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Das Brot des Todes

von
Koautor: abgemeldet

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Grenzübertritt

Selbst als sie über die Grenze schritten grummelte Booth immernoch. Aber leise. Immerhin hatte er die Wette ordnungsgemäß verloren, und er wäre kein Ehrenmann gewesen, wenn er gejammert hätte, dass er viel lieber einen trotteligen Anfänger auf einem Surfboard abgegeben hätte, wie Bones es so schön formuliert hatte. Aber er war ein Ehrenmann, daher grummelte er still und heimlich vor sich hin.

"Man könnte meinen, dass du zu Hause nicht genug Knochen um dich hast, Bones", rutschte es ihm dann doch hinaus, als er sich die Menschen ansah, die ebenfalls mit über die Grenze kamen, heute, am Tag der Toten.

Make-up so weit das Auge blickte, überall Menschen, die sich in absurd schrillen Farben einen Totenschädel auf das Gesicht geschminkt hatten, und an nur für diesen Tag aufgebauten Ständen wurden Schädel in allen möglichen Formen verkauft. Ob er Bones einen Schlüsselanhänger kaufen sollte, einfach so? Und ihn ihr erst heute Abend geben, um ihr zu zeigen, dass er es doch nicht so schlimm gefunden hatte? Abwarten. Noch war der Tag nicht vorbei, vielleicht passierte ja noch etwas. Nicht, dass er grundsätzlich pessimistisch war, aber immerhin waren sie in San Diego gewesen, um einen Mörder zu fassen, und von dort aus über die stadtinnere Grenze nach Tijuana übergewechselt. Mord und Totschlag gab es überall. Warum also nicht auch auf einem Fest?

"Wir alle haben jeden Tag Knochen um uns, Booth", stellte Dr. Temperance Brennan nüchtern fest. "Wir sehen sie nur nie, weil Muskeln, Sehnen und Haut darüber liegen."

"Hast ja recht", murmelte Booth und dachte trotzig daran, dass sie dennoch mehr Leichenteile um sich hatte, als ein durchschnittlicher Mensch. Andererseits war Bones alles mögliche, nur gewiss kein durchschnittlicher Mensch.

"Wir sind also hier, wie du wolltest. Was machen wir jetzt?", wollte er von seiner Partnerin – natürlich rein beruflich – wissen.

"Wir feiern ausgelassen!", lachte Bones. "Außerdem wollte ich schon immer mal das Pan de Muerto probieren!"

"Brot des Todes?", übersetzte Booth mit seinen spärlichen Brocken Spanisch. "Du willst das Brot des Todes essen?"

Doch Bones hatte sich schon umgewandt und war zielstrebig in die nächste Menschenmenge gewandert.
 

Unfassbar. Hier wurde Alkohol ausgeschenkt, und Booth hatte nicht übel Lust, das hiesige Bier zu probieren, hoffte allerdings, dass doch noch irgendwie die Chance auf ein, zwei Stunden am Strand mit einem flachen Stück Holz unter den Füßen bestand, und verkniff es sich.

Der Punkt war: Das hier war ein Volksfest. Da! Betrunkene Menschen. Fröhliche Menschen. Feiernde Menschen. Dennoch hatte Bones es geschafft, einen informativen Straßenstand aufzutun, der über die historischen Wurzeln der Día de los Muertos aufklärte, und sprach mit einem untersetzten, bebrillten Mann ausgelassen über Mumien. Auf Spanisch.

Was Booth auch nur wusste, weil er sie gefragt hatte. Danach hatten sie auf Englisch über gewechselt, aber er war sich nicht sicher, ob es die Sache besser machte. Wollte er wissen, was eine Korbmumie ist? Überhaupt. Mumien. Er schauderte.

Tote hatten zu verwesen, es sei denn, man brauchte sie für einen Fall. Verbrennung war auch okay, wenn er so darüber nachdachte. Aber Mumien?

Immerhin hatte der Mann ihnen erklären können, wo sie das angeblich beste Pan de Muerto der Stadt finden konnten, und nachdem Bones sich von ihrem Gesprächspartner losgerissen hatte, gingen sie los.

"Mumien sind alt. Nichts modernes. Hättet ihr kein aktuelleres Gesprächsthema finden können?"

Schon als ihm die Worte von den Lippen rutschten, ahnte Booth, dass er sie besser bei sich behalten hätte.

"Mumifizierung ist in vielen Kulturen angewandt worden – aber sie wird es heute noch. Es gibt bei uns in Amerika eine Sekte, ich meine Religionsgemeinschaft", sie zwinkerte Booth wissend zu, "die die Mumifizierung nach ägyptischem Vorbild noch heute für ihre Mitglieder anbietet. Und ihre Haustiere."

"Ihre Haustiere?", entfuhr es Booth. "Ich stimme dir zu, das muss eine Sekte sein. Aber... ich meine – das ist nichts amerikanisches", stellte er fest, zufrieden, ein passendes Adjektiv gefunden zu haben.

"Oh, wir mumifizieren seit dem Bürgerkrieg. Ursprünglich war das nur für hochrangige Offiziere vorgesehen, doch nach und nach wurde die Praxis so üblich, dass man nach dem Krieg nicht darauf verzichten wollte. Nur heißt unsere Mumifizierung Thanatopraxie und wird von Bestattern ausgeübt. Die Chancen stehen gut, dass du später auch mumifiziert wirst."

Booth verzog das Gesicht. Das war mehr Information gewesen, als er hatte wissen wollen. Wieder einmal.

Er beschloss, dass es am Geschicktesten war, das Thema ruhen zu lassen, bevor Bones den restlichen Tag von nichts anderem redete, und befand, dass das mit dem Todesbrot vielleicht doch keine so schlechte Idee war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Kerstin-san
2016-08-23T16:00:22+00:00 23.08.2016 18:00
Hallo,
 
wundert mich ja gar nicht, dass Bones nicht abschalten kann und nie genug von Knochen hat, so gut sollte Booth sie mittlerweile aber schon selbst kennen. Generell mag ich seine leicht pessimistische Art hier. Ja, auch auf Festen kann es Mord und Totschlag geben.
 
Bones' unnachahmliche, nüchterne Art hast du wirklich gut umgesetzt. Allein schon diese Aussage mit den Knochen, die man täglich um sich hat, ohne sie zu sehen, fand ich klasse.
 
Liebe Grüße
Kerstin
 
PS: Lieblingssatz: "Die Chancen stehen gut, dass du später auch mumifiziert wirst" Haha, Booth' leidendes Gesicht dazu stell ich mir unfassbar komisch vor.
Antwort von: abgemeldet
23.08.2016 18:03
Man weiß gleich, woher sie ihren Spitznamen hat, was?
Danke!
Von:  CharleyQueens
2016-08-16T18:45:05+00:00 16.08.2016 20:45
Hach, Bones ist nur allzu herrlich.
Die Gute nach Mexiko zu stecken, wo sie das Fest der Toten miterlebt und vor allem über Tote, also Mumien quatscht, ist wirklich interessant. Und es passt so gut zu ihr.
Antwort von: abgemeldet
18.08.2016 11:32
Danke! :3


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