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Neun Monate meines Lebens

von

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November und Dezember

 

Der restliche Oktober und der halbe November verliefen ohne Zwischenfälle. Abgesehen davon; dass die brütende Hitze von einer eisigen Kälte, die durch die Räume des Tendoanwesens kroch abgelöst wurde, gingen alle ihrem Alltag nach. Akane stand nach wie vor an der Kasse des Supermarkts, Nabiki hatte angefangen zu studieren und Kasumi war die meiste Zeit des Tages bei Doktor Tofu. Nachdem dieser ihr endlich einen Heiratsantrag gemacht hatte, der aus seiner Sicht ein voller Erfolg war, er aber in Wirklichkeit die ganze Zeit mit einer vollen Mülltonne geredet hatte, begann die junge Frau ihre Freizeit bei ihm zu verbringen. Das war sicher voller Vorteile für Kasumi, aber es brachte Nachteile für die restliche Familie. Sie alle waren nicht mehr so überversorgt durch Essen und Liebe. Jetzt stand Soun Tendo wieder in der Küche, wie er es getan hatte, als seine Frau verstorben war.

Zum Glück war es nicht Akane die sich als Hausfrau zu behaupten versuchte.

Ranma lag neben dem Tisch im großen Raum, und hatte seine Beine unter diesen gesteckt, da dort die kleine Heizung stand, das Einzige, was das Leben im Haus angenehm machte. Der Fernseher war angeschaltet und die Gameshow, die lief, war nur ein Hintergrundgeräusch, denn seine Gedanken waren wo ganz anders.

Akane würde sicher bald nachhause kommen. Soun war auf einer Tagung des Stadtvorstandes und sein Vater war unterwegs einkaufen. Er seufzte und hielt sich die Hände an seinen Bauch, als das Kind wieder zu boxen begann. Langsam aber sicher hatte er keine Lust mehr. Wenn er daran dachte noch vier weitere Wochen mit dieser Kugel rum laufen zu müssen...

Seine Gedanken schweiften wieder ab. Seit Nabiki nicht mehr jeden Tag im Haus war, war es irgendwie langweilig geworden. Auch wenn er diese Frau nie richtig mochte, ihre merkwürdigen Einfälle und ihre ganzen Spionageattacken, hatten den Tag irgendwie spannend gemacht.

Und dann dachte er wieder an ihrem blöden Kommentar bezüglich „Liebe machen“. Er hatte sie mal darauf angesprochen, aber Nabiki hatte ihm oder Akane nie eine Antwort gegeben. Wenn sie die beiden nun wirklich dabei beobachtet hatte, wie Akane... und er... sofort stieg ihm die Hitze wieder in die Wangen. Oh Mann, ob das irgendwann auch mal aufhören würde? Ranma stützte sich auf die Ellbogen und sah hinüber zur Tür, als er die Haustür hörte wie sie auf und zu geschoben wurde.

Niemand meldete sich, also stand er auf, schnaufte angestrengt und schlürfte in den Flur.

„Ryoga?“, vor ihm saß das kleine schwarze Ferkel P-chan, zitternd und niesend.

„Du bist damals einfach verschwunden, wo warst du die ganze Zeit?“, fragte er und hob das Ferkel an seinem Halstuch hoch. Müde sah es aus, aber sofort fuchtelte es mit seinen kleinen Ärmchen herum und wollte ihn Schlagen. „He! Ich hab dir gar nichts getan!“ Ranma ließ ihn einfach fallen. Quiekend kam es auf dem Dielenboden auf und rollte nach hinten. „Im Bad ist warmes Wasser.“, sagte er dann und ging wieder zurück um sich an den Tisch zu setzen.

P-chan tapste los, um sich im Bad warm zu duschen und wieder zum Menschen Ryoga zu werden.

Dann ging die Haustür wieder auf und Ranma hörte Akanes Stimme. „Bin wieder da!“, rief sie und zog ihre Jacke aus. Im Türrahmen stehen bleibend rieb sie sich die Arme und lächelte Ranma an. „Ich geh erst mal heiß Baden. Draußen ist es ganz schön kalt geworden.“, sagte sie und machte sie sogleich auf den Weg in ihr Zimmer, um anschließend Richtung Bad zu gehen. Ranma stützte gelangweilt seinen Kopf auf einem Arm am Tisch ab und starrte in die Flimmerkiste.

Dann fiel ihm ein, dass Ryoga im Bad war. Er riss die Augen auf, sprang auf, von Schwindel gepackt stolperte er auf die Tür zu und wollte seine Freundin aufhalten. Doch er war etwas zu spät. Akane stand spärlich bekleidet in der Tür, starrte in das Innere es Raumes. Über ihre Schulter konnte er Ryoga sehen, wie er nackt wie am Tag seiner Geburt in der Wanne stand und Akane genauso anstarrte wie sie ihn. Akane senkte den Kopf. Wie in Zeitlupe drehte sie sich um und stieg die Treppen in ihr Zimmer wieder rauf. Ryoga stand noch immer da, bewegte sich nicht, bis Ranma ihm ein Handtuch entgegenwarf. „Wäre wohl besser du wirst wieder zum Schwein.“

Dann stieg Akanes Verlobter keuchend die Treppe hoch und klopfte an ihre Zimmertür.

„Geh weg!“, rief sie. „Ich bin es. Ryoga ist gegangen.“, das stimmte nicht ganz. Er trat ein und lies sich auf die Bettkante nieder.

„Wie konnte er nur!“, rief sie in ihr Kissen. „Was meinst du?“ Ranma verstand nicht, was sie meinte. Jemanden nackt zu sehen war ja wohl nun nichts, für das man ihn hassen würde.

 

Als Akane ihr Zimmer betrat, zog sie sich bis auf die Unterwäsche aus, schlang halbherzig ein Handtuch um sich und griff im Schrank nach neuer Kleidung. Dann hopste sie die Treppe wieder runter und öffnete die Badezimmertür. „P-chan!“, rief sie, doch just in diesem Moment hatte das kleine Ferkel den Heißwasserhahn aufgedreht und verwandelte sich vor ihren Augen wieder zurück in einen Menschen. In Ryoga! Wie angewurzelt blieb sie stehen und konnte nicht glauben, was sie da sah. P-chan? Die ganze Zeit? Sie senkte den Kopf, enttäuscht und traurig, sauer und wütend. Dann drehte sie sich um und ging wieder in ihr Zimmer, schloss die Tür hinter sich und warf sich auf das Bett, schluchzte in ihre Kissen. Die ganzen Jahre hatte er sie angelogen, sich in ihr Bett geschlichen, hatte sie ihn nichtsahnend an ihre Brust gedrückt und dieser verlogene Mistkerl hatte es schamlos ausgenutzt. Als es an ihrer Tür klopfte, wollte sie niemanden sehen.

Ranma kam in ihr Zimmer und ließ sich auf ihrer Bettkante nieder. Sein schweres Atmen hing eine Weile in der Luft, ehe sie in ihr Kissen schrie, „Wie konnte er nur!“

Ranma legte ihr eine Hand auf die Schulter, doch sie rückte weg und zischte ihn an. „Und du auch! Wieso hast du mich die ganzen Jahre angelogen?“

„Akane, ich habe ihm versprochen, nichts zu sagen.“

„Lügner!“, rief sie und gab ihm ein Tritt mit dem Fuß gegen sein Po, buxierte ihn so vom Bett. „Wieso glauben immer alle, vor mir Geheimnisse haben zu müssen?“

„Warum gibst du mir jetzt die Schuld dafür? Es ist doch sein Problem, ein Schwein zu sein! Ich hab damit gar nichts zu tun.“, maulte er und rieb sich die Pobacke dabei. „Du hättest mich warnen können!“

„Ach ja? Ich hab dir so viele Hinweise gegeben, dass Ryoga und P-chhan die gleiche Person sind. Was kann ich dafür, wenn dein Hirn zu klein dafür ist, es zu verstehen.“

„RAUS HIER!“, Akane packte ein Buch und warf es nach ihm. Es traf ihn an der Schulter. „Spinnst du?“ „Verschwinde endlich!“

 

„Na super, jetzt ist sie auf mich sauer.“, maulte die Rothaarige und sah Ryoga finster an.

„Nicht mein Problem“, murmelte das Ferkel. „'Nicht mein Problem'? Sag mal spinnst du? Ist ja sehr wohl dein Problem! Du hast das verbockt, also biegst du das auch wieder gerade.“ Ranma ballte die Faust und ließ sie zornig auf die Tischplatte niedersausen.

„Ich kann Akane nie wieder unter die Augen treten!“, rief Ryoga halblaut und in seinen Augenwinkel sammelten sich Tränen. „Jetzt fang nicht an zu heulen, wie ein Mädchen. Wenn du dich entschuldigst, dann wird sie dir schon verzeihen. Das tut sie doch immer. Und ich werde wieder tagelang angeschwiegen und bekomme seltsame Dinge zu Essen.“ Ranma war wirklich wütend, denn wieso sollte er nun wieder Akanes Zorn abbekommen. Das tat er immer, wenn sie durch jemand anderes wütend wurde.

„Ich hab nun den Schlamassel am Hals weil ich ihr nicht gesagt habe, dass du P-chan bist. Ich weiß gar nicht, wieso ich mich da überhaupt einmische.“, brummte er und sah seinen Freund mit finsterem Blick an.

„Du bist an allem schuld!“, murmelte er und bedachte Ranma mit einem ebenso finsteren Blick. „Wie bitte?“ „Wenn du nicht wärest, würde Akane mich lieben. Und wenn du nicht in dieser... Situation wärest, dann würde ich dich jetzt so richtig vermöbeln.“

Ranma zog erschrocken die Augenbraue hoch. „Situation? Meinst du etwa ich hätte mir die ausgesucht? Ich glaub du hast n Vogel, du Schwein! Akane wird dich nie lieben, und wenn du sie anfasst, dann kannst du was erleben!“

Ryoga richtete sich brüllend auf und fiel seinem Gegenüber wütend an den Hals. Er drückte Ranma nach hinten und packte sein Pulloverkragen, drehte seine zu Fäusten geballten Hände und würgte ihn so etwas. „Wenn du Akane unglücklich machst, das schwöre ich dir, du wirst nie wieder wissen wie du heißt!“, raunte er in sein Ohr und funkelte Ranma dabei an. Ranma versuchte ihn von sich runterzudrücken. Früher hätte das wohl super geklappt, aber da er als Frau, nur halb so stark war, wie als Mann und er schon Monate kein Training mehr hatte, war es gar nicht so leicht, den schweren Körper von Ryoga von sich zu drücken. „Lass mich los.“ rief er und boxte ihm ins Gesicht.

Ryoga richtete sich halb auf und ließ ihn mit einer Hand los. Das war Ranmas Chance. Er winkelte die Beine an, drückte seine Füße gegen Ryogas Brust und stieß ihn mit aller Kraft, die er aufbringen konnte von sich. Der Junge viel rücklings auf den Tisch, der knarzend nachgab. Dann stand Ranma so schnell es ihm eben möglich war auf, hockte sich auf Ryogas Brust und verpasste ihm noch mal einen Fausthieb. Er konnte zwei weitere Treffer landen, ehe der viel Stärkere wieder seine Sinne gesammelt hatte und Ranma von sich schubste. Dieser plumpste nach hinten auf seinen Hintern und hielt die Arme vor sein Gesicht, denn Ryoga holte zu einem Schlag aus. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Dann lies er seine Faust sinken und richtete sich auf. Ranma ließ seine Arme sinken, sah zum Mann über sich auf. „Ich schlage keine Frauen...“, murmelte Ryoga und ging ein Schritt zurück. „Ich bin keine Frau!“, zischte Ranma und richtete sich mühsam auf. Dabei stemmte er keuchend beide Hände in den Rücken und streckte seine dicke Kugel dem Jungen entgegen.

„Nein, wahrlich nicht.“, sagte dieser mit Sarkasmus und lachte leise. Dann beugte er sich wieder vor und kam Ranmas Gesicht sehr nahe. „Wenn du wieder ein Mann bist, werde ich kommen und dich vernichten.“ Ranma zuckte zusammen. Das klang wie eine Morddrohung. Und wie ein Blitz schlug eine Erinnerung ein. Eine Erinnerung die schon acht Monate zurück lag. Diese Stimmlage, die hatte er schon mal gehört. Auf diesem Geburtstag. Er stolperte zurück und rumste mit dem Rücken gegen die Schiebetür zur Veranda War das möglich? Nein, nein das wollte er nicht glauben.

Ryoga sah ihn an, so finster er konnte, dann griff er nach seinem Rucksack und verließ schweigend das Haus.

Die ganze Anspannung viel von ihm und er sank in die Knie. Stoßartig atmete er aus und ein, war schon fast am hyperventilieren. Und dann kam diese wohltuende Ohnmacht, die ihn in ihre kalten Arme nahm und wiegte.

 

Genma hatte länger zum Einkaufen gebraucht, als er gedacht hatte. Das lag aber auch wohl daran, dass er zweimal Ramen essen war und dann seine halbe Einkaufstasche leer aß, um dann noch mal einkaufen zu gehen. Aber nun war er endlich wieder daheim. Es war fünf Uhr abends und langsam begann es zu dämmern. Ranma und Akane hatten sicher schon etwas gegessen, immerhin, wenn das Mädchen nachhause kam, war es ja schon meistens drei.

Saotome schob das Tor auf, dann zur Haustür rein und stellte seinen Schirm in den Schirmständer. Seit einer Stunde regnete es und das Herbstlaub sauste im Wind hin und her. Er schüttelte sich, wobei das Wasser aus seinem Pelz sich im halben Flur verteilte. Er gab einen kurzen Laut von sich, doch niemand reagierte, brannte doch in Bad, Küche und Wohnraum licht. Er trottete in die Küche, legte die Tüten auf den Tisch und ging dann ins Bad um sich einmal warm abzubrausen. Irgendwer musste ja Abendbrot machen.

Als Ranmas Vater fertig angezogen war und seine Brille aufsetzte, hörte er ein leises Stöhnen. Er folgte dem Geräusch und blickte in den Wohnraum hinein. Der Tisch war kaputt und die Schiebetür halb aus der Führungsschiene gesprungen. Als er weiter in das Zimmer ging, sah er, wie sein Sohn vor der Tür lag und seine roten Wangen leuchteten, der Rest war kreidebleich. Hastig ging er auf den Jungen zu und nahm ihn in den Arm. „Junge!“, rief er dabei und fasste an die Stirn des Schwangeren. „Mein Gott! Du hast Fieber. Was liegst du auch da so vor der Tür?“, Genma nahm ihn in beide Arme und brachte ihn nach oben. „Chichi...“, hauchte dieser als er kurz die Augen geöffnet hatte. Genma öffnete mit dem Ellbogen Akanes Tür ohne anzuklopfen, denn es war das erste Zimmer im Flur, das ein richtiges Bett hatte. Die Zimmerbewohnerin sprang von ihrem Stuhl auf und wollte schon loszetern, als sie Ranmas Vater erblickte, der gerade den Kreidebleichen auf ihr Bett ablegte.

„Was ist denn passiert?“, rief sie halb laut, trat neben ihn und legte ihr die Hand an die Schulter. Ranma stöhnte erschöpft, als er ihre Hand spürte. Er war immer noch sauer auf sie, auch wenn er kaum seine Gedanken beisammenhalten konnte. Er zog seine Schulter weg und war dabei, sich aufzusetzen, als sein Vater ihn beherzt wieder runterdrückte. „Lass mich...“, murmelte Ranma. „Nein, du gehörst ins Bett.“, bellte Genma.

Meine Güte, er war fast zwanzig Jahre alt und wurde von allen behandelt wie ein Kind! „Akane, was ist denn da unten passiert?“, fragte der alte Mann sie schließlich, als er eine Decke über seinem Sohn ausbreitete. „Passiert? Ich weiß nicht, ich war den ganzen Nachmittag hier oben. Ryoga war da.“, sie spuckte diesen Namen regelrecht aus. „Bleib hier, ich hol ein kaltes Tuch.“

Akane sah dem alten Mann nach, ließ sich dann an der Bettkante nieder und strich Ranma das Pony aus der Stirn. Sie zuckte zurück, als sie die heiße Haut unter ihren Fingerspitzen fühlte. „Es tut mir leid, Ranma. Ich hätte nicht so sauer sein dürfen und euch beide ignorieren. Was hat dieser Arsch mit dir gemacht?“ Ranma bewegte nur seine Augen und sah sie an. Augenblicklich wurde ihm schwindlig und er kniff die Lider zusammen. „Nichts ist passiert.“, sagte er und schlug sich die Hand auf die Augen, um den Schwindel zu vertreiben. „Lüg mich nicht schon wieder an. Sag mir jetzt, was passiert ist.“, meinte Akane bestimmend, als Genma den Raum wieder betrat und ein paar nasse Tücher mitbrachte. Er gab eines davon seiner zukünftigen Schwiegertochter, die das Tuch schön faltete und auf Ranmas Kopf legte. Genma wickelte derweilen je eines um seine Waden.

„Ich hatte etwas Streit mit Ryoga.“, murmelte Ranma. „Nach „etwas Streit“ sieht das aber nicht aus, Junge. Der Esstisch ist kaputt und die Tür muss auch repariert werden.“, erklärte der alte Saotome.

„So schlimm war es nun auch nicht.“ Ranma drehte den Kopf zu ihnen.

„Das ist doch Blödsinn. Du lagst vor der Tür im kalten Zug, von allein hast du dich da sicher nicht hingelegt.“ „Macht doch nicht so eine große Sache daraus. Es ist vorbei und gut ist. Ryoga wird so schnell nicht wieder auftauchen. Das hab ich ihm schon verklickert.“

 

Die Erkältung, die sich Ranma eingefangen hatte, wollte nicht so richtig abklingen, zumal es im Haus nirgends richtig geheizt war. Seitdem schlief er in Kasumis Zimmer, die wiederum in Nabikis Bett schlief, war sie einmal zuhause. So rotierten sie hin und her, damit der Junge nicht auf dem Boden schlafen musste und seine Krankheit abklingen konnte, ehe es in die Endphase ging.

Er saß niesend am Tisch, vor ihm standen allerhand Tassen mit Tee und ein paar Naturpräparaten, die Schampoo vorbei gebracht hatte. Aber davon nahm er keine, da er Angst hatte, sie würden ihn vergiften. „Ranma, wir müssen los. Dein Termin ist bald.“, sagte Akane die schon fertig angezogen im Türrahmen stand und ihm seine Jacke entgegenstreckte. Draußen lagen zehn Zentimeter Schnee und es fror. Er wollte seine warmen Beine und Hände nicht unter dem Tisch rausziehen.

„Kann ich nicht zuhause bleiben?“ „Nein das geht nicht. Wir müssen doch wissen ob das Kind schon richtig liegt.“, erklärte Akane, ging zu ihm und zog an seinem Arm.

Nur widerwillig stand er auf und schnaufte.

Das Knarzen des gefroren Schnees unter ihren Füßen war das Einzige, was die eisige Stille der Straßen durchbrach. Hier hörte man einen Hund bellen und da knallte eine Autotür zu. Nur wenige gingen raus, alles spielte sich in den Häusern ab. Ranma sah durch ein Fenster, wie eine Mutter mit ihren Kindern im Warmen saß und sie miteinander herumtollten. Ihn fröstelte es, bei dem Gedanken, nachher wieder zurück in das kalte Haus zu müssen. Obwohl alle so gut es ging, ihren Teil zum Allgemeinwohl beisteuerten, war es nicht genug, das alte Haus ordentlich instandzuhalten und dafür zu sorgen, dass wenigstens ein paar Räume ständig beheizt waren.

Ein bisschen freute er sich schon, gleich in der warmen Praxis zu sitzen. Kaum hatte er es gedacht, standen sie schon vor der Treppe. Akane ließ seinen Arm los, bei dem sie sich eingehängt hatte und stieg die Stufen rauf. „Vorsicht, es ist glatt.“, murmelte sie und drückte die Tür auf. Ranma kam ihr nach und schüttelte sich leicht vor Frost, als noch ein kalter Zug hinter ihnen in den Raum wehte, bevor Akane die Tür wieder geschlossen hatte.

Es waren noch zwei andere Frauen mit ihren dicken Bäuchen da und ein kleines Kind sprang in der Spielecke herum und warf Bauklötze hin und her. Ranma schmunzelte leicht, als er sich seiner Jacke entledigte und sich neben Akane auf einen der Stühle im Wartezimmer setzte. Er sah rüber zu seiner Freundin, die sich eine Zeitschrift genommen hatte und stützte den Kopf ab um besser mit in das Magazin zu gucken. Als sein Name aufgerufen wurde, war er fast eingeschlafen und schnellte in die Höhe. „Saotome Ranko, bitte.“ Akane reichte ihm eine Hand und zog ihn vom Stuhl hoch. Beide folgten der Arzthelferin in einen Raum, den beide schon sehr gut kannten. Die letzten Monate hatte dieser Raum sie beide begleitet und bald sollte das alles ein Ende haben, so hoffte Ranma.

Doktor Sato trat in das Zimmer und begrüßte die beiden Damen. Der Junge ließ sich auf der Liege nieder und zog sein Pullover nach oben, lehnte sich zurück und sah prüfend zum Monitor über sich, auf dem nur ein paar Wörter standen und sonst leer war.

„Ist ihre Erkältung denn schon besser geworden?“, fragte die Ärztin. „Nur ein bisschen.“, antwortete Akane für ihn und setzte sich in einen Stuhl an der Wand. Sie konnte von da den Bildschirm sehr gut sehen. Während Doktor Sato das Ultraschallgerät vorbereitete, hatte eine der Helferinnen Ranma schon den Gürtel umgeschnallt, mit dem man die Herztöne hören konnte. Es war jedes Mal ein sehr seltsames Gefühl, dieses kleine Herz schlagen zu hören. Die Vorstellung, dass es neun Monate in ihm schlug und er es bald in seinen Händen halten könnte, stahl ihm eine Träne in das Auge. Akane beugte sich vor und ergriff eine seiner Hände. Dann ließ sie ihn wieder los und sah auf den Monitor. „Dann wollen wir mal schauen.“, murmelte die alte Frau und drückte den Schallkopf auf Ranmas Bauch. Sofort erschien ein Bild des Kindes und Akane strahlte den Bildschirm voller Güte an. Auch er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Der errechnete Termin war in drei Wochen, dann hat der Junge noch genug Zeit sich zu drehen.“, sagte die Ärztin und druckte noch ein Bild aus. „Wenn nichts mehr dazwischenkommt, sehen wir uns im Krankenhaus wieder.“ Die Frau lächelte das rothaarige Mädchen an und überreichte ihm das Bild. Dann sah sie noch auf die Aufzeichnung der Herztöne und verabschiedete sich von den beiden.

„Das ging aber schnell heute.“, murmelte Akane und half Ranma von der liege. Sie fragte sich ob Ranma, wenn sie einmal schwanger war, ihr auch so helfen würde wie sie es tat. Sie liebte das Kind jetzt schon, dabei war es noch gar nicht so real. Klar sie hatte schon ein paar Mal das Strampeln gespürt aber mehr nicht. So richtig in Ranma hineinversetzen konnte sie sich nicht.

Auf dem Weg nachhause dachte Akane daran, als sie beide das erste Mal die Herztöne gehört hatten.

Was ist das für ein Gerät?“, fragte Akane die zu sah wie eine Helferin um Ranmas Bauch einen Gurt legte, an dem zwei schwarze, runde Teile befestigt waren. „Damit kann man den Herzschlag des Embryos hören.“, erklärte diese. Als Doktor Sato dazu gekommen war und alles an Untersuchungsgeräten einschaltete, sah man nicht nur im Bild das kleine Wesen, man konnte ein schnelles Pochen hören. Ranma hielt die Luft an. Akane kicherte und lauschte dem Ton gebannt. Frau Sato sah Ranma an, „Sie können ruhig weiter atmen.“ Gesagt getan. Ranma schnaufte laut und zog seine Lungen wieder voll Luft. Das hörte man auch beim Kind, was auf das Atem anhalten mit Unruhe und höherem Puls reagierte. Jetzt war alles wieder gut und er musste wirklich weinen. Genauso wie Akane, die auf der anderen Seite neben der Liege stand und seine Hand fest drückte.

Das wünschte sie sich auch. Einmal diesen Ton zu hören und zu wissen das da jemand anderes in ihrem Körper wohnte.

Ranma hatte etwas ganz anderes im Kopf. Nämlich der Moment als die Ärztin ihn fragte ob er wissen wolle was es wird.

Möchten sie denn das Geschlecht wissen?“ Ranma überlegte. Er sah zu Akane dann wieder zu Ärtzin. „Ja, bitte...“, flüsterte er. „Sehen sie diesen Zipfel hier? Ein prächtiger Junge wird es. Herzlichen Glückwunsch!“ Ranma grinste. Ein Junge also. Er hatte immer gewollt, dass er einen Jungen bekommen würde. Dann hätte er jemanden zum Trainieren und jemand der die Familientradition weiterführt. Dann aber tat ihr auch Akane leid, die sich ein Mädchen gewünscht hatte. „Das freut mich für dich!“, strahlte Akane und drückte seine Hand. „Bist du nicht enttäuscht?“, fragte er. „Wieso soll ich enttäuscht sein? Ist doch egal was es wird, Hauptsache es kommt gesund zur Welt.“

Ranma konnte sich wirklich nicht mehr gedulden, einerseits, weil es ihm einfach zu lange dauerte und auf der anderen Seite, weil er endlich sein Kind in den Armen halten wollte. Er sah zu Akane auf, die fast einen ganzen Kopf größer war als er momentan. Was freute er sich darauf, endlich wieder größer zu sein als sie.



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