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Tears and Laughter

von

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Eine Nacht bei den Phantomhives


 

Sky
 

Als ich im Wohnheim angekommen war, hatte ich mich ins Bett gelegt. Ich war gerade noch pünktlich zur Sperrstunde gewesen. Ms. Lowell hätte mich erschlagen, wäre ich auch nur zwei Minuten später da gewesen.

Nachdem sich mein wild schlagendes Herz beruhigt hatte, nahm ich noch einmal das Bild zur Hand.

»How sad would it be, should laughter dissapear?«

Warum stand es dort? Was hatte das zu bedeuten?

Da ich nicht schlafen konnte, hatte ich angefangen dem Bild die Form zu geben, die ich mir vorgestellt hatte. Ich zog die Bleistiftstriche mit der Kohlekreide nach. Sorgfältig. Ich wollte das Bild mit der mysteriösen Botschaft auf keinen Fall verderben. Wenn ich die Augen schloss, sah ich die Szenerie noch klar vor mir. Der Mann mit dem, in der Abendsonne schimmernden, Silberhaar und der schwarzen Robe. Diese wunderschön erhaltenen Gräber, gehegt von liebevoller Hand. Der Geruch von Zucker, gemähtem Rasen und Zedernholz.

Ich bekam eine Gänsehaut, als ich in meinem stillen Zimmer, nur erhellt von der kleinen Nachttischlampe, daran zurückdachte. Ich wusste nicht warum und war verwirrt. Doch irgendwann war ich eingeschlafen.
 

Der Tag darauf war mehr als einfach nur anstrengend. Meine Gedanken hingen an dem Friedhof und an dem seltsamen Mann, der einfach nur da gestanden hatte. Warum war er dort gewesen? Er hatte eine Rosenschere in der Hand. War er der Grund, warum diese Gräber so gut aussahen? Aber warum kümmert man sich um uralte Gräber? Ein komisches Hobby?

Von dem was mein Lehrer vorne erklärte, war nichts zu mir durchgedrungen.

Der Freitag verging ereignislos. Ich war im Unterricht, habe mich um meine Dienste als Fag in unserem Apartment und im 'Swan Gazebo', ein Pavillon mit einem Schwan auf seiner Spitze, daher sein Namen, gekümmert. Der Pavillon war mit ausgefallenen Sofas und Tischen ausgestattet, die Leckereien für die Prefects bereit hielten. Er stand auf einer großen Anlage, mit einer Brücke in die Themse und ein paar Booten. Das Gebiet war mit einer Fülle von dichten Büschen, Bäumen und Blumen umgeben. Abends hatte ich noch etwas für eine Klausur gelernt, oder es zumindest versucht und mich mit Amy unterhalten, während ich in ein Buch starrte.

Sie hielt mir auf einmal voller Stolz ein atemberaubendes Kleid vor die Nase.

Es hatte ein schwarzes Korsett, bezogen mit schwarzer Spitze und einer eleganten Schnürung auf Brust und Bauch. Ein kleiner Ring aus schwarzer Spitze zog sich um einen kurzen, gerafften Rock aus glänzenden, violetten Stoff und verschwand hinten in einer langen, bauschigen Schleppe aus mehreren Lagen schwarzen Tülls. Dazu hatte sie mir einen schwarzen Bolero mit Spitzenrand und ein paar schwarze Pomps, die um die Knöchel mit einer Schleife zugebunden wurden, gezeigt. Die Maske sah aus wie ein 'Tribal' in Form eines Schmetterlings.

„Das ist wunderschön“, hauchte ich und ließ mein Buch sinken: „Aber ich glaube, ich sehe in solchen Kleidern nicht gut aus.“

„Oh doch“, protestierte Amy: „Ich habe fast 1 ½ Stunden mit Sebastian vor der Kleiderkammer gestanden und nach etwas passendem gesucht. Er ist sich sicher, dass du fabelhaft darin aussehen wirst. Sebastian ist höflich, aber ehrlich, Sky. Auf seine Meinung ist Verlass und ich denke auch das ist dein Kleid.“

„Ich bin viel zu dünn...“

„Ach was“, Amy schüttelte den Kopf: „Du bist genau richtig.“

„Ich komme eh nicht drum herum, hm?“

„Nicht mehr in diesem Leben.“

„Na klasse...“

Amy verschränkte die Arme: „Mit dem Kleid bist du die Attraktion des Abends.“

„Ich habe mich doch schon geschlagen geben“, ich seufzte. Währenddessen wog ich noch einmal ab, ob ich Amy von meinem gestrigen Erlebnis erzählte. Ich entschloss mich, es durch die Blume zu tun und versteckte das Gesicht wieder hinter dem Buch, um sie nicht anschauen zu müssen: „Du sag mal. Hast du dir schon einmal etwas eingebildet, von dem du hättest schwören können, es sei wirklich da gewesen?“

„Das man denkt es ist wirklich da, ist doch Grundvoraussetzung für eine Einbildung, oder?“

„Ja... Schon. Aber ich rede davon, dass es dir so real vorkommt, dass du gar nicht denkst, es sei eine Einbildung.“

„Ist das nicht fast dasselbe?“

Ich grummelte: „Ach Mann! Du weißt doch was ich meine.“

„Klar“, nickte Amy: „Erzähl mir davon. Was hast du dir eingebildet?“

Sie hatte mich erwischt. Ich seufzte: „Ich war gestern auf dem Friedhof...“

„Dem großen, alten die Themse weiter runter?“

Ich nickte: „Ja... Ich bin durchgegangen bis zu der alten Kapelle...“

„Und? Wurdest du von Jahrhunderte alten Geistern gejagt?“, scherzte Amy.

Ich seufzte ein weiteres Mal: „Nein...“

„Jetzt red schon.“

„Ich hab dort... einen Mann gesehen.“

„Naja. Du bist sicherlich nicht als einziger Mensch fasziniert von alten Gräbern. Es gibt einige Leute, die sich von melancholischem Frieden angezogen fühlen.“

„Ja, aber... irgendwann war er einfach verschwunden. Von jetzt auf gleich.“

Amy legte den Kopf schief und verschränkte die Arme: „Und du denkst er war nie wirklich da? Er könnte auch einfach weg gegangen sein, ohne dass du es gemerkt hast. Du warst doch sicher am Zeichnen, oder? Dann könnte eine Bombe neben dir explodieren, du würdest es nicht merken.“

Ich schaute Amy an. Sie grinste breit.

Ich schüttelte den Kopf: „Er war zu plötzlich weg... und ich konnte ihn auch nicht sehen, als ich den Weg hinunter geschaut hatte. Er war einfach... Puff!“, ich visualisierte das 'Puff' mit meinen Händen. Dann legte ich das Buch auf den Tisch: „Und dann war da etwas auf meinem Bild... Aber ich hab es nicht dahin geschrieben...“

Amy wirkte verblüfft: „Zeig mal.“

Amy und ich gingen in mein Zimmer. Der Block lag noch von gestern Nacht auf meinem Bett. Ich nahm ihn hoch und hielt ihn Amy hin.

Sie musterte kurz das Bild: „Du hast den Typen gezeichnet?“, fragte sie verblüfft. „ Das ist ziemlich dreist.“

„Ja, ja ich weiß... Ich konnte irgendwie nicht anders. Er hatte so eine... überwältigende Ausstrahlung! Wie er da stand! Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so... unbeschreiblich wirkt!“

Amy zog eine Augenbraue hoch: „Du bist ja vollkommen hin und weg“, sie lachte: „Ich habe noch nie erlebt, dass du irgendjemanden so anhimmelst.“

Ich merkte wie meine Wangen warm wurden: „Ich himmele niemanden an!“

„Warum wirst du dann rot?“

Mein Gesicht wurde noch etwas wärmer: „Amy!“

Sie lachte ein weiteres Mal und beschaute das Bild nun eindringlich. Ihr Mund zog sich zu einem breiten Grinsen. Sie schaute auf und sah mich vielsagend an, sagte aber nichts.

„Was ist?“, fragte ich ratlos.

Dann lachte sie auf einmal los.

„Was hast du denn?!“

Sie gab mir meinen Block zurück: „Nichts, nichts. Aber diese Nachricht ist schon sehr kryptisch. Du denkst sie ist von dem Mann?“

„Wenn er überhaupt da war...“

Amy grinste ein Stück breiter: „Ich glaube schon. Er ist wirklich ziemlich... ungewöhnlich.“

„Findest du auch!“

Amy lachte wieder: „Du bist so süß.“

„Bin ich nicht!“

„Ich glaube nicht, dass du ihn dir eingebildet hast.“

Ich seufzte: „Ich weiß es nicht. Und ich wüsste auch nicht, wie er das hätte da drauf schreiben können. Ich hatte den Block die ganze Zeit in der Hand.“

„Vielleicht ist ein Ninja“, witzelte die Phantomhive.

„Mach dich nicht über mich lustig...“

„Oder doch ein Geist.“

„Amy...“

Amy schüttelte den Kopf: „Was willst du jetzt tun? Dahin gehen? Schauen, ob er wieder da ist?“

„Ich bin doch kein Stalker!“

„Nein, aber wenn du ihn noch einmal siehst, denkst du vielleicht nicht mehr, dass du verrückt bist.“

„Ich denke das nicht!“

„Doch klar. Ansonsten hättest du mit der Situation kein Problem und würdest es einfach schulterzuckend abtun, so wie alles andere.“

Ich verschränkte die Arme und schaute zur Seite: „Ich habe kein Problem damit...“ 'Kenn' mich nicht so gut!', fluchte ich stumm.

Amy lachte und schüttelte den Kopf: „Lass uns essen. Wir müssen fit sein. Für morgen!“

Ich seufzte.

Dann aßen wir zu Abend und unterhielten uns noch ein wenig über dies und das.

Amy ging wie immer vor mir zu Bett.

Ich saß ein wenig in meinem Zimmer und versuchte etwas zu zeichnen, doch meine Gedanken wanderten immer und immer wieder zu dem Friedhof. Zu dem Mann. Mein Gesicht wurde wieder warm und ich legte den Kopf auf den Tisch: „Maaaaan... Was ist denn nur los?“

Irgendwann widerstand ich nicht mehr. Ich schlüpfte in meine Schuhe. Da die Sonne schon untergegangen war und es den ganzen Tag geschüttet hatte wie aus Kübeln, zog ich nicht meine dünne Jacke, sondern einen dicken, schwarzen Poncho, den ich dreimal um meinen Oberkörper ziehen konnte, über meine Uniform.

Ich verließ das Haus in die dunkle Nacht.

Es war schon nach der Sperrstunde. Durch das Haupttor konnte ich das Schulgelände nicht mehr verlassen. Ich hatte es geschafft mich unerkannt von dem Grundstück der 'Violet Wolf's zu schleichen. Mein Herz wummerte, als ich über das verlassene und verregnete Schulgelände streifte. Der dicke Wolkenvorhang bewahrte mich vor verräterischem Mondlicht, als ich den Laternen auswich. Ich hatte keinen Schirm dabei, da dies zu auffällig gewesen wäre, deswegen hingen meine Haare schon bald nass in meinem Gesicht. Dann war ich ungesehen am 'Swan Gazebo' angekommen und mein Herz entspannte sich ein Stück. Ich stieg in eins der Boote und ließ mich von der Themse zum Friedhof fahren.

Eine ¾ Stunde später stand ich wieder vor den Gräbern.

Es regnete immer noch und mein Atem bildete kleine Wölkchen vor meinen Mund. Die Köpfe der weißen Blumen neigten sich gen Boden und die Blätter der Büsche wackelten träge unter den dicken Regentropfen. Die Kerzen auf den vielen Gräbern waren erloschen. Hier hinten gab es keine Laternen, es war also zu dunkel um die Namen auf den Steinen lesen zu können.

Doch ich war alleine. Auf dem ganzen Friedhof waren nur ich und die Toten.

Ich seufzte, was eine größere weiße Wolke in die Nacht entließ. Was habe ich denn erwartet? Es war mitten in der Nacht und es regnete.

Ein komisches Gefühl wallte in meinem Magen auf. Es war Frustration... und Bedauern... eine schwere Enttäuschung... das Gefühl von unerfüllten Hoffnungen.

Worauf hatte ich gehofft? Warum hatte ich gehofft, den Mann mit den Silberhaaren hier noch einmal anzutreffen? Ich kannte ihn nicht. Ich kannte noch nicht einmal sein Gesicht. Wusste nicht wie sich seine Stimme anhört. Ich kannte lediglich seinen Rücken... und seine Haare.

Unbefriedigt band ich das Boot los und ruderte Richtung College. Wenn ich erwischt würde hätte ich ein riesiges Problem. Aber ich war ein Heimkind und gewöhnt mich davon zu stehlen, währenddessen die Lehrer hier nicht gewohnt waren, dass es Schüler gab die mitten in der Nacht umher wanderten. Es war mit Nichten das erste Mal gewesen.

Sicher und unerkannt zurück im Wohnhaus, schlüpfte ich in meinen Pyjama und wickelte mich in meine warme Bettdecke, durchgefroren von meinem nächtlichen Friedhofsgang.

Irgendwann schlief ich wieder ein.
 

Ich schlief bis 13 Uhr.

Am Wochenende durften wir das, wenn uns das Frühstück und der Mittagstee nicht wichtig waren. Wir hatten frei wie alle anderen Schüler Londons auch.

Amy weckte mich: „Sky? Komm schon, wach auf!“

Ich blinzelte irritiert, als sie meine schwarzen Gardinen vom Fenster wegschob und die Herbstsonne in mein kleines Zimmer sickerte. Der Himmel war bewölkt, doch die Sonne schien und der Himmel war trocken.

„Was ist denn los?“, murrte ich verschlafen.

„Wenn du nicht bald aufstehst, kommen wir zu spät.“

Ich schaute auf die Uhr auf meinem Handydisplay: „Wir haben noch 5 Stunden, bis es los geht...“

„Sebastian kommt um 17 Uhr und holt uns ab.“

„Dann haben wir immer noch 4...“, ich stockte als mein träges Gehirn die Aussage verarbeitet hatte: „Sebastian?“

Amy nickte: „Klar. Wir bekommen das ganze Programm: Ankunft mit Chauffeur, aufrufen unserer Namen, Champagner zum Empfang und und und“, Amy lächelte: „Für eine Nacht sind wir Prinzessinnen.“

Ich setzte mich in meinem Bett auf und gähnte: „Ich fühle mich eher wie ein überfahrenes Wiesel, als wie eine Prinzessin...“

„Jetzt steh auf“, Amy zog mir die Bettdecke weg. Es war frisch im Zimmer. Doch Amy blieb erbarmungslos: „Ich musste Sebastian versichern, dass wir uns beide gegenseitig herrichten. Make up, Haare, etc. Das ist aufwendig und wird dauern.“

Ich streckte mich und schwang meine Beine aus dem Bett: „Ok, ok... Aber ich bin nicht gut in sowas.“

„Oh doch, bist du“, versicherte mir Amy: „Wenn man dir zuhört könnte man denken, du bist in gar nichts gut.“

Ich stand auf: „Das ist auch wahrscheinlich so.“

Amy schüttelte den Kopf: „Jetzt komm. Ich hab dir Rührei mitgebracht.“

Ich schlüpfte in einen schwarzen Morgenmantel und folgte Amy aus dem Zimmer: „Uhhhh. Die hohe Dame, die 'Purple Prefect' hat mir, einem bescheidenen Fag, Rührei reserviert.“

Wir aßen Frühstück.

„Hast du schon jemanden gefunden, den du zum Fag haben möchtest?“, fragte die Phantomhive.

„Noch nicht“, antwortete ich gelangweilt: „Ich hätte gern eine im ersten Jahr, aber noch ist mir keine aufgefallen.“ Danach schlüpfte Amy unter die Dusche und ließ mich mit meiner unterdrückten Verwirrung wieder allein. Mit einer Kaffeetasse in der Hand setzte ich mich auf eine Kiste, die in die trapezförmige Aussparung unter dem großen Wohnzimmerfenster eingelassen war und schaute nach unten auf den kleinen Park. Irgendwie wanderten meine Gedanken immer wieder zurück. Ich konnte mir das nicht erklären, aber die Gestalt des Mannes in schwarz hielt meinen Geist unnachgiebig fest. Ich konnte mir selbst nicht glauben, dass ich gestern mitten in der Nacht, trotz aller Risiken, wegen ihm noch einmal losgezogen war. Dass ich so enttäuscht gewesen war, als meine Unternehmung fruchtlos geblieben ist.

Pünktlich mit dem letzten Schluck meines Kaffees kam Amy wieder. Sie trug ein bauchfreies Sporttop und eine Jogginghose: „Geh duschen. Wir haben noch 3 Stunden.“

Ich nickte nur.

Amy hielt mich noch einmal auf, als ich an ihr vorbei aus der Türe wollte: „Ist alles ok bei dir?“

Ich schaute sie an und tat verwirrt: „Klar. Warum fragst du?

„Du wirkst bedrückt.“

Gerade hasste ich es, dass Amy mich lesen konnte wie ein offenes Buch.

„Noch wegen Gestern?“, fragte sie, als ich nicht antwortete.

Ich zuckte mit den Schultern: „Ich bin einfach noch Müde. Der Kaffee wirkt noch nicht.“

Amy seufzte: „Wenn du meinst...“

Ich beschaute sie kurz: „Dein Aufzug sieht aber nicht nach Ball aus“, wechselte ich das Thema.

Sie lachte kurz: „Da du jetzt öfter auf Bälle mitkommen wirst, merke dir eins: Schuhe vor Korsett.“

„Ich tue was?!“

Amy lächelte weiter: „Du bist meine beste Freundin. Ich hätte dich gerne öfter dabei. So eigentlich... immer!“

„Amy ich...“

„Hey“, sie legte mir die Hände auf die Schultern: „Bleib cool. Schauen wir erst mal wie heute Abend läuft. Dann kannst du immer noch sagen, du kommst nie wieder mit.“

Ich nickte träge: „Mir schwant übles.“

„Geh duschen.“

Ich verschwand in mein Zimmer, schnappte mir ebenfalls ein Sportoberteil, eine Jogginghose und frische Unterwäsche und stieg dann unter die Dusche.

Das warme Wasser entspannte mich. Erst jetzt merkte ich die Anspannung in meinen Schultern- und Nackenmuskeln. Als sich meine Muskeln entkrampften und mir der Wasserdampf in die Nase stieg, erinnerte ich mich an dem Geruch von Zucker, frisch getrimmtem Gras und Zedernholz. Es war ein simpler Geruch. Doch er roch so gut. Hatte der Mann so gerochen? Quatsch... Er hätte direkt hinter mir stehen müssen. Bestimmt war vor kurzem Rasen gemäht worden. Doch dann sagten mir meine Erinnerungen, dass es eher eine Wiese als ein Rasen gewesen war. Wild gewachsen und von den letzten Gänseblumen des Jahres bevölkert.

Ich warf mir eine Hand voll Wasser ins Gesicht um meine Gedanken vom Friedhof weg zu bekommen. Weg von den Gräbern, weg von dem Mann und weg von der fürchterlichen Frustration.

Als ich angezogen war, ging ich ins Wohnzimmer, wo Amy noch ein wenig fern sah und sich nebenbei die Fußnägel mit dunklem blau-metallic Nagellack lackierte. Ihre Finger waren schon fertig.

Sie hielt mir einen schwarzen Nagellack entgegen: „Hier.“

Ich seufzte und begann mir stumm die Nägel anzupinseln.

„Weißt du“, sagte Amy ohne aufzusehen: „Vielleicht findest du ja nen süßen Typen.“

„Meintest du nicht die seien alle furchtbar ordinär und langweilig?“

„Nein. Nur die Söhne der Geschäftspartner.“

„Wer ist denn sonst noch da?“

„Ein paar Freunde der Familie“, zupfte Amy die Watte aus den Zwischenräumen ihrer Zehen.

„Sind die nicht viel zu alt?“

„Die sind ziemlich zeitlos.“

Ich schaute sie verwirrt an und wedelte mit meinen Händen: „Was soll das denn heißen?“

Amy grinste: „Ich werde dir doch nicht die Überraschung verderben.“

„Na klasse...“

„So“, Amber drehte sich zu mir: „Es wird spannend! Erst Make up. Dann Haare. Wer zuerst?“

„Ist mir egal“, grummelte ich unbegeistert.

„Mir auch...“, Amy hielt mir ihre Faust hin.

Kommentarlos wusste ich was sie wollte. Wir schüttelten unsere Fäuste. Amys zeigte Papier, meine Schere.

Amy hob eine Tasche vom Boden neben der Couch hoch und legte sie auf das Sofa: „Komm.“

Ich drehte mich zu ihr. Mit einem Haarband sorgte sie dafür, dass meine Haare mir nicht ins Gesicht fielen.

Dann begann sie mich zu schminken. Es dauerte eine halbe Stunde.

Irgendwann hob sie einen kleinen Spiegel hoch. Das Make up war dezent, doch elegant. Graue Smoky Eyes, dezenter Lidstrich, ein matter dunkelroter Lippenstift, meine langen Wimpern elegant getuscht.

„Du solltest dein Talent echt nicht für mich verschwenden“, sagte ich.

„Das ist nicht verschwendet“, lächelte Amy: „Du wirst wunderbar aussehen. Jetzt ich.“

„Welche Farbe hat dein Kleid?“, fragte ich, als ich das Haarband in ihre Haare schob.

„Blau/Schwarz“, antwortete sie.

Dann fing ich an. Ich betonte ihre Wangen mit dunklem Rouge, ihre Augen mit pudrigem, dezentem braunen Lidschatten. Ihren Lidstrich machte ich etwas geschwungener und breiter und ihr Lipgloss war apricot und glänzend. Ich hielt ihr den Spiegel hin, unzufrieden mit mir selbst: „Gut so?“

Amy lächelte: „Perfekt. Du bist super, Sky.“

„Naja...“, ich legte den Kopf schief: „Vielleicht sollte ich da...“

Amy schüttelte energisch den Kopf: „Ich liebe es, Sky. Lass es so. Komm dreh dich um! Ich weiß schon genau, was ich mit deinen Haaren mache.“

Kampflos drehte ich mich um und merkte schnell, wie Amy sich an meinen dünnen Haaren zu schaffen machte. Es dauerte einige Zeit, dann hörte ich Amys Stimme: „Luft anhalten.“

Ich tat wie mir geheißen und hörte das Zischen einer Haarspraydose. Die feinen Tröpfchen tanzten vor meinen Augen in der Luft. Dann drehte Amy mich um und hielt den Spiegel hoch. Meine Haare waren in einem lockeren Dutt, in meinem Nacken leicht nach links versetzt, zusammen gefasst. Mein langer Pony war zur Seite gekämmt und links war davon nur eine dicke Strähne übrig. Eine dicke geflochtene Strähne trennte ihn von dem Rest der Haare.

„Schüttele den Kopf“, sagte Amy.

„Aber... dann fliegen wieder Strähnen aus der Frisur. Du weißt doch wie rutschig meine blöden Haare sind.“

Amy lugte hinter dem Spiegel hervor: „Das ist mein Plan.“

„Sicher?“

„Schütteln!“

Ich schüttelte. Aus dem Dutt waren einige Haarspitzen gefallen.

„Perfekt“, lächelte die Phantomhive.

Dann drehte sie sich weg. Ich musste einige Minuten überlegen, bis ich anfing ihre Haare hinten zu einer Banane zu drehen. Dann drehte ich sie um und bearbeitete ihre Haare mit einem Lockenstab, sodass er in Wellen lag. Fixieren tat ich ihre Haare mit etwas Haarspray. Dann zeigte ich sie ihr: „Das ist zu schlicht...“

„Ach was. Ich mag kein großes tam tam, das weißt du. Mir gefällt es.“

„... Wirklich?“

„Klar“, Amy schaute auf ihr Handy: „Oh verdammt! Noch 20 Minuten. Sebastian bringt uns um, wenn wir nicht fertig sind!“

Sie spurtete in ihr Zimmer. Ich eilte hinterher. Sie gab mir meine Sachen: „Schuhe vor Korsett!“, mahnte sie noch einmal.

Mit einem: „Ja, ja“, verschwand ich in mein Zimmer und zog das Kleid, den Bolero, die Maske und die Schuhe an. Dazu mein Medaillon und ein paar kleine, silberne Kreolen. Das Mädchen im Spiegel erkannte ich fast nicht.

Doch ich war nicht gänzlich überzeugt. Obwohl das Kleid passte wie angegossen, fand ich, standen meine Schlüsselbeine viel zu weit heraus.

Doch mir fehlte die Zeit um mich noch einmal umzuziehen.

Ich ging in Wohnzimmer. Amy stand dort und hatte gerade den Fernseher ausgeschaltet. Ihr Kleid war aus schwarzer Spitze, hinten länger, vorne kürzer. Für die Brust hatte es ein wundervolles Korsett aus einem dunklen, glänzenden Blau, auch bezogen mit schwarzer Spitze. Dazu trug sie elegante schwarze Stiefel, denselben Bolero wie ich, dazu Silberschmuck. Ihre Maske war ebenfalls ein schwarzes 'Tribal' und erinnerte an einen Vogel.

„Nett. Wenn heute Abend irgendjemand eine Typen findet, dann du“, lächelte ich dünn.

„Ach wie“, Amy lächelte: „Du siehst atemberaubend aus.“

„Naja... Meine Schlüsselbeine sehen das anders.“

„Dein Schlüsselbeine passen genauso gut zu dir wie dieses Kleid.“

Amy lächelte mich an: „Ab in die Jacken“, sie rauschte zur Garderobe und hielt mir meinen Poncho hin.

Ich wickelte mich ein, während Amy einen schwarzen Mantel überzog.

Als wir das Wohnheim verließen, lag ein komisches Gefühl in der Luft. Mein Nacken kribbelte ganz komisch und ein beständiges Unwohlsein wurde in meiner Wirbelsäule immer stärker, während wir dem Weg zum Haupttor gingen. Durch eben dieses verließen wir das Schulgelände. Der Wärter verabschiedete uns höflich.

Vor dem Tor lächelte uns der schwarzhaarige Butler der Phantomhives, Sebastian, vor einer Limo entgegen: „Myladys? Ihr seht wundervoll aus.“

Sebastian war ein größer, gut gebauter und sehr attraktiver Mann. Seine Butleruniform – in Form eines Fracks - war nicht nur ein Kleinstückig, es war seine Lebenseinstellung. Sein Gesicht war so makellos, das es unmenschlich wirkte. Doch seine braunen, fast rostroten, Augen waren kalt, wie sein Lächeln und irgendetwas haftete an dem Mann was mir unheimlich ungeheuer war.

„Danke Sebastian“, lachte Amy und stieg an Sebastians Hand ein.

Sebastian hielt mir seine Hand hin.

„Ähm...“, ich legte meine Hand zögerlich in seine Handfläche, immer noch von irgendetwas an Sebastian furchtbar verstört. Das Gefühl in meinem Nacken und Rücken kribbelte unterschwellig doch intensiver als zu vor: „Danke sehr.“

Er führte mich an der Hand durch die Autotür, sodass ich elegant einstieg: „Ich wünsche eine angenehme Fahrt“, schloss er die Tür.

Wir hörten eine weitere Türe auf und zu gehen und der Wagen fuhr los.

Ein komisches Gefühl war in meiner Magengegend und das Kribbeln in meinem Nacken bließ einfach nicht nach weswegen ich immer wieder mit den Schultern rollte. Amy lächelte mich aufbauend an: „Du siehst toll aus.“

„Nur weil du eine Promenadenmischung in ein Tütü steckst, wird kein Pudel draus.“

Amy seufzte: „Versuch Spaß zu haben. Ich habe das Gefühl dieser Abend hält die ein oder andere Überraschung für dich bereit.“

Ich kannte Amy genauso gut, wie sie mich. Daher wusste ich, dass sie definitiv Informationen hatte die mir fehlen: „Aha, warum?“

„Nur so ein Gefühl“, lachte sie.
 

Das Phantomhive Manor befand sich in einem Nebel verhangenen Wald am Stadtrand von London. Das gesamte Gebiet war mit Ruinen und Trümmerstein übersäht. Weite Teile des Landes wurden durch eine große Menge von Büschen und Bäumen gezeichnet, bis hin zu dem gigantische Gebäude des Schlosses.

Eine lange Treppe führt zum Eingang. Ein riesiger Brunnen in der Nähe stand davor. Jede Ebene des hohen, gotischen Manors umfasste zahlreiche Zimmer, die mit eleganten, luxuriösen Möbeln und dem Hab und Gut des Phantomhive Haushaltes ausgestattet waren.

Sebastian öffnete die Autotüre und führte uns an der Hand hinaus.

Er verbeugte sich: „Darf ich die Damen zum Ballsaal führen?“

Amy lächelte mich an. Angesichts der großen Villa fühlte ich mich fehl am Platz.

„Natürlich“, lächelte Amy Sebastian an.

„Folgt mir bitte“, lächelte Sebastian und Amy harkte sich elegant in seinen Arm. Er streckte mir die freie Hand hin: „Lady Rosewell, darf ich bitten?“

Ich war verwirrt und mehr als überfordert. Mein Nacken kribbelte immer noch unterschwellig und ich wusste einfach nicht was es war, aber irgendetwas an dem Butler störte mich gewaltigst. Ich schob den Gedanken bei seite und ignorierte das unterschwellige kribbeln so gut es ging. Gequält ließ ich die etlichen Stunden Benimmunterricht Revue passieren. Mit einem gezwungenen Lächeln legte ich meine Hand auf seine. Er klemmte meinen Arm elegant in seinen und führte uns die lange Treppe hoch, durch die große Flügeltüre, die sich wie von alleine öffnete. Ich war irritiert. In der großen, protzigen Eingangshalle mit den vielen Familienportraits der Phantomhives war niemand. Nur etliche Generation der Adelsfamilie hingen in großen Rahmen an den Wänden. Am anderen Ende des Raumes, zwei große Treppen. An der Wand hinter ihnen prangte groß das Wappen der Familie. Aber ich sah keine Menschenseele, die uns hätte die Türe öffnen können. Wahrscheinlich waren sie einfach schon wieder in einer der etlichen Türen verschwunden.

Sebastian führte uns die rechte Treppe hoch, an dem großen Wappen vorbei und wir endeten vor einer großen Eichentür.

Sebastian entließ unsere Arme: „Die Damen? Entschuldigt mich. Ich werde alles für ihren Auftritt vorbereiten.“

Meine Augen wanderten zu Amy.

„Keine Panik“, konterte sie meine weiten Augen: „Alles cool. Nase hoch, Brust raus, nicht stolpern, alles gut.“

„Hm hm“, summte ich gestresst durch meine geschlossenen Lippen.

Sebastian lachte: „Ihr werdet das wunderbar machen. Entschuldigt mich nun“, verschwand der Butler durch die Eichentür. Durch den Spalt, die er sie öffnete, sickerte klassische, aber heitere Musik und ein Wirrwarr aus etlichen Stimmen.

Amy lachte: „Bleib cool. Wir rocken das.“

„Ok, ok wenn du so zuversichtlich bist.“

Es verging einige Zeit. Irgendwann kam eine Frau heraus, die sich als ein Dienstmädchen vorstellte. Wir wechselten locker, aber höflich zu dritt ein paar Worte, dann öffnete sie die Türe einen Spaltbreit: „Viel Vergnügen, Myladys.“

Amy harkte sich in meinen Arm: „Haltung!“

Gleichzeitig strafften wir unser Rückgrat.

Das Stimmengewirr verschwand, als wir das vornehme Klopfen auf ein dünnes Glas hörten: „Meine Damen und Herren“, sprach eine mir fremde Männerstimme.

Amy flüsterte mir ins Ohr: „Mein Vater.“

„Ah“, machte ich.

„Darf ich um ihre Aufmerksamkeit bitten?“, fuhr die Stimme von Amys Vater fort: „Wie sie alle wissen, ist der heutige Anlass für diese kleine Feier der 18. Geburtstag meiner liebreizenden Tochter Amber. Deswegen begrüßt jetzt mit mir das Mädchen, nein, die Frau des Abends!“

„Es betritt den Saal“, flog Sebastians Stimme durch den Türspalt und die Maid öffnete die Tür komplett. Amy zog mich nach vorne und wir beide traten im Synchronschritt durch die Tür. Das grelle Licht der vielen großen Kronleuchter, verziert mit etlichen Glasperlen, die die Lichter der Glühbirnen weiter streuten, blendete mich kurz. Dann sah ich die zahllosen Menschen am Ende der langen, geschwungenen Treppe, an dessen Anfang wir nun standen. Der Marmorboden des Tanzsaals war so glatt poliert, dass er spiegelte und die hell getafelten Wände waren verziert mit Dahlien, violetten Stoffbannern und Luftballons. Lange Tische standen an einer Wand, mit langen, weißen Tischdecken und endlosen Leckereien. Sogar ein Schokobrunnen und feinstes Geschirr. Überall standen schwarze Blumenvasen an den Wänden, im Kontrast zum hellen Raum mit grünen Zimmerpflanzen.

Ich war sprachlos. Amy führte mich die Treppe hinunter zu der Horde von Menschen.

„Die Prefect des violetten Hauses, der Violet Wolfs, des Weston Ladys College, Tochter des Earls und der Countess Phantomhive und der heutige Ehrengast: Lady Amber Heather Phantomhive! Begleitet von ihrer treuen Fag, besten Freundin und begnadeten Künstlerin: Lady Skyler Rosewell! Applaus, meine Damen und Heeren! Applaus!“, begleitet Sebastian erstaunlich laute Stimme unseren Weg nach unten. Die Menge applaudierte.

An der Treppe warteten zwei Erwachsene: Ein großer Mann mit längeren, blau/schwarzen Haaren und königsblauen, schmalen Augen, eins von einer schwarzen Augenklappe verdeckt, ein mildes Lächeln auf den dünnen Lippen und im ganzen schmalen Gesicht. Er trug einen teuren, anthrazitfarbenen Anzug. An der anderen Seite eine hübsche Brünette, mit großen braunen Augen und einem herzförmigen Gesicht. Ihre Haare waren aufwendig hochgesteckt und sie trug ein cremefarbenes Rüschenkleid. Auch sie lächelte sanft.

Die Beiden hatten ihre Masken in der Hand.

„Amy“, ihre Mutter umarmte sie. Ich blieb ein Stück weiter hinten zurück.

Die Frau in creme drückte sie fest: „Alles Gute noch einmal mein Schatz. Wir sind so stolz auf dich.“

„Danke Mum“, lächelte Amy.

Dann war ihr Vater dran. Er drückte sie liebevoll: „Du bist so groß. Fast erwachsen, aber du wirst immer mein kleines Mädchen sein, sei dir dessen Gewiss.“

„Ich weiß Dad. Danke.“

Ich beschaute die Szene mit einer Mischung aus Frieden, warmer Freude und einem furchtbaren, schneidenden Schmerzen im Herzen und im Lächeln.

Amy ließ ihren Vater los und stellte sich neben mich: „Mum, Dad, darf ich vorstellen? Das ist Sky.“

Ihre Mutter reichte mir die Hand: „Oh! Was eine reizende junge Dame! Ich bin Heather Daphne Phantomhive.“

Ich schüttelte ihre Hand: „Es ist mir eine Ehre, Madame Phantomhive.“

Sie lachte: „Oh bitte! Nenne mich Heather. Für Amy gehörst du zur Familie, dann für uns auch.“

Meine Wangen wurden warm und ich wurde aus irgendeinem Grund furchtbar nervös: „Oh, ähm... Vielen Dank, Heather. Es ist mir eine umso größere Ehre.“

Dann streckte mir ihr Vater die Hand hin: „In der Tat. Eine fabelhafte Lady. Ich bin Alexander Julius Phantomhive. Nenne mich doch bitte Alexander.“

Ich schüttelte auch seine Hand mit einem Lächeln: „Es ist mir eine Freude, Alexander!“

Amy lächelte: „Wir müssen die anderen Gäste begrüßen.“

„Die Wichtigen zumindest“, lachte Alexander: „Überlasse den Geschäftskram mir. Du sollst Spaß haben. Ihr sollt Spaß haben.“

Amy nickte: „Aber die üblichen Verbrecher muss Sky kennen lernen!“

Auch Heather lachte: „Es wird sicherlich eine Erfahrung werden.“

Amy zog mich mit sich.

„Es war mir eine Freude“, entgegnete ich noch einmal, bis Amy meinen Arm in ihren harkte und mit sich nahm.

Sebastian kam uns mit einem Tablett entgegen, auf dem Champagnerflöten standen: „Die Damen.“

Amy nahm eine Flöte, gab sie mir und nahm sich selbst eine: „Auf einen unvergesslichen Abend“, hielt sie mir die Flöte hin. Ich tippte ihre mit meiner an und ein heller Laut surrte durch die Luft: „Auf einen unvergesslichen Abend.“

Wir nahmen einen Schluck und gingen weiter durch den Saal. Ein Junge kam uns entgegen. Er trug einen schwarzen Anzug und hatte eine modische, schwarz/blaue Gelfrisur und schmale königsblaue Augen: „Amy!“

„Hallo Frederic“, lächelte Amy ihrem Bruder entgegen. Die Familienähnlichkeit der Phantomhives war erstaunlich.

Die Beiden umarmten sich: „Alles Gute, Schwesterherz.“

Dann wandte er sich zu mir und streckte mir die Hand hin: „Du bist Skyler, hm? Frederic Alexander Phantomhive, aber nenn mich doch Fred.“

Ich schüttelte seine Hand: „Freut mich, Fred.“

„Er war letztes Jahr Prefect der Sapphire Owls auf dem Jungscollege.“

„Ehrlich“, lächelte ich: „Das liegt wohl in der Familie.“

Fred nickte: „Seit Generationen sind die Söhne der Phantomhive Prefect des blauen Hauses. Ich glaube der Headmaster entscheidet das mittlerweile nach dem Nachnamen.“

„Ich bin mir sicher, Ihr hattet es verdient“, lächelte ich weiter.

„Oh bitte. Du. Ich bin gerade ein Jahr älter als Amy.“

Ich nickte.

Amy schaute ihn an: „Wo sind unsere Chaosgötter?“

Ich schaute etwas verwirrt. Das musste wohl ein Spitzname sein.

Fred lachte: „Du findest sie. Unsere Diva ist unübersehbar. Wie immer. Die Anderen waren eben noch bei ihm.“

„Super, komm Sky.“

Ich nickte Fred zum Abschied. Er tat es mir gleich und ich folgte Amy auf dem Fuß.

„Ich sagte doch, meine Familie wird dich lieben.“

„Ich glaub sie waren nur höflich...“

„Nein! Du bist eine Erscheinung! Such nach was Rotem.“

„Nach was Rotem?“

„Du verstehst, wenn du es gefunden hast.“

Ich war verwirrt, nahm es aber so hin und half Amy suchen. Dann sah ich es. Mir klappte der Mund auf. Ein Mann mit leuchtend rotem Haar. Sie müssen endlos lang sein, er hatte sie filigran und äußerst feminin hochgesteckt. Über seinen leuchtend gelb/grünen Augen trug er eine venezianische Maske. Sie war weiß, mit roten Rand und beklebt mit roter Spitze, verziert mit roten, schwarzen und weißen Federn. Sein äußerst bleiches Gesicht strahlte, als er sich unterhielt und weit gestikulierte. Er trug ein ebenso leuchtend, rotes Hemd mit einer schwarzen Krawatte und Weste, dazu eine schwarze Hose und rote Stiefeletten mit hohem Absatz.

Die beiden Männer um ihn herum hatten ebenso exotische gelb/grüne Augen und genau wie er eine Sektflöte in der Hand. Der eine hatte eine strenge, kurze, dunkle Frisur mit Seitenscheitel. Er schaute etwas genervt aus der venezianischen Maske, die an eine Pestmaske erinnerte, mit einigen glitzernden Ornamenten verziert. Er trug einen schlichten, aber eleganten schwarzen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Seine Lackschuhe glänzten.

Der Andere hatte blondes, buschiges Haar, welches im Nacken braun gefärbt war. Über seinem jugendlichen Gesicht trug er eine weiße, halbe Maske, Marke Phantom der Oper. Er trug ein weißes Hemd mit schwarzer Weste und eine dunkle Jeans, dazu schwarze Segeltuchschuhe. Seine Aufmachung war etwas zu leger für den Anlass, aber das schien ihn nicht zu interessieren.

„Grell! Ronald! William!“, rief Amy und winkte.

Die drei Männer schauten zu ihr. Der Mann in Rot kam auf sie zu, umarmte sie, hob sie von den Füßen und drehte sie im Kreis: „Amy!! Du siehst wundervoll aus!!“

„Ah! Grell! Stoooooooop!“, der Mann namens Grell stellte Amy wieder auf ihre Füße.

„Ich darf dir zum Geburtstag meine besten Grüße ausrichten, Amber“, sagte der streng wirkende, schwarzhaarige Mann.

Amy deutete eine Verneigung an: „Dank Will.“

Der Mann seufzte: „Amber, bitte.“

„Och, nur heute. Als Geschenk, Will.“

William, oder Will seufzte erneut: „Nun gut. Aber nur heute.“

„Versprochen.“

Der Blonde drängelte sich zwischen Grell und William: „Oh Amy! Ich hab auch ein Geschenk für dich!“

Amy lachte: „Oh wie lieb. Was denn Ronald?“

Er nahm ihre Hand: „Du musst unbedingt mit mir tanzen!“

„Lässt sich einrichten“, lächelte Amy freudig: „Darf ich euch jemanden vorstellen?“

Ronald schaute mich an und wackelte bedeutungsschwer mit einer Augenbraue: „Oh ich bitte darum.“

Ich winkte etwas unbeholfen.

„Das ist meine beste Freundin Sky. Sky? Das sind Grell Sutcliff, Ronald Knox und William T. Spears.“

„Es ist mir eine Freude“, lächelte ich. Dieser Satz könnte ein neues Mantra werden.

„Oh! Dieses Kleid steht dir ausgezeichnet, liebe Sky“, quietschte Grell: „Ein bisschen mehr Selbstvertrauen, Mädchen! Solche Kleider muss man spüren! Man muss sie leben!“

„Äh“, machte ich und hielt mein Lächeln irgendwie: „Danke für den Tipp.“

„Wo sind eure Brillen?“, fragte Amy verwirrt.

William seufzte, schon wieder: „Grell fand es eine gute Idee, wenn wir alle Kontaktlinsen tragen.“

„Stell dir vor unsere Brillen gehen in dem regen Treiben kaputt“, verteidigte sich Grell und stemmte die Hände in die Hüften: „Außerdem können wir mit den Brillen keine Masken tragen und das hier ist ein M-A-S-K-E-N-B-A-L-L.“

Ein weiterer Seufzer Williams.

„Nicht gut?“, fragte Ronald.

Amy lachte: „Doch, doch. Es hat mich nur gewundert. Ich muss sagen, Grells Gedankengang ist gar nicht so dumm.“

„Ein seltener, leuchtender Moment. Er hielt nicht lange“, stöhnte William.

„Hey!“, machte Grell

Ich musste kichern. Ronald stieg ein: „Du hast das Prinzip verstanden, Sky.“

„Habt ihr die Anderen gesehen?“, fragte Amy.

„Lee streunt irgendwo bei den Ladys rum“, sagte Grell: „Er glitzert wie ein Weihnachtsbaum. Man erkennt ihn.“

„Frank und Charlie sind bei ihm“, ergänzte Will.

„Er ist auch da“, Ronald schüttelte sich.

„Er?“, fragte ich verwirrt.

„Ja“, machte Ronald: „Einfach nur er...“

Ich schaute Amy mit einer erhobenen Augenbraue an. Diese lachte: „Alles erklärt sich, wenn du es siehst.“

„In der Tat“, sagte William. Er faste sich an die Nase, als würde er eine Brille hochschieben wollen, die er nicht trug. Genervt ließ er die Hand sinken: „Er ist da, wo er immer ist.“

Amber lächelte: „Dann gehen wir erst zu Lee. Wir sehen uns noch.“

Ronald zwinkerte: „Klar, du musst ja noch mit mir tanzen.“

Grell schenkte uns ein zahnvolles Grinsen. Ich machte große Augen. Seine Zähne waren scharf und spitz, wie ein Haifischgebiss: „Genieße deine Feier, Amy.“

William nickte nur: „Beste Wünsche.“

Amy zog mich weiter. Mein Blick hing noch an dem roten Mann mit den Haifischzähnen: „Was... was war das?“

„Was?“, fragte Amy.

„Seine... seine Zähne!“

Amy lachte: „Grell ist harmlos. Lass dich nicht aus der Ruhe bringen.“

„Ah“, das beantwortete meine Frage nicht ansatzweise. Aber ich dachte nicht, dass Amy mich erleuchtet.

Wir kamen an eine kleine Sitzgruppe nahe den Tischen, die von etlichen Frauen umringt waren. Jetzt wusste ich was Grell mit 'Weihnachtsbaum' meinte: Ein langer, junger Mann mit kurzen, wuscheligen, schwarzen Haaren saß auf einem Sessel. Er war sichtlich asiatischer Herkunft und sein himmelblaues Changshan war bestickt mit gelben und silbernen Drachenmustern. Der Rest seiner Tracht war dunkel und schlicht. Die Maske über seinen schlitzförmigen, braunen Augen sah aus wie ein goldener Drache. Auf seinem Schoss saß eine Frau und die ganze Runde lachte.

Auf einem anderen Sessel saß ein athletischer, junger Mann mit blondem Zopf, braunen Augen. Er lachte heiter mit dem Asiaten und den vielen Frauen. Er trug eine schlichte schwarze Maske über den Augen und einen ebenso schlichten Anzug wie William, nur war seiner grau und sein Hemd ebenfalls. Auf dem dritten Sessel saß ein Mann, der noch genervter wirkte als William. Sein Anzug war dunkel grün und er trug ein weißes Hemd mit vielen, sich kreuzenden schwarzen Linien. Er hatte kurzes, dunkelbraunes Haar, ordentlich gekämmt und war ebenso muskulös wie der Blonde und so lang wie der Asiate. Die Maske über seinen braunen Augen war weiß, mit goldenem Rand und verziert mit Musiknoten.

Amy blieb mit mir vor den mit Frauen umringten Männern stehen: „Lee, Charlie, Frank.“

Die Männer drehen sich um. Der Asiate, wahrscheinlich Lee, breitete die Arme aus: „Die Person der Stunde! Das Geburtstagskind!“

Der Blonde stand auf und drückte Amy: „Alles Gute, mein Herz.“

„Danke Charlie.“

Der Andere schüttelte ihre Hand: „Meine Glückwünsche, Amy. Wer ist deine Freundin?“

Die Männer sprachen alle mit Akzent und sahen auch nicht aus wie Briten.

Amy lachte: „Das ist Sky! Meine beste Freundin. Sky? Das sind Lee Feng, Geschäftsführer der Kong-Rong Trading Company.“

Lee winkte: „Es ist mir eine Ehre.“

Ich nickte: „Ebenfalls.“

„Das ist...“

„Oh bitte Amy“, lachte der Blonde: „Ich bin groß und schaff das alleine“, er nahm meine Hand: „Charlie Hermanns. Ich vertrete die 'Funtom Company' in Deutschland, aber hauptberuflich reise ich durch die Weltgeschichte.“

„Das ist sicher interessant!“, lachte ich.

„Und wie und wie!“

Amy kicherte und zeigte auf den braunhaarigen Mann: „Und das ist Frank von Steinen. Ein deutscher Nobelmann.“

Ich verneigte mich leicht: „Herr von Steinen.“

Dieser nickte: „Sehr erfreut.“

Amy lachte: „Unsere Familien arbeiten schon seit Jahren zusammen!“

Charlie lachte: „Eher Jahrzehnten Amy! Über 126 Jahre!“

Ich machte große Augen. Ich wusste, dass Amys Familie eine riesige Firma für Spielzeug und Süßigkeiten führte und diese Firma schon über zwei Jahrhunderte bestand, aber dass Geschäftsbeziehungen solange hielten fand ich beeindruckend: „Wow.“

Lee lachte: „Ja ja, vier Generationen harmonische Zusammenarbeit.“

„Hast du die Chaoten schon begrüßt?“, fragte Frank. Der Spitzname war irgendwie liebevoll, auch wenn der Mann nicht wirklich gut amüsiert wirkte.

Amy lachte: „Ja, nur ihn noch nicht.“

„Ihn?“, fragte ich.

„Ja, ja“, lachte Lee: „Einfach nur ihn.“

„Du weißt warum, wenn du ihn kennen lernst“, lachte Charlie.

„Wir sollten sie warnen“, seufzte Frank.

„Nein, nein!“, machte Lee: „Verdirb' ihr nicht die Überraschung!“

Ich schaute Amy an: „Warte. Ist 'Ihn' 'Er'?“

Amy nickte: „Ja. Wir gehen jetzt zu ihm.“

„Viel Spaß“, wedelte Lee mit seinem langen Ärmel zum Abschied.

„Hab keine Angst. Hier sind alle ganz brav“, lächelte Charlie.

„Aber trink vorher noch was“, nuschelte Frank in sein Whiskyglas.

Amy nahm mich mit.

„Wer ist 'Ihn' oder 'Er'? Warum sind alle so kryptisch?“

Amy lachte: „Er ist die Crémé de la Crémé der geistigen... Flexibilität.“

„Aha?“

„Sky, ich kann es nicht beschreiben. Man muss ihn erleben.“

Sie führte mich durch den Raum, an die gegenüberliegende Wand: „Ah, da ist er.“

Ich folgte ihrem Blick und es traf mich wie ein Hammer. Ich dachte wirklich es reißt mich von den Füßen: 'Das kann nicht.... Nein, das ist Zufall.'

„Hey! Undertaker!“, rief Amy und winkte ihm zu, als sie mich weiter zu dem Mann zog, den sie Undertaker nannte.

'Undertaker? Was ist das denn für ein Name? Das... Das ist kein Name!', dachte ich verwirrt, als sich etwas in mir sträubte und etwas in mir unbedingt zu dem Mann wollte. Doch waren das Sträuben und die fürchterliche Nervosität stärker. Mein Herz wummerte wie verrückt: „Amy bitte...“

„Jetzt komm. Er ist einer der ältesten Freunde meiner Familie! Und er ist total lieb. Ein bisschen komisch und skurril, aber lieb.“

„Fantastisch...“

Doch ich kam nicht drum herum. Schon allein wegen der Tatsache, dass der Mann in unsere Richtung geschaut hatte, als Amy nach ihm rief. Er lehnte an der Wand, die Arme verschränkt. Bis eben schien er leicht hängenden Kopfes die ganze Szenerie des Balles begutachtet zu haben. Keiner war bei ihm und der Bereich um ihn war vollkommen leer, obwohl so viele Menschen im Saal waren. Er hatte dieselbe atemberaubende Aura wie vor zwei Tagen auf dem Friedhof. Alt, mysteriös, obwohl er nicht alt aussah. Seine langen, silbernen Haare glänzten im Schein der Kronleuchter und fielen ihm in einem hohen Pferdeschwanz über die Schulter. Sein Pony war zur Seite gekämmt und zwei breite Strähnen hingen frei vor seinen Ohren herunter. Ich konnte sein Gesicht nun deutlich sehen, zumindest den Teil ohne Maske. Mein Herz pochte noch schneller. Es war spitz und sehr schön geschnitten. Ein breites Grinsen lag auf seinen geschwungenen, schmalen Lippen. Von seinem rechten Kieferknochen zog sich eine lange Narbe über seine Wange und Nase und verschwand unter der schwarze Maske in Form einer Fledermaus, auf der das Skelett besagten Tieres aufgezeichnet war, die über seinen leuchtenden grün/gelben Augen lag. Es war dieselbe Farbe wie von den drei Männern, die ich zuerst kennen lernte. Waren sie verwandt? Außer den Augen sahen sie sich allerdings nicht ähnlich.

Er trug die weite, schwarze Robe nicht, sodass man erkennen konnte, dass der große Mann durchaus gut trainiert sein musste. Er hatte sie gegen ein Nadelstreifenhemd getauscht, bei dem die ersten 3 Knöpfe in Form von Totenköpfen offen standen und so die Narbe rund um seinen Hals freigaben. Auch auf seiner Brust sah man ein Stück einer Narbe. Seine Ärmel waren hochgekrempelt. Auch seine Unterarme hatten ein bis zwei große Narben. Was war mit ihm passiert? Um seine Oberarme zogen sich zwei Ärmelhalter mit einer silbernen Schnalle, die wie Knochen gestaltet waren. Dazu trug er eine enge schwarze Hose, eine goldene Kette mit einigen Medaillons um die Hüfte und lange Overkneelackstiefel mit vielen Bändern und Schnallen.

Er stieß sich von der Wand ab, als Amy mit mir im Schlepptau näher kam: „Lady Phantomhive, hehe“, seine Stimme war komisch. Als ob er viel höher sprach, als für seine Stimmbänder ausgelegt.

„Undertaker! Ich hab so gehofft, das du kommst!“

„Eeehehehehe“, lachte er schrill und irgendwie gruselig, als er seine Arme auseinander faltete und seine langen Arme mit den schlanken Händen, den dünnen Fingern und den langen schwarzen Nägeln ausbreitete. Amy fiel ihm um den Hals und die Beiden schunkelten ein paar Mal von links nach rechts und zurück: „Wie könnte ich nicht? Ich bleibe vielleicht nicht lange, aber zu Geburtstagen und Halloween komme ich doch immer, oder?“ Er schaute mich über Amys Schulter an und grinste breiter.

Ich wusste nicht ansatzweise wie ich mich verhalten sollte. Vielleicht war er es ja gar nicht!

Amy lachte: „Du hast recht“, sie nahm die Arme runter.

„Ich hab etwas für dich“, lächelte er und zog ein kleines Schächtelchen aus der Brusttasche. Es sah aus wie ein kleiner Sarg. Amy nahm es entgegen und öffnete es: „Wie süß!“

Darin lag eine kleine silberne Brosche, in Form eines Totenschädels, verziert mit schwarzem Tüll und zwei blauen Seidenrosen.

„100% selbstgemacht“, lachte der Mann.

„Oh danke!“, sie fiel ihm noch mal um den Hals.

Undertaker schlang die langen Arme um sie und hob sie kurz in die Luft: „Ach nicht doch, hehe.“

Er setzte sie ab. Amy lächelte und steckte sich die Brosche an: „Und?“

„Besser als gehofft, hihi.“

Amy lachte und zeigte mit der Hand auf mich: „Wenn ich dir meine...“

Doch er streckte mir schon seine Hand mit den langen, aber nicht unansehnlichen Fingern hin. Er trug einige Ringe und hatte eine weitere Narbe rund um seinen kleinen Finger: „Lady Rosewell.“

„Woher...“, begann ich, doch der Mann, Undertaker, unterbrach mich: „Ich habe sehr gute Ohren und Sebastian hat euch lautstark angekündigt.“

Ich lächelte gequält und nahm seine Hand: „Sehr... erfreut... Aber bitte, ich bin Sky.“

„Ein schöner Name“, grinste der Mann und hielt meine Hand fest: „Für eine schöne, junge Lady.“

Ich merkte wie meine Wangen rot wurden. Die Hand des Mannes war verwunderlich weich, doch furchtbar kalt.

„D-danke“, lächelte ich ihn weiter an.

„Oh bitte“, er zog mich zu sich und nahm mein Kinn in die andere Hand. Er drehte meinen Kopf, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Unsere Nasenspitzen berührten sich fast. Mir schoss die Farbe ins Gesicht, als ich in die leuchtenden Augen sah und mein Herz einen Marathon ohne mich lief. Sie hatten einen ganz unbeschreiblichen Ausdruck, doch dann tat mein Herz einen schmerzhaften Sprung und meine Augen weiteten sich: Er roch nach Zucker, geschnittenem Gras und Zedernholz.

„Nicht so ein gequältes Lächeln“, grinste er.

„Äääähm“, war das Einzige was ich zu Stande bekam.

Er legte den Kopf schief, ohne die Distanz zu verlängern und grinste weiter. Es war ein lachhaft breites Grinsen, doch es war irgendwie nicht unansehnlich: „Hm?“

„Ich... ich... ähm...“

„Ja?“, er lachte wieder schrill: „Eehehehehehe. Nicht so schüchtern. Sprich dich aus, Sky“, mein Name rollte mit einer seltsamen Betonung von seinen Lippen.

Amy lachte: „Manche Menschen fühlen sich eingeengt, wenn du ihnen so wenig Platz lässt, Undertaker.

„Eeehehehehe“, lachte er und ließ meine Hand und mein Kinn los. Meine Knie waren gefährlich weich geworden.

„Lass mir doch ein wenig Spaß“, grinste er.

Ich schaute ihn perplex an.

Amy lachte: „Du hattest ihn doch, aber eigentlich wollte ich nicht, dass Sky an diesem Abend an einem Herzinfarkt stirbt.“

Er legte eine Hand auf seine Brust: „Ich mache doch nichts.“

„Sky?“, lächelte Amy.

Ich drehte mein gestresstes, rotes Gesicht zu ihr: „Hmm?“

„Undertaker ist Bestattungsunternehmer. Er bietet jeglichen Service an: Vom eigenen Sarg bis zur Grabpflege. Er ist schon lange ein guter Freund der Familie. Fast schon ein Teil davon.“

Ich schaute ihn wieder an. Den Bestattungsunternehmer glaubte ich ihm sofort. Warte! Bestattungsunternehmer?! Grabpflege?! Er arbeitet also auf Friedhöfen?! Mein Kiefer klappte auf: ' Das kann doch nicht...', ich schaffte den Gedanken nicht zu Ende. Irgendetwas in mir wollte nicht glauben, dass es sich um DEN Mann handelte. Es war Zufall, purer Zufall. Ich bin wahrscheinlich nur verrückt geworden.

„Sag, Sky“, er streckte sein Gesicht in meins. Ich zog den Kopf mit großen Augen nach hinten und merkte die Hitze in meinem Gesicht: „Willst du wissen, wie es ist in einem maßgefertigten Sarg zu liegen?“

„Was?!“, entfuhr es mir lauter, schriller und uneleganter als ich wollte. Ich tat einen Schritt zurück: „Bitte..?! Was?! Wieso...?!“

Er zog seinen Kopf wieder zu sich und verschränkte nur die Fingerkuppen, als er zu Lachen anfing: „Hihihi, ich mache die besten Särge in ganz London. Sie sind berüchtigt, meine Kunden haben sich noch nie beschwert.“

'Kein Wunder', dachte ich mir: 'Die sind auch tot, verdammt!'

„Er hat recht“, bestätigt Amy: „Wer eine wirklich traditionelle Bestattung wünscht, geht zu ihm.“

Er drehte eine Hand in der Luft: „Ich bin wahrscheinlich in der Tat... Wie sagt man mittlerweile... etwas Old-fashion.“

Dann legte er einen Zeigefinger an die Lippen und lachte.

'Was ein Vogel', schoss es durch meinen Kopf. Es stand wahrscheinlich auch in meinem Gesicht, denn der Mann lachte noch mehr. Er wirkte nicht ansatzweise angegriffen oder pikiert.

Plötzlich schlangen sich zwei Arme von hinten um meine Taille und zogen mich ein Stück weg: „Also wirklich!“

Ich drehte meinen Kopf und sah in ein Gesicht umrahmt von roten Haaren: „So behandelt man keine Ladys, du verrückter alter Sack!“

'Alter Sack?', Grells Betragen und diese Aussage feuerten meine überforderte Verwirrung weiter an:' Der ist vielleicht Anfang 30! Genau wie du!', tatsächlich schätzte ich Grell und Undertaker als ungefähr gleich alt ein, Undertaker war vielleicht ein paar Jahre älter, doch ich schaffte es nicht es auszusprechen.

Doch Undertaker quittierte auch diesen Angriff auf seine Person mit einem amüsierten, schrillen Lachen: „Eeehehehe. Wenn man so alt ist wie ich sucht man verzweifelt nach etwas Amüsement“, er tat zwei Schritte auf uns zu und streckte seine Nase nun in Grells Gesicht: „Du kannst mich ja bespaßen, wenn du meinst das Mädchen vor mir beschützen zu müssen.“

Das ganze Gespräch leuchtete mir einfach nicht ein und mein Blick wechselte zwischen Grell und Undertaker hin und her. Ich war nicht mal so viel bei mir, dass ich versuchte mich aus Grells Armen zu befreien, obwohl ich kein Fan von Körperkontakt war, schon gar nicht von so engem, denn Grell drückte mich fest gegen seine Brust, wie ein verletztes Kätzchen, was er von einer blutdürstigen Dogge beschützen müsse. Grell war sichtlich verärgert, Undertaker hingegen sichtlich belustigt.

„Du Perversling!“, kreischte Grell.

„Pervers?“, Undertaker lachte, schon wieder: „Woran denkst du denn? Eehehehehe. Du bist der Perverse, wenn das tatsächlich dein erster Gedanke ist.“

„Wie soll man das denn sonst verstehen?!“

Undertaker zog seinen Kopf zurück und legte überlegend einen Finger an die Lippen: „Lass mich nachdenken... Was wäre denn lustig... hmmmm... Mach den Phönix!“

„Den was?“, fragte ich leise.

Grell ließ mich los, rauschte nach vorne und ging Undertaker an die Gurgel. Er schüttelte ihn heftig, von vorne nach hinten: „Den Phönix!? Nicht in diesem Leben! Nicht in irgendeinem Leben! So was von einer Dame zu verlangen!“

Jeder andere wäre wahrscheinlich schon ohnmächtig, aber Undertaker lachte, als habe er selten so viel Spaß. Er lachte wie ein Verrückter.

Ich schlich zu Amy: „Lass uns abhauen...“, flüsterte ich ihr zu, als Grell Undertaker immer noch lauthals sehr uncharmante Dinge an den Kopf warf und der Bestatter lachte wie ein hysterisches Kind auf einer Hüpfburg.

Amy lachte: „Na dann...“, sie wurde je unterbrochen, als jemand ihre Hand griff. Es war Ronald: „Komm Amy! Das Lied ist genau das Richtige für uns.“

Sie lächelte mich an. Ich schaute mit der Miene eines begossenen Pudels zurück.

„Ich komme gleich wieder! Amüsiere dich!“

Ich schaute über die Schulter. Die Szenerie zwischen Grell und Undertaker hatte sich noch nicht geändert und etliche Augen starrten sie an. Ich schaute wieder zu Amy, aber sie war weg. Mein Blick wanderte zur Tanzfläche, wo sie einen formvollendeten Walzer mit Ronald aufs Parkett legte. Die Beiden lachten dabei. Amy sah so aus, als genieße sie ihren Abend. Bei dieser Erkenntnis streifte mein Gesicht ein dünnes Lächeln, doch ich fühlte mich ziemlich alleine zwischen all den Menschen die ich nicht kannte und die, die ich kennen lernen durfte waren doch reichlich bizarr und irgendwie ziemlich seltsam.

Mit einem Seufzen drehte ich mein Gesicht weg von der Tanzfläche und ließ auch die beiden Streithähne hinter mir. Ich wanderte an den großen Fenstern entlang und schaute auf den großen Brunnen. Gedankenverloren verschränkte ich die Arme und schaute hinaus. Die ruinengespränkelte Landschaft in Kombination mit dem großen herrlichen Brunnen. Ich stellte mir vor, wie die Szenerie wohl von der gegenüberliegenden Seite wirken musste: Ruinen, der Brunnen, die Villa im Hintergrund.

Mein Blick wanderte weiter die Wand entlang. Da sah ich eine schlichte Tür, so lackiert, dass sie fast in der Wand verschwand. Ich beugte mich ein Stück vor um aus dem Fenster an der Wand vorbei zu schauen. Wie es schien war hinter der Tür kein weiterer Raum. Wahrscheinlich war es ein Eingang für Bedienstete, damit sie nicht mit Sack- und Pack die große Treppe rauf und runter mussten.

Mein Kopf kippte ein Stück zur Seite. Ich fühlte mich alleine hier unwohl, doch ich konnte nicht von Amy verlangen, dass sie mir erlaubte, den ganzen Abend an ihren Fersen zu hängen. Sie sollte ihren Geburtstag feiern, so wie sie es möchte. Außerdem machte dieses unterschwellige Kribbeln mich halb verrückt. Es verfolgte mich nun schon den ganzen Abend. Wahrscheinlich war es schlicht und einfach die Nervosität. Also beschloss ich mir meine Heimkindfertigkeiten zu nutze zu machen und ungesehen ins Nichts zu verschwinden. Ein bisschen frische Luft würde mir sicher gut tun und meine Nervosität ein wenig verschwinden lassen. Außerdem wollte ich wissen, ob die Szenerie wirklich so atemberaubend war, wie in meinem Kopf.

Vollkommen normal ging ich zu der kaschierten Tür und schlüpfte hindurch. Solange man sich normal bewegte, verschwand man am besten aus dem Sichtfeld der meisten Menschen.
 

Es war frisch draußen. Mein Atem bildete kleine Wölkchen, als ich die Arme um meinen Körper schlang. Es war eine kühle, doch sternenklare Septembernacht. Ich sog die kalte Luft ein und sie wehte seicht durch meinen aufgewühlten Verstand. Sanft streichelte ein lauer Wind meine heißen Wangen. Ich wusste nicht warum ich so rot geworden war. Ein komisch, mir vollkommen unbekanntes, Gefühl lag eher unterschwellig, doch warm und kribbelig in meiner Bauchgegend. Doch wenigstens war das Kribbeln in meinem Nacken fast gänzlich abgeflaut. Nur noch ganz leicht surrte es durch meine Wirbelsäule. Ein weiterer sanfter Seufzer entfuhr mir, als ich den Brunnen passierte und die ersten Bäume erreicht hatte.

Ich drehte mich wieder zum Manor und beschaute die Szenerie mit kritischen Augen. Die protzige, elegante Villa:' Zeitlos...', umgeben von Verfall:' Vergangen...' und dem sprudelnden, mit steinernen Vasen verzierten, Brunnen:' Leben...'

Ich bedauerte zutiefst, dass ich keinen Block und Stift zur Hand hatte.

Ich habe zwar lieber das Original vor Augen, doch ich entschloss mich ein Foto zu schießen, um den Anblick der Villa später auf mein Papier zu bannen.

Mit gezücktem Handy ging ich an dem Rand des kleinen Waldstückes entlang und schoss immer mal wieder ein Bild. Ich würde mich später für den besten Winkel entscheiden.

Als ich mit dem Finger über den Display wischte, um die Bilder das erste Mal in Augenschein zu nehmen, fuhr urplötzlich ein bedrohliches Kribbeln durch meinem Rücken, sodass ich die Schultern drehte, um das unangenehme Gefühl zu vertreiben. Dann hörte ich ein Knacken hinter mir.

Erschrocken fuhr mein Oberkörper herum. Nichts.

Ich drehte mich wieder weg. Vielleicht war es ein Mäuslein, das sich vor meiner plötzlichen Bewegung mehr erschreckt hatte, als ich vor dem Geräusch.

Ich atmete tief durch, doch ein bedrohliches Kribbeln blieb in meinem Rücken zurück, sodass ich die Schultern drehte, um das unangenehme Gefühl zu vertreiben.

Langsam wischte ich weiter durch die Bilder. Schon wieder ein Knacken. Ein paar Vögel stoben auf.

Ich fuhr wieder halb herum: „Hallo?“

Vielleicht hatte sich ja jemand am Sekt zu gütig getan, sich ebenso wie ich aus dem Saal geschlichen und sich in den Wald gerettet, um unbemerkt seinen gestressten Magen zu erleichtern.

„Ist dort jemand?“, ich steckte das Handy weg und hob die Tüllschleppe des Kleides hoch, als ich ein paar Schritte über das Unterholz des Waldrandes tat. Pumps waren dafür übrigens nicht die richtige Wahl, weswegen ich die Bäume als Stütze benutzten musste: „Brauchen sie Hilfe?“

Mein Herz blieb stehen, als etwas meine Schulter griff.

Ich wurde in zwei Arme gezogen. Eisern hielt Einer mich fest umschlossen und der Andere presste meinen Mund zu, sodass nicht mehr als ein gequältes Stöhnen zu hören war.

„Na, na?“, lachte eine junge Männerstimme: „Wen haben wir denn da? Was macht ein so zartes Ding wie du hier, im Wald, vor dem Manor Phantomhive?“

Ich wollte ihn ankeifen und beschimpfen. Ihn anschreien, er solle mich los lassen, aber die Wörter wurden durch seine Hand ein abgedämpfter Buchstabensalat.

Ich wand mich, doch ich kam nicht gegen den Arm an.

Etwas knackte. Einmal. Zweimal. Dann schälte sich eine dunkle Silhouette aus dem Schatten der Bäume. Ein blonder junger Mann, soweit ich im Dunklen erkennen konnte. Mittellanges Haar, große blaue Augen in einem unschuldig, runden Gesicht. Seine Kleidung konnte ich nicht richtig erkennen, was ich sah förmlich und dunkel.

Sein zu einem fiesen Lachen verzehrter Mund wirkte falsch in seinem Gesicht: „Oh, ein Ballkleid. Ihr seht vorzüglich aus, junge Lady.“

Ich wand mich stärker. Vergeblich. Panisch starrte ich den Mann an, der nur ein paar Jahre älter schien als ich.

Er tat einen Schritt auf mich zu: „Wie kommt es, dass jemand wie ihr ohne Begleitung unterwegs ist?“

Ich erstarrte. Meine weit aufgerissenen Augen brannten an der kalten Luft.

Er kam noch näher und streckte die Hand aus. Er fuhr mit zwei Fingern mein Schlüsselbein entlang. Es kitzelte unangenehm und hinterließ eine hitzige, kribbelnde Spur aus Angst. Seine Finger wanderten weiter, meinen Hals hinauf zu meinem Kinn: „Claude, lass sie los.“

„Ja, eure Hoheit“, die Hände verschwanden. Doch bevor ich etwas tun konnte, hatte der Blonde mein Kinn zu sich gezogen und meine Hüfte gegriffen. Mein Kinn hielt er eisern fest. So fest, dass es schmerzte. Mein Nacken knackte, als der junge Mann meinen Kopf unsanft zu ihm hoch bog und ich ihm so in die blauen Augen sehen musste. In Ihnen stand ein gefährliches Leuchten. Ein amüsiertes, gefährliches Leuchten: „Wie heißt du?“

„Fahr zur Hölle!“, rief ich und stemmte meine Hände gegen seine Brust, um mich aus seinen Griff zu befreien.

Er zog mein Kinn näher zu sich: „Na! Wie unhöflich!“

„Lass mich los!“

„Ich will mich doch nur mit dir unterhalten“, lachte er gefährlich.

„Aber ich nicht mit dir!“, ich trat ihn mit meinen Hacken auf den Fuß.

Überwältigt von dem unerwarteten Schmerz ließ er mich los und ging leicht in die Knie. Ich haute ihm den Ellbogen gegen die Nase und rannte so gut es ging.

„CLAUDE!“

„Ja, eure Hoheit.“

Ich war die paar Schritte aus dem Wald gestolpert, da wurde ich von den Füßen gehoben: „Mein junger Meister wünscht mit Euch zu sprechen, hört ihr nicht?“

Ich schaute in ein ausdrucksloses Gesicht. Schmale goldene Augen hinter einer eckigen rahmenlosen Brille. Kurze, wilde, braune Haare.

„Lass mich ge...“, wieder hielt er mir den Mund zu, obwohl er mich auf dem Arm hatte. Der Mann musste stark sein. Das Gefühl auf meinen Lippen war nicht das Gefühl von Haut, sondern von Stoff. Vermutlich trug er Handschuhe.

Ich versuchte mit beiden Händen den Arm wegzuschieben. Vergebens.

Der Blonde kam zu uns: „Du Hure!“

Ich strampelte mit den Beinen, doch der Braunhaarige blieb unbeeindruckt.

Der Blonde griff nach mir. Ich kratzte ihn im Gesicht. Drei leuchtende Schrammen blieben zurück.

Kurz starrte er mich wütend an. Das Verhängnis in seinen Augen ließ mein Herz und Körper einfrieren.

„Lass sie runter“, knurrte er dunkel.

Der Brillenträger tat wie ihm geheißen.

Der Blonde kam auf mich zu und ohrfeigte mich: „Was wagst du dich!?“

Ich lief. So schnell ich konnte. Doch in meiner Hast knickte mir der Fuß in den hohen Schuhen um. Ich spürte das weiche Gras, als ich auf dem Boden landete.

Als ich versuchte mich aufzurappeln, griff mich etwas an den Haaren und riss mich unsanft auf die Füße: „Dich werd' ich lehren, du kleines Miststück.“

Ich konnte nicht anders, als dem Blonden zu folgen, während er mich an den Haaren in eine Richtung zog: „Lass mich los! Lass das sein!“

Der Blonde nahm mich irgendwann an den Schultern und drehte mich zu ihm. Wieder fixierte er meinen Kopf an meinem Kinn. Wut und Verachtung schrien mir aus tiefem Blau entgegen: „Du hättest einen sehr schönen Abend haben können“, flüsterte er mir bedrohlich leise ins Gesicht. Mein Atem raste, genau wie mein Herz und meine Lungen brannten vor Panik, als sein Hauch warm über meine Wangen rollte: „Eine sehr aufregende Nacht. Nun. Diese Nacht wird noch aufregend werden. Für dich. Ein allerletztes Mal“, ein dunkles, tiefes Lachen kroch in meine Ohren und schickte ein fürchterliches Kribbeln meine Wirbelsäule entlang in meine Finger. Er ging einen Schritt nach hinten. Da er mein Kinn so eisern festhielt, musste ich mit gehen. Meine Kniebeugen stießen an etwas Kaltes.

„Au revoir“, lachte er. Dann ertrank meine Welt wortwörtlich in einem tiefen Rauschen.

Seine Hand packte meinen Hals, als er mich in kaltes Wasser tauchte. Ich wehrte mich. Trampelte, tritt, schlug um mich. Wasser spritzte. Es war furchtbar kalt.

Ich wusste nicht wie lange ich kämpfte, doch ich spürte das Brennen in meinen leeren Lungen. Ich wollte husten, weil ich Wasser schluckte, doch dadurch verschluckte ich mich nur noch mehr. Meine Arme wurden lahm, meine Beine auch. Die Kälte kroch bis in die Tiefen meines Körpers, als mein Sichtfeld, verschwommen von Blasen und wilden Wellen, immer kleiner wurde. Der schwarze Rand kroch aus den Rändern meiner Augen in meinem Kopf, bis ich nicht mehr stark genug war weiter zu kämpfen.

Das kalte Wasser ergriff mich gänzlich, als meine Gliedmaßen erschlafften. Eine ungute, kalte Ruhe kehrte in meinen Kopf und mein Herz schlug langsamer. Viel langsamer.

'Ich werde sterben', hallte es träge durch meine Gedanken.

Als ich die Augen schloss und endgültig aufgeben wollte, griff mich etwas und zog mich hoch.

Ich spürte nicht wie das Wasser an meinem Körper vorbeifloss, bis mich die scharfe Luft willkommen hieß.

„Sky? Sky?! Atme!“, sickerte eine Stimme dumpf und von weit her durch meine sirupartigen Gedanken.

Eine Bewegung in meinem Körper. Doch nicht von mir. Mein Körper war zu taub.

„Hey! Hol Luft!“, ich kannte die Stimme.

Die Bewegung hörte nicht auf. Ich fing an etwas Weiches unter mir zu spüren.

„Sky!“

Es war furchtbar kalt und dunkel. Das taube Gefühl wich nach und nach einem furchtbaren Brennen. In meinen Gliedmaßen war es eher unterschwellig, doch in meiner Lunge wütete es wie Feuer.

Krampfhaft hustete ich. Ein Schwall Wasser rollte über meine Lippen. Ich hustete weiter. Es beschlich mich das Gefühl meine Lungen flogen in tausend Teile.

„So ist es gut“, die Stimme wurde lauter, kam näher: „Du musst Luft holen! Heute ist noch nicht dein Tag!“

Scharf und röchelnd zwang ich mich, meine gereizten Lungen mit Luft zu füllen. Obwohl ich es so krampfhaft versuchte, hatte ich das Gefühl zu ersticken.

Husten und gequältes Atmen schüttelten mich im Wechsel.

Ich spürte Gras zwischen meinen kraftlosen Fingern. Etwas Warmes an meinem Rücken. Ich merkte, dass die Wiese nur unter meiner unteren Körperhälfte war.

„Ruhig“, die Stimme war sanft und holte mich nach und nach zurück an die kalte Luft. Mein Körper zuckte. Ich zitterte furchtbar durch die Kombination aus Wasser, kalten Luftzügen und Schmerzen.

„Alles wird gut, atme ruhig. Du bist nicht allein.“

Ich schloss den Mund und versuchte ruhiger durch die Nase zu atmen. Da war etwas. Mein Kopf ratterte. Ich roch etwas... es war süß... und frisch... und natürlich. Die Erkenntnis riss mich mit sich in die wache Welt: Zucker, gemähtes Gras und Zedernholz!

Ich riss die Augen auf. Japsend schaute ich in ein spitzes Gesicht, gezeichnet von einer großen Narbe. Ich röchelte, ich huste und konnte nichts sagen.

Ein sanftes Lächeln, es wirkte irgendwie erleichtert, lag auf seinen dünnen Lippen und den leuchtenden grünen Augen. Die Maske fehlte. Das Gesicht über mir war komplett und atemberaubend schön.

„Under...“, begann ich, musste aber wieder husten.

Ich merkte, dass der Mann mich in den Armen hielt. Ich zitterte unkontrolliert und heftig. Woher mein Körper dazu die Kraft nahm wusste ich nicht. Jeder Windhauch fühlte sich an, als schnitt ein Messer in meine Haut. Mickrig und erbärmlich fühlte ich mich.

„Schhhh“, machte der Totengräber beruhigend und aufmunternd: „Alles ist in Ordnung. Sprich nicht. Atme.“

Er legte mich ins Gras. Mein verschleiertes Sichtfeld hing an dem Gesicht des silberhaarigen Mannes.

Neben ihm lag ein langer Mantel auf dem Boden. Fast eine Robe. Ich kannte sie. Die Friedhofsszene schwirrte durch mein schlaffes Gehirn.

Mit schnellen Bewegungen wickelte er sie um meinen Körper. Dann hob er mich mit beiden Armen hoch.

Er lächelte warm. Nicht dieses komische alberne Lächeln, es wirkte... ehrlicher.

Schnellen Schrittes ging er auf die Villa zu: „Sebastian!“

Ich wand meine schweren Augen ab von dem schönen Mann und schaute zum Eingang.

Sofort nach dem Ruf des Bestatters öffnete sie sich und der Butler stand in der Tür: „Was ist passiert?“

„Oliver war hier. Mit Claude“, antwortete Undertaker, als er zum Butler aufgeschlossen hatte.

„Diese verdammten Trancys!“, fauchte der Butler: „Komm schnell. Wir müssen sie aufwärmen, ansonsten bekommt sie eine Lungenentzündung.“

Die beiden Männer liefen im Laufschritt durch die Halle.

Von weiter weg hörte ich Amys Stimme: „Gott! Was ist passiert!? Sky?!“

„Die Trancys, Mylady“, antwortete der Butler: „Emma, mach ein Zimmer bereit! Kenny, koch Salbeitee und mach eine Wärmflasche fertig! Laura, hol Decken und warme Kleider!“

Dreimal ein: „Ja!“, auf die Instruktionen des Butlers.

Amy erschien an meiner Seite. Mein Atem ging immer noch raschelnd: „Sky? Geht es dir gut?“

Ich konnte nichts sagen.

Ein leichtes Hüpfen verriet mir, dass Undertaker zwei Stufen gleichzeitig nahm.

Ein stechender Schmerz in meinen Lungen legte einen Knoten in meine Kehle. Verzweifelt versuchte ich ihn aus zu husten. Ich hatte wieder das Gefühl ich erstickte.

„Sky!“, Amy´s Stimme klang hysterisch, als mein Sichtfeld in sich zusammen sackte.

„Hey! Atmen!“, sprach die Stimme des Totengräbers nah an meinem Ohr.

Der Geruch von Zucker, Gras und Zedernholz begleitete mich in ein tiefes, schwarzes Nichts.
 

Undertaker
 

Der Freitag war relativ ereignislos und arbeitsreich von statten gegangen.

Ich bereitete mehrere Gäste für ihre Beerdigungen vor, fuhr sie zum Friedhof, bereitete die Kapelle vor und bahrte sie auf.

Es waren alle keine großen Beerdigungen gewesen. Klein, Traditionell, Gefühlsschwanger.

Leider konnte ich nie wirklich lange bleiben, denn heute folgten Beerdigungen Schlag auf Schlag und ich musste noch einige vorbereitende Arbeiten leisten, die ich am Samstag nicht erledigen konnte, da ich ja wegfahren wollte.

Am Nachmittag ging ich zu einem kleinen Schneider, um mir ein Hemd abzuholen, bei dem er ein Loch flicken sollte. Es war eins meiner liebsten Stücke, aber alt und ich wollte es am Samstag tragen.

So ereignislos wie der Freitag begann endete er auch, was nicht hieß es war ein schlechter Tag gewesen. Ganz im Gegenteil! Nachdem ich bis spät Abends meinen Gästen zu Diensten war, legte ich mich zufrieden in meinen Sarg und schloss die Augen bis zum nächsten Morgen.
 

Bevor ich mich am Mittag für den Ball fertig machte, arbeitete ich an ein paar Entwürfen für neue Särge und schrieb eine Einkaufsliste für Holz und andere Materialien, die ich für die neuen Entwürfe brauchen würde. Ich trug in meinen Kalender für Montag ein, durch ein paar Stoffläden zu streifen und mir Stoffe und Muster anzuschauen.

Während ich dabei war Striche auf das Papier vor mir zu zeichnen, ging meine Ladentür auf. Ich blinzelte auf. Ein rothaariger Mann wehte in meinen Laden: „Undertaker!“, trällerte er.

Ich grinste ihn durch meinen Pony an: „Hallo Grell. Was kann ich für dich tun?“

„Ich bin hier um etwas für dich zu tun“, er setzte sich auf den Tresen, an dem ich gerade arbeitete.

„Aha?“, machte ich neugierig, doch Grell zog zu erst das Papier unter meinen Stift weg: „Ein Sarg? Warum verwundert mich das nicht?“

Ich lehnte mich zurück und verschränkte lachend Finger und Beine: „Du bist hier in einem Bestattungsunternehmen, Grell. Was erwartest du?“

Grell seufzte: „Wahrscheinlich genau das. Wie auch immer“, er legte das Papier zurück auf den Tisch und griff in seine Manteltasche: „Hier.“

Er legte einen kleinen Behälter auf den Tisch. Er bestand aus zwei kleinen, kreisrunden Containern, auf dem einen ein 'L' auf dem anderen ein 'R'.

„Was ist das?“, nahm ich den Behälter zwischen den Fingernagel des Daumens und des Zeigefingers und hielt ihn nah vor mein Gesicht.

Grell lachte: „Ein Aufbewahrungsbehälter für Kontaktlinsen.“

Ich zog eine Augenbraue hoch, auch wenn ich wusste, dass Grell es nicht sah: „Wozu bringst du mir das?“

Der rothaarige Sensenmann nahm meine Fledermausmaske vom Tresen und beschaute sie: „Wie ich sehe bist du heute Abend ebenfalls wieder mit dabei. Deswegen dachte ich du könntest das gebrauchen.“

„Natürlich bin ich dabei, hehe. Aber wozu sollte ich Kontaktlinsen brauchen?“

Grell breitete theatralisch die Arme aus: „Heute Abend ist ein Maskenball. Da kann man keine Brillen tragen. So bist du, ohne Brille, nicht blind wie ein Fisch!“

„Ich trage so gut wie nie eine Brille, Grell.“

Grell verschränkte seufzend die Arme: „Willst du nicht auch mal was von dieser Welt sehen, außer konturlose Flecken?“

„Sehen ist nicht alles, Grell. Eeheheheheehehe.“

Grell putzte seine Brillengläser mit seiner braunen Anzugweste, als er mir antwortete: „Ich wollte nur nett sein. Ich hab welche für Will, Ronald und mich besorgt. Die Beiden werden so schnuckelig aussehen! Da fielst du mir ein. Ich dachte du freust dich, dass mal jemand an dich denkt.“

Wieder lachte ich: „Tehehehe. Ich bin höchst geschmeichelt, lieber Grell.“

Grell drehte sich und knallte die Hände auf den Tisch, als er sich in mein Gesicht beugte: „Du darfst deine Augen nicht immer verstecken, das ist unfair! Unfair! Unfair! Unfair!“, er klopfte immer wieder mit den Händen auf den Tresen. Meine Augenbraue wanderte weiter nach oben.

Dann griff Grell in meine Haare und schob meinen Pony zurück. Er stützte sein Kinn auf die andere Hand: „Die sind soooo tooooolllll~♥“

„Danke, danke, lieber Grell, hihi. Also“, ich schaute noch mal auf den kleinen Behälter: „Du willst, dass ich das trage?“

Grell hob beide Fäuste ans Kinn, wodurch meine Haare zumindest halb wieder in mein Gesicht fielen und wackelte mit der Hüfte: „Jaaaa!“, quietschte er.

„Ich soll mir irgendwas in die Augen stecken? Eehehehehehe! Sagt noch mal das was ich so von mir gebe sei verrückt.“

Grell hörte auf zu wackeln und seufzte wieder: „Das ist nicht verrückt. Es ist vollkommen ungefährlich. Man kann scharf sehen, ohne dass diese nervigen Brillen die Harmonie unserer wunderbaren Gesichter stören! Wie praktisch!“

„Na, ich weiß ja nicht, hehe.“

Grell schaute beleidigt weg und drehte sich um: „Tu was du willst!“, warf er empört eine Hand nach oben und öffnete die Tür: „Ich wollte nur nett sein! Wir sehen uns heute Abend“, er schaute zurück und zwinkerte mir zu, bevor er wieder den Laden verließ.

Mit dem einen Auge, über das mein langer Pony nicht zurück gefallen war, schaute ich erst auf die Tür und dann auf den Behälter: „Kontaktlinsen, hm?“

Ich wusste nicht so ganz was ich von so neumodischem Tam Tam halten sollte. Andererseits... Warum sollte ich mich vor etwas Neuem versperren? Ich lebe jetzt nun mal im Jahr 2015, die Welt blieb nicht stehen, es wäre auch furchtbar langweilig, wäre es so. Mit einem schrillen Lachen legte ich den Plastikbehälter wieder auf den Tisch und schaute auf meine alte, silberne Taschenuhr. 14 Uhr. Es wurde Zeit mich fertig zu machen. Eigentlich ersetzte ich nur meinen langen Mantel, den ich innen trug, durch das Hemd was ich gestern abgeholt hatte und wollte meinen Zylinder heute an der Garderobe zurücklassen. Nachdem ich das kleine Präsent für Amy in meiner Brusttasche verstaut hatte, machte ich mir einen Tee und warf eine Hand voll Zuckerstückchen in den Plastikmessbecher, in dem zwei Teebeutel 'New Moon Drop' hingen. Ich beschaute die Pappschildchen der Teebeutel melancholisch, als ich eins mit dem Zeigefinger anhob. Heute feierte Amber Phantomhive ihren 18 Geburtstag. Die Ururenkelin des kleinen Earls. Die Urururenkelin von Vincent. Ich begleitete die Phantomhives jetzt schon so lange. Zwei Generation länger als Sebastian, der genauso fasziniert wie ich von der Adelsfamilie war und seit Ciel mit jedem Earl einen Pakt schloss. Ich hatte das Gefühl, er hatte diese Familie, sein Leben als Butler einfach lieb gewonnen. Er fand es gut, besser als ein tristes dahin siechen in der Hölle. Auch wenn er es nicht zu gab.

Kurz schweifte ich durch mein 126 Jahre alten Erinnerungen, als ich meinen Tee trank und seufzte.

Dann fiel mein Blick auf den Plastikbehälter von Grell. Ich wogte meine Kopf hin und her. Es ist hin und wieder mal schön ein scharfes Blickfeld zuhaben. Also griff ich danach und verschwand ins Badezimmer.

Es war ungewohnt, aber nachdem ich mir zweimal fast mit meinen Fingernägeln die Augen ausgestochen hatte, waren die kleinen, durchsichtigen, runden Dinger in meinen Augen verwunden. Ich blinzelte, doch das komische Gefühl verschwand schnell und tatsächlich, ich konnte sehen, als würde ich meine Brille tragen. Interessant!

Mein Grinsen wurde breiter, als ich in den Spiegel schaute: Diese kleinen Dinger hatten wirklich einen großen Effekt!

Ich entschied mich heute zur Ausnahme mal wieder einen Pferdeschwanz zutragen, dann war es auch schon 15:48 Uhr. Wenn ich jetzt schon losfahren würde, wäre ich zu früh, doch ich wusste nicht mehr was ich mit dem Rest Zeit anstellen sollte. Dann konnte ich auch Sebastian ärgern.

Ich überprüfte noch einmal meinen Laden, verstaute alles und jeden, wo es hingehörte und warf den benutzten Messbecher in die Spüle, meiner ziemlich kleinen Küche. Dann zog ich meine Robe über, schloss die Vordertür ab und verließ den Laden aus der Hintertür. Ich schloss auch diese ab und setzte mich in meinen schwarzen Leichenwagen.

Gemütlich rollte er von meinen kleinen Hinterhof, der bevölkert wurde von dem Parkplatz meines Oldtimers und etlichen weiteren Särgen.

Ohne große Eile rollte ich über die Londoner Straße hin zu dem kleinen Waldstück in dem die große Villa der Phantomhives auf seine Gäste wartete. Die Sonne wanderte langsam gen Horizont.

Es war 16:24 Uhr, als ich durch das Tor auf den Hinterhof des Grünstückes rollte. Mir kam eine schwarze Limousine entgegen. Ich fuhr an die Seite und kurbelte das Fenster herunter. Der Fahrer der Limousine tat es mir gleich: „Undertaker“, lächelte der dämonische Butler kurz: „Du bist früh.“

„Ja, ja ich weiß. Mir war langweilig, hehe. Wo willst du hin?“

„Ich bin auf dem Weg die junge Lady und ihre Freundin abzuholen.“

„Eine Freundin?“, das war ungewöhnlich. Mit den ganzen übernatürlichen Bekanntschaften luden die Phantomhives nur sehr selten Fremde ein. Eigentlich nie. Es sei denn... sie hatten vor mit ihnen in eine geschäftliche Beziehung zu treten. Doch ich tippte, dass Amy´s Freundin nicht älter sein wird als sie und von Eltern war keine Rede gewesen. Also war dies unwahrscheinlich. Es gab noch eine zweite Möglichkeit: Eine Mitgliedschaft bei den 'Aristokraten des Bösen'. Doch würde Amy ihre beste Freundin wirklich in diesen Verein einschleusen wollen?

Der Butler nickte mich aus meinen Gedanken: „Der jungen Dame war es wichtig eine Freundin einzuladen. Der Meister hat sich überreden lassen.“

„Also spielst du heute Chauffeur für zwei Teenager. Eehehehehehe!“

Der Butler lächelte dünn: „Ich bin ein höllisch guter Chauffeur.“

„Dessen bin ich mir sicher.“

Der Butler zog kurz die Augen zusammen: „Seit wann bist du so fahrlässig?“

Ich blinzelte ein wenig irritiert, doch immer noch grinsend: „Fahrlässig?“

„Du fährst ohne Brille Auto. Siehst du die Ampeln überhaupt?“

Ich musste schrill lachen. Wie herrlich! Stimmt ja, der Butler wusste gar nicht Bescheid: „Ahehehehehehe! Wie herrlich! Natürlich sehe ich sie. Ich sehe prächtig!“

„Wie?“

„Grell kam vorbei und brachte mir eine Packung Kontaktlinsen.“

„Ah“, machte Sebastian: „Ich dachte schon, du hast so wenig zu tun, dass du dir schon deine eigenen Kunden schaffen musst.“

„Nein, das Geschäft floriert! Sterben tun Menschen immer. Eine krisensichere Branche.“

„In der Tat“, lachte der Butler dünn zurück:“ Wenn du mich jetzt entschuldigst? Ich möchte mich nicht verspäten.“

„Tihi, bis später Butler.“

Dann wandte der Butler seinen Kopf nach vorne und drückte aufs Gas. Ich rollte durch das Tor und suchte mir einen Parkplatz. Der Butler war also erst mal fort. Schade. Dann muss halt Alexander her halten.

Als ich das Auto abgeschlossen hatte, ging ich durch die Hintertür in die Villa. Eine Magd lief mir prompt über den Weg. Sie war bis oben hin mit Tischdecken beladen, der Stapel reichte über ihren Kopf: „Mister Undertaker!“, sagte sie verblüfft: „Ihr seid schon da?“

Ich lachte: „Es scheint so, oder?“

Die Magd lachte verunsichert: „Ja... Ihr habt recht. Wir stecken noch in den Vorbereitungen...“

„Wo ist Alexander?“, fragte ich nonchalant.

Die Magd wurde immer unsicherer: „Ähm... Der Earl ist im... Arbeitszimmer...“

„Danke“, grinste ich: „Soll ich Euch etwas abnehmen?“

„Oh nein. Nein danke, es geht schon.“

„Der Stapel ist so groß wie ihr, werte Dame.“

„Ich...“, sie lachte unsicher: „Schaffe das schon. Danke für das Angebot! Ihr entschuldigt mich“, ging sie schnellen Schrittes in Richtung ihres Ziels und verschwand in einer Tür.

Eine Mischung aus Lachen und Seufzen entfuhr meinen Lippen:' May- Rin hätte jetzt schon die halbe Villa demoliert.'

Ja, die alten Bekannten, sie fehlten mir. Alle. Doch das Einzige, was ich noch für sie tun konnte, war ihre Gräber so schön zu halten wir ihre Bekanntschaft gewesen war.

Ich merkte wie mein Herz schwer wurde, also ging ich schnellen Schrittes durch die Villa, einige Treppen hoch und landete in einem Flur mit etlichen Türen, die alle gleich aussahen. Doch ich fand gezielt meinen Weg zu einer Bestimmten. Ich kannte diese Flure wahrscheinlich besser, als die Bewohner selbst.

Ich klopfte.

„Herein!“, schallte es von innen und ich stieß die Türe auf: „Alex! Wie geht es dir?“

Der jetzige Earl Phantomhive sah mich ein wenig irritiert an: „Undertaker. Hallo“, er schaute auf eine Wanduhr: „Du bist früh, wir haben gerade mal halb fünf.“

„Ja, ja“, ich setzte mich auf einem Stuhl vor dem großen Eichenschreibtisch: „Mir war langweilig, also bin ich etwas früher gekommen, hehe.“

Alexander seufzte: „Das habe ich mir fast gedacht.“

„Worüber brütest du?“, fragte ich, stützte meine Ellbogen auf die Tischplatte und legte mein Kinn auf meine gefalteten Hände. Das dem Earl etwas quer im Magen lag war offensichtlich.

Dieser seufzte: „Ein Auftrag von der Queen.“

„Hätte ich also eh bald Besuch von dir bekommen?“

„Ich weiß noch nicht“, seufzte Alexander: „Noch geht es um Drogen, nicht um Tote. Also wäre mein Ansprechpartner eher Lee, aber...“

„Ich soll schon mal die Augen nach Drogentoten aufhalten?“

Alexander nickte: „Oder Schießereien, Messerstechereien. Alles, was Drogensüchtigen und Dealern so einfällt, wenn sie Streit haben.“

Ich quittierte diese Aussage mit einem schrillen Lachen: „Ahehehehe! Es ist faszinierend, was ihr Menschen euch gegenseitig antut für Dinge, die euch eh umbringen werden.“

„Scher nicht alle über einen Kamm.“

„Glaub mir, ich beobachte die Menschen jetzt schon lang genug. Die Meisten sind sich alle sehr sehr ähnlich“, ich legte den Kopf schief: „Doch tröste dich: Bei Shinigamis, Engeln und Dämonen ist es genau dasselbe in Grün, Weiß und Schwarz.“

„Du musst es ja wissen“, seufzte Alexander.

Ich lachte: „In der Tat. Ich weiß Einiges.“

Schon lange gehörte ich zu keinem 'Lager' mehr. Geboren als Todesgott ist es für mich nicht mehr als eine schnöde Rassezugehörigkeit und zwingt mich nicht im Mindesten ihnen Loyal zu sein. Ich hatte keine Lust mehr auf den Verein. Es war streng, viel zu straff organisiert und furchtbar langweilig. Den einzigen Wesen denen ich loyal war, waren die Phantomhives. Sie waren ganz besondere Menschen. Die Besonderheiten hatte sie auch nach Generationen nicht verloren.

Aus meiner losgelösten Position hatte ich allerdings einen ganz guten Blick darüber, was die Wesen des Himmels und der Hölle und die dazwischen so antrieb.

Ich lächelte, als Alexander immer noch etwas mürrisch schaute: „Doch ihr seit anders. Die Phantomhives und die Aristokraten.“

Jetzt erschien auch in Alexanders Gesicht ein leichtes Lächeln: „Danke für die Blumen. Hältst du es deswegen so gut mit uns aus?“

„Ahehehehehe! Wahrscheinlich.“

Alexander und ich unterhielten uns noch ein bisschen, dann klopfte es an der Türe.

Die Magd erschien: „Sir? Die anderen Shinigamis sind hier.“

Alexander schaute wieder auf die Uhr. 17:45 Uhr.

Typisch William. Genau 15 Minuten zu früh.

Alexander stand auf, ich zog meine Maske über die Augen und folgte ihn in den großen Ballsaal. Die Magd nahm mir meinen Mantel ab und hing sie an eine Garderobe. Heather und Frederic waren schon dort und unterhielten sich mit einigen Gästen. Der Saal war schon ziemlich voll.

Direkt vor uns sah ich die drei Shinigami Grell, Ronald und William. Sie trugen Masken, wie alle anderen im Raum. Grell breitete die Arme aus: „Herrlich! Ich liebe Bälle! Schaut nur all die Masken und die Kleider.“

„Und die Mädels“, grinste Ronald.

„Wärt ihr nur mit so viel Passion bei der Arbeit. Mein Leben wäre herrlich“, seufzte William.

Ein typisches Bild, lächelte ich breit. Diese Drei waren ein paar der wenigen Konstanten in meinem Bekanntenkreis. Wir litten alle vier unter dem Fluch der Shinigamis: Nicht sterben zu können, bis wir die Schuld, unser Leben, Gottes größtes Geschenk, weggeworfen zu haben, abgearbeitet haben.

Noch kein Sensenmann war entlassen worden. Entweder töten sie Engel, oder Dämonen, oder sie starben an den Dornen des Todes, die einzige Krankheit an der ein Reaper erkranken konnte. Es gab kein Heilmittel und sie verlief auf jeden Fall tödlich. Sie war die einzige feste natürliche Selektion. Ich tippte mittlerweile, dass es diese Entlassung gar nicht gab. Wir waren auf ewig dazu verdammt, anderer Leute Tode und Leben zu begutachten. Sie zu richten. Unsterblichkeit war kein Geschenk.

Ronald sah mich: „Oi Undertaker“, rief er: „Na, alles klar bei dir?“

Ich grinste und ging zu den drei Sensenmännern: „Hallo Ronald. Es geht mir prächtig und selbst?“

„Alles wie gehabt“, lachte Ronald.

'Wie Öde...', ich grinste: „Das hört man gerne.“

Ich schaute zu Grell und William: „Grell. William.“

„Du trägst sie doch!!“, Grell fiel mir um den Hals: „Ich wusste es, du würdest ein Geschenk von mir nie mit Füßen treten!!“

Ich klopfte ihn auf den Rücken: „Wie könnte ich denn?“

Alexander stieß zu uns: „Hallo ihr drei. Ich freue mich euch zusehen.“

William nickte knapp: „Eure Einladungen ehren uns immer wieder, Lord Phantomhive.“

„Wie oft habe ich dir schon das Du angeboten, William?“

„Wie oft habe ich es schon abgelehnt?“

„Irgendwann kriege ich dich dazu“, lachte der Earl.

„Ehehehehe. Typisch unser William. Korrekt wie eh und je. Manche Dinge ändern sich nie“, lachte ich amüsiert.

William beschaute mich kühl wie immer: „Dasselbe könnte man über dich auch sagen, Undertaker. So alt wie die Menschheit selbst und nicht ansatzweise Erwachsen.“

Ich lachte noch mehr. „Ahehehehe! Erwachsen sein ist so furchtbar langweilig. Umso älter man ist, umso wichtiger ist es doch im Geiste jung zu bleiben.“

Grell drehte sich: „Meine Rede! Wir müssen die Kraft und die Schönheit der Jugend bewahren.“

William schaute mich an: „Bitte... Würge mich bis ich das Bewusstsein verliere...“

Ich prustete. Aus dem Prusten wurde schnell ein lautes Lachen, das durch meinen ganzen Körper vibrierte: „PAHAHAHAHAHAHAHAAHA! William! Du Scherzkeks!“, ich wischte mir Lachtränen aus den Augen: „Wenn wir ihn ertragen müssen, dann du auch.“

„Hey!“, machte Grell: „Redet ihr über mich!“

Ich fing schon wieder an zu lachen. Grells beleidigtes Gesicht war immer ein Bild für die Götter!

Auch Ronald kicherte.

„Hallo!“, steigerte sich Grells Empörung: „Antwortet mir mal jemand?!“

„Über wenn sollten wir sonst reden?“, grummelte Will, der nicht einmal lachen würde, wenn sein Leben davon abhänge.

Grell stand der Mund offen. Mein Lachen wurde lauter, wie schriller und mein Bauch begann davon weh zu tun.

„Wie wundervoll“, tönte eine Stimme hinter uns: „Man kommt herein und wird mit Lachen begrüßt. Wie unsagbar herrlich!“

Hinter uns standen Lee, Charlie und Frank, die Abkömmlinge von Lau, Claus und Diedrich. Sie sahen ihnen so ähnlich vom Körper, wie auch vom Charakter.

Der junge Asiate lächelte noch immer: „Ich wusste doch, dass ich diese Lache sofort erkannt habe. Undertaker, Grell, William, Ronald! Es ist eine Freude euch wieder zusehen“, er breitete die Arme aus.

Charlie lächelte: „Ihr könntet euch öfter mal sehen lassen.“

„Wir sind sehr beschäftigt“, entgegnet William streng: „Wir bitten euch uns das nachzusehen.“

„Gibt es denn so viele Tote im Moment, dass ihr alle Vier so furchtbar beschäftigt seit?“, fragte Frank spitz.

„Oh ja“, sagten ich und William gleichzeitig.

William schaute mich an: „Woher willst du das wissen?“

Ich lachte wieder: „Meine Arbeit beginnt, wenn eure endet. Ich weiß um die Sterberate genauso gut wie ihr. Das heißt auch, dass ich viel Arbeit habe, wenn ihr viel Arbeit habt, hehe.“

William seufzte.

„Es ist schön euch alle hier zuhaben“, lachte Alexander: „Amber wird sich freuen“, er schaute auf eine Armbanduhr: „Oh apropos Amber! Noch 5 Minuten! Entschuldigt mich.“ Alexander ging zur Tür, wo ich den Butler der Phantomhives stehen sah.

„Lasst uns etwas zu trinken besorgen und unters Volk mischen, hohohoho!“, Lee schwebte davon. Charlie folgte lachend, Frank grummelnd, als sie sich alle eine Sektflöte von dem Tablett einer Kellnerin nahm und weiter durch den Raum gingen. Auch die Shinigami bedienten sich und verstrickten sich in ein furchtbar langweiliges Gespräch.

Da es mich nicht im Mindesten interessierte, ging ich meiner Wege. Die Leute die mich sahen, machten einen Bogen um mich. Nur eine Kellnerin stoppte unsicher lächelnd neben mir: „Sekt, Sir?“

Ich winkte ab: „Nein, danke. Ein Witz wäre mir lieber“, grinste ich breit, was die Kellnerin sichtlich unerwartet traf: „Bitte?“

„Erzählt mir einen Witz“, grinste ich breiter.

„Ähhhm... es tut mir leid, ich habe noch viel... zu tun!“

Ich seufzte gespielt: „Wie langweilig“, und ging einfach weg.

Ich lehnte mich gegen eine Wand und ließ meine Augen über den florierenden Ball wandern. Da ertönte auch schon Alex Stimme: „Darf ich um ihre Aufmerksamkeit bitten? Wie sie alle wissen, ist der heutige Anlass für diese kleine Feier der 18. Geburtstag meiner liebreizenden Tochter Amber. Deswegen begrüßt jetzt mit mir das Mädchen, nein, die Frau des Abends!“

Mein Kopf wanderte langsam zur Treppe.

„Es betritt den Saal“, flog Sebastians Stimme durch den Raum, viel zu laut für einen Menschen.

'Subtil, Dämon', lachte ich stumm in mich hinein.

„Die Prefect des violetten Hauses, der Violet Wolfs, des Weston Ladys College, Tochter des Earls und der Countess Phantomhive und der heutige Ehrengast: Lady Amber Heather Phantomhive! Begleitet von ihrer treuen Fag, besten Freundin und begnadeten Künstlerin: Lady Skyler Rosewell! Applaus, meine Damen und Heeren! Applaus!“

Die Menge applaudierte und begleitete den Gang der beiden Mädchen nach unten. Hübsche junge Dinger. Alle beide. Doch an dem Mädchen, Skyler, blieb mein Blick hängen: Diese spindeldünne Gestalt habe ich doch schon einmal gesehen. Mein Kopf ratterte kurz, dann fiel es mir ein: Sie war die kleine Künstlerin vom Friedhof. Das schöne junge Ding, mit den sumpfigen Augen.

Das war überraschend. Mein Mund zog sich zu einem wirklich breiten Grinsen, als ich das braunhaarige Ding, Sky, gänzlich musterte, ihr hübsches Kleid, die eleganten Schuhe, das schöne Gesicht umrahmt von feinem, braunem Haar:' Jetzt wird dieser Ball doch richtig interessant.'

Ich folgte den Mädchen unauffällig mit meinen Blicken, als ich an der Wand weiter hinten des Saals lehnte, Arme und Beine verschränkt, den Kopf leicht geneigt, damit niemand so direkt sah, dass ich das braune Mädchen fixierte. Diese Kontaktlinsen waren doch ungeahnt praktisch, stellte ich fest.

Die Brünette wirkte furchtbar fehl am Platz und unsicher. Sie war bemüht zu lächeln, doch nicht weil sie sich freute, sondern weil sie wusste, dass dies erwartet wurde. Es war so fürchterlich scharf, falsch und gestellt, dass es fast weh tat.

Amy führte sie herum: Erst zu ihren Eltern, dann zu Ronald, William und Grell. Als sie die Shinigamis verließ, wirkte Skyler ziemlich aufgeregt. Grell hatte sie angegrinst, wahrscheinlich hatten seine spitzen Zähne sie erschreckt. Dann führte ihr Weg die Mädchen zu Lee, Charlie und Frank. Die Ausstrahlung von Lee und Charlie hatte dafür gesorgt, dass sie schnell von einer Traube Frauen umringt worden waren. Frank wirkte davon so begeistert wie immer: Gar nicht.

Die Mädchen wechselten mit den Dreien einige Worte, dann wandten sie sich zum gehen.

Sie diskutierten irgendwas. Skyler wirkte allerdings nicht befriedigt von Amys Antworten, wo hingegen die Phantomhive wissend grinste.

Sie kamen direkt auf mich zu und ich ließ den Blick durch den Raum, auf die paar Tänzer auf der Tanzfläche wandern. Wenigstens war Walzer noch nicht aus der Mode. Zumindest nicht ganz.

„Hey! Undertaker!“, rief Amy und winkte mir zu. Mein Kopf wanderte langsam zu ihr und mein Grinsen wurde breiter, als Skyler und Amy noch ein paar Wörter wechselten und das Gesicht der Brünetten immer unbegeisterter wurde, als sie mich musterte. Doch in ihren Augen stand eine Erkenntnis und die Bemühung sie zu unterdrücken.

'Ja ich bin es', dachte ich mir amüsiert:' Glaub es, oder nicht.“

Ich stieß mich von der Wand ab, als Amy mit der Brünetten an der Hand näher kam: „Lady Phantomhive, hehe“,

„Undertaker! Ich hab so gehofft, das du kommst!“

„Eeehehehehe“, lachte ich schrill, als ich meine Arme ausbreitete um Amber zu umarmen. Amy fiel mir um den Hals und wir schunkelten recht überschwänglich: „Wie könnte ich nicht? Ich bleibe vielleicht nicht lange, aber zu Geburtstagen und Halloween komme ich doch immer, oder?“ Ich mochte die junge Phantomhive. Natürlich war sie nicht Ciel. Keiner von ihnen war Ciel, oder Vincent. Keiner kam an die Beiden heran, doch sie hatte dieses spezielle Etwas, gepaart mit einer überschäumenden Energie und einer vorzüglichen Selbstkontrolle.

Ich schaute über Amys Schulter zu ihrer Freundin. Das Mädchen sah ziemlich verzweifelt aus, als wäre sie lieber irgendwo anders, als hier.

Amy lachte: „Du hast recht“, sie nahm die Arme runter.

„Ich hab etwas für dich“, lächelte ich und zog ein kleines Schächtelchen aus der Brusttasche. Das Geschenk und die Verpackung waren Handarbeit. Ich war kein Freund davon Geschenke zu kaufen. Zu Geburtstagen und Beerdigungen mussten Geschenke von Herzen und aus der eigenen Hand kommen. Ich fand Geschenke für Leute die einem wichtig sind, sollten immer selbstgemacht sein. Amy nahm es entgegen und öffnete es: „Wie süß!“

Die kleine Silberbrosche hatte ich in einigen Stunden Handarbeit zusammen gebaut: „100% selbstgemacht“, lachte ich

„Oh danke!“, sie fiel mir noch mal um den Hals.

Ich erwiderte die Umarmung und nahm sie kurz hoch: „Ach nicht doch, hehe.“

Amy lächelte und steckte sich die Brosche an: „Und?“

„Besser als gehofft, hihi.“

Amy lachte und zeigte mit der Hand auf ihre Freundin: „Wenn ich dir meine...“

Ich unterbrach die Tochter des Earls, indem ich der Brünetten einfach die Hand entgegen streckte. Selbst wenn ich sie noch nicht gesehen hätte, war Sebastians Ansage doch laut und deutlich genug gewesen: „Lady Rosewell.“

„Woher...“, begann sie verwundert.

Ich musste lachen: „Ich habe sehr gute Ohren und Sebastian hat euch lautstark angekündigt.“

Sie lächelte schon wieder so unsagbar gequält und nahm meine Hand. Dieses Lächeln verunstaltete ihr hübsches Gesicht so furchtbar. Ihre Haut war ganz blass, ihre Wangen leicht eingefallen, doch dies betonte nur ihre schön geschnittenen Wangenknochen. Doch dieses Lächeln... Es war nicht schön und schmerzte mir auf eine komische Art und Weise.

„Sehr... erfreut... Aber bitte, ich bin Sky“, stammelte sie unbeholfen und schüttelte zaghaft meine Hand.

„Ein schöner Name“, grinste ich und hielt ihre Hand fest. Sie hatte kalte Hände, nur unwesentlich wärmer als die Hände, die ich jeden Tag wusch und puderte. Sie war eine herrliche Kombination aus dem Hauch des Lebens und der atemberaubenden Schönheit des Todes: „Für eine schöne, junge Lady.“

Sie wurde rot. Ihr jugendliches Gesicht war so voller Scham, war auf eine besondere Art und Weise furchtbar süß.

„D-danke“, lächelte sie weiter. Ich wollte dieses Lächeln nicht mehr sehen. Ich wollte, dass sie wirklich lächelte. Ich war so furchtbar neugierig auf ein ehrliches Lächeln des jungen Dings.

„Oh bitte“, zog ich sie zu mir. Sie wollte wegschauen, doch ich verhinderte es, indem ich ihren Kopf nahm und zu mir drehte. Sachte, ich hatte Angst, dass sie unter meinen Griff zerbrechen könnte. So nah konnte ich ihr Gesicht wunderbar begutachten. Sie war furchtbar rot, ihre Haut unter meinen Fingern warm und weich. Ein ungewohntes Gefühl kribbelte durch meine Hand, als ihre Wärme in meine Finger stieg: „Nicht so ein gequältes Lächeln.“

„Äääähm“, machte sie und sah so furchtbar überfordert aus.

Diese Reaktion belustigte mich und ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Lippen weiter nach oben zogen, als ich den Kopf schief legte: „Hm?“

„Ich... ich... ähm...“

„Ja? Eehehehehehe. Nicht so schüchtern. Sprich dich aus, Sky“, ich mochte ihren Namen. Sky. Eine wunderbare Bedeutung lag darauf und ergänzte so wunderbar ihre himmelblauen Augen, die so irritiert über die Einzelheiten meines Gesichts wanderten. Doch dieser graue Schleier darin. Er war so voller Tragik.

Amy lachte: „Manche Menschen fühlen sich eingeengt, wenn du ihnen so wenig Platz lässt, Undertaker.“

„Eeehehehehe! Lass mir doch ein wenig Spaß.“

Skyler wirkte irritiert, doch ein Funken Hoffnung glomm in den Augen auf. Das Mädchen schien nicht gut mit neuen Situationen, Körperkontakt und fremden Menschen zurecht zu kommen. Irgendwas in ihren Augen verriet es mir.

Amy lachte: „Du hattest ihn doch, aber eigentlich wollte ich nicht, dass Sky an diesem Abend an einem Herzinfarkt stirbt.“

Ich ließ das Mädchen los. Sie wankte einen Schritt nach hinten. Ich war bereit sie wieder fest zu halten, sollten ihre Knie ihr nicht hold bleiben: „Ich mache doch nichts“, legte ich elegant die Hand auf meine Brust.

„Sky?“, lächelte Amy.

„Hmm?“, machte das Mädchen unsicher und immer noch furchtbar rot auf den Wangen.

„Undertaker ist Bestattungsunternehmer. Er bietet jeglichen Service an: Vom eigenen Sarg bis zur Grabpflege. Er ist schon lange ein guter Freund der Familie. Fast schon ein Teil davon.“

Die Brünette schaute mich mit großen Augen an. Dahinter rasten die Gedanken, die Erkenntnis und die Unterdrückung.

Ich schaffte es das Lachen auf meine Gedanken zu beschränken, doch das breite Grinsen festigte sich auf meinen Lippen, als ich genau wusste was ich jetzt tun wollte: „Sag, Sky“, ich war mehr als nur gespannt auf ihre Reaktion, als ich mein Gesicht näher zu ihrem brachte: „Willst du wissen, wie es ist in einem maßgefertigten Sarg zu liegen?“

„Was?!“, sie tat einen Schritt von mir Weg: „Bitte..?! Was?! Wieso...?!“

Ich zog meinen Kopf wieder zurück und verschränkte nur die Fingerkuppen, als das Lachen aus meinen Gedanken, nach außen brach: „Hihihi, ich mache die besten Särge in ganz London. Sie sind berüchtigt, meine Kunden haben sich noch nie beschwert.“

In ihren Augen stand deutlich, dass sie sehr verwundert über diese Aussage war, das sie sich sicher war, dass Tote nicht mehr widersprechen können. Doch das taten sie, nur anders als die Lebenden und man brauchte feine Sinne um es zu verstehen.

„Er hat recht“, bestätigt mich Amy: „Wer eine wirklich traditionelle Bestattung wünscht geht zu ihm.“

Ich drehte locker eine Hand in der Luft, als ich die angespannte Atmosphäre etwas weg wedeln wollte: „Ich bin wahrscheinlich in der Tat... Wie sagt man mittlerweile... etwas Old-fashion.“

Dann legte ich nur noch einen Zeigefinger an die Lippen und lachte, als ich ihr deutlich ansah, dass sie mich für verrückt hielt.

Dann sah ich wie Grell von hinten auf uns zu rannte, Skyler griff, sie an sich drückte und ein Stück weg zog: „Also wirklich! So behandelt man keine Ladys, du verrückter, alter Sack!“

Ich musste lachen: „Eeehehehe. Wenn man so alt ist wie ich sucht man verzweifelt nach etwas Amüsement“, dann ging ich auf Grell zu und verschränkte die Arme, als ich mich zu Grell beugte: „Du kannst mich ja bespaßen, wenn du meinst das Mädchen von mir beschützen zu müssen.“

„Du Perversling!“, kreischte Grell.

„Pervers? Woran denkst du denn? Eehehehehe. Du bist der Perverse, wenn das tatsächlich dein erster Gedanke ist.“

„Wie soll man das denn sonst verstehen?!“

Ich wälzte kurz meine Gedanken, als ich meine Wirbelsäule wieder streckte und mir gegen die Lippen tippte. Nach ein paar Sekunden kam mir eine Idee: „Lass mich nachdenken... Was wäre den lustig... hmmmm... Mach den Phönix!“

„Den was?“, fragte Sky leise und noch verwirrter als vorher möglich. Amy kicherte. Sie kannte die Geschichten.

Grell ließ das Mädchen los, griff wütend meinen Hals und schüttelte mich. Er schnürte mir die Luft ab, doch sein Benehmen war nur all zu komisch! Ich wusste, dass er den Zwischenfall auf der Campania nie vergessen würde und ihn mir auch nie wirklich verzeihen wird: „Den Phönix!? Nicht in diesem Leben! Nicht in irgendeinem Leben! So was von einer Dame zu verlangen!“

Grell beschimpfte mich weiter. Es war nur herrlich, wie wunderbar sich der heißblütige Sensenmann aufregen konnte.

Irgendwann ließ er mich los: „Du versaust mir den ganzen Abend!“

„Ich habe dich nie gezwungen mit mir zu reden.“

„Du belästigst junge Mädchen!“

„Ich habe mich unterhalten. Nur weil du ein kleiner Perversling bist, lieber Grell, trifft das nicht auf jeden zu.“

„Ich pervers?!“, kreischte Grell: „Du nennst mich pervers?! Ich will gar nicht wissen, was du mit deinen 'Gästen' anstellst wenn niemand hinschaut! Wie war das noch: Tote Mädchen können nicht nein sagen?!“

Ich lachte: „Schneidest du alles mit was ich sage? Und was ich mit meinen Gästen mache? Ich mache sie hübsch, bette sie in beste Seide und gebe sie der Welt zurück, in vollkommener Harmonie mit der Natur, der Schönheit und sich selbst.“

Grell stand wie zugefroren vor mir: „Du hast echt mehr als nur ein Rad ab...“, dann ging er zu Will, der Ronald und Amy beim Tanzen zu schaute.

Ich ließ meinen Blick durch den Saal wandern. Amber war auf der Tanzfläche, doch ihre Freundin war nirgendwo zu sehen.

Komisch. Wahrscheinlich war sie geflüchtet. Sie hatte sich sichtlich nicht wohlgefühlt.

Ich lehnte mich wieder mit dem Rücken gegen die Wand und verschränkte breit grinsend die Arme, als ich Amy und Ronald beim Tanzen zu schaute. Die beiden hatten sichtlich Spaß. Irgendwie hingen meine Gedanken immer noch an dem Wunsch, so ein ehrliches Lachen im Gesicht der jungen Braunhaarigen zu sehen. Ein Seufzen entfloh meinen Lippen. Das war so selten, dass es mich selbst verwunderte.

Dieser stumpfe Leiden in den himmelblauen Augen, es wirkte so, als sei es schon seit Jahren dort und ging nie weg. Darin schwamm gebrochenes Vertrauen und gesplitterter Lebenswille. Es hinterließ ein komisches Gefühl in meiner Brust. Ich kannte diesen Blick. Immer wenn ich einen tragischen Todesfall auf meinem Tisch hatte, sahen die Augen der Verblichenen genau so aus. Auch ein gewisser junger Earl hatte ähnliche Augen gehabt. Dieses gebrochene war mit seinen Kindern aus den Augen der Phantomhives gewichen. Ciel war ein sonderbarer, aber guter Vater gewesen und Lizzy war eine geborene Mutter, ein heiteres Ding mit glänzenden grünen Augen, voller Mut und Lebenskraft.

Ich wollte, dass ihre Augen genauso glänzten.

Warum? Ich wusste es nicht. Ein komisches Gefühl von Stress keimte auf, als ich mich selbst nicht ganz verstand. Ich wollte immer alles verstehen. Ich tat alles dafür. Doch gerade wusste ich nicht wie ich mich mir selbst erklären sollte.

Ich schaute aus dem Fenster... und erstarrte.

Wasser spritzte aus dem Brunnen. Zwischen zwei wild tretenden Beinen beugte sich eine dunkle Gestalt zum Wasser. Er drückte ein Mädchen in einem Kleid in den Brunnen. Diese Schuhe, an den strampelnden Beinen... Schwarze Pumps mit einer Schleife um die Knöchel... Sie gehörten doch... Sky! Ich riss die Augen auf, da sah ich eine dritte, große Gestalt, ein paar Meter vom Brunnen entfernt:' Sag mir nicht das sind...!'

Ich drehte mich auf dem Absatz und rannte zur Garderobe. Menschen wichen mir fluchend und rufend aus. Der Ständer fiel krachend zu Boden, als ich meinen Mantel im Lauf herunter riss.

Ich warf ihn über die Schulter und rannte die Treppen hoch. Drei Stufen auf einmal. Die Flügel der Eingangstür krachten auf und mit dem ganzen Schwung hinter mir lautstark wieder zu.

Der Kopf mit den kurzen braunen Haaren, der Person die weiter weg vom Brunnen stand, wirbelte zu dem Geräusch. Brillengläser blitzten in dem Licht, das aus dem Ballsaal auf den Hof sickerte. Claude! Hab ich es doch gewusst!

Claude sprang auf mich zu, wohl wissend, warum ich aufgetaucht war: „Verschwinde Shinigami!“

Goldene Messer blitzten auf und kamen mir entgegen. Ich drehte mich weg. In dieser Drehung erschien meine Death Scythe in meiner Hand. Mit einem Sprung stand ich vor dem dämonischen Butlers der Trancy Familie. Den geschworenen Erzfeinden der Phantomhives.

Er holte aus, doch ich war einen Tacken schneller. Blut spritzte und braune Super 35 Filme platzten aus der Wunde, als meine Sense seinen Frack und seine Haut an der Brust zerriss. Er fauchte wütend und trat nach mir. Ich parierte, doch taumelte einen Schritt nach hinten. Dafür habe ich keine Zeit! Mein Blick flog zu Sky. Jetzt erkannte ich Oliver Trancy, als ihren Angreifer. Ihre Beine strampelten nicht mehr. Sie zuckten nur noch kraftlos.

„Geh mir aus dem Weg!“, ich sprang hoch und trat Claude ins Gesicht. Er fiel ein Stück nach hinten, doch er hielt meinen Fuß fest. Ich schwang mich nach oben, um meinen eigenen Fuß herum und erwischte Claude ein weiteres Mal im Gesicht. Seine Brille flog von seiner Nase und er ließ mich los. Den gewonnen Raum nutzte ich, um mit großen Hacken zu Oliver und Sky zu springen. Ich griff den Jungen am Kragen und warf ihn nach hinten. Claude war schon da, um ihn aufzufangen.

Er schaute mich geschockt aus den Armen seines Butlers an: „Scheiße! Claude! Wir verschwinden!“

Claude nahm ihn hoch: „Natürlich, eure Hoheit.“

Er sprang mit seinem Meister in den Wald.

Ich würdigte ihn keines weiteren Blickes. Gott sei Dank war Oliver eigentlich ein furchtbarer Angsthase. Claude hätte mich Stunden beschäftigen können.

Sky lag schlaff im Brunnen.

Ich ließ meine Sense los und sie verschwand. Beherzt griff ich Skys dünnen Körper und zog sie aus dem Wasser. Sie war so leicht, doch ihre Haut war ganz kalt und ihre Lippen waren blau.

Mein Herz blieb stehen, als ich dachte, dass sie nun wirklich wie einer meiner Gäste aussah und bemerkte, dass sie nicht mehr atmete. Ich fühlte ihren Puls. Er war schwach: „Sky? Sky?! Atme!“, ich ging auf ein Knie, legte sie ins Gras und schüttelte sie, als ich ihren Oberkörper in beiden Armen hielt: „Hey! Hol Luft!“

Ihre Augen zuckten kurz: „Sky!“

Sie hustete heiser und Wasser schwappte aus ihrem Mund. Sie japste und röchelte, als sie hustete.

„So ist es gut. Du musst Luft holen! Heute ist noch nicht dein Tag!“

Krampfhaft versuchte sie zu atmen. Ihr bis eben noch stiller Körper begann wie verrückt zu zittern, als die Lebensgeister langsam zu ihr zurückkehrten. In mir war eine furchtbare Anspannung. So etwas fühlte ich nicht oft. Diese Welt bot mir dafür nur selten genug.

„Ruhig“, sprach ich so entspannt wie es ging: „Alles wird gut, atme ruhig. Du bist nicht allein.“

Eine warme Erleichterung wallte durch meinen Körper, als sie ihre Augen aufschlug und mich anschaute. Ihr Blick war trübe.

„Under...“, wollte sie sprechen, aber ein Hustenanfall unterbrach sie.

„Schhhh“, versuchte ich sie zu beruhigen: „Alles ist in Ordnung. Sprich nicht. Atme.“

Ich legte sie ab, um meinen Mantel um sie zu wickeln. Wenn sie noch länger hier draußen blieb, würde sie schwer krank werden.

Ich lächelte ihr entgegen, um ihr etwas Sicherheit zu geben. Dann lief ich zur Villa: „Sebastian!“

Der Butler erschien sofort in der Tür und machte großen Augen, als er sah, wie ich mit der nassen und kraftlosen Sky auf dem Arm zu ihm lief: „Was ist passiert?“

„Oliver war hier. Mit Claude“, antwortete ich, als wir in die Villa gingen.

„Diese verdammten Trancys!“, fauchte der Butler: „Komm schnell. Wir müssen sie aufwärmen, ansonsten bekommt sie eine Lungenentzündung.“

Wir liefen durch die Villa, da ging die Tür vom Ballsaal auf und Amy kam heraus. Der Angriff auf Sky musste jetzt auch die Partygäste erreicht haben: „Gott! Was ist passiert!? Sky?!“

„Die Trancys, Mylady“, antwortete ihr der Butler im Lauf: „Emma, mach ein Zimmer bereit! Kenny, koch Salbeitee und mach eine Wärmflasche fertig! Laura, hol Decken und warme Kleider!“

Die Bediensteten reagierten sofort und verschwanden eiligst.

Amy lief neben uns her und ließ ihre Freundin nicht aus den besorgten Augen: „Sky? Geht es dir gut?“

Das Mädchen antwortete nicht. Ich hörte die Uhr förmlich ticken und nahm zwei Stufen gleichzeitig. Amy und Sebastian hielten Schritt.

„Sky!“, Amy´s Stimme klang hysterisch, als Skys Augen zu flattern anfingen.

„Hey! Atmen!“, rief ich, doch die Augen des Mädchens schlossen sich, ungeachtet unserer Rufe.
 

Eine Magd hatte uns in ein Zimmer gewunken und Sebastian nahm mir Sky ab: „Ich übernehme das.“

Dann ging die Türe hinter dem Butler und dem Mädchen zu.

Ich lehne mich gegen eine Wand und verschränkte wieder die Arme. Ich schloss die Augen. Mein Mund war ein gerader Strich. An so einer Situation finde selbst ich nichts mehr zu lachen.

Amy ging im Flur auf und ab. Sie war wütend: „Oliver, diese kleine Mistratte! Wenn ich den in die Finger kriege, kann ihm auch Claude nicht mehr helfen!“

„Beruhige dich, Amy“, schlug ich die Augen wieder auf: „Im Moment müssen wir auf Sebastian vertrauen.“

Er war besser im Leben retten als ich. Die Menschen mit denen ich zu tun hatte, brauchten in der Regel keine lebensrettenden Maßnahmen mehr.

Amy schaute mich leidend an. Ein paar Tränen glitzerten in ihren Augen: „Das ist alles meine Schuld... Oliver ist wegen mir wütend und Sky war nur wegen mir hier. Das war eine blöde Idee! Eine furchtbar blöde Idee!“

Ich griff die Hand der jungen Phantomhive und zog sie in eine tröstende Umarmung und streifte ihr aufbauend durch die schwarzen Haare: „Schhh, schhh, schhh. Ruhig Amy. Nichts ist deine Schuld, damit hat keiner gerechnet.“

„Wie konnte er hier sein?“, schluchzte die Phantomhive in mein Hemd: „Warum hat Sebastian nichts gemerkt?“

„Das ist eine sehr gute Frage“, erkannte ich. Eigentlich hätten bei Sebastian, mir und den anderen Grim Reapern alle Glocken schellen müssen. Claude war keine höllische Eintagsfliege und hatte eigentlich eine ziemlich starke Präsenz. Wir hätten ihn spüren müssen. Aber das haben wir nicht.

„Himmel Herrgott, was ist passiert!?“, erkannte ich Grells Stimme den Flur herunter.

Grell, Ronald und William hatten ihre Masken abgezogen und kamen eilig auf uns zu.

William warf mir einen Blick zu. Er wurde noch ernster als sonst, als er sah, dass mein Lächeln fehlte.

„Amy, was ist los?“, Ronald legte ihr die Hände auf die Schultern. Amy ließ mich los und versuchte sich zu beruhigen: „Es geht um Sky, sie...“, sie seufzte schwer.

„Oliver und Claude waren hier“, erlöste ich sie davon die Situation erklären zu müssen: „Sie haben anscheinend vor der Villa gewartet und Skyler erwischt, als sie im Vorgarten unterwegs war.“

Grell schlug eine Hand vor dem Mund: „Skyler? Amys Freundin? Die Kleine hat doch keine Chance gegen einen Dämon und diesen kleinen Psychopathen!“

„Hatte sie auch nicht. Oliver hat sie fast ertränkt“, fuhr ich weiter aus.

„Wie kam sie daraus? Wie geht es ihr?“, fragte William.

„Undertaker hat es gesehen und ist ihr zu Hilfe geeilt“, wischte Amy sich die Augen trocken: „Jetzt kümmert sich Sebastian um sie.“

„Deswegen bist du wie ein Irrer aus dem Ballsaal gerannt“, stellte Grell fest.

Ich nickte: „Ich hab es zufällig durchs Fenster gesehen.“

„Aber“, Ronald stutzte: „Wenn Claude hier war... Warum haben wir ihn nicht bemerkt? Oder... hab nur ich ihn nicht bemerkt?“

Ronald war noch ein sehr junger Sensenmann. Er war noch nicht so stark wie wir anderen.

Doch ich schüttelte den Kopf: „Ich hatte keine Ahnung, dass er da war.“

William seufzte: „Ich ebenfalls nicht.“

Grell warf die Arme nach oben: „Wie kann das sein?!“

„Was ist los?“, hektische Schritte kamen näher. Ich schaute an Grell vorbei. Alexander, Heather, Fred, Lee, Charlie und Frank kamen im Laufschritt auf uns zu.

Ich seufzte, bevor ich die Situation ein weiteres Mal erklärte.

Heather nahm ihre Tochter an den Schultern und sorgte dafür, dass Amy sich endgültig beruhigte, während Alexander einen mehr als düsteren Ausdruck im Gesicht hatte: „Diese verdammten Trancys. Ich hätte nie gedacht, dass er so weit geht Fremde anzugreifen. Auf gut Glück.“

„Auf gut Glück? Ahehehehehe“, mein Grinsen erschien wieder, aufgrund dieser Aussage und ich fing an zu lachen. Ich kassierte einige verständnislose Blicke, die ich gekonnte ignorierte: „Wir konnten ihn nicht spüren, die Beiden hätten schon länger in den Büschen hocken und jeden beobachten können, der ein und aus ging. Es ist gut möglich, dass es gar kein so großer Zufall war.“

„Du meinst, er hat uns beobachtet und hat mich und Sky gesehen, als wir angekommen sind?“, Amy war sichtlich unwohl bei dem Gedanken.

Ich nickte: „Es wäre gut möglich, hehe.“

„Ob Zufall oder nicht, das wird ein Nachspiel haben“, grummelte Alexander.

„Aber“, Grell war aufgeregt, mehr als sonst: „Warum konnten wir ihn nicht spüren?!“

Lee streckte sich: „Wie dramatisch. Scheint als haben sich unsere Freunde einen neuen Trick einfallen lassen.“

Frank seufzte: „Das ist schlecht. Das ist sehr schlecht.“

Ich lachte: „Und hoch interessant, hihi.“

Die Tür zum Zimmer ging auf und Sebastian trat heraus. Er lächelte: „Die Herrschaften? Lady Rosewell schläft. Sie wird wieder. Ich bin guter Dinge, dass sie nicht mehr als eine Erkältung davon tragen wird.“

Amy strahlte und lief an Sebastian vorbei: „Du bist der Beste!“

Er legte die rechte Hand auf die linke Brust: „Ich bin nur ein höllisch guter Butler.“

Alexander schaute in die Runde: „Wir müssen herausfinden, wie Oliver und Claude das angestellt haben. Dieser Umstand ist brandgefährlich. Sie haben nun die Möglichkeit uns zu jeder Zeit in den Nacken zu springen. Sebastian? Wie versteckt ein Dämon seine Präsenz gänzlich?“

Sebastian seufzte: „Ich habe keine Idee. Ich war bis jetzt der Meinung, dass so etwas nicht geht.“

Alexander schüttelte den Kopf und drehte ihn zu mir: „Undertaker?“

Ich hob die Hände: „Hehe. Ich muss passen. Noch.“

„Noch?“

„Ich weiß es atok nicht, aber ich bin mir sicher, ich weiß wo ich suchen muss.“

„Und wo?“, fragte Heather.

Ich lachte: „In der Bibliothek der Shinigami liegen einige alte Schätze, hehe.“

„Zu der du keinen Zutritt mehr hast“, erwiderte William streng: „Du bist ausgetreten, das wäre gegen die Vorschriften.“

Ich rollte die Augen: „Du bist so furchtbar... pflichtbewusst, William.“

„Wir können doch danach suchen“, grinste Ronald.

„Ihr habt doch keine Ahnung wo“, lachte ich: „Bis ihr fertig seid hat Claude schon Drei von uns zu mir geschickt.“

„Komm schon Willi!“, hing Grell William auf einmal am Arm: „Lass ihn doch.“

William presst seine freie Hand gegen Grells Kopf und versucht ihn wegzudrücken: „Vorschriften sind Vorschriften!“

„Aber Willi!“

„Nenn' mich nicht Willi!“

„Pahahahaha!“, eine köstliche Szenerie. Es dauerte ein paar Minuten bis irgendjemand weiter reden konnte, da mein Lachen den ganzen Flur hinauf und herunter hallte.

„Ich hasse es, wenn er das tut“, seufzte Frank: „Die Situation ist echt nicht lustig...“

„Er findet doch immer was“, lachte Lee.

„Jetzt lach du nicht auch noch!“, keifte Frank.

Nur langsam beruhigte ich mich von dem Lachanfall, der mein Gedankenblitz hervor gebracht hatte: „Lass ihn nur Grell“, sagte ich noch etwas atemlos und wedelte mit einer Hand: „Wenn William unbedingt Überstunden schieben will um die Seelen der hier Anwesenden einzusammeln, lass ihn doch den Spaß.“

„Überstunden“, William funkelte mich böse an.

„Aber ja!“ kicherte ich und breitete die Hände ein Stück aus: „Claude versorgt dich schon mit Arbeit und wie ich den Dispatch so in Erinnerung habe, kriegst du sie noch nicht mal bezahlt, hehehehe!“

Der Aufsichtsbeamte des 'Grim Reaper Dispatch' ließ seine zusammengezogenen Augen eine Weile auf mir ruhen: „Nun gut. Ausnahmsweise. Komm morgen vorbei. Aber mach keine Unordnung!“

„Ahihihihihihi! Wie großzügig, William. Ich wusste du hast ein großes Herz.“

William zog seinen Arm endgültig aus Grells Klammergriff und verschränkte die Arme: „Daran liegt es sicher nicht.“

„Oh ich weiß, ich weiß.“

„Aber“, erhob Fred die Stimme: „Warum sollten die Shinigami Aufzeichnungen über Praktiken der Dämonen haben?“

Mit einem weiteren schrillen Lachen tippte ich Fred mit dem Zeigefinger auf die Nase: „Hehe. Die alten Shinigamis haben einiges an Wissen gesammelt. Die Fehde zwischen Shinigami, Engel und Dämonen ist so alt wie die Rassen selbst. Jedes Lager hat schnell ihre Mittel und Wege gefunden, die Tricks der Anderen zu durchschauen und für die Zukunft festzuhalten. Die Shinigamis sind schon immer gern bei ihrer Leisten geblieben: Der Bürokratie.“

„Das soll heißen?“, fragte Charlie.

„Hihi, wir haben alles aufgeschrieben und in einem Archiv in den Kellern der Bibliothek verstaut.“

„Wir?“, fragte Frank verwirrt.

Alexander seufzte: „Undertaker ist der Letzte der ersten Shinigamis.“

„Das soll heißen“, wurde Frank immer verwirrter.

„Alt ist für ihn kein Ausdruck“, Grell legte den Handrücken an die Stirn: „Er ist eine Legende.“

Ich lachte: „Denkt ihr das immer noch?“

William seufzte: „Heldensagen halten sich.“

„Pahaha! Ich bin kein Held.“

„Definitiv nicht“, pflichtet mir William bei, was mir auch nicht mehr als ein Lachen entlockte.

„Aber“, fiel Charlie in das Geplänkel zwischen Will und mir: „Wenn die alten Sensenmänner, unter anderem du, dieses Wissen gesammelt haben, warum weißt du es dann nicht mehr?“

Giggelnd verschränkte ich die Fingerkuppen: „Ich finde es schmeichelhaft, dass du mir so viel zutraust, aber diese Erinnerungen sind alt, blass und furchtbar verstaubt. Wissen wird erlagt und geht verloren. Bei den Sensenmännern wird es aufgeschrieben, um es zu verhindern, doch auch das ist keine 100% Garantie. Schaut euch nur beispielsweise die Menschen an: Die Römer hatten schon Kanalisationen, im Mittelalter hausten die Menschen wieder in ihrem eigenen Dreck. Wortwörtlich. Erst 1700 kam den Menschen wieder in den Sinn, dass so etwas gut und sinnvoll wäre. Und so kam es, dass metaphorisch gesehen das Rad zweimal erfunden wurde. Bei den Shinigami ist es manchmal nicht anders. Ja, dieses Archiv wurde angelegt. Ja, dort unten liegt eine Mannigfaltigkeit Wissen und ja, es ist sehr gut möglich, dass einige Errungenschaften der Reaper schon lange vorher einmal entdeckt worden sind, doch das Wissen darum schlicht mit dem Archiv vergessen wurde, doch“, ich legte meinen Zeigefinger auf meine Lippen und ließ meinen Blick über die Versammelten schweifen, als ich durch geschlossene Lippen lachte und die ernste und angespannte Mimik der Anwesenden begutachtete: „Es besteht das Risiko, dass dort unten nichts ist, was uns weiterhilft. Dann verlieren wir Zeit. Es könnte also sein, dass wir uns eine Menge Zeit sparen, oder welche vergeuden. Wählt.“

Alexanders Augen sah man an, dass er hin und her überlegte: „Das Archiv.“

Ich grinste breiter: „Sicher Earl?“

„Ja.“

„Gut, dann werde ich jetzt nach Hause fahren“, lachend ging ich den Flur hinunter: „Grell, Ronald, William? Bis morgen.“



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