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Pretty Boy

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Teil 11- Und das Leben geht weiter

Pretty Boy
 

Teil 11- Und das Leben geht weiter
 

In dieser Nacht hat ein Alptraum den nächsten gejagt. Ich kann mich inhaltlich an kein Szenario festklammern, nur das Akira in jedem einzelnen für ein abruptes Erwachen sorgte. Klitschnass geschwitzt schießt mir das Adrenalin durch die Venen, als wäre ich in einem endlosen Horrorfilm gefangen und kämpfe als letzter Überlebender um ein Entkommen aus dem es kein Entkommen gibt. Denn wie entkommt man seinem Albtraum, wenn er sich bereits in jeder Zelle seines Körpers manifestiert hat?

Es ist erst kurz nach vier Uhr als ich es endgültig aufgebe weiter schlafen zu wollen. Es hat keinen Zweck. Ich fühle mich schlecht. Wirklich elendig schlecht. Mein Magen rebelliert, weil diese unerträgliche Unruhe die in mir wütet immer mehr und mehr an überhand gewinnt. Bei jeden Gedanken an ihn zieht sich meine Brust schmerzlich zusammen, dass mir selbst das Atmen schwer fällt. Mein Bett war mir immer mein liebstes Fleckchen auf dieser Welt und selbst das hat er mir jetzt verdorben. Immer wenn ich denke ich habe ihn überwunden drängt er sich wieder in mein Leben. Wird es wieder vergehen? Mit der Zeit sicher irgendwann, schließlich habe ich es schon mal geschafft ihn aus meinem Kopf zu verdrängen, aber bis dahin werden vielleicht noch viele ruhelose Nächte folgen.
 

Die anderen schlafen noch. So leise wie möglich schleiche ich durch den Flur zurück in mein Zimmer, nach einer kalten dusche die meine Müdigkeit vorerst vertrieb. Zum ersten mal seit ich wieder zu Hause bin hole ich mein Handy heraus und schnappe überrascht nach Luft. Dreiundvierzig verpasste Anrufe, zweiunddreißig Nachrichten, achtundzwanzig WhatsApp Nachrichten, fünfzehn Mailbox Nachrichten und allesamt von meiner Familie, Haruno und Shiba und einer unbekannten Nummer. Aufmerksam gehe ich die Nachrichten durch und merke bald, dass die unbekannte Nummer Susu ist. Sofort speichere ich sie ab und schicke ihm dann in meinem Dusel eine Nachricht.

»Ich brauche dich«

Hoffnungsvoll starre ich auf die Anzeige seines Namens und warte das 'online' aufploppt, aber es tut sich nichts. Wie hätte es auch anders sein sollen? Jeder normale Mensch schläft um diese Uhrzeit. Einen enttäuschten Seufzer kann ich trotzdem nicht unterdrücken. Ich schließe die Bettdecke um mich, lasse mich von den schnell flimmernden Bildern des Fernsehens berieseln und versuche meinen Kopf abzuschalten. Das Programm ist den Einschaltquoten mehr als gerecht, nämlich miserabel. Ich zappe durch die Kanäle. Das Interessanteste ist tatsächlich Teleshopping in dem Dinge angepriesen werden die keiner braucht und willensschwache Menschen dazu verleitet ihr Geld zum Fenster heraus zu werfen. Und während ich mit dem Gedanken spiele mir einen Foodsaver zu kaufen, mit dem man Essen und anderes vakuumverpacken kann, leuchtet mein Handy auf.

»Susu: Stehe vor der Tür. Komm runter.«

Hektisch springe ich auf und leg mich fast lang, weil sich die Decke zwischen meinen Beinen verheddert hat.
 

„Ich hätte nie damit gerechnet das du direkt herkommst.“, wundere ich mich, doch freue mich auch über die Maßen, was ich ihm mit einer überschwänglichen Umarmung spüren lasse.

Seine Arme schließen sich sofort um meine Hüfte und seine Nase vergräbt sich in meinem Nacken. Wie ein Schluck Wasser hängt er an mir. „Erwarte nicht zu viele Weisheiten von mir, ich bin hundemüde. Also was gibt’s? Sind deine Eltern doch nicht so cool damit umgegangen jetzt die Regenbogenflagge zu schwenken?“, nuschelt er an meinem Hals.

„Doch, alles gut was das angeht denke ich. Sie planen quasi schon meine Homo-Hochzeit.“

„Was ist dann das Problem?“

„Na ja, meine kleine Schwester hat mir etwas erzählt, dass dem kleinen Mädchen in mir den Todesstoß versetzt hat.“

„Ich weiß nicht was das heißen soll.“, gähnt er.

„Akira, er hat-“

Er packt mich ruckartig an den Schultern und schaut mir mit dicht zusammengepressten Augenbrauen ins Gesicht. „Was ist jetzt schon wieder mit diesem Bastard?“ Die Müdigkeit scheint auf einmal aus ihm gewichen zu sein, dass seine Augen mich zornig an funkeln. Ich weiß, dass seine Wut nicht mir gilt, sondern denjenigen der mein Leben völlig auf den Kopf gestellt hat.

Ich senke meinen Blick, kann seinem einfach nicht standhalten. „Miyu hat mir erzählt, dass sie gesehen hat wie er mich im Schlaf küsste.“

Im ersten Moment weiß er nicht was er sagen soll. Das erste Mal, dass ich ihn sprachlos erlebe, zumindest einen blöden Spruch hat er immer auf den Lippen. „Du hast geschlafen, das zählt nicht.“, behauptet er dann eisern nach einem Moment der Überlegung.

„Aber… Ich weiß doch, dass es passiert ist.“

„Du weißt nur, dass es angeblich passiert ist und nicht wie es wirklich war. Du kannst nicht von dir behaupten deinen ersten Kuss gehabt zu haben, wenn du nicht mal weißt wie es ist.“, fachsimpelt er.

„Wie war denn deiner?“

Er schüttelt sich angewidert bei dem Gedanken. „Den hatte ich mit einem Mädchen aus meiner Klasse. Ich glaube da war ich zwölf. Wow, ist das schon lange her. Jedenfalls war das bevor ich wusste was Sache ist, merkte aber damals schon, dass das so nicht richtig sein kann. Es war als würde man seine Oma küssen.“

„Iiieh.“, behaupte ich und gluckse.

Wir stehen nebeneinander und lehnen gegen den weißen Lattenzaun vor dem Haus. Es ist ruhig in dieser Vorstadtgegend. Auch in meinem zu Hause. Wie gesagt, normale Menschen schlafen um diese Uhrzeit. Die Sonne kündigt sich am Horizont an und färbt ihn in einem satten Orange Ton während Wolkenfetzen deutlich heller schimmern. Auch heute wird sicher wieder ein unerträglich heißer Tag. Aber er kommt. Der Tag meine ich. Ein neuer Tag kommt, ein alter geht. Es geht einfach immer weiter, egal wie oft für mich die Welt untergeht. Es geht weiter. Fasziniert betrachte ich den Horizont und versuche mir das Farbspektakel einzuprägen das Mutter Natur uns da bietet. Die ersten Sonnenstrahlen fühlen sich warm an auf der Haut. Einen weiteren Moment später fahre ich meinen Kopf herum zu Susu, der jedoch mich eindringlich betrachtet, statt dem wie ich finde Naturwunder. Wie oft geht schon die Sonne nach einem Weltuntergang auf?

„Was denn?“, frage ich verlegen.

„Hast du ihn schon mal besucht?“, erwidert er ruhig.

„Wen?“, frage ich misstrauisch.

„Akira.“

Uff! Tiefschlag. So fühlt es sich an, denn sofort zieht sich alles in mir zusammen und mein Magen spielt erneut verrückt. Abrupt wende ich mich wieder in die andere Richtung zurück, sie bietet mir eine zuversichtlichere Weltanschauung, als das Konfrontationsgespräch. Unruhig zupfe ich an meinem übergroßen T-Shirt, dass mir bis über den Po reicht, dass meine Shorts darunter nur knapp hervor blickt. „Nein.“, gestehe ich leise.

„Hmmm…“, brummt er lange. Ich spüre seine Blicke in meinem Nacken, die meine Anspannung nur verstärken. „Ich denke, dass dir ein Besuch helfen würde mit der Sache abzuschließen.“

„Spricht da wieder dein Psychologiestudium aus dir?“, seufze ich zerknirscht.

Breit grinsend zieht er mich an sich, um mich erneut in den Arm zu nehmen. Er knuddelt mich ausgiebig wie einen riesen Teddy, was ich widerstandslos über mich ergehen lasse. „Ach Schätzchen. Ich liebe dich, aber manchmal möchte ich dich ganz kräftig rütteln, damit du mal klarer siehst. Du bist immer der Letzte der die Dinge rafft, dafür muss man nicht studiert haben um das zu blicken, man muss dich nur besser kennenlernen. Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass du zu naiv bist, zu unerfahren, zu gut behütet oder what ever, aber du wirst immer und immer wieder in beschissene Situationen geraten, wenn du nicht langsam mal erkennst was um dich herum passiert. Mach die Augen auf. Sieh nach vorne und nicht zurück. Sieh was vor dir liegt. Sieh was du hast und nicht was du hattest. Lass nicht deine Vergangenheit dein Leben bestimmen. Lass nicht länger dieses riesen Arschloch dein Leben bestimmen.“

„Und was rät der Herr Doktor mir nun?“ Jetzt bin ich derjenige, der die Nase an seinem Hals reibt. Er riecht frisch geduscht. Das kann im Umkehrschluss nur bedeuten, dass er die Nacht statt in seinem Zelt mal wieder bei einem anderen verbracht hat. Ich weiß nicht, ob ich neidisch oder traurig sein soll. Einerseits wünsche ich mir auch endlich einen warmen Körper an meiner Seite statt dem Dauerauftritt meiner rechten Hand, aber andererseits kann das was er da treibt auch nicht gesund sein. Jede Nacht einen anderen.

„Zu aller erst gehst du zu ihm und kotzt dich richtig aus. Das meine ich nicht wörtlich, lass die Cocktails stehen. Lass alles raus was dein kleines unschuldiges Herz belastet, alles was er dir angetan hat, was unausgesprochen zwischen euch stand, tritt meinetwegen nach ihm. Und wenn das erledigt ist kommst du zu mir und ich treibe dir deine Unschuld aus.“ Mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht greifen seine Hände nach meinen Pobacken und drücken zu als würde er eine Fahrradtröte aufjaulen lassen.

Ein seltsamer undefinierbarer laut kommt aus mir raus geschossen, der mich klingen lässt wie eine verschreckte Maus. Ich verpasse ihm einen Knuff auf den Oberarm und schnaufe. „Du kannst auch nicht ernst bleiben.“

Er kugelt sich förmlich vor Lachen. Auch wenn sein Sinn für Humor zu wünschen übrig lässt und auch wenn die Witze immer auf meine Kosten gehen, ist es trotzdem schön ihn lachen zu sehen, denn trotz all dem was er durchgemacht hat, schafft er es seinen Humor und Frohsinn zu bewahren. Das gibt mir Mut und Kraft, dass ich das auch schaffen werde. Der Restart meines Lebens hat begonnen. Die Menschen die es mir schwer machten sind nicht mehr Teil meines neuen Lebens. Ich habe alles abgeschüttelt und will auch nichts wieder zurück. Nicht einmal Akira. Warum fällt es mir dennoch so schwer ihn los zu lassen?

Sanft ruht sein Blick auf mir, nachdem sein Lachen verhalte. „Du wirst nie dein Glück finden, wenn du nicht mit ihm abschließt. Dazu gehört auch, dass der Kuss nicht zählt, damit du dir deinen klein Mädchentraum bewahren kannst.“

„Ist das nicht nur eine Art des Selbstbetrugs?“, erwidere ich düster.

„Na gut.“, schnauft er entschlossen. Seine schlanken Finger graben sich tief in mein Haar und ziehen meinen Kopf schmerzlich in den Nacken. Überrumpelt entweicht mir ein keuchen. Mit großen Augen sehe ich zu wie er mir immer näher kommt. „Ich werde dich jetzt küssen.“, haucht er im ruhigen klang seiner Stimme und setzt seinen Weg fort. Seine Nasenspitze streift über meine. Er lockert seinen Griff und lässt eine Hand über meine Wange wandern, um dann vorsichtig meinen Mund mit dem Daumen zu öffnen. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut. Meine Lippen erbeben. Meine Kopfhaut prickelt wild. Zählt er? Zählt er nicht? Wenn nun aber nicht, wird das mein erster Kuss. Mit Susu. Meinem Freund. Meinem Fels in der Brandung. Wenn er zählt, ist es einfach nur ein Kuss. Jedoch immer noch der erste an den ich mich später zurück erinnern werde. Ich höre ihn tief einatmen und bekomme mit wie er die Augen schließt.

„Nein!“, würge ich atemlos hervor. „Nein nein nein. Du hast recht. Es zählt nicht. Es zählt nicht.“, wiederhole ich einige Male schwächlich krächzend. „Ich habe es noch vor mir und den will ich nicht von dir. Du bist mein Freund. Ich habe solche Gefühle nicht für dich.“ Meine Augen brennen als sie sich füllen.

Er lächelt zufrieden und tätschelt mich zitterndes Bündel liebevoll über den Kopf. „So ist es brav.“

„Was?“, keuche ich überfordert. „Wusstest du wie es endet?“

„Klar, wer hat hier das Diplom du oder ich?! Jetzt musst du aber was für mich tun.“

„W… was denn?“

Er springt hinter mich und duckt sich. „Beschützt mich“

„Was macht ihr da in aller Frühe mitten auf der Straße?“ Mit den Händen in die Hüfte gestemmt schnauft Shiba uns an. Wenige Schritte hinter ihm kommt auch Haruno dazu. Prompt steigt mir die Hitze zu Kopf, als ich sie erblicke.

„Hey Jungs. Schönes Wetter, was?“, floskelt Susu, sich hinter mir in Sicherheit wiegend. Verständlich das er Angst hat, der letzte der mich küssen wollte hat ein lädiertes Gesicht.

„Wa… Was macht ihr schon so früh hier?“, stottere ich verlegen. Die beiden haben wirklich ein Talent dazu mich in peinlichen Situationen zu erwischen. Ich brauche ein Frühwarnsystem für sie. Ein Glöckchen um den Hals würde es vorerst auch tun. Würde Shiba sicher auch hervorragend stehen. Ein Frühwarnsystem für idiotische Handlungen muss erst noch für mich erfunden werden, aber das wäre mir jeden Preis wert.

„Wir wollten sehen wie es gestern lief.“, erwidert Haruno etwas kurzatmig, der seine Mühen hatte dem schnellen Tempo seines Freundes mitzuhalten. „Wir sind scheinbar nicht die einzigen mit dieser Idee. Guten Morgen Subaru.“

„Und das ist mein Stichwort zu gehen. Bis heute Abend Schatz.“, zwinkert er mir grinsend zu bevor er schnell das Weite sucht. Ja toll, reite mich noch weiter in die Scheiße, dass zahle ich dir Heim.

Hölzern drehe ich mich zu ihnen und zupfe schüchtern am Saum meines T-Shirts, um es ein paar Zentimeter länger zu ziehen. Nur zu real schießt mir das Wissen ins Bewusstsein, dass sie den Anblick meines halb nackten Körpers bereits kennen. Lieber wäre mir jetzt ein Polarexpeditionsanzug um meinen Körper zu verdecken. Zudem steht mir auch noch meine Löwenmähne wild ab, dass kommt davon wenn man mit nassen Haaren ins Bett geht und wühlt wie ein Bekloppter. Sie sehen natürlich wieder umwerfend aus. Haruno alias Japans next Topmodel in Spe. Ja, ich bleibe dabei, dass passt einfach besser zu ihm als diese Kindergärtner Nummer. Seine Igel spitzen am Hinterkopf hat der wieder hervorragend gezwirbelt und gegelt. Die zwei obersten Knöpfe seines Hemdes sind offen und ich bewundere sein schönen geschwungenes Schlüsselbein. Die Schuluniform steht ihm wirklich gut. Shibas dagegen ist genauso verschlossen wie er selbst. Ich verstehe nicht, wie er bei den Temperaturen tagsüber trotzdem mit den langärmeligen Hemd rumlaufen kann. Der muss sich doch zu Tode schwitzen. Sonnenallergie wird es wohl kaum sein, sonst bräuchten wir einen neuen Club Treffpunkt. Sein Zottel Pony verdeckt wie immer die Hälfte seines Gesichts. Das er dadurch überhaupt was sehen kann bezweifle ich nach wie vor, aber ich weiß nur zu gut was darunter lauert und irgendwie finde ich das gut, dass es nicht jeder weiß. Wenn die Mädchen die Haruno hinterher dackeln wüssten wie attraktiv er ist, würden sie ihm auch hinterher jagen und das scheint er auf keinen Fall zu wollen. Gut so. So habe ich ihn für mich allein. Na ja gut, ich muss mir das Sorgerecht mit Haruno teilen, der sich zu Wort meldet als Susu unser Sichtfeld verlässt. „Läuft da was zwischen euch?“

„Nein!“, schießt es wohl ein wenig zu schnell aus mir raus.

„Aber ihr habt euch geküsst.“, bleibt er auf Kurs.

Hektisch wedel ich mit den Händen, während meine Wangen diesen verräterischen Rotton annehmen. „Nur fast. Wirklich nur fast. Das war ein Test von ihm. Ich… ich habe noch nie. Wirklich. Also geküsst und so anderes... Ich konnte nicht. Ehrlich. Nicht mit ihm. Aber so ist er eben. Er fässt mich dauernd an. Sind aber nur Freunde. Wirklich gute Freunde. Beste Freunde.“ Ich glaube mein Kopf dampft wie ein übergroßer feuerroter Teekessel. Lieber die Klappe halten, bevor es schlimmer wird. Ich habe nicht das Gefühl, dass meine verunglückte Erklärung irgendwas bringt, denn sie Mustern mich beide ziemlich skeptisch. Doch vorerst geben sie sich still und wir gehen ins Haus.
 

Mein Vater schläft noch. Er hat hart mit seinem Jetlag zu kämpfen. Ich bin froh, dass er noch nicht wach ist, so muss er mich nicht schon am frühen Morgen in dem kurzen Röckchen herum hüpfen sehen. Dadurch erspart er sich den Nervenzusammenbruch vorerst.

Miyu freut sich riesig über Haruno und schenkt ihm ein selbstgemaltes Bild, auf dem sie beide als Prinz und Prinzessin zu sehen sind. Freundlicherweise hat sie mich dazu gemalt, als feuerspuckenden Drachen im Hintergrund. Er freut sich doch tatsächlich über das abstrakte Bild und verspricht ihr es zu Hause aufzuhängen. Das hätte er lassen sollen. Jetzt wird er so viele bekommen, dass er damit neu tapezieren kann. Armer Shiba, umgeben von Augenkrebs fördernden Bildern. Ich werde es meiner Schwester nie verzeihen, wenn er wegen ihrer Bilder sein Augenlicht verliert, was arg unwahrscheinlich ist, aber man weiß ja nie.

Hina schnattert nonstop über mögliche Styling Ideen für die beiden, während sie meine Haare knetet, kämmt und flechtet. Keine Ahnung wie sich dieser Zopf nun wieder nennt, den sie mir verpasst hat, aber es sieht aus als hätte ich einen Kranz um den Kopf während sie im Nacken wellig fallen dank ihres Lockenstabs, mit dem ich schon unliebsame Bekanntschaft machen durfte. Haruno ist hellauf begeistert was ihre Ideen angeht. Ich nicht. Sie will ihm die Stacheln nehmen.

Shiba verweigert sich dem Ganzen komplett und ist eher hinterher, dass ich was esse. Es ist manchmal erschreckend was er alles mitbekommt, aber er hat Recht, meine letzte Mahlzeit ist einige Tage her. An das Hungergefühl gewöhnt man sich, dass man es gar nicht mehr merkt. Mir hat einfach alles den Appetit verhagelt, dass ich nicht mal das Bedürfnis hatte überhaupt etwas essen zu wollen.

Heute ist jedoch alles besser. Mein Vater schläft oben. Meine Mutter bricht sich fast ein Bein dabei aus uns zu bekochen und zu bewirten. Miyu spielt am Tisch mit Haruno und ihren Ponys. Hina geht ihrer Lieblingsbeschäftigung nach und stylt mich mit größtem Eifer. Shiba herrscht mich an den Teller leer zu essen. Auch seine Hand sieht schon deutlich besser aus die Schwellung ist weg. Es schmerzt ihn jedoch noch. Ich sehe es an seinen Mundwinkeln die sich immer verziehen wenn er die Hand bewegt. Irgendwie ist alles gerade so ziemlich perfekt, wenn da nicht eben dieser eine Name wäre der immer in meinem Hirn auf flackert.
 

Meine Füße sind so schwer wie Blei und mein Magen krampft schmerzhaft. Wieder zur Schule zu gehen ist an und für sich eine gute Idee, aber die Sorge aufzufliegen ist jetzt größer denn je. Schließlich hat es nicht mal einen Tag gebraucht bis Shiba dahinter kam, das ich kein Mädchen bin. Das mag an seiner überragenden Beobachtungsgabe liegen, aber leider liegt es auf der Hand, dass es meine eigene Schuld war. Ich Idiot muss wirklich besser aufpassen, wie ich mich hinsetze und das ist sicher nur die Spitze des Eisbergs was Mädchen von Jungs unterscheidet. Shiba hat recht, ich sehe aus wie eins, benehme mich aber nicht so, wenn ich das nicht ändere wird meine Scharade früher oder später sowieso auffliegen. Ich will nicht wieder diese Hetze erleben. Diesmal muss es klappen. Diesmal kriege ich mein Leben auf die Reihe. Mit schwitzigen Händen, krampfenden Magen und Augenringen Dank schlafloser Nächte, aber ich werde es schaffen. Solange Haruno und Shiba mir zur Seite stehen, solange meine Familie mich bedingungslos liebt und solange Susu mein bester Freund ist, wird die Zeit an der Oberschule irgendwie durchzustehen sein.

Ein erholsamer Schlaf wäre dennoch wünschenswert. Im Mathe Unterricht muss ich zwar nicht zuhören, weil wir Übungsaufgaben lösen sollen, aber ich schaffe es kaum meine Augen offen zu halten. Wie ein Schwergewichts Champion der seine hundert Kilogramm Gewichte hebt, kämpfe ich mit meinen Lidern. Gut, hundert Kilogramm werden sie nicht wiegen, aber gefühlte zweihundert Kilogramm mindestens.

Wie eine Ewigkeit kommt es mir vor bis es endlich zur Pause läutet. Haruno war diesmal nicht schnell genug und wird scharenweise von Mädels umzingelt die ihn mit Fragen bombardieren.

„Haruno, wo warst du denn? Ich habe dich vermisst.“

„Warst du krank? Warum hast du mich nicht angerufen? Ich hätte mich doch um dich kümmern können.“

„Ich leih dir gerne meine Mitschriften. Wir können uns ja zum Lernen treffen.“

„Schnatter, schnatter, schnatter.“

„Blablabla.“

Die Nerven! Benimmt sich so ein normales Mädchen oder sind nur verliebte Mädchen so aufdringlich? Merken die denn nicht, dass er sie alle nur an der Nase herumführt? Macht Liebe so blind? Ich bin doch ganz gut im erahnen was Mädchen fühlen, vielleicht kann ich das irgendwie auf mein Verhalten spiegeln damit ich glaubwürdiger werde. Jedenfalls vor Fremden oder Mitschülern.

„Haruno, gib mir doch mal deine Nummer, damit ich dich erreichen kann.“

„Haruno, du hast doch nicht etwa gefehlt, damit du Zeit mit deiner Freundin verbringen kannst oder?“

„Gacker, gacker, gacker.“

Sie halten einfach nicht den Mund.

„Das wird mit ihm heute nichts. Lass uns dennoch nach oben.“, höre ich Shibas Stimme aus dem Geschnatter heraus.

„Oh ja, bitte.“, stöhne ich genervt.
 

Hundemüde schleppe ich mich die Treppen hoch, nur um mich auf den harten Boden fallen zu lassen sobald ich die Tür hinter mir gelassen habe, dass Shiba auch noch beinahe über mich stolpert.

„Was wird das denn?“, erkundigt er sich verwirrt.

„Müde.“, antworte ich nur knapp.

„War eine lange Nacht mit Subaru?“

Ich versuche ihn grimmig anzusehen, aber ich bekomme nur ein ziemlich schiefes Lächeln hin. „Nein. Nur eine schlaflose Nacht voller Albträume. Subaru ist nur ein Freund. Wirklich. Du wolltest doch, dass ich ehrlich zu dir bin.“

Er schweigt für den Moment. Brummend lässt er sich neben mir nieder und lehnt sich an das Gelände. Meine Augen sind längst geschlossen, erschöpft vom Gewichte stemmen einfach zu gefallen. Meine Schultasche muss als Kissen herhalten. Bequem ist was anderes, aber es erfüllt seinen Zweck.

„Du hast Albträume?“, fragt er schließlich, als hätte er gründlich über seine nächsten Worte nachgedacht. Statt zu antworten seufze ich tief. Was soll ich darauf sagen? Jedenfalls fällt mir auf die Schnelle nichts dazu ein, was weitere Fragen erübrigen würde. Als ob es überhaupt eine Antwort darauf gebe die Akira aus dem Spiel lässt. Ich möchte nicht mit Shiba über ihn reden, auch nicht mit Haruno und erst recht nicht mit meiner Familie. Ich möchte ihn nur endlich vergessen können. „Misaki…“ Nein, bitte lass es einfach gut sein. Muss ich erst mit den Schultern zucken, damit du merkst, dass ich nicht darüber reden will?! „…komm her. Ich bin sicherlich bequemer als der Boden.“

Ein müdes, aber erleichtertes lächeln liegt auf meinen Lippen. „So etwas darfst du mir nicht anbieten, dann wirst du mich nicht mehr los. Ich kann ziemlich anhänglich sein.“

„Komm schon her.“, antwortet er ohne zu zögern.

Mein lächeln weicht einer dezenten Rötung auf den Wangen. Ich schaffe es meine Augen zu öffnen und sehe seine ausgebreiteten Arme. „Ist das dein Ernst?“, harke ich ungläubig nach.

„Komm.“, erwidert er mit Nachdruck.

„Ist dir das gar nicht unangenehm?“

„Misaki!“

Ich schlucke schwer jedes weitere Wort der Gegenwehr herunter. Sowohl mühsam, als auch zögerlich erhebe ich mich auf alle Viere. Meine Muskeln fühlen sich dabei so schwer an. Ich weiß, dass hier ist ein Fehler. Ein verdammt großer Fehler, aber ich will es. Ich will es unbedingt. Will ihn. Ihm nahe sein. Ihn berühren. Jedoch habe ich seiner Umarmung kaum standhalten können und jetzt soll ich ihn als Dakimakura benutzen. Als ich in Reichweite gekrochen komme dirigiert er mich. Ich folge ihm ohne Widerrede, er würde sowieso nicht hören. Zufrieden ist er, als ich zwischen seinen Beinen Platz finde, meine dabei über sein rechtes gelegt und mein Oberkörper seitlich an seinem gelehnt. Seine Arme umschließen mich und drücken mich behutsam an sich. Während mein Herz den wildesten Samba den es je hingelegt hat mit dem kleinen Mädchen in mir tanzt, kann mein Kopf einfach nicht die Klappe halten und schreit mich an was mir nur einfallen würde. Wie dämlich ich nur sein könnte, wie leichtsinnig, wie über die maßen gutgläubig, dass das hier tatsächlich klappen könnte. Doch mein Körper erbebt und mein Untergeschoss ist längst auf Action eingestellt. Ich spüre die gefährlichen Regungen südlich sofort und zu übersehen ist sie auch nicht. Hastig lege ich meine Hände über meinen Schoß, um meine Begierde zu kaschieren. Ich traue mich kaum, doch wage einen Blick nach oben in sein Gesicht. Er hat seine Augen geschlossen und lehnt den Kopf gegen das Gitter, als möchte er ein wenig ruhen. Auch seine Wangen sind gerötet, wenn auch nicht so stark wie meine. Ich spüre ihr heißes glühen, doch sie sind nicht das einzige was an mir glüht. Ich fühle mich als würde ich in flammen stehen. Ich finde irgendwo in mir meine Stimme wieder, die alles andere als überzeugend sicher klingt. „Die Pause reicht doch sowieso nicht für ein Nickerchen.“, was mir ziemlich spät einfällt.

„Dann schwänzen wir den zweiten Block Mathe, dass kann ich ganz gut, ich erkläre es dir später.“, antwortet er mir ohne die Augen zu öffnen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du jemand bist der schwänzt.“

„Das ist eine Ausnahme. War für uns beide eine anstrengende Woche und jetzt ssssssch! Schlaf.“

„Ich glaube nicht, dass ich so schlafen kann.“, nuschle ich verlegen.

„Ssssssssch.“, erwidert er nur.

Schmunzelnd verdrehe ich die Augen. Sturkopf! Ich lasse auch den letzten Widerstand in mir los und kuschel mich in seine Arme. Mein Kopf ruht auf seiner Brust, dass ich den beruhigenden Ton seines Herzens lauschen kann. Schnell verliere ich mich in seinem klang. Seine Brust hebt und senkt sich bei jedem Atemzug und wiegt mich sacht. Leise bete ich in mich hinein, dass er die Augen geschlossen lässt.
 

„Du solltest dich nicht einfach bedienen.“

„Das ist meine Rache dafür, dass ihr mich einfach in Stich gelassen habt. Ich futtere euch all die guten Sachen weg und dein Gebrumme ändert da auch nichts dran.“

„Hmm...“

„Ja, genau das. Brumme nur so viel du willst, dann esse ich nur noch schneller.“

Es dauert eine Weile bis mir klar wird, dass ich es wirklich geschafft hatte einzuschlafen und es gerade Stimmen sind die mich wecken. Kein Albtraum wie in der letzten Nacht, sondern nur zwei vertraute Stimmen die sich zu flüstern.

„Was ist denn mit ihm?“, schmatzt das Igelchen mit vollem Mund. So wie es klingt, hat er sich dem Anschein nach über meine Bento Box hergemacht. Ich bin mir sicher Mum hat wieder für sie mit gekocht. Sie hat wirklich einen Narren an den beiden gefressen, vor allem nach ihrer Hilfe und ihrer Freundschaftsbekundung. Sie ist so glücklich, dass ich tatsächlich Freunde habe, aber nicht nur sie, auch Dad und Hina. Miyu hasst mich mehr denn je. Für mich ist es jedoch schwer zu glauben, dass sie meine Freunde sind. Nicht weil ich mich dem versperre, ich will ihr Freund sein. Ich will es wirklich. Nur, sie sind so cool und smart und hübsch, nein, nicht hübsch, sexy. Sie sind verflucht heiß und das macht es mir nur noch schwerer in ihrer nähe zu sein. Ich bin Eva im Paradies und sie sind der verbotene Apfel, während die Schlange in meiner Hose mir verführerische Dinge zu wispert.

„Albträume.“, murmelt Shiba knapp.

Der andere prustet wenig überzeugt. „Und das glaubst du ihm, nachdem wir gesehen haben wie er früh morgens vor der Tür mit Subaru herumgeknutscht hat?“

„Da war nichts, dass hat er doch selbst gesagt.“

„Ich weiß nicht, was ich ihm noch glauben soll. Ich denke, ich habe ihn falsch eingeschätzt. Er wirkte immer so unschuldig, naiv und hilflos, aber dann macht er mit dem Typen in Ni-chóme rum und dann Subaru. Dabei fühle ich mich so schuldig, weil ich selbst an nichts anderes denken kann, als ihn mir zu packen und-“

„Ren!“, unterbricht ihn das böse Pantherchen. Pfui! Aus! Wie kannst du ihn ausgerechnet jetzt unterbrechen?! Und? Und was?
 

Ende von Teil 11



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Jane98
2017-10-29T21:42:51+00:00 29.10.2017 22:42
alsoooo... hoffentlich kommt bald das nächste Kapitel sonst sterbe ich vor Spannung xD
Antwort von:  Serato
30.10.2017 07:16
das möchte ich aber nicht, dass du stirbst XD
ich beeil mich!
Was genau passieren soll weiß ich ja schon und muss es nur in worte fassen ;)
Von:  yamo-chan
2017-10-29T20:24:10+00:00 29.10.2017 21:24
Das ist doch Folter! Wie kannst du an so einer Stelle aufhören? 😭
Bitte ganz schnell das nächste Kapitel hochladen.

Der Titel ist übrigens gut gewählt, finde ich. Spoilert nicht, ist aber das wichtigste Wort des Kapitels. 👍
Antwort von:  Serato
30.10.2017 07:14
ja ich weiß, tut mir leid ^^" aber wenn ich da keinen schnitt gemacht hätte, wäre das Kapitel noch ewig weiter gegangen. zu mal ich das ende 4x umgeschrieben habe mit je anderem ende. die kapitel werden immer länger, ich muss mich zügeln sonst dauerts nur länger bis ich hochladwn kann XD
Auch den Titel hab ich je ände geändert und war immer unzufrieden, auch mit dem 'Und'
Aber danke ^^
Ich beeil mich!


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