auf uns warten würde. Er hatte schon den Jeep vorgefahren, was Jared und Ian gleichermaßen freute. Das knirschende Geräusch von Schritten hinter uns ließ die anderen und mich zum Eingang unseres Zuhauses herum fahren. Es war keine Überraschung, dass auch Jamie an dieser Verabschiedung teilnehmen wollte. Er war alles andere als erfreut gewesen, als Jeb am Vorabend in der Küche verlauten ließ, dass Jared sich alleine mit Ian auf diese Reise begeben würde. Ich war mir nicht sicher, ob er so sehr darauf aus war mit zu dürfen, oder ob er sich schlicht wohler dabei gefühlt hätte wenn zumindest Melanie Jared begleitet hätte. Sie und Jared waren wirklich ein hervorragendes Team. Niemand wusste das besser als ich. Hatte ich es doch am eigenen Leib erfahren. Er hatte ein versöhnliches Lächeln auf seinen Lippen und stellte sich zwischen Melanie und mich.

"Na dann. Pass gut auf die beiden auf.", wandte sich Jared an ihn, nachdem er und Ian sich zum Abschied vor uns gestellt hatten.

"Logisch.", gab Jamie zurück, stolz diese Verantwortung auf seinen Schultern zu wissen, wenn auch ihm sicher genau klar war, dass es eher genau anders herum war. Ich beobachtete Jared, der Melanie eng an sich zog und mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, bis Ian seine Arme ebenfalls um meine Schultern legte und es ihm gleich tat.

"Seid vorsichtig.", flüsterte ich zu Ian hinauf und aufsteigende Tränen erstickten meine Stimme, ehe ich auch nur wusste was ich noch weiteres hätte hinzufügen sollen.

"Na klar, mach dir keine Sorgen, Wanda." Ich konnte nicht hören was Jared und Melanie einander zuflüsterten, doch ich nahm an, dass es Liebesschwüre waren. Bei dem Gedanken rebellierte mein Magen erneut und ich fragte mich, ob ich Jared wirklich immer noch so sehr liebte. Jeb klopfte den beiden aufmunternd auf die Schultern und gemeinsam mit Jamie schauten wir den beiden beim Einsteigen zu und schließlich der kleinen Staubwolke nach, die die Plane am Heck des Wagens aufwirbelte, bis sie nicht mehr zu erkennen war. Jeb seufzte hörbar und auch Jamie stieß die Luft geräuschvoll aus.

"Kommt, lasst uns frühstücken. Ich kenne euch doch. Ihr findet doch jetzt sowieso keinen Schlaf mehr." Natürlich hatte Jeb recht und ich war mir sicher, dass es Jamie und Melanie genau so ging, also folgten wir ihm schweigend in die Küche.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber Trudy war wie so oft schon vor allen anderen auf und bereitete hie und da mal eine Kleinigkeit vor. Der betörende Geruch von frisch gekochtem Kaffee stieg mir in die Nase und kurz schloss ich genießend die Augen. Obwohl Pet noch so jung gewesen war hatte sie schon früh Gefallen an diesem aufputschendem Getränk gefunden. Sie hatte es auch bitter nötig. Einmal mehr ärgerte ich mich darüber wie wenig belastbar mein Körper doch war.

"Guten Morgen. Sind Jared und Ian schon los? Ich bin extra früh aufgestanden, damit sie noch einen Kaffee bekommen, bevor sie aufbrechen.", begrüßte Trudy uns herzlich.

"Wir haben sie grade hinaus begleitet.", erklärte Jamie leichthin. Er schien es schnell überwunden zu haben, dass die beiden weg waren. Das wunderte mich nun doch. Wir nahmen alle am Tresen platz damit wir uns mit Trudy unterhalten konnten, obwohl man Melanie und ganz sicher auch mir ansehen konnte, dass wir nicht in der Stimmung waren zu reden. Jamie, der zwischen Melanie und mir saß, überging diesen Umstand mit Sicherheit ganz bewusst.

"Nun macht nicht solche langen Gesichter, ihr zwei. Die beiden sind die Besten, das wisst ihr doch. Nichts kann sie aufhalten." Melanie nickte schwach und zwang sich ein Lächeln auf, um ihre Last nicht auf Jamies Schultern abzuladen. Ich straffte meine Statur und versuchte es ihr gleich zu tun. Auch mir war Jamies Wohl noch immer am allerwichtigsten, also hieß es zusammenreißen. Er beachtete es allerdings wenig und schielte schon auf das Rührei, das Trudy in einer großen Schüssel anrührte.

"Außerdem können wir drei jetzt endlich mal zusammen in einem Zimmer schlafen. Ich freu mich schon total darauf von euch beiden Geschichten erzählt zu bekommen.", fügte er noch abwesend hinzu. Eine scharfe Hitze, die ich mir nicht erklären konnte, schoss mir in die Wangen. jedoch war ich gleich aus mehreren gründen erleichtert. Zum einen, weil Jamie noch immer wie gebannt Trudy beobachtete, zum anderen weil Jeb den Raum grade verlassen wollte und uns so den Rücken zugekehrt hatte und vor allem weil ich auf den gebräunten Wangen von Melanie eine ähnliche Reaktion auszumachen glaubte. In meinem Bauch breitete sich wieder ein unangenehmes Ziehen aus, auch wenn es nicht vergleichbar war mit dem von der Verabschiedung. Jamie schmiedete weitere Pläne, was wir alles zu dritt anstellen konnten, jetzt wo uns Jared und Ian nicht mehr vereinnahmten. Ich hörte ihm allerdings nur halb zu. Unvermeidlich traf mein Blick immer wieder den von Melanie. Ich hielt ihm kein bischen mehr stand und war unschlüssig wie ich so lange mit ihr in einem Körper wohnen konnte, so unwohl wie ich mich grade in ihrer Nähe fühlte.

Ausgerechnet jetzt wo Melanie und ich eh schon mehr Zeit miteinander verbringen würden, teilte Jeb uns fürs Wäsche waschen ein. Das war für sich schon keine reizvolle Aufgabe, mit Melanie alleine zu sein brachte mir zusätzlich beinah Übelkeit, obwohl ich mich andererseits so danach sehnte.

"Kommst du klar, Wanda?" Ihre melodische Stimme drang sanft an meine Ohren und holte mich aus meinen Gedanken und mir war klar wonach sie fragte. Wir durchquerten grade die lichtdurchflutete Höhle, mit den Feldern, auf dem Weg zu der dunklen kleinen Höhle mit dem Wasserloch. Ich schaute nicht auf. Ihre Stimme sorgte dafür, dass sich meine Nackenhaare leicht aufstellten.

"Sicher. Und du? Hattest du genug Zeit mit Jared, dass es okay ist?" Sie brauchte etwas bis sie antwortete. Ich versuchte mich auf das Gemurmel, der ruhigen Gespräche, die die Leute auf dem Feld führten, zu konzentrieren, bis sie zu sprechen begann.

"Ach, ich weiß auch nicht so recht."

"Vermisst du ihn schon wieder so sehr, oder machst du dir ernsthafte Sorgen?" Sie ließ sich wieder Zeit mit einer Antwort. Mittlerweile hatten wir den Gang zu dem unterirdischen Strom erreicht. Ich hatte ein wenig Zeit gebraucht um wieder so sicher durch die dunklen Gänge meines Zuhauses zu streifen wie vorher. Melanies lange Beine ließen alles viel kleiner wirken. Die Entfernungen, die es hier zurück zulegen galt, kamen mir so viel länger vor, als noch in ihrem Körper.

"Klar, mache ich mir Sorgen, aber auch nicht mehr als um Ian. Jamie hat recht sie sind unsere Besten." Sie war bemüht es beiläufig klingen zu lassen, aber sie konnte einen mir unvertrauten Unterton nicht verbergen. Jetzt ärgerte es mich, dass ich sie zuvor nicht angesehen hatte, als wir an den Feldern in der großen Höhle vorbei gingen.Nun konnte ich nicht mal erahnen was für ein Gesicht sie grade machte.

"Und vermissen..." Sie unterbrach sich ein weiteres mal. Offenbar war sie sich einer klaren Antwort selbst gar nicht so bewusst. Da ging es mir doch vergleichsweise gut. Ich wusste ganz genau, dass ich Ian vermisste. Dass ich schon wieder mit neuen Gefühlen zu kämpfen hatte, war mir Beweis genug. Ich gab ihr Zeit. Wir hatten seit unserer Trennung so wenig miteinander gesprochen, dass ich nicht einmal wusste, wie es überhaupt für sie war wieder in ihrem Körper zusein.

Das Geschirr in den beiden großen Wannen klirrte leise, als wir sie auf dem harten Felsboden neben dem Flusslauf abgestellt hatten. Melanie schaltete eine der Solarlampen an und ihr Gesicht wirkte kraftlos und fahl in dem unwirklichen Blau der Lampe.

"Abwaschen oder abtrocknen?", fragte sie. Ich hatte schon wieder gestarrt und hoffte, dass es ihr nicht aufgefallen war.

"Abtrocknen." Wieso drangen die Worte nur so schwer aus meiner Kehle? Sie nickte abwesend und ließ die erste Wanne, samt Geschirr, in das flache Wasser. Ich tat es ihr mit der zweiten gleich und breitete die Plane neben mir auf dem Boden aus, auf dem ich das abgetrocknete Geschirr abstellen würde. Schweigend arbeiteten wir eine Weile nebeneinander her. Sorgfältig achtete ich darauf niemals ihre Haut zuberühren, wann immer sie mir ein abgewaschenes Teil zum Trocknen hinhielt. Ich hatte gehofft, dass Ian und Jared meine übermäßigen Gefühlsregungen mit sich nahmen. Da das aber nicht annähernd der Fall war, befürchtete ich nun, eine Berührung von Melanie würde ein ähnliches Brennen auf meiner Haut hinterlassen, wie es bei Jared der Fall gewesen war. Ein absurder Gedanke. Das war Melanie.

Mel.

Meine Schwester. Meine beste Freundin. Die Gefühle die ich für sie empfand waren mir weder fremd noch unklar. Ich liebte sie. Woher dann diese Unsicherheit? Ich fühlte mich regelrecht beklemmt in ihrer Nähe.

"Wanda?" War ihre Stimme in meinem, unseren Kopf auch schon so wohlklingend gewesen? Ich hielt inne und schaute sie kurz direkt an. Ich war froh, dass Knits Fire damals die Narbe aus diesem makellosen Gesicht entfernt hatte. Wieder schoss mir eine verräterische Hitze auf die Wangen, worauf ich den Blick rasch wieder auf die Schüssel in meinen Händen richtete. "Mh?"

"Weißt du", begann sie zögerlich. Schon wieder etwas das so gar nicht zu der Melanie passte, mit der ich mir einen Körper geteilt hatte. Melanie zögerte nicht. Nie. Einzig bei den Anfängen mit Jared. Der Monat bevor sie seine Hütte mit Jamie erreichten, war sie vorsichtig ihm gegenüber, nahezu schüchtern, und überlegte, wie sie selber fand, oft zu viel.

"Kommst du zurecht? Gehts dir gut? Ich meine mit deinem neuen Körper." Bemüht so schnell wie möglich zu antworten um nicht zu lügen, gab ich ihr eine ausweichende Antwort.

"Also so oft wie Jamie mich das gefragt hat, kannst du die Antwort darauf doch nicht verpasst haben, oder?" Sie gab sich ebenfalls keine Zeit um auf meine Worte zu reagieren.

"Schon, aber Wanda...ich war in deinem Kopf.", sagte sie und verzog irgendwie das Gesicht. Verheißungsvoll kramte ich ein Wort aus Pets Erinnerungen, das mir passend schien.

"In deinem, Mel. Und worauf willst du damit hinaus?" Der Ton war falsch. Abwehrend fast ein wenig feindselig. Damit würde ich der Antwort auf die sie gleich bestehen würde nicht den richtigen Klang verleihen können, um die Lüge zu verschleiern. Dieses ständige Lügen zerrten an meinem Wesen, aber wenn ich unter diesen fehlerbehafteten Menschen eins gelernt hatte, dann dass die Wahrheit hin un wieder für die die man liebte zumindest gebogen werden musste. Ein seufzen entfuhr mir, nachdem Melanie klar stellte, was ich eh schon ahnte.

"Ich kenne dich, Wanda. Du willst deine Familie nicht vor den Kopf stoßen. Darum Frage ich dich jetzt. Kein Jamie. Kein Ian oder Jared. Wir sind allein." Als wäre mir das nicht bewusst gewesen. Ich begann leicht zu zittern und Schweiß trat auf meine Stirn. Es lag nicht an der schwülen Hitze, die von der warmen Quelle ausging. Wenigstens daran hatte sich mein schmächtiger Körper gewöhnt.

"Mel.", begann ich ernst. "Ich habe mich an deinen Körper gewöhnt, obwohl du da noch drin gesteckt hast. Ich habe mich auch mit diesem gut arrangiert. Natürlich habe ich weder deine Kraft und Ausdauer, noch die Lebenserfahrung die du in dir hattest, obWohl der Altersunterschied gar nicht so groß ist."

"Das meine ich nicht. Gewähre mir den Einblick, den ich nicht mehr habe, seit dem du nicht mehr bei mir bist." Meine linke, blonde Augenbraue streckte sich hoch zu meinem Haaransatz. Eine Angewohnheit die ich von Pet übernommen hatte. Melanies Ausdrucksweise versetzte mir einen kleinen Stich, den ich erstmal verdrängen musste.

"Es war immer so selbstverständlich, dass du haargenau weißt was in mir vorgeht. Was ich empfinde. Es dir direkt erklären zu müssen, fällt mir irgendwie schwer.", erklärte ich zurückhaltend, aber überraschend ehrlich. Das war so gar nicht was ich sagen wollte. Es ließ Melanie Raum für Spekulationen und somit für weitere Fragen.

"Okay, also konkreter." Mich durchzog ein eisiger Schauer, der eine Vorahnung verkündete und mich erneut zittern ließ. Jetzt würde sie mich sicher fragen, ob ich noch immer Jared liebte.

"Sind wir noch Freunde, Wanda?" Diese Frage traf mich mit voller Wucht. Hätte ich nicht auf dem staubigen Boden, neben der Plane, gesessen, wäre die Schüssel sicher zersprungen, als sie mir aus den Händen glitt. Was für eine eigentümliche Frage. Vorallem aus Melanies vollen Lippen.

"Natürlich, Mel!", stieß ich aufgebracht hervor.

"Wie kommst du darauf, dass sich daran etwas geändert hat." Die Innenseite meiner Wange schmeckte metallisch und meine Kiefer zuckten einige male. Ich hoffte, dass mir kein Blut aus dem Mund auf den Abwasch fiel.

Ich kannte die Antwort bevor sie ausgesprochen wurde. Sah es in mir doch ganz ähnlich aus. Melanie sah auf den Teller in ihren Haden und wusch ihn weiter ab, bevor sie wieder erklärte:

"Ich sehe deine Blicke, Wanda. Die meisten sind mir vertraut. Die liebevolle Wärme, wenn du Jamie ansiehst. Deine Dankbarkeit bei Ian. Den Drang die Gefühle für Jared zu verdrängen. Sie sind weniger geworden, oder? Und dann..." Wieder unterbrach sie sich und schluckte merklich, während sie mir den Teller weiterreichte und dann weiter sprach.

"Die Scham wenn du dann meinem Blick begegnest. Und dann..." Wieder eine Pause.

"Wieso schämst du dich? Wieso reden wir nicht? Wieso sind wir nie alleine?" Es stimmte. Melanie kannte mich wirklich wie sonst niemand. Die Pausen irritierte mich jedoch. Was ließ sie unausgesprochen? Hatte sie die Sehnsucht etwa auch in meinen Blicken bemerkt? Ich wusste absolut nicht wie ich reagieren sollte. Abwesend polierte ich den Teller in meinen Händen viel zu lange.

"Fragst du mich grade, ob ich dem mit Absicht aus dem Weg gegangen bin, Mel? Ian ist nunmal immer da, genau wie Jared. Egal ob wir hier sind, oder ob wir 'einkaufen' gehen." Dieser Begriff hatte sich schleichend durchgesetzt. Hatten unsere Beutezüge durch mich doch kaum noch was damit zu tun, was sie eigentlich waren. Melanie sah auf, direkt in meine Augen.

"Ich weiß, dass sie immer um uns sind. Sie mühen sich so ab." Resignierend fiel ihr Blick wieder auf den nächsten Teller, den sie abwusch.

"Meinst du ich sehe nicht, dass Ian sich genauso abrackert wie Jared?" Sie wusste es! Zwischen Ian und mir konnte sich bis jetzt keine Nähe mehr aufbauen. Nicht so wie es war als ich noch in Melanies Körper lebte. Ging es ihr mit Jared etwa ähnlich? Oder sogar genauso? Unbewusst schüttelte ich meine blonden, mittlerweile recht kurzen Locken. Lange Haare behagten mir einfach nicht.

"Ich liebe Ian."

"Und ich liebe Jared, aber es ist nicht mehr so wie es war. Es ist nicht mal mehr so wie es war, als du noch da warst. Wie streiten nicht. Ständig sucht er Körperkontakt. Ich kann es irgendwie nicht erwidern. Jede Zurückweisung akzeptiert er stillschweigend. Wanda, du bist die einzige mit der ich darüber reden kann und vorallem will." noch immer schaute sie mich direkt an. Ihr Blick schien mir unergründlich. Ihre helle, wohlklingende Stimme war ruhig und gefasst. In ihren grünen Augen standen jedoch Tränen. Ich schaute wieder auf meine arbeitenden Hände. Meine piepsige Stimme erklang leise und kraftlos.

"Hast du herausgefunden was es damit auf sich hat?" Ihre Miene war weiterhin unbeweglich, als ich sie wieder ansah. Kein siegreiches 'ich habs doch gewusst' lag auf ihren Lippen oder Zügen. Mein Herzschlag beschleunigte sich rapide.

"Nein und wenn man bedenkt wie unerklärlich unsere menschlichen Gefühle nun mal sind, denke ich, dass es auch müßig ist darüber nachzudenken. Dafür glaube ich zu wissen was das für uns heißt." Ich hielt den Atem an. Melanie würde gleich aussprechen, was ich tief in mir vergraben hatte und definitiv nicht hören wollte.

"Mel?", durchbrach eine Stimme die angespannte Stille. Verdammt. Es war Jeb. Langsam schlurfte er den Gang in unsere Richtung.

"Was gibt's?"

"Es geht um Jamie. Komm mal eben." Sie seufzte tief. Ich stöhnte innerlich sogar genervt.

"Wir reden später noch weiter.", flüsterte sie verheißungsvoll Und bestimmt und richtete sich auf um in dem dunklen Gang zu verschwinden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2016-12-27T09:19:42+00:00 27.12.2016 10:19
Huhu :3
heute habe ich weitergelesen - das wurde Zeit! Das Kapitel hat mir gut gefallen, denn ich konnte Wandas und Mels Anspannung nachvollziehen. Die erste richtige Berührung der beiden wird sicherlich toll. Könnte mir vorstellen, dass den beiden dann Vieles klarer wird. Aber wer weiß, vielleicht gibt es dann noch mehr Verwirrung. Jedenfalls kribbelt es in meinem Bauch, wenn ich daran denke. <3

Hier wieder ein paar kleine Anmerkungen:

Kommata
- "Aber ich weiß auch, was wir alles erreichen können[Komma] wenn wir uns mit anderen zusammenschließen."
- "Ich träumte von den wenigen unbeschwerten Tagen[Komma] die wir gemeinsam in ihrem Körper verbracht und auch miteinander geredet hatten."
- "Obwohl Pet noch so jung gewesen war[Komma] hatte sie schon früh Gefallen an diesem aufputschendem Getränk gefunden."
- "Jamie hat recht[Komma] sie sind unsere Besten."

Anderes
-"Der Wecker, den Ian sich am Abend zuvor, gestellt hatte klingelte Früh und riss mich aus meinen verworrenen Träumen." > "früh" statt "Früh"
- "Während ich ihm noch ein halbes Lächeln schenkte, lehnte ich sie an die zweite und wurde plötzlich hart gestoßen." > "lehnte ich sie", vermutlich ist das "sie" zu viel?
- "Ich hielt ihm kein bischen mehr stand und war unschlüssig ..." > "bisschen" statt "bischen"
- "Sorgfältig achtete ich darauf niemals ihre Haut zuberühren ..." > "zu berühren" statt "zuberühren"
- "Natürlich habe ich weder deine Kraft und Ausdauer, noch die Lebenserfahrung die du in dir hattest, obWohl der Altersunterschied gar nicht so groß ist." > "obwohl" statt "obWohl"
- ",Natürlich, Mel!', stieß ich aufgebracht hervor.
,Wie kommst du darauf, dass sich daran etwas geändert hat[Fragezeichen]'" > hier würde ich beide Redepartien Wandas auf einer Zeile lassen. So wird es eindeutig, dass sie weiterhin spricht.
- "Melanie sah auf den Teller in ihren Haden und wusch ihn weiter ab" > "Händen" statt "Haden"
- "... flüsterte sie verheißungsvoll Und bestimmt und richtete sich auf um in dem dunklen Gang zu verschwinden." > das erste "und" klein :3

Für deinen Stil möchte ich noch einmal ein Lob aussprechen. Er strahlt die Ruhe aus, die ich Wanda zuschreibe und gibt doch an den richtigen Momenten die Unsicherheit und noch ungeklärten Gefühle wider. Wirklich schön! :)

Bis bald und einen entspannten Rutsch ins neue Jahr!
Stern
Antwort von:  Dolette
04.01.2017 18:15
Huhu Stern,

Mensch, ich muss meine Einstellungen ändern. Kriege nie angezeigt, wenn ich Kommis bekomme! Man.

Freut mich, dass du noch dabei bist.
Die erste Berührung, mh? Feuerwerk vielleicht. Naja ich will nicht spoilerb. Zwei weitere Kapitel warten ja noch auf dich.

Ich kürze das ganz hier mal ab!
BITTE LIES BOUN KORREKTUR!!!
Machst du das, ja. :3

Du hast sehr schön beschrieben was genau ich rüber bringen will. Toll dass es ankommt.
Vielen lieben Dank für deine Mühe. Wenn du nicht meine Beta sein willst, werde ich selbstredend, alle Fehler zeitnah korrigieren, nachdem ich eine Weile weinend in einer Ecke saß, versteht sich.

Ach und frohes neues Jahr! :D

GlG
Dole
Antwort von: abgemeldet
05.01.2017 00:12
Liebe Dole,
natürlich werde ich sehr gerne deine Betaleserin :3 Deine Geschichte macht mir so viel Spaß! Schreib mir einfach eine ENS, wenn du magst.
Dir auch ein tolles 2017!


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