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Momentaufnahmen

von

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Chaos

Vorsichtig öffnete Johan die Tür zum Zimmer seines Mitbewohners.
 

Dort lag er, auf seinem Bett, die Arme verschränkt und starrte an die Decke.
 

„Hier bist du.“ Johan blies einen erleichterten Seufzer aus.
 

Er hatte ihn nicht, wie gewöhnlich, auf dem Campus getroffen, damit sie gemeinsam nach Hause fuhren. Und als er die Haustüre aufschloss, war er auch nicht, wie üblich, auf der Couch vorzufinden gewesen.
 

Sein Blick wanderte durch den Raum.
 

Es war recht dunkel, da die Vorhänge zugezogen vor den Fenstern hingen. Trotzdem erkannte er das Chaos. Judais Zimmer unordentlich und unaufgeräumt vorzufinden, war bei weitem nichts neues.
 

Doch es schienen Sachen von den Regalen gefallen zu sein, die kleinen Figuren lagen verteilt auf dem Boden. Die große, schwarze Stoffkrabbe leistete ihnen Gesellschaft.
 

Auf der Kommode sah es nicht besser aus. Dort schien der kleine, hellblaue Plüschhund einige Sachen herunter gefegt zu haben.
 

Allmählich dämmerte es Johan, was hier vorgefallen war. Eigentlich wollte er es kaum wahr haben.
 

„Judai?“
 

Vorsichtig trat er näher, doch sein Freund würdigte ihn keines Blickes. Er starrte weiterhin stur an die Decke.
 

Es schmerzte, so eine Reaktion zu bekommen. Langsam sanken seine Schultern.
 

„Es tut mir wirklich Leid“, wiederholte er bekümmert die Worte seiner Nachricht von vorhin.
 

Immer noch keine Reaktion von Judai.
 

Johan hatte das Gefühl, sein Magen versuchte sich umzudrehen und er presste die Lippen aufeinander.
 

Was sollte er sonst sagen? Er wusste, dass er ihn mit seiner Aktion enttäuscht hatte. Und das ließ Judai ihn nun spüren.
 

„Ich hab ihn gefragt, wie’s ihm geht“, brach Judai schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit das unangenehme Schweigen. „Er meint, er versteht dich.“
 

Johan hob den Blick. Hatte sein Ausrutscher dann also wenigstens etwas bewirkt?
 

„Der Eine durchdenkt alles analytisch tot, der Andere hört zu sehr auf sein Bauchgefühl. Ein Wort kriegt keiner von beiden heraus. Alles Idioten“, sagte Judai bitter.
 

Betroffen verzog Johan das Gesicht und sein Mund wurde noch schmaler.
 

„Was soll dieser Quatsch eigentlich? Können wir uns nicht einfach zusammen setzen und die Sache vernünftig klären? Warum den Scheiß aussitzen? Wer ist denn damit glücklich oder zufrieden? Niemand!“
 

Mit einem Ruck setzte sich Judai auf, doch er ließ seinen Blick immer noch nicht auf Johan treffen.
 

„Der Grundgedanke war ja nicht komplett bescheuert. Aber letztendlich würde ich lieber die scheiß Schuldgefühle akzeptieren als diese beschissene Scharade noch weiter aufrecht erhalten zu müssen. Was bringt das? Es tut ohnehin weh! Und wenn er damit einverstanden ist, was macht das jetzt noch für einen Unterschied?“
 

Das dritte Kuscheltier, der alte, braune Kuriboh, bekam einen Schlag ins Gesicht versetzt und schleuderte zu Boden.
 

Fassungslos starrte Johan ihn an.
 

So hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Er hatte bis dato das Gefühl gehabt, dass Judai überhaupt nicht wirklich auf etwas oder jemanden wütend sein konnte.
 

Judai vermisste Yusei. Seine Nähe, seine Art, seine Stimme, seinen Duft. Und er vermisste es, dass sie nicht mehr zu dritt herum albern konnten.

Die Zeit mit Johan war toll, ohne Frage. Es stärkte ihr Band, ihr Vertrauen, ihr Wissen übereinander. Und er wollte diese Möglichkeit der Erfahrung nicht eintauschen - aber wozu war es noch nötig diesen Preis zu zahlen?
 

Dass Yusei jeglichen Kontakt mit ihm vermied tat ihm weh. Besonders, wo sie jetzt im Sommer so vieles vorgehabt hatten. Aber Judai konnte ihm nicht böse sein. Die Intention war doch schließlich gut. Oder vielmehr gut gemeint. Worin letztendlich der entscheidende Unterschied lag.
 

Judai wiederum so leiden zu sehen, machte Johan wütend. Er bekam die Launen seines Freundes aus erster Hand mit. Tröstete ihn so gut er konnte. Für ihn war Yusei daran Schuld. Deshalb war es mit ihm durchgegangen, als er ihn vor einigen Stunden zufällig gesehen hatte.
 

Und Yusei? Er hatte keinen an seiner Seite. Niemand, der ihn tröstete. Nur seine Arbeit lenkte ihn ab. Ihm musste das doch ebenfalls schwer fallen und weh tun. Und er konnte nur sich selbst daran die Schuld geben. Bekam dafür sogar noch die Lippe blutig geschlagen.
 

„Das tut am Ende jedem von uns weh“, hatte Judai gesagt, als er Johan darum bat Yusei nicht zu schlagen.
 

Und da war es nun.



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