Heute ist es wieder so weit. Wie jedes Jahr, müssen wir einen Aufsatz über ein schönes Erlebnis in den Ferien erstellen.
Wie jedes Jahr sitze ich nachdenklich vor dem weißen Blatt.
Am liebsten würde ich von meinem schlechtesten Erlebnis berichten, denn davon habe ich genug: Tagelang hungrig im Bett gelegen oder mal wieder die Hand von meinem Vater in meinem Gesicht gespürt, weil ich vergessen habe die Wäsche zu waschen. Aber nein, man will ein schönes Erlebnis. Und selbst wenn, ich müsste die Kontrolle meines Vaters überstehen. Er würde meinen Aufsatz auf der Stelle zerreißen. Und ihm einen Falschen vorlegen und den Richtigen in der Schule abgeben? Wer würde mir nur glauben? Viel eher würden die Lehrer schmunzeln und ein Elterngespräch einberufen, wegen Lügen. So oft wie ich schon belächelt wurde, als ich nach Hilfe fragte.
Also sitze ich wieder hier und versuche krampfhaft einen schönen Moment zu finden. Einen Moment der nicht wirklich schön ist, aber ich ihn mir so schön wie möglich reden muss. Sei es der rettende Ausflug zu meiner Oma oder der Spaziergang mit dem Hund.
Ein Strohhalm nach dem ich greife, um den Schein der heilen Welt aufrecht zu halten. Und mich graut es schon, wenn ich nächstes Jahr erneut, einen schönen Moment in meinem Leben finden muss.
