Kapitel 7
Mokuba schlug seine Augen auf. Irgendwas stimmte nicht. Ihn befiel eine innere Unruhe. Irgendwas war mit Joey! Mühsam erhob sich der junge Kaiba. Sein ganzes Denken war nur noch von der Sorge um seinen blonden Freund beherrscht, so achtete er nicht darauf, WIE er sich vorwärts bewegte. Er kam irgendwie auf die Beine und schleppte sich mehr taumelnd aber gehend zu Joeys Zimmer. Doch das Bett war unberührt. Wo war Joey?! Sein Blick fiel auf das Nachttischchen. Ein halbverkohlter Rotauge lag da. Mühsam und nichts Gutes ahnend, ging Mokuba wieder zur Tür raus. Nur beiläufig fiel sein blick in den großen Spiegel am Wandschrank und er sah sich auf eigenen Beinen. Fassungslos starrte er sich an. Ihm fiel es mit einem Mal wie Schuppen vor Augen. Die Ärzte und auch Seto hatten die ganze Zeit recht gehabt. Es war nur eine reine Nervensache. Mokuba hatte sich aus Angst vor dem gelähmt sein, sich selber so dermaßen blockiert, dass das Gehirn den Befehl zum Laufen nicht mehr an die Beine durchgegeben hatte. Aber was war mit Joey? Mokuba konnte sich endlich von seinem Spiegelbild lösen und machte sich nun langsam aber beständig auf die Suche nach seinem blonden Freund, während er unermüdlich versuchte Seto telefonisch zu erreichen.
Joey stand auf der Brücke. Auf der anderen Seite des Geländers. Er hielt sich noch fest. Der Wind wehte um seine Nase und spielte mit seinen blonden Haaren. Unter ihm in etwa Zwanzig Meter Tiefe rauschte das Wasser. Tief atmete der Blonde durch. Er war leer und ausgelaugt. Er war tot. Geschlagen von seinem Erzeuger, verraten von seinen Freunden, vergewaltigt von denen, denen er vertraute – fand er ein Stück Frieden bei denen, von denen er es am wenigsten erwartet hatte. Und doch irgendwas in ihm sagte ihm, dass er es schon die ganze Zeit gewusst hatte, auf wem er sich verlassen konnte. Wer ihm helfen würde. „Warum hast du nur so unendlich lange gebraucht? Du kamst zu spät…“, murmelte der Blonde. Tränen liefen über seine Augen. Wie oft hatte Joey schon hier an der Brücke gestanden. Wie oft war er gefallen. Würde diesmal jemand da sein und ihn auffangen? Ihn festhalten? Joey wusste es nicht. Er schloss seine braunen Augen und ließ sich fallen. In Erwartung, dass ihn diesmal jemand auffangen würde.
„Joseph Jay Wheeler, 18 Jahre alt, verurteilt wegen versuchten Mordes, beantragte ein erneutes Aufrollen seines Falles. Sein, ihm zur Verfügung gestellter, Anwalt hat Beweise geliefert, dass die Verurteilung nicht rechtmäßig war und, dass die Zeugen gekauft waren. Sie wurden für Falschaussagen bezahlt.
Nach ersten Ermittlungen hat sich herauskristallisiert, dass der junge Herr Wheeler regelmäßig von seinem Erzeuger körperlich schwer misshandelt wurde. Aufzeichnungen aus den Krankenakten belegen Rippenbrüche, gebrochene Schultern und Hüften. Mehrere tiefe Schnittwunden an Rücken und Bauch wurden vermerkt.
Nach aktuellem Stand der Dinge, hat sich Joseph Jay Wheeler gegen erneute Schläge, Misshandlungen und Mißbrauch gewehrt. Es liegt definitiv eine Notwehrsituation vor. Dem zu Folge, wird Herr Wheeler mit hoher Wahrscheinlichkeit frei gesprochen.
[…]
Joseph Jay Wheeler erlag nach einem Monat im Koma seinen schweren inneren Verletzungen, die ihm in der Justizvollzugsanstalt durch einer Aufsichtsperson in Form von schwerer Vergewaltigung und körperlichen Misshandlung zu gefügt worden war. Die Tortur des jungen Herr Wheelers ging über 8 Stunden. Nur durch das Randalieren und die Unruhe der Mitgefangenen, konnte man dem Treiben ein Ende setzen, doch kam leider jede Hilfe zu spät.[…]“
Seto Kaiba saß in seiner schwarzen Limousine und las in der Akte. Er wusste nicht, wie oft er diese Akte schon gelesen hatte. Langsam schloss er sie nun und blickte aus dem Fenster zu dem Blonden auf der anderen Straßenseite, der sich in die Fluten stürzen wollte. Lange musterte er den Rücken von seinem Köter. Er hatte alles versucht und war doch zu spät gekommen. Ob er es diesmal schaffen würde? Er legte die Akte neben sich und stieg aus den Wagen. Schnell schaute er nach rechts und links. Doch es kam kein Auto. Mit großen Schritten näherte er sich zügig dem Blonden. „Komm zur Ruhe“, murmelte er beiläufig, als er nach Joeys Handgelenk griff, als dieser das Geländer los ließ. Joeys Fall stoppte. Rehbraune Augen blickten in tiefblaue. „Danke…“
Der Körper eines blonden jungen Mannes fiel die Brücke hinunter, schien aber nicht in das Wasser einzutauchen.