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Das Herz will, was das Herz will!

Fortsetzung zu "Die Personentombola"
von

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Nur ein blöder Kuss!

Trübes graues Tageslicht schien zwischen den Jalousien des Schlafzimmerfensters hervor und kündigte das erste Anzeichen des neuen Tages an. Eiri Yuki öffnete matt die Augen und warf einen Blick zur Uhr. Der kleine, graue Radiowecker zeigte gerade mal 5:53 h. Eiri brummte resigniert und vergrub sein Gesicht wieder in der Bettwäsche. Das war noch keine Zeit um aufzustehen. Seit Tagen war er nun schon immer so früh wach und langsam machte sich der Schlafmangel bemerkbar.

Nicht dass er es nicht gewohnt war die Nächte durchzutippen, wenn ihn die Muse gerade küsste. Wenn ihn die Inspiration packte, konnte er alles um sich herum ausblenden und vergessen, sogar Essen und Schlaf. Meist holte sich jedoch sein Körper dann die nötige Erholung am nächsten Morgen und er schlief fast bis Mittags. Nicht so in letzter Zeit. Er war launisch, brummig und reizbar, zumindest mehr als normalerweise. Jedenfalls sagte das sein Mitbewohner.

Er drehte den Kopf und betrachtete den jungen Mann mit den gefärbten Haaren, der neben ihm unter der Decke lag und noch immer tief und fest schlief. Seine Atemzüge waren gleichmäßig nur hin und wieder schien er im Schlaf ein wenig zu schmatzen. Eine leichte Spur Sabber lief ihm aus dem Mundwinkel, jedoch seine Gesichtszüge waren entspannt.

Schweigend musterte Eiri den Schlafenden. Er sah so friedlich aus wenn er schlief, als könnte ihn kein Wässerchen trüben. Natürlich änderte sich das schlagartig wenn er wach war. Dann war dieser zierliche kleine Musiker das reine Chaos in Person und konnte eine entsetzliche Nervensäge sein.

Eiri widerstand der Versuchung ihm eine ins Gesicht gefallene Haarsträhne beiseite zu wischen. Er atmete noch einmal durch und dann erhob er sich. Er würde ohnehin nicht mehr schlafen können. Schwerfällig bückte er sich zu seinem Slip neben dem Bett und streifte ihn über. Dann stand er auf, griff sich eine Zigarettenpackung vom Tisch und schlenderte zum Fenster hinüber. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich verkehrt herum drauf und zündete sich eine Zigarette an nachdem er das Fenster auf kipp gestellt hatte. Es war Anfang April und morgens noch zu kalt um bei offenem Fenster zu rauchen. Gedankenverloren starrte er hinaus in die Morgenluft.

Es war doch nur ein Kuss gewesen, verdammt! Und er hatte es ja noch nicht mal getan, weil er darauf scharf war. Er hatte es getan um diesem eingebildeten Schnösel Kaiba eins auszuwischen und er hatte auch genau die Reaktion erhalten die er erwartet hatte. Seine Nase war noch tagelang dick gewesen. Nein, keiner von ihnen beiden hatte wirklich Spaß daran gehabt. Warum zum Henker ging ihm dann dieser bescheuerte Kuss einfach nicht mehr aus dem Kopf? Als Autor kannte er das Problem von einer fixen Idee besessen zu sein, aber das hier ging schon weit darüber hinaus. Immer wieder spielte ihm sein Hirn irgendwelche wilden was-wäre-wenn-Szenarien vor und die brachten ihn langsam wirklich um den Schlaf. Warum konnte er das Kapitel nicht ruhen lassen?

Kam das von den ganzen blöden Fanfictions, die er seine Fans über Kaiba hatte schreiben lassen um ihn unter Druck setzen zu können? Er hatte die meisten davon gelesen oder zumindest überflogen und gewisse Ideen brannten sich danach in seinem Schriftstellerhirn ein wie heiße Messer auf Eis.

Er paffte einen weiteren tiefen Zug. Er machte ja keinen Hehl daraus dass er bekennend bi war. Die ganze Klatschkommune wusste davon. Doch bisher hatte er angenommen, dass sich sein Interesse am männlichen Körper auf den jungen Leadsänger hinter ihm im Bett beschränkte. Er stellte fest, dass dies offenbar so nicht länger korrekt war. Jetzt fing er sogar schon an von dem Knaben von der Kaiba Corporation zu träumen. Das konnte so nicht weiter gehen. Immerhin war er in einer... überwiegend festen Beziehung mit Shuichi und der junge Mann zog wirklich alle Register damit er bei ihm blieb. Inzwischen hatte er sich damit abgefunden, dass er ihn vermutlich nicht so schnell los wurde. In letzter Zeit war er wirklich geradezu erschreckend lieb und anhänglich.

Vielleicht lag es ja daran. Vielleicht fühlte er sich ja ein wenig eingelullt von dieser ganzen Heile-Welt-Angelegenheit. Vielleicht wünschte er sich ja insgeheim etwas mehr... Würze. Den Hauch des Verruchten, des Unvernünftigen. Sprich ein wenig mehr Konfliktpotenzial.

Seine Gedanken gingen zurück an die Begebenheit vor ein paar Wochen. Er musste ein wenig schmunzeln, als er die Ereignisse Revue passieren ließ. Seto Kaiba war ziemlich sauer aus seinem Hotelzimmer abgerauscht. Gut, man konnte es ihm nicht verdenken. Immerhin hatte er ihn um Zweimillionen Yen (ca. 33000 Euro) erpresst. Die doppelte Summe die er auf der Wohltätigkeitsveranstaltung bei der Personentombola für ihn hingeblättert hatte. Nein, die sein Schwager hingeblättert hatte. Tohma Seguchi hatte nicht mal gefragt was er mit ihm vor hatte. Ihm hatte es gereicht zu hören, dass es seine feste Absicht war ihn zu ersteigern. Eiri wusste nicht wirklich ob er darüber erfreut oder beunruhigt sein sollte. Aber vieles was sein Schwager tat, passierte nach dessen ganz eigenen Regeln und Vorstellungen und er hatte es aufgegeben, ihn hinterfragen zu wollen.

Wieder tat Eiri einen Zug. Das Geld hatte sowieso nie eine Rolle gespielt. Es ging lediglich um die Unterschrift. Und um das Lächeln auf Shuichis Gesicht als er ihm das Autogramm seines Idols in die Hand gedrückt hatte. Das alleine war es wert gewesen. Auch den Schwinger den er dafür kassiert hatte, dass er den Chef der Kaiba Corporation in seinem Hotelzimmer gegen die Wand gedrückt und einfach geküsst hatte.

Und da wären wir wieder bei dem Kuss. Er hatte ihn nur ärgern wollen und trotzdem war in dem Moment irgendwas passiert. Dieser Mann ließ sich nicht um den Finger wickeln. Dieser Mann ließ sich seine Launen nicht gefallen. Dieser Mann bot ihm Paroli und Eiri konnte nicht leugnen, dass er das irgendwie anziehend fand. Wenn er daran zurückdachte, konnte er spüren wie sein Puls sich unwillkürlich beschleunigte und sein Körper ziemlich untypisch reagierte.

Er seufzte leicht. Er konnte nicht leugnen, dass er ihn gerne noch einmal treffen wollte. Nur noch einmal dieses elektrisierende Gefühl in der Magengegend spüren. Einmal noch diese eigenartige Erregung empfinden. Doch leider gab es da ein kleines Problem. Nachdem Kaiba ihm den Scheck in die Hand gedrückt hatte, hatte er unmissverständlich klar gemacht, dass er nie wieder von ihm etwas sehen oder hören wollte. Und Seto Kaiba hatte sicher die Mittel um das durchzusetzen. Was also konnte er da tun?

Die meisten Sachen die ihm einfallen würden, wären Kaiba vermutlich kaum den Anruf zur Rechtsabteilung wert gewesen. Und mit Sicherheit würde er nicht zulassen, dass er noch einmal in seine Nähe kam. Die einzige Möglichkeit wäre höchstens Kaiba dazu zu bringen, ihn selbst aufzusuchen. Doch was könnte ihn so sehr aus der Reserve locken, dass er sich selbst darum kümmern wollte und nicht seine Lakaien vorschickte? Grüblerisch verzog er den Mund. Er war ein intelligenter junger Schriftsteller. Ihm würde da doch sicher irgendetwas einfallen.

„Yuki?“, vernahm er mit einem Mal eine verschlafene Stimme hinter sich. „Bist du schon wach? Es ist doch noch so früh?“

„Schlaf weiter!“, brummte Eiri ohne sich umzudrehen.

„Es ist noch nicht mal sechs Uhr“, maulte die Stimme hinter ihm weiter. „Was machst du denn da schon?“

„Geht dich nichts an!“, gab Eiri mürrisch zurück.

„Komm wieder ins Bett! So wie du da sitzt fängst du dir höchstens noch was ein.“

„Lass mich bloß mit deiner Gluckerei in Ruhe und penn' weiter!“, gab Eiri patzig zurück.

Eine Antwort kam nicht, doch nun hörte er das Rascheln einer Bettdecke und dann das tapsende Geräusch von nackten Füßen auf dem weichen Teppich. Dann plötzlich legten sich von hinten zwei schlanke Arme um seinen Nacken und er spürte das Schlafshirt des Anderen an seinen Rücken geschmiegt. „Yuki, komm, sei nicht so grantig und komm wieder mit ins Bett!“, nuschelte die leicht maulende Stimme seines Partners neben seinem Ohr. Sein warmer Atem hauchte dabei gegen seine Ohrmuschel. Eiri lief ein Schauer über den Rücken. Er seufzte leicht. Das hatte man nun davon, wenn man die ganze Zeit an gewisse Sachen dachte.

Er drückte die Zigarette im Aschenbecher auf der Fensterbank aus. Dann fuhr seine Hand einmal langsam über die Unterarme des Anderen um seinen Hals. Zufrieden bemerkte Eiri die Gänsehaut die sich nun darauf abzeichnete. Er seufzte noch einmal. „Na schön, wenn es denn sein muss, aber nur ein Mal!“

Mit diesen Worten stand er auf und schob den anderen zurück zum Bett, ließ ihn mit einem sanften Stoß hinabplumpsen und begann dann damit aufsteigende Wunschvorstellungen sehr pragmatisch aus seinem Kopf zu entfernen.

Die Widmung

Ein paar Tage waren vergangen, als es an der Haustür des geräumigen Bungalows klingelte. Mit der Kaffeetasse in der Hand schlurfte Eiri barfuß zur Haustür. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe aber er beachtete es längst nicht mehr. Er hatte die letzten drei Stunden geschrieben und jetzt war es gerade kurz nach acht Uhr. Post!

Er öffnete die Tür und nahm ein mittelgroßes Paket in Empfang. Er quittierte den Empfang und ließ die Tür unmittelbar darauf wieder ins Schloss fallen. Nachdem er den Absender gelesen hatte, hellte sich seine Miene ein wenig auf und seine Schritte beschleunigten sich. Zügig kam er wieder in seinem Arbeitszimmer an. Er konnte spüren wie sein Puls sich vor Aufregung ein wenig beschleunigte und schnaubte kurz auf. So weit war es schon mit ihm gekommen.

Er ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl plumpsen, stellte die Tasse ab und begann dann damit, das Paket auszupacken. Heraus holte er ein geschmackvoll eingeschlagenes Buch und eine Notiz. „Für Eiri Yuki zur Einsicht vor Indrucknahme.“ Ein zufriedenes Lächeln zog über sein Gesicht. Er schlug die ersten Seiten auf und überflog das Geschriebene. Seine Mundwinkel wanderten weiter nach oben. Wenn ihn das nicht auf den Plan rief.

Er sann einen kurzen Moment nach und kramte dann aus einer Schublade ein Heftchen mit Klebenotizen hervor. Dann schrieb er mit sauberen Buchstaben eine kleine Mitteilung darauf. Prüfend betrachtete er sein Werk. Dann plötzlich zog ein recht ungezogenes Schmunzeln über sein Gesicht. Er wühlte noch einmal in seiner Schreibtischschublade und förderte schließlich einen anderen Stift hervor. Sorgfältig fügte er der Notiz noch etwas hinzu und dann packte er das Buch wieder umsichtig in seinen Karton um es dann ordentlich wieder zu verpacken und mit einer neuen Adresse zu versehen.

Dann begann er sein Zimmer nach vorzeigbaren Kleidungsstücken zu durchsuchen. Am besten brachte er das Päckchen zur Post bevor Shuichi von der Arbeit zurückkam. Er hatte keine Lust auf irgendwelche neugierigen Fragen. Eilig zog er sich an und verließ kurz darauf mit der Buchsendung das Haus.
 

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Es war noch recht früh, aber Seto Kaiba saß bereits in seinem Büro um erste Vorbereitungen für den heutigen Tag zu treffen. Gerade kam seine Sekretärin mit der neuen Post herein, natürlich schon vorsortiert damit er nur die Post erhielt, die tatsächlich für ihn bestimmt war. Und selbst dann war es noch immer eine ganze Menge. Für gewöhnlich, bestand die tägliche Sendung aus Briefen und größeren Umschlägen, doch heute war tatsächlich auch ein Päckchen dabei.

Interessiert nahm Seto es in die Hände. „Zu Händen Seto Kaiba“ stand darauf. Der Absender schien irgendein Verlag zu sein. Was konnten die von ihm wollen? Er abonnierte grundsätzlich keine Bücher und Werbematerial erreichte ihn für gewöhnlich anders.

Mit einem Cuttermesser öffnete er vorsichtig die Verpackung. Darin befand sich ein offenbar frisch gedrucktes Buch. Er hob es heraus und studierte den Einband. „Das Herz will, was das Herz will“ lautete der Titel. Er wurde nicht ganz schlau daraus. Er war wirklich kein Freund von Liebesschnulzen. Er drehte das Buch um, um den Autor in Erfahrung zu bringen, und sogleich sackten seine Mundwinkel empfindlich abwärts. Auf der Rückseite des Einbandes schmunzelte ihm ein leider bekanntes Gesicht entgegen. Eiri Yuki!

Seto gab ein ärgerliches Schnaufen von sich. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Wie kam dieser notzüchtige Kriminelle dazu ihm seine Bücher zu schicken? Dann fiel sein Blick auf den kleinen gelben Klebezettel der darunter pappte. „Lies die Widmung!“, stand darauf, und Ja, auf dem Rand der Klebenotiz war ein kleines rosafarbenes Herz gemalt.

Seto Kaiba stieg unvermittelt die Schamröte ins Gesicht. Oder war es der Zorn über diese abartige Ungeheuerlichkeit? Sein erster Impuls war das Buch augenblicklich in den Müll zu befördern, doch seine Rationalität hielt ihn zurück. Vielleicht sollte er lieber doch in Erfahrung bringen warum dieser Irre der Meinung war, dass er diesen Schmachtfetzen in Händen halten sollte. Mit sehr gemischten Gefühlen öffnete er den Buchdeckel.

„Widmung“, las er. „An Seto Kaiba, dessen finanzielle Unterstützung dieses Werk erst möglich machte und der mich immer wieder aufs Neue zu dieser Geschichte inspiriert hat.“

Seto saß da wie vom Donner gerührt. Im ersten Moment wusste er gar nicht wie er darauf reagieren sollte. Dieser dreckige Penner erdreistete sich tatsächlich ihn auf so frivole Art und Weise in seinem seiner Schundromane zu erwähnen? Das war eine glatte Kampfansage! Wenn der Kerl nicht so elendig erfolgreich wäre, könnte ihm das ja beinahe egal sein, doch bei der Größe der Fangemeinde von diesem Mistkerl, bestand die Gefahr, dass das am Ende nicht nur gelesen sondern womöglich noch geglaubt wurde.

Und dass das nicht nur geglaubt, sondern höchstwahrscheinlich auch weitergesponnen wurde, davon hatte er sich vor einigen Wochen selbst überzeugen können. Er hatte diesen Zweimillionen teuren Packen Schmuddel-Fanfictions bestimmt dreimal durch den Reißwolf gejagt, ehe er zufrieden war. Auf keinen Fall sollte jetzt wieder neues Öl ins Feuer gegossen werden. Er knallte das Buch missmutig auf seine Schreibtisch und griff dann zum Hörer. „Geben sie mir eine Verbindung zum Black-Geisha-Verlag, aber plötzlich!“, patzte er ins Telefon. Das wäre doch gelacht, wenn er denen den Blödsinn nicht austreiben konnte.
 

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Es dauerte beinahe eine ganze Stunde, bis Seto den Hörer einmal mehr auf die Station knallte und mit einem bitterbösen Blick auf das 'unsagbare Objekt' auf seinem Schreibtisch starrte. Das war doch alles nicht zu fassen! Diese Schwachköpfe von dem Verlag mit dem, wie er inzwischen wusste, mehr als zweifelhaften Ruf, hatten ihm doch ernsthaft klar machen wollen, dass sie keinerlei Einfluss darauf hatten, womit ihre Autoren ihre Romane verzierten. Die vollständig unbeteiligte Stimme seines Gesprächspartners hatte ihn dabei fast zur Weißglut gebracht. „Es tut mir wirklich leid, Kaiba-san“, hatte die monotone Stimme genäselt, „aber solange es zu keiner Diffamierung und oder Bloßstellung in und im Rahmen der Werke unserer Autoren kommt, unterliegen sie vollständig der dichterischen Freiheit und können von uns weder belangt, beeinflusst oder abgemahnt werden. Sie werden das mit dem betreffenden Autor persönlich klären müssen.“

Kaiba war sich zu hundert Prozent sicher gewesen, dass der Andere die Worte irgendwo abgelesen hatte. Kein Wunder warum er Servicehotlines bis aufs Blut verabscheute. Man erhielt allenfalls dürftige Auskünfte über Statuten die sich je nach Tagesform änderten und niemals bekam man jemanden an den Apparat der auch nur irgendetwas zu sagen hatte.

Nun gut, dann eben anders. Ehe er sich mit denen weiter herumärgerte, überließ er das lieber seiner Rechtsabteilung. Umso größer war sein Ärger, als ihm von dort mitgeteilt wurde, dass man ihn in der Hotline korrekt informiert hatte. „Natürlich könnten wir versuchen das auf dem rechtlichen Weg zu regeln. Allerdings stehen die Chancen in diesem Fall nicht sehr erfolgversprechend. Solange kein Böswill oder Vorsatz nachgewiesen werden kann, unterliegt diese Sache dem Autor. Und selbst wenn wir es bis vor Gericht bringen, könnte das durch mehrere Instanzen gehen und möglicherweise am Ende gar nichts bewirken. Abgesehen davon, würde es nur unnötig Aufsehen auf die Sache lenken, den Sie ja nun gerade vermeiden wollen. Wenn sie mir gestatten, das wäre doch etwas sehr viel Aufhebens für so eine Banalität. Abgesehen davon, würde das Ganze vermutlich viel länger dauern, als bis das Buch in den Handel kommt. Wenn sie es schnell und unauffällig aus der Welt schaffen wollen, sollten sie vielleicht doch versuchen sich mit dem Autor zu einigen.“

Seto knirschte mit den Zähnen. Unglaublich! Er hätte gedacht er wäre in der Sache unmissverständlich gewesen. Und nun tauchte dieser Kerl einfach wieder aus der Versenkung auf. Allein das Herzchen auf dem Zettel bewies zweifelsfrei, dass dies ein ganz bewusster und geplanter Akt gewesen war. Was also konnte der Kerl wieder von ihm wollen?

Zu seinem Leidwesen sah er sich mit der Problematik konfrontiert, dass ihm offenbar nichts anderes übrig blieb, als sich direkt an den blonden Schriftsteller zu wenden. Es war ihm völlig klar, dass dieser genau das beabsichtigt hatte. Dieser Bastard! Aber so leicht machte er es ihm nicht. Das wäre doch gelacht!

Wieder griff er zum Telefon. „Geben sie mir noch mal die Rechtsabteilung!“

Der Besuch

Das Telefon schellte ungehört. Mehrere Male. Nach dem gefühlten sechsten Mal tastete eine Hand müde nach dem Hörer, bekam ihn zu fassen und zog ihn unter die Decke. „Ja...?“, kam es verschlafen von Eiri. Er hatte seit Tagen endlich mal wieder ausschlafen können. Welcher Idiot weckte ihn dann jetzt so früh?

Für einen Moment lauschte er nur auf die Stimme im Hörer. Dann gähnte er einmal herzhaft und murmelte schlaftrunken: „Wenn er ein Problem damit hat, kann er das gerne mit mir persönlich klären. … Kann mir ja egal sein, wie er seine Zeit einteilt. … Das denke ich eher weniger. Es bleibt wie es ist. … Viel Glück! Tun Sie sich keinen Zwang an! … Nein ist es nicht! … Ihr 'Angebot' können sie sich in die Haare schmieren! Irgendwelche Absprachen nur mit dem Chef persönlich. … Guten Tag!“ Dann drückte er auf auflegen.

Schlapp sackte er in die Kissen. „Das hat ja nicht lange gedauert“, nuschelte er. Beiläufig schob er das Telefon aus dem Bett und ließ es auf den Boden plumpsen. Ein triumphierendes kleines Lächeln legte sich um seine Lippen. Er hatte angebissen! Dann zog er die Decke wieder über sich und war kurz darauf schon wieder eingeschlafen.
 

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Ein schrilles Klingeln weckte ihn erneut aus dem Schlaf. Zunächst wollte er schon wieder nach dem Telefon suchen, doch er merkte recht rasch, dass es die Türklingel war. Sein Blick ging zur Uhr. 9:38 h! Wer konnte jetzt so früh schon wieder was von ihm wollen? Mit einem Seufzer erhob er sich. Er streifte seine Klamotten notdürftig über und schlenderte dann müde zur Tür. Das Klingeln hatte seither nicht ausgesetzt. Gemütlich öffnete er die Tür.

Davor standen zwei kräftig gebaute Herren in vornehmen Anzügen und mit den klischeehaft zu erwartenden Sonnenbrillen. Einer von ihnen hatte die Arme verschränkt, der andere trat nun einen Schritt auf ihn zu. „Sind Sie Eiri Yuki?“, fragte er mit fester aber höflicher Stimme.

„Wer sollte ich wohl sonst sein?“, gab Eiri gelassen zurück. Auch trotz der getönten Brillengläser wurde er das Gefühl nicht los, dass der kräftige Mann ihn von oben bis unten musterte. Er musste fast schmunzeln dabei. Er selbst hatte solche Typen schon in seinen Romanen beschrieben und es war das klassische Imponiergehabe.

„Seto Kaiba wünscht sie zu sprechen.“

„Ach was?“, bemerkte Eiri beiläufig.

Doch der Andere fuhr unbeirrt fort. „Ich wurde beauftragt, Sie zu ihm zu bringen. Unverzüglich!“ Dass sein Kollege sich hinter ihm nun noch ein wenig mehr aufrichtete, verlieh seiner Aussage noch ein wenig mehr Nachdruck.

Abschätzend musterte Eiri die beiden. Schließlich meinte er: „Ich gehe mal davon aus, dass es sich dabei um ein... geschäftliches Treffen handelt?“

„Das haben Sie richtig erfasst“, gab der Andere mit einem leichten Schmunzeln zurück.

Einen Moment lang hielten die beiden sich mit Blicken gefangen. Dann seufzte Eiri kurz und senkte dann den Blick. „Meinetwegen. Soll mir Recht sein. Ich geh kurz duschen und zieh mich an. Sie können sich solange rein setzen und sich meinetwegen n Kaffee machen. Dauert nicht lang.“ Mit diesen Worten drehte er sich um, ließ die Tür auf und schlurfte in die Wohnung zurück.

Die beiden Männer standen zunächst ein wenig verblüfft im Eingang. Doch dann kam wieder Leben in sie. Resolut folgten sie ihm in die Wohnung. „Kaiba-sama sagte unverzüglich!“, stellte der Wortführer erneut klar.

Eiri warf ihnen einen kurzen Blick über die Schulter zu. „'Kaiba-sama' möchte bestimmt kein Geschäftsgespräch in Gesellschaft meiner Körperausdünstungen führen. Zeit zum Duschen wird ja wohl noch sein!“, mit diesen Worten verschwand er im Bad.

Ein wenig überrumpelt blieben die beiden Männer mitten in seinem Wohnzimmer stehen. Ihnen war nicht ganz klar, ob das 'unverzüglich' die Dusche einschloss oder nicht. Zumindest kamen sie überein vorsorglich zu überprüfen, ob aus dem Fenster zum Badezimmer ein heimliches Entkommen möglich war.

Doch Eiri Yuki hatte keine Absicht zu entkommen. Warum auch? Schließlich hatte er es ja genau auf dieses Treffen abgesehen gehabt. Er duschte also gemütlich zu Ende, und ließ es sich nicht nehmen nur mit einem Handtuch um die Hüften an seinen beiden Begleitern vorbei in sein Zimmer zu spazieren, wobei er mit Belustigung feststellte, dass die beiden schon fast reflexartig ein wenig zur Seite stierten. In aller Ruhe kleidete er sich an. Nun trug er ein dunkelblaues Nadelstreifenhemd und ein geschmackvolles Freizeitjackett. Entspannt trat er auf die Männer zu. „Von mir aus kann es losgehen.
 

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Die beiden Sicherheitsleute nahmen ihren Job ernst. Sie verfrachteten den jungen Schriftsteller in eine Limousine die sie zur Kaiba Corporation brachte. Von dort flankierten sie ihn zu beiden Seiten bis Eiri vor der Tür zu Kaibas Büro standen. Die Sekretärin hatte ihr Erscheinen sogleich telefonisch angekündigt.

„Kaiba-sama erwartet Sie!“, teilte ihm der eine nachdrücklich mit.

Mit sicherem Griff drückte der Blonde die Klinke hinunter und trat dann ein. Seto Kaiba saß an seinem Schreibtisch und blickte ihm mit finsterer Miene entgegen.

Sorgfältig schloss Eiri die Tür hinter sich und trat dann auf den Schreibtisch zu. In aller Seelenruhe nahm er auf einem Stuhl vor dem Tisch Platz und begegnete Kaibas Blick.

„Du scheinst ja wirklich scharf darauf zu sein mich zu sehen, wenn du mich von zwei solchen Gorillas abholen lässt.“

„Es ist ja nicht so, als hättest du mir groß eine Wahl gelassen“, entgegnete Seto kühl. „Aber Erpressung ist ja nichts Neues für dich.“

„Wer redet denn hier von Erpressung?“, meinte Eiri ungerührt.

„Tu nicht so unschuldig!“, fuhr Seto ihn verstimmt an. „Du weißt ganz genau was ich meine.“

„Ich weiß, dass deine zwei Kasper mich vorhin aus dem Schlaf geklingelt haben weil du mich sprechen willst“, gab Eiri arglos zurück.

Ärger wallte in Seto auf. Er griff nach dem Buch auf seinem Schreibtisch und hielt es hoch. „Was bitte hat das hier zu bedeuten?“, verlangte er wütend zu wissen.

„Das ist mein Buch“, antwortete der Schriftsteller nun, ohne den Firmenchef aus den Augen zu lassen.

„Warum schickst du mir diesen Scheiß?“, fragte Seto empört weiter.

Noch immer gab sich der junge Mann vor ihm völlig gelassen. „Ich dachte mir, dich interessiert die Widmung die ich dafür verfasst habe“, gab er schließlich nach einigen Momenten Antwort.

„Da du es ansprichst, was soll der Schwachsinn?“, funkelte Kaiba verächtlich. „Das geht so auf keinen Fall in Druck, kapiert?“

Eiri schlug nun ein Bein über das andere. „Und warum nicht?“

„Du weißt verdammt gut, warum nicht!“, grollte der Braunhaarige. „Und mir ist auch völlig klar, dass du das gemacht hast, weil du schon wieder irgendwas von mir willst. Kannst du nicht einfach anrufen oder ne Mail schicken anstatt so was hier wieder zu verzapfen?“ Ärgerlich sah er den Blonden an.

Eiris Miene wurde schmal. „Als ob freundlich anfragen irgendeinen Zweck hätte bei dir.“

Er setzte sich auf. „Aber du hast Recht, ich will was von dir.“

Seto schnaubte verächtlich auf. „Habe ich's mir doch gedacht! Mieser kleiner Erpresser! Was willst du? Etwa noch mehr Geld?“

Nun zog ein geringschätziges Schmunzeln über das Gesicht des schlanken Schriftstellers. „Kaiba, du bist so ein verdammter Snob, weißt du das?“

Empört sah Kaiba ihn an doch Eiri sprach schon weiter. „Ich wette du hast noch nicht einmal mitgekriegt, dass der Scheck niemals eingelöst wurde.“

Nun zeigte sich zum ersten Mal so etwas wie Verwunderung auf dem Gesicht des jungen Firmenchefs. Doch rasch fasste er sich wieder. „Schön, wenn du kein Geld willst, was willst du dann, damit diese Widmung verschwindet?“

Nun erhob sich der blonde Schriftsteller und kam bis an den Schreibtisch heran. Grüne Augen musterten den hochgewachsenen Geschäftsmann vor ihm mit durchdringender Intensität. „Was ich von dir will, Kaiba, ist Zeit?“

„Zeit?“, echote Seto verständnislos.

„Ja“, bestätigte Eiri. „Und zwar genau einen Tag. Den Tag den du mir noch schuldig bist für die Million die ich für dich bezahlt habe.“

Nun setzte Kaiba sich steif auf. „Ich denke, du hast für deine Million wirklich genug bekommen. Mal abgesehen, dass nicht du sie bezahlt hast, sondern Tohma Seguchi. Ich hab das überprüfen lassen.“

„Tüchtig!“, gab Eiri sarkastisch zurück wurde dann aber wieder ernst. „Versuch erst gar nicht, dich herauszuwinden. Es kostet mich einen Anruf und Seguchi tritt mir dich mit Kusshand ab.“

„Wo du gerade bei 'Kusshand' bist“, gab nun Kaiba gehässig zurück, „Diese kranke Aktion damals sollte dem Ganzen wohl genüge getan haben. Ich bin dir nichts mehr schuldig.“

Nun zog ein ungezogenes Grinsen über Eiris Gesicht. „Dann war dir der Kuss also eine Million wert, ja? Interessant zu hören. Das sind ja ganz neue Seiten an dir!“

Für einen Moment entgleisten Seto die Gesichtszüge. Dann zog sich seine Miene zu. „Unterstehe dich, zu irgendwem in der Richtung irgendwelche Andeutungen zu machen, klar?“

Doch der blonde junge Mann, ging gar nicht darauf ein. Entschlossen stützte er jetzt die Arme auf Kaibas Schreibtisch und sah ihn direkt an. „Komm schon, Kaiba. Alles was ich will ist ein Tag. Einen popeligen Tag deiner Zeit an dem du tust was ich möchte.“

„Vergiss es!“

„Du weißt doch noch gar nicht was ich von dir will.“

„Ich kann es mir denken.“

Ernst musterte ihn der Blick des Blonden. „Hältst du mich wirklich für so billig?“

„Ich halte dich für einen Erpresser. Mit Kriminellen mache ich keine Geschäfte.“

Eiris Faust schlug hart auf den Tisch und Seto zuckte kaum wahrnehmbar zusammen.

„Krieg dich mal wieder ein, Kaiba“, kam es nun ärgerlich. „Du hast dein Geld doch noch, und ich habe meinen Teil eingehalten. Die Organisation hat ihr Geld gekriegt und niemand hat irgendwas davon erfahren was in diesem Zimmer passiert ist.“

Nun kam sein Gesicht noch näher an Kaiba heran und die grünen Augen des Schriftsteller sprühten beinahe Funken. „Alles was ich will ist dieser eine Tag. Und er ist auch gar nicht für mich, sondern für jemand anderen.“

„Und wer sollte wohl dieser Jemand sein?“, kam die äußerst reservierte Rückfrage.

„Ein Fan von dir“, gab Eiri schlicht zurück.

„Großer Gott!“, entfuhr es Kaiba genervt.

Der blonde Mann tat als hätte er es überhört. „Du wirst uns beiden eine Privatführung durch dein Kaibaland geben“, fuhr er unbeirrt fort. „Und du wirst es mit ausgesuchter Freundlichkeit tun. Und dann, nur dann, wenn mir gefällt wie das da abgelaufen ist, werde ich meinen Verleger anweisen, die Widmung an dich zu streichen. Haben wir uns verstanden?“

„Und das hört sich für dich nicht zufällig nach Erpressung an?“, gab Kaiba zynisch zurück.

„Nenne es Interessenabgleichung. Komm schon, der eine Tag wird dich nicht umbringen. Du darfst ein bisschen mit deinen Erfindungen prahlen, bekommst garantiert überschwängliches Lob dafür und dann hast du es hinter dir. Du könntest es schlechter treffen.“

Für einen langen Moment musterte der junge Firmenchef den Schriftsteller vor sich aus schmalen Augen. Dann schließlich sagte er: „Aber die Tickets bezahlt ihr selber!“

„Nun sei mal nicht so knickerig!“, winkte der Blonde ab. „Was kostet so eine Karte? 4000 Yen (ca. 35 Euro)? Die 8000 Yen zahlst du doch aus der Portokasse.“

Einen langen Moment schien Kaiba schwer mit sich zu ringen. „Also schön!“, meinte er schließlich. „Wir bringen den Tag hinter uns. Ich führe euch herum, bin 'freundlich' und danach verschwindet diese Widmung und ich sehe dich und deinen kleinen Lover nie wieder, klar?“

Der Blonde schmunzelte leicht amüsiert. „Sicher doch. Deal ist Deal.“ Dann richtete er sich auf. „Es besteht wohl keine Chance, dass deine Hiwis mich zurückfahren, oder?“

„Darauf kannst du Gift nehmen!“, erwiderte Seto Kaiba frostig.

„Von mir aus, ich nehme mir ein Taxi.“

„Ich bitte darum!“

„Na dann, bist demnächst Kaiba. Den Termin gebe ich dir noch durch.“ Er wandte sich zum Gehen.

„Noch mehr Bedingungen?“, kam es sarkastisch hinter ihm.

„Nur Rahmenbedingungen, Kaiba!“, meinte er ohne sich umzudrehen. „Bei dir muss doch immer alles nach festen Richtlinien ablaufen. Ist bestimmt irgend so eine Komplexsache. Solltest du vielleicht mal therapieren lassen.“

„Du kannst mich mal!“

„Sag das lieber nicht so laut!“ Und dann fiel auch schon die Tür hinter ihm ins Schloss.

Mit gesenktem Kopf stand Eiri da. Die Gorillas hatten sich offenbar aus dem Staub gemacht und er stand nun alleine auf dem langen Flur. Er spürte wie sein Herz in der Brust heftig pochte. Langsam hob er seine Hand und stellte fest, dass seine Finger leicht zitterten. Ruhig und kontrolliert atmete er einmal durch und schüttelte leicht den Kopf. „Gott, macht der Kerl mich scharf!“, murmelt er leise bei sich. Dann machte er sich wieder auf den Weg nach hause.

Willkommen in Kaibaland!

„Was denn für VIP-Gäste?“ Mokuba sah verwundert von seinem Frühstück auf. „Du machst die Führungen doch sonst nicht selber.“

Seto bemühte sich angestrengt um eine möglichst gleichgültige Miene. „Ich versichere dir es ist nur eine Ausnahme.“

„Also meinetwegen braucht es keine zu bleiben“, entgegnete Mokuba spitzbübisch. „Du solltest dich ruhig öfter persönlich in Kaibaland blicken lassen. Ich meine wozu haben wir den Park denn gebaut, wenn du dich doch nur hinter deinem Schreibtisch in Arbeit vergräbst?“

„Mokuba!“, rügte Seto scharf.

„Ja ja, ich weiß“, winkte der Junge ab. „Du bist der Chef und die Arbeit geht vor. Wer ist es denn? Kennt man ihn?“, wechselte er jetzt auf das vorherige Thema zurück.

„Ein Geschäftspartner“, gab der junge Firmenchef knapp Auskunft. „Er bringt seinen Bruder mit und ich habe zugesagt sie beide ein wenig herumzuführen.“ Ernst blickte er Mokuba an. „Dieses Treffen ist leider wichtig. Ich möchte es mir nicht mit ihm verscherzen, also werden wir uns ein wenig zuvorkommend verhalten müssen. Ich... es wäre prima, wenn ich dabei auf dich zählen kann.“ Der Braunhaarige sah nun ein wenig verlegen aus.

„Ich hab schon verstanden, Seto“, zwinkerte sein Bruder. „Du brauchst Hilfe bei der Bespaßung. Kein Problem, ich helfe dir, sie beschäftigt zu halten, damit sie dir nicht auf den Wecker fallen.“

„Danke! Du hast was gut bei mir!“, es klang tatsächlich ein wenig erleichtert.

„Ich komme bestimmt darauf zurück!“, grinste Mokuba, dann biss er wieder von seinem Brötchen ab und begann vergnügt zu kauen. Heute schien doch ein spannender Tag zu werden. Immerhin würde er heute den ganzen Tag mit seinem Bruder im Freizeitpark verbringen. Besser konnte es gar nicht laufen. Wer die Leute wohl waren mit denen sich sein Bruder zur Abwechslung mal persönlich abgab? Nun, wer es auch war, wenn sie eine Führung durch den Park wollten, konnten sie ja nicht zu verstaubt sein. Vermutlich war eher das Gegenteil der Fall, denn sein Bruder bat ihn immer nur dann um seine Mithilfe wenn die Befürchtung bestand, das irgendjemand Spaß an der Sache haben würde.

Er seufzte innerlich. Warum musste sein Bruder bloß immer so tierisch verklemmt sein? Aber vielleicht taute er ja doch ein wenig auf heute. Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt.
 

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Es war kurz vor zehn als der schnittige Sportwagen vor dem Eingang des Freizeitparks vorfuhr. Offiziell machte der Park erst in einer knappen Woche nach der Winterpause wieder auf, aber viele Mitarbeiter waren schon fleißig dabei letzte Hand an die winterliche Wiederaufbereitung zu legen, damit bei der Neueröffnung alles wie aus dem Ei gepellt wirkte.

Kaiba war das ganz recht so. Somit waren die einzigen sonstigen Besucher mit denen er sich abzugeben hatte seine eigenen Angestellten und er lief nicht Gefahr ständig von irgendwelchen Wildfremden um Autogramme oder Fotos gebeten zu werden.

Trotzdem blieb das beklemmende Gefühl in seiner Magengrube, während er beobachtete wie nun zwei Personen aus dem Auto stiegen. Eine von ihnen war groß und schlank und offenkundig die Ruhe selbst. Die andere war klein und schmal und schon aus der Entfernung war zu erkennen, dass die Person mit den grell pinken Haaren auffallend zappelig wirkte. Er atmete einmal tief durch. Also schön, bringen wir es hinter uns!

Das ungleiche Pärchen kam nun näher, und Seto spürte wie er sich unweigerlich versteifte.

„Sind sie das?“, kam nun die Frage von seinem Bruder neben ihm. Der Braunhaarige nickte knapp.

Schließlich hatten die beiden Neuankömmlinge sie erreicht. Schon aus der Ferne hatte Kaiba beobachtet, dass die Augen des jüngeren der beiden mit jedem Schritt größer wurden und seine Mundwinkel sich zunehmend schulmädchenhaft zu einem dümmlichen Grinsen anhoben. Noch einmal atmete Seto still durch. Soviel zum Thema Fan. Der junge Mann grinste nun wie ein Honigkuchenpferd während er den schlanken Firmenchef ungeniert anstarrte.

„Da sind wir!“, kam es nun von Eiri Yuki der an seine Seite getreten war.

Nun zog der Kleinere seinen Begleiter nachdrücklich am Ärmel zu sich und wisperte ihm aufgeregt zu: „Das ist ja wirklich Kaiba!“ Ein unterdrücktes Quietschen entfuhr ihm. Sofort fing er sich einen leichten Knuff auf den Oberarm ein.

„Benimm dich!“, raunte der Andere ihm streng zu worauf der Jüngere sogleich wieder versuchte Haltung anzunehmen. Er konnte es jedoch nicht vermeiden, dass er hibbelig von einem Fuß auf den anderen trat.

Mühsam unterwarf Seto Kaiba sein Gesicht dem strikten Versuch dem Verhalten des jungen Mannes keine Beachtung zu schenken. Stattdessen straffte er sich und setzte sogar so etwas wie ein halbes Lächeln auf.

„Herzlich willkommen im Kaibaland!“, sagte er höflich. „Wir öffnen zwar erst in einer Woche, aber die meisten Fahrgeschäfte sind bereits einsatzbereit.“ Damit wandte er sich seinem Bruder zu. „Darf ich vorstellen, mein Bruder Mokuba! Er wird uns heute ebenfalls begleiten. Ich bin sicher wir werden alle viel Spaß haben.“ Selten zuvor hatte er eine solch dicke Lüge so laut ausgesprochen und er fühlte sich sogleich von zwei kritischen Augenpaaren in die Mangel genommen. Den jungen Mann mit den gefärbten Haaren schien das jedoch in keiner Weise zu stören. Er schien noch immer auf Wolke sieben zu schweben und blickte mit Staunen auf das große Eingangstor über dem eine riesige Statue des Weißen Drachen Mit Eiskaltem Blick thronte.

Wieder wandte Kaiba sich an seinen Bruder. „Mokuba, das sind Eiri Yuki und... es tut mir leid, wie war der Name noch gleich?“, setzte er mit einem beunruhigend freundlichen Lächeln hinzu.

Der Angesprochene erstarrte augenblicklich und wandte sich Kaiba wieder zu. „Mein Name ist Shuichi Shindo“, verkündete er ernsthaft, „und ich bin sehr erfreut Ihre Bekanntschaft zu machen!“ Die höfliche Verbeugung kam vielleicht etwas zackiger als beabsichtigt, doch Kaiba quittierte sie seinerseits nur ebenfalls mit der schwachen Andeutung einer Verbeugung. „Ganz meinerseits“, antwortete er so entgegenkommen wie ihm möglich war. Hoffentlich war das hier bald vorbei. Der junge Mann machte den Eindruck als würde er jeden Moment platzen.

„Es freut mich ebenfalls euch kennenzulernen!“, verneigte sich nun auch Mokuba. „Wie sieht's aus, wollen wir reingehen?“ Das ließ sich der Mann namens Shuichi nicht zweimal sagen. Sogleich drehte er sich um und stapfte mit leuchtenden Augen auf das große Eingangstor zu. Die drei anderen folgten ihm.

Unauffällig zupfte Mokuba seinen Bruder am Ärmel. „Sagtest du nicht die beiden sind Geschwister?“, fragte er leise.

Doch noch ehe Seto dazu kam etwas zu sagen, fiel ihm schon der hochgewachsene Schriftsteller ins Wort. „Wir haben verschiedene Mütter“, erklärte er todernst.

Mokuba errötete unwillkürlich. Man konnte ihm deutlich ansehen, dass es ihm unangenehm war, dass der Andere die Frage mitbekommen hatte.

„Mokuba, warum schnappst du dir nicht Shindo-san und zeigst ihm mal den Andenkenladen?“, fixierte Seto seinen Bruder mit einem durchdringenden Blick. Er klippste einen Schlüssel von einem großen Bund und drückte ihn ihm in die Hand. „Sag ihm er kann sich was aussuchen. Es geht aufs Haus, ok?“

Zunächst blickte der Junge etwas irritiert drein, doch dann hellte sich seine Miene auf. „Klar! Machen wir!“ Er schenkte Seto ein fröhliches Lächeln und rannte dann hinter dem zierlichen Leadsänger her.

Kaum waren die beiden außer Hörweite, ruckte sein Kopf zu Eiri Yuki herum.

„Auf ein Wort!“, bedeutete er dem Anderen mit finsterer Miene ihm ein Stück an die Seite zu folgen. Bereitwillig fügte dieser sich.

„Du bist ja heute richtig spendabel“, bemerkte er trocken. „Hätte ich nicht gedacht.“

„Lenk nicht ab!“, schnaubte Seto gepresst. „Damit eines klar ist, ich habe Mokuba erzählt, dass ihr Brüder seid. Ich erwarte also von euch, dass ihr euch auch so verhaltet!“

„Worauf willst du hinaus?“ Eiri verschränkte die Arme.

„Kein Rumgeknutsche oder irgendwelches Gefummel in der Öffentlichkeit. Und schon gar nicht in Mokubas Gegenwart, verstanden? Sonst endet das hier auf der Stelle!“

Eiri verdrehte die Augen. „Man, hast du ne spießige Einstellung!“

„Es ist mein Ernst!“, stellte Seto unmissverständlich klar.

„Ist ja schon gut, reg dich wieder ab!“, entgegnete Eiri. Dann ging sein Blick zu den beiden Jüngeren, die gerade dabei waren die Tür des Souvenirshops aufzuschließen und begeistert im Inneren verschwanden.

„Was soll das eigentlich? Es war nie die Rede davon, dass der Kleine mit von der Partie ist.“

Hämisch lächelte Seto ihn an. „Passt dir das etwa nicht? Bei dir kann man ja nie wissen auf was für kranke Ideen du vielleicht kommst. Da ist es mir lieber, ich biete dir nicht unbedingt freie Bahn.“

Nun warf der Blonde ihm einen zynischen Blick zu. „Echt jetzt, Kaiba? Du hast ihn als Anstandsdame dabei? So was kann auch nur dir einfallen.“

„Finde dich damit ab. Selbst du wirst dich wohl vor Minderjährigen ein wenig zurückhalten, hoffe ich doch“, erwiderte Seto gehässig.

Nun entfuhr Eiri ein kurzes Lachen. „Meine Güte, dieser Kuss muss dich doch stärker geprägt haben, als ich dachte.“

„Ich ziehe es vor, dieses Ereignis nicht als 'Kuss' zu bezeichnen!“, bemerkte Seto frostig.

„So prüde, Kaiba?“, meinte er belustigt. „Aber keine Sorge. Ich werde schon nicht über dich herfallen.“ Damit wandte er sich ab und macht sich auf den Weg zum Andenkenladen.

„Das hätte ich gerne schriftlich!“, grollte Seto bitter bei sich. Dann setzte er sich ebenfalls in Bewegung, den Anderen hinterher.

Die Führung

Seto Kaiba kam schnell mit sich überein, dass die Tatsache, seinen Bruder in die Angelegenheit miteinzubeziehen, eine ausgezeichnete Idee gewesen war. Er und der Musiker Shuichi schienen sich wahrlich prächtig zu verstehen. Davon konnte er sich überzeugen, als er den Andenkenladen betrat. Die beiden stöberten begeistert in den Kisten und Regalen des Geschäftes und Mokuba wurde es offenbar nicht müde auf immer neue kleinere und größere Fanartikel hinzuweisen, die der junge Sänger daraufhin mit freudigem Quietschen, Entzückungsschreien und leuchtenden Augen quittiert. Er hatte bereits eine ganze Tüte voll mit Souvenirs und Kaiba beschloss sie einfach als Werbungskosten abzusetzen. Immer noch besser als wenn er sich direkt mit diesem quirligen Etwas hätte abgeben müssen.

„Verwöhne ihn nicht zu sehr!“, raunte es nun direkt neben seinem Ohr. „Ich hab sonst nachher die ganze Bude voll mit dem Kram.“

Der Nacken des Firmenchefs versteifte sich unwillkürlich. „Es war deine Idee, dass ich freundlich sein soll“, gab Kaiba spitz zurück. „Mach du ihm doch klar, dass er nicht alles mitnehmen kann.“

„Ich werde mich hüten!“, entgegnete Eiri trocken. „In dieser Laune ist er wesentlich besser zu ertragen, als wenn er schmollt. Glaub mir!“

Der junge Firmenchef ging nicht weiter darauf ein. Allerdings wünschte er sich, die beiden kleinen Raubritter würden ihren Feldzug langsam aber sicher aus dem Andenkenladen heraus und hin zu den Fahrgeschäften verlagern. Er verspürte keine gesteigerte Lust dies hier unnötig in die Länge zu ziehen, aber solange die Augen des Blonden eindringlich auf ihm ruhten, war es vermutlich... unhöflich zur Eile zu mahnen. Ständig spürte er den Blick des Schriftstellers in seinem Nacken, der vermutlich peinlich genau darauf achtete, welchen Eindruck er bei seinem jungen Begleiter hinterließ.

„Der Knabe scheint wirklich ein echter Fan zu sein“, stellte er bei sich fest, während er beobachtete wie Mokuba und Shuichi gerade damit beschäftigt waren aus einem großen, bodenständigen Gitterkorb unterschiedliche Duellmonster-Plüschhüte hervorzuholen und sie sich unter Kichern gegenseitig aufsetzten.

„Du machst dir keine Vorstellung!“, erklang es mürrisch neben ihm. „Hattest du denn etwas anderes angenommen?“, kam nun doch die Rückfrage.

„Eigentlich dachte ich, das Ganze wäre nur ein Vorwand um mir wieder auf die Pelle zu rücken“, bemerkte Seto mit einem schiefen Grinsen.

Zunächst herrschte Schweigen. Doch dann kam es ruhig: „Was, wenn es so wäre?“

Unwillkürlich fuhr Setos Kopf herum und seine Augen trafen die des blonden Schriftstellers neben sich. In seinem Blick lag etwas was Seto nicht recht deuten konnte, aber es verursachte ihm eine Gänsehaut.

Bedächtig rückte Seto nun ein Stück von ihm ab. „Sag mal... versuchst du etwa gerade mich anzumachen?“, kam es angewidert von ihm.

Doch Eiri hielt seinem Blick noch immer stand. Ein leichtes Schmunzeln legte sich um seine Lippen. „Wer weiß?“

Seto zuckte zusammen. „Würdest du den Scheiß gefälligst lassen!“, zischte er ihm aufgebracht zu.

„Wieso?“, kam es jetzt leicht provokant zurück. „Ist doch kein Geheimnis, dass du ein heißer Feger bist.“

Seto presste die Kiefer aufeinander. „Ich dachte ich hätte neulich deutlich gemacht, was ich von diesem Rumgeschwuchtel halte. Ganz besonders wenn es meine Person betrifft.“

Wieder war da dieses unanständige Lächeln auf dem Gesicht des blonde Schriftstellers. „Zwecklos, Kaiba! Du weißt doch: Intelligenz ist sexy!“

Wütend starrte Kaiba ihn an. „Dann frage ich mich wirklich, was du eigentlich von diesem unterbelichteten Hampelmann dahinten willst.“

Für einen kurzen Moment ging keine Regung über Eiris Gesicht. Dann sanken seine Mundwinkel langsam herab und seine Stirn legte sich ein wenig in Falten. Noch immer hielten seine Augen die von Kaiba gefangen, aber nun lag etwas in ihnen, dass dem Braunhaarigen einen unbehaglichen Schauer über den Rücken jagte.

„Das ist wirklich eine gute Frage!“, sagte er leise aber die Worte klangen dennoch ein wenig bedrohlich.

„Vielleicht findest du es dann besser heraus!“, setzte Seto nun ungerührt nach. „Denn wenn du jetzt schon anfängst es bei mir zu suchen, ist dieser kleine Plagegeist wirklich zu bedauern.“ Es scherte ihn nicht, dass er verletzend war. Seine Aussage mochte nicht sehr nett gewesen sein, doch er sah nicht ein, warum er irgendwie Rücksicht auf die Gefühle seines Gegenübers nehmen sollte. Dieser tat es ja auch nicht. Auch wenn er noch immer nicht ganz verstand, was der Andere im Schilde führte, so war er doch fest entschlossen, diesmal auf keinen Fall mitzuspielen. Dieser Eiri Yuki wollte ihn doch bloß aus der Reserve locken, damit er seine Geduld verlor. Doch diese Genugtuung würde er ihm nicht geben. Im Gegenteil! Dieses Spielchen konnte man auch zu zweit spielen. Und bei Spielen verlor er so gut wie nie.

Offenbar hatte dieser Mann es darauf abgesehen, ihn zu demütigen und aus der Fassung zu bringen. Das konnte er gerne weiter versuchen. Er würde nicht mehr drauf anspringen. Was auch immer er da versuchte, solange er sich nicht mehr provozieren ließ, konnte der Andere Kapriolen schlagen wie er wollte. Er würde nur ein müdes Schulterzucken erhalten. Irgendwann würde ihm dann schon der Spaß vergehen.

Der Erfolg gab ihm Recht. Er konnte erkennen, dass sein Gegenüber offenbar bereits jetzt schon Mühe hatte seinen Ärger zu unterdrücken. Seine Schultern bebten und er versuchte offenbar möglichst kontrolliert zu atmen. Ein gehässiges Schmunzeln legte sich nun um Setos Lippen. Wollten doch mal sehen wer hier zuerst die Fassung verlor.

Mit einem würdevollen Schwung wandte er sich von ihm ab. „Besser wir verlegen das hier langsam nach draußen. Dein kleiner Lustknabe räumt mir sonst noch den ganzen Laden leer.“ Damit ließ er ihn stehen.

Starr blickte Eiri dem braunhaarigen Firmenchef hinterher. Im Augenblick musste er sich wirklich zusammenreißen, um sich nicht zu irgendeiner Kurzschlussreaktion hinreißen zu lassen. Er ballte die Faust. Dieser Kerl war einfach unglaublich! Er konnte noch immer nicht genau sagen was er von ihm hielt. Einerseits war er wirklich das arrogante Arschloch für das er ihn bisher gehalten hatte, doch andererseits verspürte er jedes Mal, wenn er ihm auf seine anzüglichen Bemerkungen geringschätzig Retour gab, das Bedürfnis, diesen unverschämten Bastard zu packen und ihm die Frechheiten gnadenlos aus dem Gesicht zu küssen. Und schon wieder lieferte sein elendes Gehirn dafür reichlich Bildmaterial.

Er schloss kurz die Augen und schob den Gedanken rigoros beiseite. Shuichi würde einen Anfall kriegen, wenn er das mitbekam und gerade jetzt war er so wunderbar friedlich versorgt, dass man es sich ruhig mal gestatten konnte ein paar Wunschträumen hinterher zu hängen. Solange es Wunschträume blieben.

Er seufzte. Es war einfach zum verrückt werden! Jedes Mal wenn dieser Schnösel ihn auf diese geringschätzige, süffisante Art angrinste, begann sein Herz schneller zu schlagen. Teilweise aus Ärger aber auch teilweise aus etwas anderem. Zugegeben, er sah tatsächlich gut aus. Das war unbestreitbar. Er war groß, schlank und mit Sicherheit nicht völlig untrainiert. Das Gesicht war hübsch geschnitten und im Allgemeinen wirkte er auch sehr gepflegt und elegant. Und natürlich waren da diese unnatürlich blauen Augen.

Man sagt, die Augen wären die Fenster der Seele, und Eiri hatte mit der Zeit gelernt sehr geschickt in Seelen zu lesen. Diese Augen verkündeten eine bestechende Intelligenz aber auch Selbstbewusstsein und Skrupellosigkeit. In ihnen lag ein Feuer, dass von ausgeprägter Leidenschaft zeugte, selbst wenn der Rest des Körpers versuchte überlegende Würde auszustrahlen.

Er konnte sich einfach nicht helfen. Es machte ihn einfach wuschig, wenn er sich vorstellte, wie es wohl wäre mit einem solchen Charakter Intimitäten auszutauschen. Vermutlich wäre es ein permanentes Gerangel um die Dominanz, so wie es bereits jetzt schon der Fall war.

Er ertappte sich dabei, dass er unanständig grinste bei dem Gedanken. Mal sehen wie weit sich das noch treiben ließ. Vielleicht musste Kaiba sich einfach damit abfinden, dass seine Attraktivität nun mal nicht einfach wegzudiskutieren war. Vielleicht konnte er ihm noch ein bisschen mehr abringen als nur etwas Zeit. Vielleicht... war sogar noch ein Kuss drin, und vielleicht sogar ein richtiger diesmal.

Bei der Vorstellung wie sich seine Lippe über die des blauäugigen Firmenchefs legten, spürte er nun ein vertrautes Ziehen in der Leistengegend. Er wandte den Blick ab. Grundgütiger, hatte er es echt so nötig? Er musste wirklich versuchen sich zusammenzureißen. Mit der nötigen Selbstbeherrschung würde das schon klappen. Vorausgesetzt Kaiba hörte endlich auf ihn so triumphierend anzusehen, wenn er ihm widersprach.

Er atmete noch einmal langsam durch und dann ging auch er hinüber zu den anderen. Der hochgewachsene Firmenchef hatte ein Stück entfernt Stellung bezogen, und trommelte ungeduldig bei verschränkten Armen mit den Finger, während die Jungs sich noch immer mit den Mützen vergnügten. Was denn, Kaiba, schon gelangweilt? Na, dem würde er schon helfen!

Er trat nun an Shuichi heran und meinte fast wie beiläufig: „Hey, ich glaub ich habe da drüben einen Stickerautomaten gesehen.“

Sofort fuhr der Kopf des jungen Leadsängers herum. „Was? Wo?“ Augenblicklich flog sein Blick suchend über den Raum. „Oh, tatsächlich!“, hellte sich seine Miene auf als er den Apparat entdeckte.

Sogleich lief er auf sein Idol zu. „Oh bitte, Kaiba-sama, lass uns ein paar Fotos machen! Nur ein paar Stickers bitte!“ Große leuchtende Augen schmachteten ihn an.

Setos Gesicht erstarrte. Sein Blick fing den des Schriftstellers ein, der ein Stück hinter dem jungen Musiker stand und eine verstohlen feixende Miene aufsetzte. „Ja!“, soufflierte er tonlos und nickte demonstrativ.

Düster erwiderte Seto Kaiba seinen Blick. „Warum nicht!“, rang er sich ab.

Shuichi strahlte über das ganze Gesicht. Völlig aus dem Häuschen schnappte er sich sogleich Kaiba am Ärmel und zog ihn in Richtung Kabine. Mit tödlichem Blick taxierte Seto den blonden Schriftsteller. Doch dieser legte nur Daumen und Zeigefinger an seine Mundwinkel und signalisierte ihm „Lächeln!“

Unaufhaltsam wurde Kaiba in die Kabine gezogen und als er nach einer Weile und mehreren Blitzlichtern wieder zum Vorschein kam, hätte man schwören können, dass in seinen Augenwinkeln ein eigenwilliges Zucken lag.

„Das büßt du mir!“, raunte er kaum hörbar als er Eiri auf seinem steifen Weg nach draußen passierte, während Shuichi und Mokuba sich begeistert über die ausgedruckten Fotosticker hermachten und sie ausgiebig bewunderten.

Zufrieden lächelnd sah Eiri ihm hinterher. Dieser Punkt ging wieder an ihn.

„Das hoffe ich doch sehr!“, murmelte er amüsiert.

Gefühlsachterbahn

Die kleine Gruppe hatte es schließlich doch nach draußen geschafft. Shuichi hatte sich letztlich für einen Plüschhut mit dem Weißen Drachen entschieden und Mokuba trug eine Schirmmütze auf der „Zeit für ein Duell!“ stand. Eifrig über Duellmonster plappernd folgten sie Kaiba der nun unbeirrt durch die zahlreichen Wege des Parks schritt. Hinter ihnen ging Yuki und behielt die Truppe vor sich im Auge.

Offenbar hatte Shuichi wirklich einen Narren an dem jüngeren Kaibabruder gefressen, denn seit dem Andenkenladen klebten sie aneinander wie Pech und Schwefel. Ihm war das nur Recht Solange der junge Musiker beschäftigte war, achtete er nicht darauf, was er Kaiba für Blicke zuwarf.

Seto Kaiba tat momentan alles um ihn zu ignorieren und genau das machte es irgendwie noch reizvoller, sich irgendwelchen Wunschvorstellungen hinzugeben. Es musste doch möglich sein ihn dazu zu bringen, dass er sich wenigstens wieder mit ihm befasste, und sei es nur gedanklich. Das konnte doch nicht so schwer sein.

Es kam ihm vor wie ein stillschweigendes Spiel zwischen ihnen, bei dem derjenige gewann, der den anderen am meisten provozierte, ohne sich selbst aus der Ruhe bringen zu lassen. Aber vielleicht wäre es fair Kaiba gegenüber, wenn er wusste worum es dabei genau ging. Kaiba konnte ihm nicht entkommen, nicht heute, also konnte er auch genau so gut mit offenen Karten spielen. Sicher fiel es dem Braunhaarigen deutlich schwerer ihn zu ignorieren, wenn er wusste wohin seine Gedanken so wanderten.

Die Gruppe hatte jetzt eine der Achterbahnen erreicht und sofort wandte sich Shuichi an seinen Partner. „Hey, Yuki! Lass uns damit fahren, ja? Bitte!“ Große Augen blickten ihn sehnsüchtig an.

„Ganz sicher nicht!“, stellte er klar. „Es sei denn, du willst, dass ich dir über die Klamotten kotze.“

„Du bist so ein Spielverderber!“, maulte der junge Mann. „Ach bitte, Yuki!“

„Ja, nun sei doch nicht so!“, ließ sich nun auch Kaiba mit versteckter Häme vernehmen. „Ihr seid schließlich hier um Spaß zu haben, oder vertraust du unseren Fahrgeschäften nicht?“

Wieder war da dieses süffisante Lächeln in seiner Miene und Eiri spürte wie sich erneut sein Puls beschleunigte. Das war doch wirklich zum verrückt werden, dass der Kerl solch einen Einfluss auf seine Körperfunktionen hatte.

„Denen schon, aber meinem Magen nicht“, gab er trocken zurück. „Aber bestimmt fährt Mokuba gerne ein paar Runden mit dir“, wandte er sich wieder an Shuichi.

Sofort hellte sich die Miene des Leadsängers auf. „Klar doch! Nicht wahr Moki?“

„Aber sicher!“, kam es freudig von dem jungen Kaiba zurück. „Seto, schmeiß schon mal die Maschinen an. Komm ich zeige dir wo es reingeht!“, sagte er wieder an den jungen Mann gewandt und dann waren sie auch schon auf dem Weg zu den Gondeln.

Gemächlich spazierte Kaiba zu einem verglasten Häuschen, von wo aus sich die Maschinerie steuern ließ und registrierte nur am Rand, dass der Schriftsteller ihm folgte. Dort angekommen inspizierte er einige Monitore und schaltete dann eine Reihe von Apparaturen ein. Dabei überwachte er per Monitor wo sich die beiden Abenteurer gerade befanden.

„Weißt du, wenn du so wenig Lust hierauf hast, warum bist du dann überhaupt mitgekommen?“, fragte er beiläufig den Mann der nun neben ihm stand.

„Vielleicht war es ja auch nicht der Park an dem ich Interesse hatte“, kam nun die ruhige Antwort neben ihm.

Ärgerlich wandte sich Seto nun zu ihm um. „Könntest du gefälligst diese frivolen Anzüglichkeiten lassen? Ich weiß nicht warum du an dieser debilen Idee hängst, mich angraben zu müssen, aber ich garantiere dir, dass das keinen Erfolg haben wird, also hör mit diesen dämlichen Andeutungen auf, klar?“

Für einen Moment hielten sich ihre Blicke gefangen, dann wandte sich Yuki einem der Monitore zu, wo Shuichi und Mokuba gerade in eine der Achterbahngondeln einstiegen und darauf warteten, dass es losging.

„Das sagt sich so einfach“, meinte er und stützte sich auf dem Pult ab.

Etwas entgeistert starrte Seto ihn nun an. „Was heißt das denn nun schon wieder?“, fragte er ein wenig verunsichert. „Sag jetzt bitte nicht, dass du dich irgendwie... in mich verguckt hast!“ Es war deutlich zu hören wie unangenehm es ihm war diese Worte zu formulieren. Ein leichter Rotschimmer lag auf seinen Wangen. Offensichtlich war ihm das Ganze gerade unheimlich peinlich.

Yuki wandte sich wieder zu ihm um und bemerkte sogleich die Rötung der Wangen. Er lächelte amüsiert. „Nein“, schüttelte er belustigt den Kopf. „Ich bin nicht in dich verknallt, keine Sorge. Aber irgendwie machst du mich trotzdem an, denn eigentlich bist du doch ganz süß, obwohl du ein echtes Arschloch bist.“

Kaibas Gesichtsfarbe wechselte nun von blass zu erneut unwillkürlich errötet. Doch der Ärger überwog letztlich. „Du bist doch krank! Stell dich lieber gleich darauf ein, dass so was wie neulich bestimmt nicht noch mal passiert. Und wehe du versuchst das, dann gnade dir Gott! Such dir gefälligst ein anderes Liebesopfer!“

„Ich sag doch, das hat mit Liebe gar nichts zu tun“, gab Yuki nun ernsthaft zurück.

„Wo soll da bitte der Unterschied sein?“, schnaufte Kaiba grimmig.

Nun stützte sich Eiri hinter sich auf dem Pult auf und blickte Kaiba direkt an.

„Das bedeutet, dass mir deine Starallüren vielleicht tierisch auf den Zeiger gehen, aber ich trotzdem nicht darüber hinwegsehen kann, dass du einen echt niedlichen Hintern hast.“

Man konnte Kaiba richtig ansehen, was für Bilder bei diesen Worten vor seinem inneren Auge Gestalt annahmen. Er erbleichte regelrecht.

„Seto!“, riss ihn die helle Stimme aus einem Lautsprecher aus seiner Starre. „Wir wollen losfahren! Starte mal!“

Ein wenig neben sich trat Kaiba zum Pult und betätigte einige Hebel. Auf dem Bildschirm fuhr die Bahn los und die beiden Insassen rissen begeistert die Arme hoch.

„Gibt es irgendeinen speziellen Grund warum du mir das jetzt erzählst?“, fragte er ohne den Blick vom Monitor abzuwenden.

Neben ihm zuckte Eiri leicht mit den Achseln. „Ich wollte nur ehrlich sein. Ich dachte mir, du willst das vielleicht wissen.“

„Ganz sicher will ich das nicht wissen!“, schüttelte Seto bitter den Kopf.

„Aber vielleicht solltest du es wissen“, kam es ruhig zurück.

„Um was zu tun?“, wandte sich Kaiba nun doch zu ihm um. Man sah ihm den Ärger noch immer deutlich an. „Da wird gar nichts laufen, kapiert? Weiß dein kleiner Begleiter überhaupt in was für Liebesträume du dich hier ergehst?“

Yuki verdrehte genervt die Augen. „Wie oft denn noch, das hat nichts mit Liebe zu tun. Das ist einzig und allein körperlich!“

„Wie schmeichelhaft!“, bemerkte Kaiba trocken. „Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Fremdgehen ist also normal für dich, ja?“

Hier zögerte Yuki einen Augenblick. Dann wurde sein Blick wieder durchdringender. „Es ist ja nur fremdgehen, wenn du mich ran lässt, oder?“

Für einen kurzen Moment war Seto sprachlos. „Du bist unfassbar!“, stieß er schließlich ungläubig hervor. Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich kann einfach nicht glauben, dass ich gerade diese Unterhaltung führe!“, meinte er wie zu sich selbst. Dann sah er wieder auf. „Ein für alle Mal, ich habe keinerlei Interesse an dir, oder an irgendwelchen anderen Männergeschichten. Und wenn du nicht aufhörst mich anzubaggern, werde ich die Führung auf der Stelle beenden, hab ich mich klar ausgedrückt?“

„Tu was du nicht lassen kannst“, meinte Eiri achselzuckend. „Hatte ich schon erwähnt, dass nächste Woche mein Buch erscheint?“

Kaiba köchelte. „Ich warne dich!“

„Sieh es ein! Du wirst uns beide diesen Tag noch ertragen müssen, also mach das Beste draus.“

Ärgerlich schaltete Seto die Maschinen ab, die Fahrt war gerade zu Ende und die beiden Jungen stiegen wieder aus.

Grimmig fuhr Seto ihn an. „Lass bloß deine Finger bei dir, sonst hast du schneller eine Anzeige wegen sexueller Belästigung als du gucken kannst!“

Eiri erwiderte den Blick. „Bisher hab ich dich doch noch nicht mal angefasst.“

„Das wäre ja auch noch schöner!“

„Ja, vielleicht!“

„Du bist echt eklig!“, entfuhr es Kaiba angewidert

„Und du echt sexy!“, kam es anzüglich zurück.

„Willst du nochmal meine Faust zu spüren bekommen?“, wütend funkelte Seto den blonden Mann vor sich an. Ihre Gesichter waren nur noch wenige Handbreit voneinander entfernt. Ein intensiver Blick ging von den grünen Augen des Schriftstellers aus. Für einen langen Moment schien er zu überlegen dann senkte er den Blick.

„Ich glaube darauf lege ich gerade nicht allzu viel Wert“, sagte er ruhig.

„Sieh zu, dass du das nicht vergisst!“, zischte Seto wütend. „Und unterstehe dich irgendwas von der Sache gegenüber meinem Bruder verlauten zu lassen! Dieser Punkt ist unverhandelbar!“

Nun wirkte der blonde Schriftsteller fast schon ein wenig gekränkt. „Das versteht sich doch von selbst“, meinte er ernsthaft. „Davon braucht er nichts zu wissen. Ganz so skrupellos bin ich auch nicht.“

„Immer noch genug, dass dein Freund auch nichts von der ganzen Sache wissen soll, was?“, gab Seto gehässig zurück. „Wenn du mir weiter auf die Pelle rückst, gebe ich ihm ja vielleicht einen kleinen Hinweis, hmmm?“ Eigentlich konnte es ihm ja nur recht sein, dass ihm etwas eingefallen war, was er dem unverschämten Erpressungsversuch des Anderen entgegensetzen konnte. Doch als er nun die Miene des blonden Schriftstellers sah, kamen ihm doch ein wenig Bedenken. Der Ausdruck in seinem Gesicht hatte sich im Grunde kaum verändert aber in seinen Augen lag nun ein Anflug von Betrübtheit, der ihn doch überraschte.

Zunächst sagte er nichts sondern begegnete Setos Blick nur auf eine Art, dass diesem ganz mulmig zumute wurde. Dann sagte er: „Ich sagte doch schon: Tu was du nicht lassen kannst. Aber es wäre nett wenn du es ihm erst sagst, wenn wir wieder gehen. Er hat grade so viel Spaß.“

Verblüfft hatte er die Worte des Anderen vernommen. Er hätte angenommen, dass er ihm erneut mit seinem Buch gedroht hätte, wenn er ihn verpetzen würde. Aber offenbar hatte dieser Mann wirklich keine Hemmungen und es war ihm egal, was seine Flirterei für Konsequenzen für ihn hatte. Seto konnte sich nicht helfen. So viel gnadenlos einkalkulierte Selbstaufgabe war schon beinahe faszinierend. Wenigstens war er so fair seinem jungen Begleiter den Spaß nicht zu verderben.

In diesem Moment kamen Shuichi und Mokuba freudestrahlend angelaufen. „Das war super, Seto!“, jubelte Mokuba. „Das nächste Mal musst du unbedingt mitfahren!“

Der junge Firmenchef musterte die beiden jungen Männer. Nein, es machte keinen Sinn den beiden den Spaß zu verderben. Das Gesicht des pinkhaarigen Musikers strahlte beglückt und auch sein Bruder schien wie ausgewechselt. Mokuba glücklich zu wissen, konnte ihm ja vielleicht ein wenig einseitige Turtelei wert sein, denn ganz sicher würde der andere ja nicht damit aufhören. Er seufzte leise. Was soll's! Es war ja nur ein Tag. Wie schlimm konnte es schon werden?

Er schenkte seinem Bruder ein leichtes Lächeln. „Na komm! Wir haben noch viel vor.“ Dann verließ er das Kontrollhäuschen in dem Wissen, dass die anderen folgen würden.

Nur die Ruhe!

Da die meisten Fahrgeschäfte noch in der Winterinspektion waren, konnten sie noch nicht alle wieder in Betrieb genommen werden. Aber Mokuba und Shuichi waren nicht wirklich traurig darüber. Es gab auch so noch viel zu sehen und zu erleben. Kaiba hatte beim Entwurf seines Freizeitparks bewusst darauf geachtet, ihn für alle Altergruppen zu konzipieren. Somit gab es neben den Achterbahnen, Wildwasserfahrten und Karussells auch jede Menge mechanische Spielgeräte. Es gab riesige, hübsch ausgestaltete Spielanlagen mit Klettertürmen, Rutschen, Trampolinen, Wippen und Wasserspielen. Es gab Kegelbahnen, Bogenschießen, Freikletterwände und Go-Kart-bahnen, und Eiri Yuki ertappte sich dabei, das er innerlich wirklich beeindruckt war, von dem was der junge Mann am Kopf ihrer kleinen Gruppe hier auf die Beine gestellt hatte. Wie viel Kreativität, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen musste man haben um sich das alles hier auszudenken?

Sicher, er hatte bestimmt seine Ingenieure die ihm in der Sache eifrig zuarbeiteten, aber bestimmt war jeder einzelne Entwurf vorher über seinen Tisch gegangen. Und natürlich bezahlte er das alles auch. Seto Kaiba war der Chef und in so jungen Jahren musste man wirklich ein beträchtliches Maß an Zähigkeit und Entschlusskraft besitzen um so ein Projekt umsetzen zu können. Seto Kaiba wusste genau was er wollte und er bekam es auch meistens.

Und umso mehr stellte sich Yuki die Frage, ob denn wirklich jeder einzige Bereich von Kaibas Leben so sehr seiner Kontrolle unterlag. Hatte dieser Mann denn wirklich gar keine Schwächen? Es wäre wirklich reizvoll, mal eine Kleine davon zu entdecken.

Von all diesen Gedanken bekamen Shuichi und Mokuba nichts mit. Sie hatte eine riesige Spielanlage für sich entdeckt und tobten über die gewaltigen aufgeblasenen Hartgummikissen, die man als Trampolin und Kletterburg gleichzeitig verwenden konnte. Währenddessen standen Yuki Eiri und Seto Kaiba neben dem Spielgerät und beobachteten schweigend das Treiben der beiden, ohne jedoch ein Wort zu wechseln.

Irgendwann kamen die beiden Jungs japsend wieder an. Verschwitzt, außer Atem aber offensichtlich glücklich zogen sie sich ihre Schuhe wieder an und Mokuba wandte sich an seinen Bruder. „Ich hab Durst, Seto. Können wir erst mal Mittagessen gehen?“

Der Braunhaarige nickte und als nächstes steuerten sie einen kleinen Imbissstand an. Auch dieser war noch nicht besetzt, ebenso wie sämtliche warme Küchen des Parks, aber das störte nicht weiter. Die Regale und Kühlschränke waren bereits gut gefüllt mit kalter Limonade, Mineralwasser, Keksen, eingeschweißten Sandwichs, Instand-Nudeln und allerlei an Naschkram.

Es dauerte nicht lange bis alle mit kühlen Getränken und Fertignudeln versorgt waren und gemeinsam an einem der Holztische vor dem Imbiss ihre Mittagspause abhielten. Das Ganze ging relativ friedlich über die Bühne, wobei die beiden Jüngeren nun wieder in eifrige Gespräche vertieft waren. Sie plapperten über Gott und die Welt, aber hauptsächlich über Duellmonster, während die anderen beiden still daneben saßen und der Unterhaltung stumm essend folgten.

Irgendwann waren alle gesättigt und bereit zu neuen Schandtaten. Mokuba und Shuichi hatten sich mit reichlich Süßigkeiten und Saftpackungen aus dem Imbiss eingedeckt und machten sich gleich wieder auf den Weg um Neues zu entdecken. Und dieses ließ auch nicht lange auf sich warten. Ein Stück entfernt von ihrem Mittagsrastplatz entdeckte Shuichi etwas, was sogleich sein Herz höher schlagen ließ.

„Ein Greifer!“, rief er entzückt aus. Sofort lief er auf die stabile Glasbox mit den Plüschtieren und der Metallkralle zu, dicht gefolgt von Mokuba. Es gab mehrere zur Auswahl. Im Inneren dieser Glücksspielautomaten waren verschiedene Arten von Plüschtieren ineinandergestopft und der junge Leadsänger suchte sich die aus mit den Duellmonster-Plüschis. Mokuba neben ihm hatte sich eine Box mit Marvelhelden aus Stoff ausgesucht und nun begannen sie beide eifrig immer wieder Münzen in den Schlitz zu stecken und ihr Glück zu versuchen.

Mokuba schien irgendwie den Dreh herauszuhaben, denn er angelte sich jetzt schon die zweite Figur aus dem Kasten; einen Hulk. Shuichi hatte es auf einen knuffigen Weißen Drachen abgesehen, der ganz zuoberst lag, doch die Kralle wollte sich einfach nicht um ihn legen. Immer wieder versuchte er es und je öfter er es versuchte, um so frustrierter wurde er. Das konnte doch gar nicht sein! Immer wieder entglitt die Figur ihm. Es war wie verhext! Neben ihm förderte Mokuba jetzt begeistert die dritte Figur, einen Ironman, zutage, nur er hatte noch immer kein Glück.

Auf einmal hörte er hinter sich das missmutige Brummen: „Komm her, du Pfeife!“ und gleich darauf spürte er wie Yuki von hinten an ihn herantrat und seine Arme um seinen Hals legte. Er errötete unwillkürlich. „Ähm, Yuki?“, meinte er verwundert. Es war doch sonst nicht seine Art sich in der Öffentlichkeit an ihn ranzuschmeißen.

„Guck gefälligst nach vorne!“, kam die Anweisung direkt neben seinem Ohr. Nun stellte Shuichi fest, dass sich Yukis Hände über seine auf dem Joystick des Greifer legten. Hatte er etwa vor ihm zu helfen? Er spürte wie sein Herz schneller schlug.

„Kannst du das denn?“, fragte er zurück.

„Halt den Mund und steck die Münze rein!“, erhielt er die unwirsche Anweisung. Folgsam tat er es. Dann gingen seine Finger zurück zum Schaltknüppel und legten sich auf die seines Partners. „Und behalte deine Finger bei dir, klar?“, kam es deutlich von hinten. Eilig gehorchte Shuichi und zog seine Hand wieder weg. Er spürte wie Eiris Hände nun über seiner die Kontrolle übernahmen und die Metallkralle langsam und kontrolliert in Position brachte. Der Oberkörper seines Freundes war dabei dicht an seinen Rücken gedrängt, so dass er sogar dessen Körperwärme spüren konnte. Er atmete den herben Duft seines Partners ein und er spürte, dass ihn dabei ein wohliger Schauer über den Rücken lief. Auch wenn er ihm offenbar nur helfen wollte, konnte er nicht leugnen, dass es ihm gefiel so spontan umarmt zu werden.

Er konnte Yukis Berührungen bis zu dessen Hüfte hinunter spüren und dabei stutzte er ein wenig, als er sich urplötzlich der bezeichnenden Verhärtung in dessen Leistengegend gewahr wurde. Shuichi spürte wie ihm unwillkürlich das Blut ins Gesicht schoss. Das war doch womöglich nicht etwa das was er annahm. Konnte es sein, dass sein Freund gerade scharf auf ihn war? Sein Puls beschleunigte sich nochmals. Hier stand er an diesem Spielautomat, umschlossen von seinem Geliebten und mit dessen Erregung in seinem Rücken und er spürte wie ihm irgendwie die Knie weich wurden dabei.

„Yu.. Yuki, sag mal...?“, hob er verschämt an und tippte ihm verzagt gegen den Oberarm, doch er wurde sogleich unterbrochen.

„Lass deine Finger bei dir, hab ich gesagt!“, kam es gedämpft. „Und pass gefälligst auf, wie es gemacht wird!“

Die Kralle war nun in Position und begann zu piepen. Dann senkte sie sich herab und im gleichen Maße, drängte sich Yukis Schritt nun noch etwas dichter an ihn. Dem jungen Leadsänger entfuhr unwillkürlich ein leises Keuchen. Gerade legten sich die Metallzangen um den Plüschdrachen und hoben ihn tatsächlich hoch um ihn in den Auswurf plumpen zu lassen.

Im gleichen Moment löste sich Yuki abrupt von seinem Partner und trat zur Seite. „Na bitte, es geht doch!“, bemerkte er sarkastisch.

Noch immer ein wenig durch den Wind sackte Shuichi zur Öffnung der Ausgabeluke herunter. Irgendwie wollten seine Beine grade nicht so richtig. Verstohlen schielte er zu seinem Freund hinüber. Was hatte denn das gerade zu bedeuten? Der Blonde stand noch immer hoch aufgerichtet neben ihm und warf ihm einen leicht geringschätzigen Blick zu. Flüchtig streifte sein Blick seine Leistengegend. Kein Zweifel, er war tatsächlich erregt, doch normalerweise zeigte er das eher nicht in der Öffentlichkeit. Wie kam er also jetzt dazu ihn so untypisch anzumachen?

Auf einmal weiteten sich Shuichis Augen. Natürlich! Yuki war bestimmt eifersüchtig weil er hier so viel Zeit mit Mokuba verbrachte und ihn dabei kaum beachtete. Sicher wollte er so bloß seine Aufmerksamkeit zurückgewinnen. Es machte ihn bestimmt traurig, dass er so viel Spaß mit dem Kleinen hatte, und er selbst außen vor blieb. Na, das musste natürlich anders werden! Von jetzt an würde er darauf achten, dass Yuki immer bei dem Spaß mit dabei war. Er musste ihm beweisen, dass es wirklich keinen Grund für seine Eifersucht gab.

Hastig pulte er den kleinen Plüschdrachen aus der Ausgabe und drückte ihn herzig an sich. Dies war ein Geschenk von Yuki und er würde es in Ehren halten, komme was wolle.

Währenddessen trat besagter Schriftsteller hinüber in den Schatten eines Baumes kramte eine Zigarette samt Feuerzeug hervor und steckte sie sich an. Gemütlich paffte er ein paar Züge. Ein paar Schritte weiter stand Kaiba und blickte verstimmt zu ihm herüber.

„Glaub nicht, ich hätte das nicht gesehen“, bemerkte er streng.

Ein leichtes Schmunzeln zog über Eiris Gesicht. „Was denn, Kaiba, hast du uns etwa beobachtet?“

Nun trat der junge Firmenchef fast wie beiläufig ein paar Schritte näher. „Ich hatte gesagt, ihr sollt gefälligst das Gefummel in der Öffentlichkeit lassen!“, funkelte Seto ärgerlich.

„Ich weiß gar nicht was dein Problem ist“, entgegnete Eiri belustigt. „Ich hab ihm nur mit dem Greifer helfen wollen.“

„Wer's glaubt wird selig!“, zischte Seto gepresst. „Ich sagte doch wohl deutlich genug, ihr sollt den Schweinkram vor Mokuba lassen!“

Lässig schnippte Yuki die Zigarette in einen Mülleimer neben sich. „Man, Kaiba, du bist so prüde! Wenn du wirklich in jeder Berührung eine Schweinerei vermutest, dann ist es völlig klar warum du noch Jungfrau bist!“

Ein wenig entgeistert starrte Kaiba den blonden Schriftsteller nun an. Für einen Moment fehlten ihm glatt die Worte. Dann riss er sich zusammen. „Ich denke nicht, dass ich mein Sexualleben mit dir erörtern muss“, stellte er kühl klar.

„Du hast ein Sexualleben?“, kam es belustigt zurück.

„Und hör auf, mir jedes Wort im Mund herum zu drehen!“, regte Kaiba sich auf.

Nun begegneten sich ihre Blicke erneut; die eine Miene spöttisch, die andere verärgert.

„Du bist süß wenn du sauer bist!“, schmunzelte Eiri. Dann setzte er sich in Bewegung und schlenderte wieder hinüber zu den beiden Jungs, während Seto die Augen schloss und innerlich ganz langsam bis zehn zählte.

Mokuba und Shuichi begutachteten inzwischen ihre Ausbeute aus den Automaten und Mokuba gab seinem neuen Freund großzügig eine seiner Figuren ab; einen Captain America. Artig bedankte sich Shuichi bei ihm. Mit leuchtenden Augen zeigte er ihn Yuki, doch der hatte dafür kaum mehr als einen kurzen Blick übrig. Das schien den jungen Musiker jedoch in keiner Weise zu stören. Munter plapperte er nun auf ihn ein was der andere stoisch über sich ergehen ließ.

Schweigend beobachtete Seto die beiden. Wirklich ein eigenartiges Pärchen. Mal abgesehen von der Tatsache, dass es beides Männer waren, schienen sie auch so nicht viel gemeinsam zu haben. Nicht nur vom Aussehen her, er konnte bisher auch keine gemeinsamen Interessen ausmachen. Außerdem schätzte er den Schriftsteller als durchaus intelligent ein. Immerhin hatte er es nun schon zweimal geschafft, ihn so zu manipulieren, dass er tat was er wollte, das gelang wirklich nicht

jedem. Wohingegen dieser Shuichi... Nun ja. Ein großes Kind wäre wohl noch eine Untertreibung.

Allmählich kam er immer mehr zu der Überzeugung, dass diese seltsame Beziehung eine einseitige Sache war. Warum der Blonde es noch immer mit diesem Zappelphilipp aushielt, konnte er nicht abschätzen, aber vermutlich wäre er wohl ganz dankbar, wenn er den Knaben los war. Und langsam bekam sein ganzes Verhalten hier einen Sinn. Vielleicht suchte Eiri Yuki bloß ein Alibi um den Jüngeren in den Wind schießen zu können. Aber warum musste er ausgerechnet ihn dafür auserkoren haben? Seto seufzte.

Er verstand noch immer nicht genau was der Andere im Schilde führte, doch er würde drei Kreuze machen, wenn er heute wieder ging. Bis dahin hieß es einfach gute Miene zum bösen Spiel machen und sich nicht provozieren lassen.

Gerade kamen sie an einer Attraktion vorbei, bei der Mokuba ganz aufgeregt wurde.

„Hey, Shui!“, rief er. „Ich muss dir unbedingt unsere 'Umi-Fahrt' zeigen. Eine Bootfahrt mit lauter Wassermonstern aus Duellmonster. Die haben das richtig realistisch in Szene gesetzt. Ein paar der Roboter reden sogar!“

Sofort war Shuichi Feuer und Flamme. „Das ist so was wie ein Liebestunnel oder?“, fragte er aufgeregt. „Da muss ich mit Yuki rein! Yuki!“, wandte er sich mit Bettelblick an seinen Partner. „Komm, lass uns damit fahren! Da wird dir bestimmt nicht schlecht drin, nicht war Mokuba?“, kam die besorgte Rückfrage.

„Nein, keine Sorge. Es ist ganz ruhig“, nickte Mokuba.

„Siehst du?“, meinte Shuichi fordernd und zog ihm am Arm. „Komm, bitte!“

Eiri löste nachdrücklich den Griff an seinem Arm. „Klammer nicht so!“, brummte er mürrisch. „Wenn du fahren willst, fahr doch!“

„Oh nein!“, kam es jetzt demonstrativ von Shuichi. „Ich möchte, dass du mitfährst. Mokuba sagt es ist cool. Bestimmt gefällt es dir auch.“

„Fraglich!“, erwiderte Yuki flapsig.

„Yuki!“, zeterte der Jüngere. „Stell dich nicht so an! Ich möchte nun mal, dass du mitfährst. Bitte!“

Eiri verdrehte die Augen.

„Shui, lass ihn! Wenn er nicht will“, meinte Mokuba und zupfte ihm am Ärmel.

Bitte, Yuki! Bitte bitte bitte!“ Shuichi blieb beharrlich diesmal.

Genervt seufzte Eiri. „Von mir aus!“, brummte er. „Steigt schon mal ein, wir kommen gleich mit der nächsten Gondel hinterher.“ Shuichis Blick wirkte enttäuscht. Wie es aussah hatte er damit gerechnet, dass er mit seinem Freund zusammenfahren würde, doch Mokuba zog ihn bereits überschwänglich am Arm und drängte ihn, mit ihm zu kommen.

„Wir?“, kam es zynisch von Kaiba.

„Sicher!“, nickte Eiri leicht. „Ich kann mir denken, dass Mokuba dich bestimmt auch dabei haben will.“

„Mokuba oder eher du?“, raunte Kaiba ihm gehässig zu. Doch Yuki zuckte nur leicht die Achseln.

„Au ja!“, hatte der junge Kaibabruder Yukis Worte vernommen. „Komm mit Seto, das hast du bestimmt noch nicht live gesehen. Es ist klasse!“

Nachdrücklich nötigte Mokuba seinen Bruder nun hinauf zu dem Einstieg für die Wassergondeln. Dort angekommen wollte Shuichi noch einmal einen Versuch starten, Yuki zu sich ins Boot zu locken, doch dieser machte nur eine Geste mit der Hand die besagte: „Geh schon mal vor!“ Ein wenig geknickt fügte er sich und ließ sich von Mokuba in eines der hübschen Fährschiffe dirigieren. Sie hatten die Gestalt von fein ausmodellierten Wellen in denen sich zahlreiche Duellmonster wiederfanden.

Munter schipperte das Boot von der seichten Strömung getrieben einen schmalen Kanal entlang, durch einen dunklen Vorhang und hinein in den Erlebnisbereich.

Ungeniert kletterte Yuki nun zu einer der Gondel herauf die auf dem breiten Laufband zum Einsteigen die Nächste war.

„Was ist, willst du Wurzeln schlagen? Dein Bruder möchte, dass du mitfährst.“

Für einen langen Moment rang Seto mit sich. Mit dem schwulen Schriftsteller zusammen im selben Boot diese Tour zu absolvieren, stand im Augenblick so ziemlich am unteren Ende seiner Wunschliste, doch Mokuba rechnete fest damit, dass er ihm folgte und seine Abneigung für diesen Mann durfte hier nicht als Ausrede herhalten, seinen Bruder zu enttäuschen. Zwar hätte er die nächste Gondel nehmen können, doch die Boote waren Zweisitzer, wie hätte er ihm das erklären können, ohne reinen Tisch zu machen was die sexuelle Ausrichtung des Schriftstellers anging? Und dazu hatte er noch viel weniger Lust. Also fügte er sich einmal mehr in sein Schicksal und kletterte ins Boot.

„Aber wehe du begrabschst mich!“, grollte Seto drohend. „Und wenn du versuchen solltest mich zu küssen, schmeiß ich dich ins Wasser!“

„Ich wusste nicht, dass das eine Option ist“, entgegnete Eiri trocken. „Aber mir soll's recht sein.“

Steif ließ Seto sich neben den anderen plumpsen. Gerade noch zur rechten Zeit, denn nun senkte sich das Boot vom Transportband zum Wasser herab und schwamm nun frei. Friedlich schaukelte es jetzt dem dunklen Eingang entgegen, während die beiden Männer darinnen mit gemischten Gefühlen den nächsten Minuten entgegen sahen.

Der Tunnel der Liebe

Gemächlich schipperte das kleine Boot durch die schmale Fahrrinne, vorbei an einem zunehmend opulenten Arrangement an Figuren, Animatronics sowie Licht- und Soundeffekten und nicht zuletzt Hologrammen, die eine faszinierende Unterwasserwelt darstellte. Überall wimmelte es von Duellmonster-Cameoauftritten und in der doch recht großen Halle bot das Szenario ein imposantes Bild. Yuki musste beeindruckt feststellen, dass die ausgefeilte und detailreiche Darstellung dieser Duellmonster-Unterwasserwelt ohne Frage eine Klasse für sich war. Hier wurden nicht nur Leute unterhalten, hier war ein Traum umgesetzt worden.

Er blickte zu Kaiba hinüber. Dieser junge Mann war in der Tat mit einer außergewöhnlichen Kreativität gesegnet worden. Da war es nicht verwunderlich, dass er den Kopf nur wenig frei hatte für Dinge die sich mit gewissen anderen Themen befassten. Irgendwie machte ihn das gleich noch ein wenig attraktiver. Gerade die Unberührten hatte ihren ganz speziellen Reiz.

„Ist ganz hübsch geworden!“, bemerkte Yuki während er sich umsah.

„Ich halte mal fest, dass die Bezeichnung 'hübsch' für diese Anlage eine leichte Untertreibung ist“, stellte Kaiba trocken klar.

Wieder warf Yuki ihm einen leicht belustigten Blick zu. „Was denn Kaiba, etwa eitel?“

„Nicht wirklich“, kam es pikiert zurück. „Aber wir wollen das Kind doch mal beim Namen nennen. Die Konzeption dieser Kulisse ist erstklassig und zudem einzigartig und revolutionär. Kein anderer Freizeitpark vermittelt dir eine solche Vielfalt an Eindrücken bei seinen Fahrgeschäften.“

„Ich bin keiner deiner Investoren“, erinnerte ihn Yuki. „Du brauchst nicht versuchen mich zu beeindrucken.“

„Ich habe nicht vor dich zu beeindrucken“, kam es nun kühl von Kaiba und verstimmt richtete er den Blick in die Kulissen.

Plötzlich spürte er den Fuß des Anderen der sanft an seinem Unterschenkel entlangstrich. „Sei nicht beleidigt, Kaiba. Scheinbar bedeutet dir diese Anlage doch ne ganze Menge, hmmm?“

Ruckartig zog Kaiba das Bein weg. Wütend funkelte er den Schriftsteller an. „Ich hack dir gleich den Fuß ab, wenn du das nicht lässt! Ich sagte doch wohl deutlich kein Gefummel!“

„Du sagtest, ich soll dich nicht begrabschen“, lächelte Yuki schuldlos. „Und das habe ich auch nicht.“

„Ich bin ziemlich sicher, dass du den Konsens meiner Worte verstanden hast“, funkelte Seto aufgebracht. „Was ist nur los mit dir?“

Noch immer lächelte Yuki amüsiert. „Ach, Kaiba, entspann dich mal!“

Beherrscht atmete Seto langsam durch, dann blickte er auf und sagte gefasst: „Ich kann mich aber nicht entspannen. Ich bin nun mal nicht schwul und ich finde es wirklich wenig schmeichelhaft, wenn ich von dir auf solch eine anzügliche ja fast schon anstößige Art und Weise angegraben werde. Und offenbar kann nichts was ich sage dich davon abhalten mir Avancen zu machen. Was muss ich also tun, damit du das endlich unterlässt? Was willst du eigentlich von mir?“

Nun sanken Yukis Mundwinkel ein wenig herab. Langsam setzte er sich auf und schien einen Moment lang zu überlegen. „Ich weiß es eigentlich nicht so genau“, gab er schließlich etwas verhalten zu. „Alles was ich weiß, ist, dass diese Sache vor ein paar Wochen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf geht, und ich will jetzt herausfinden warum.“

Verdutzt blickte Kaiba ihn an. Ausgerechnet darum ging es? Er musste zugeben, dass er selbst auch noch ein paar Tage darüber nachgedacht hatte; einfach weil es eine wirklich einschneidende Erfahrung gewesen war, aus heiterem Himmel von einem fremden Mann geküsst zu werden. Doch über all die anfallenden Arbeiten in seiner Firma war das Erlebnis mit der Zeit wieder in Vergessenheit geraten. Immerhin war ja niemand tatsächlich zu Schaden gekommen dabei. Erst das Buch mit der unverschämten Widmung hatte die Erinnerung zurückgebracht und seit dem war er tatsächlich deutlich nervöser und gereizter als vorher.

Doch eigentlich hätte er nicht für möglich gehalten, dass es diesem Yuki ebenso ging. Der blonde Schriftsteller machte eigentlich die meiste Zeit über den Eindruck, als hätte er alles unter Kontrolle und als würde er sich um nichts kümmern. Und nun teilte er ihm hier ganz unverblümt mit, dass er die ganze Sache hier wegen des Treffens von damals angeleiert hatte. Offenbar war er sich seiner Sache doch nicht so sicher, und es verwunderte Seto schon, dass er dies so völlig offen und unverfroren vor ihm zugab. Nachdenklich musterte er den Mann neben sich. „Sag mal, bist du eigentlich immer so abstoßend ehrlich?“

Yukis Blick wanderte jetzt ein wenig in der Gegend herum. „Kann sein, manchmal.“ Nun lehnte er sich in der Gondel zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Meistens bei den Sachen mit denen ich mich in Schwierigkeiten bringe.“

„Wirklich erwachsen ist das nicht, das ist dir klar, oder?“, kam es sarkastisch von Kaiba.

Nun ging Yukis Blick wieder hinüber zu Kaiba. „Gut möglich. Wie alt warst du denn gleich noch mal?“

„Achtzehn seit Herbst“, kam die pikierte Antwort. „Und bestimmt um einiges reifer als du.“ Gerade fuhren sie an einer Lagune mit lebensechten holographischen Meerjungfrauen vorbei, die vergnügt mit einander Fangen spielten.

„Volljährig also.“

Die Worte mit der recht lasziven Einfärbung brachten Kaiba für einen Moment aus dem Konzept. Er ließ kurz das Gesagte Revue passieren. Dann verdrehte er innerlich die Augen und ein resigniertes Seufzen entfuhr ihm. Jedoch ließ er seinen Blick unverwandt auf die Umgebung gerichtet.

„Gibst du denn niemals auf?“, kam es schwach.

„Nicht bevor ich mir sicher bin, was dieser Kuss neulich zu bedeuten hatte“, kam nun die ruhige Antwort hinter ihm.

„Ich wage zu bezweifeln ob man deinen dreisten Übergriff damals wirklich als Kuss bezeichnen kann.“ Mit diesen Worten wandte er sich energisch zu seinem Begleiter um.

Doch nun ragte Yukis Gesicht direkt vor ihm auf und ein eindringlicher Blick lag in seinen grünen Augen. Setos Lider weiteten sich, doch sonst rührte er keinen Muskel. Da war etwas in der Miene des Anderen, dass ihm ein eigenwilliges Gefühl in der Magengegend bescherte. Warm aber trotzdem irgendwie beklemmend und er spürte wie sich sein Puls ein wenig beschleunigte. Dieser intensive Blick nahm ihn regelrecht gefangen und er konnte sich nicht dazu durchringen wegzublicken.

„Vielleicht fehlen dir einfach die Vergleichsmöglichkeiten, um das beurteilen zu können“, sagte Eiri nun leise. Noch immer hingen ihre Gesichter kaum eine Handbreite voneinander entfernt und eine eigenartige Spannung baute sich zwischen ihnen auf.

In dem bläulichen Licht der Umgebung hatten die grünen Augen des hochgewachsenen Mannes einen petrolfarbenden Schimmer bekommen und in ihnen lang eine Intensität die schwer zu deuten war. Setos Blick weitete sich zunehmend; er konnte spüre wie seine Hände begannen zu schwitzen und seine Atemfrequenz sich unliebsam erhöhte. Unwillkürlich fühlte er eine leichte Panik in sich aufsteigen.

Innerlich schalt Seto sich selbst. Er war nur für einen kurzen Moment unachtsam gewesen und hatte seine Wachsamkeit sinken lassen, und nun saß er direkt Visavis zu diesem eigenartigen Mann, der ihn auf eine Weise anblickte, dass es irgendetwas tief in ihm anrührte, ohne dass er recht wusste was es war.

Der Moment zog sich in die Länge und Seto war gar nicht recht klar wie lange sie nun schon so dagesessen hatten, doch auf einmal musste er geblendet die Augen schließen, denn eben durchquerten sie zum zweiten Mal einen schweren Vorhang und die Gondel verließ den Erlebnisbereich des Fahrgeschäfts und kehrten ans Tageslicht zurück.

Der Bann war gebrochen und mit einem Ruck setzte Seto Kaiba sich auf und wandte hastig den Blick ab. Für einen kurzen Moment verblieb Eiri noch in der selben Position, dann stahl sich ein versonnenes, kleines Lächeln um seine Mundwinkel und auch er lehnte sich wieder zurück. Vor sich sahen sie gerade die beiden Jungs begeistert schnatternd aus dem Boot aussteigen und das Laufband verlassen. So wie es aussah hatten sie die Fahrt sehr genossen und tauschten sich nun begeistert mit ausladenden Handbewegungen darüber aus.

Kaum hatte ihr Boot das Trägerlaufband erreicht, kletterte Seto Kaiba heraus und verließ den Ausstiegsbereich. Eiri Yuki folgte ihm gemächlich hinterher. Schließlich hatten alle wieder festen Boden unter den Füßen. Sogleich stürzten die beiden Jüngeren auf Seto zu und bestürmten ihn mit Lob und Begeisterungsbekundungen und begannen noch mal damit die Fahrt in allen Einzelheiten vor ihm auszubreiten.

Eiri stand einige Schritte hinter ihnen und beobachtete das Treiben. Es war deutlich zu sehen, dass Kaiba nur halb bei der Sache war, denn er bat Mokuba mehrmals einzelne Teile des Berichtes zu wiederholen und an seiner Miene gemessen, lag es nicht daran, dass er sich wegen des überschwänglichen Lobes geschmeichelt fühlte.

Langsam und kontrolliert atmete Eiri durch. Sein Herz schlug noch immer recht schnell und seine Hände zitterten leicht. Viel hätte nicht gefehlt gehabt und er hätte ihn doch noch geküsst. Er hatte stark an sich halten müssen um nicht einfach seine Hand auszustrecken, sie in seinen Nacken zu legen und ihn zu sich zu ziehen.

Aber er hatte die Furcht in den Augen des jungen Mannes gesehen. Und er würde ihn nicht noch einmal gegen seinen Willen küssen, das stand für ihn fest. Wäre da nur der kleinste Hinweis gewesen, dass er es akzeptieren würde, dann wäre das eben wohl anders abgelaufen.

Noch einmal atmete er tief durch. Eine Sache stand für ihn nun ebenfalls fest: Er würde nicht aufhören es zu versuchen, bis der junge Mann einlenken würde. Er musste sich wohl der Tatsache stellen, dass da doch etwas mehr war als zunächst angenommen. Etwas, das ihn ganz hibbelig machte, wenn er den jungen Firmenchef nur ansah.

Es bereitete ihm ein fast diebisches Vergnügen ihn rhetorisch in die Enge zu treiben und er stellte fest, dass er es fast ebenso genoss, wenn er es ihm zurückgab. Für einen Moment stellte er sich die Frage, ob er nicht doch ein wenig masochistisch veranlagt war, doch er schob den Gedanken beiseite. Denn jetzt stürzte Shuichi auf ihn zu und überschüttete ihn begeistert mit einem Schwall an Ausführungen über die erlebte Gondelfahrt.

„Hast du die Schlacht der Leviadrachen gesehen?“, schwärmte Shuichi. „Das hat so echt ausgesehen! Man dachte gleich erwischt es einen. Aber dann ist man doch noch mal davon gekommen.“

Doch Eiri hörte nur mit halbem Ohr zu, während der Redeschwall des jungen Musikers sich weiter über ihn ergoss. Ja, Kaiba war grade mal noch davongekommen, nickte er innerlich. Er war sich vermutlich selbst nicht ganz klar was er wollte, aber vielleicht gab er sich ja doch noch eine Chance es herauszufinden, wenn man ihm den nötigen Anreiz bot.

Die kleine Gruppe setzte sich jetzt wieder in Bewegung und gedankenversunken ging er mit. Hinter einigen Bäumen ragte der Doppelturm von irgendeinem weiteren Fahrgeschäft auf, und Mokuba bekam plötzlich leuchtende Augen.

„Komm, Seto, lass uns mit dem 'Cyber End Drachen' fahren! Das muss Shui unbedingt ausprobieren.“ Er zeigte auf die beiden silberglänzenden Türme im Hintergrund.

Doch nun wurde Kaibas Miene ernst. „Der 'Cyber End Drache' ist nichts für dich, Mokuba. Du bist zu klein dafür.“

„Ach Quatsch!“, maulte Mokuba. „Mir fehlen bloß zwei Zentimeter. Ich bin da schon ein paar Mal mitgefahren, das geht prima.“

Verstimmt horchte Seto auf. „Ach was? Reizend, dass ich das auch mal erfahre. Mir war gar nicht bewusst, dass du das hinter meinem Rücken machst.“

„Wenn du ab und zu mal in den Park mitkommen würdest, dann wüsstest du das“, entgegnete Mokuba schnippisch.“

„Ich bin trotzdem nicht glücklich damit“, gab Seto ernst zu bedenken.

„Ach bitte, Seto, es ist so cool! Man wird so wild durchgewirbelt dabei“, er grinste begeistert.

Seto seufzte. „Also schon von mir aus.“

Mokuba machte einen Luftsprung. „Super! Komm, Shui!“, rief er und zog den jungen Sänger am Arm. Dieser warf erneut einen sehnsüchtigen Blick auf seinen Partner.

„Kommst du auch mit?“, kam die vorsichtige Frage.

„Ich werde mich hüten!“, entgegnete Yuki zynisch. „Die wilde Fahrt kannst du gern mit deinem kleinen, neuen Freund machen.“

Sofort sackten Shuichis Mundwinkel herab. Er sah wirklich enttäuscht aus. „Dann bleibe ich lieber auch hier“, sagte er entschlossen. „Du langweilst dich doch so bestimmt.“

Yuki seufzte leicht. Das fehlte ihm noch, dass diese kleine Nervensäge ihm aus falschem Pflichtbewusstsein nicht mehr von der Hacke wich. Er setzte ein leichtes Lächeln auf. „Nein, schon gut! Fahr ruhig mit!“, meinte er freundlich. „Hab Spaß!“

Große Augen musterten ihn. „Ehrlich? Es macht dir nichts aus?“

„Nein, das geht schon klar“, antwortete Yuki. „Diese wilden Karussells sind einfach nichts für mich. Aber das ist kein Grund für dich nicht zu fahren. Na los doch!“ Er gab ihm einen auffordernden Wink.

Noch immer etwas verunsichert wog Shuichi die Möglichkeiten ab. Doch schließlich entschied er sich dafür, dem Wunsch seines Freundes zu folgen. Zwar mochte er Yuki nicht alleine lassen, doch noch weniger wollte er, dass dieser ärgerlich auf ihn wurde, weil er versuchte seinen Willen durchzusetzen nachdem einmal eine Entscheidung getroffen worden war.

Ein wenig zwiegespalten ließ er sich von Mokuba mitziehen, doch schließlich fügte er sich und folgte dem Jungen hinüber zu der Attraktion.

Seto setzte sich nun ebenfalls in Bewegung, allerdings nicht direkt den Jungs hinterher, sondern in eine etwas andere Richtung. Dabei drehte er sich nicht nach seinem Begleiter um.

„Setzt du dich jetzt heimlich ab?“, ließ sich Eiri vernehmen.

„Mitnichten!“, kam es sachlich von Seto zurück. „Die Steuerungszentrale für den Drachen liegt lediglich in einem Gebäude nebenan.“ Noch immer wandte er sich nicht um dabei. „Er gehört zu einem der neueren Blöcke und da werden viele Fahrgeschäfte über einen Zentralraum gesteuert. Liegt an der Technik, die ist da schon etwas komplexer“, erklärte er knapp.

Gemächlich folgte Eiri seinen Schritten. „Die Technik interessiert mich herzlich wenig, wie ich bereits sagte.“

Setos Nacken versteifte sich. „Ja, mir ist schon klar was dich mehr interessiert. Bist du dir wirklich sicher, dass dir schlecht wird in den Karussells oder ist das auch nur wieder eine Ausrede um nicht von meiner Seite zu weichen?“

Eiri hob ein wenig die Brauen. Die Stimme des schlanken Firmenchefs klang irgendwie resigniert. Scheinbar hatte er sich inzwischen damit abgefunden als Lustobjekt herhalten zu müssen. Dennoch bedauerte Eiri das ein wenig. Vielleicht würde ja mit der fehlenden Widerborstigkeit auch der Reiz verschwinden, aber vielleicht auch nicht. Es war schwer zu sagen.

Nun schloss Eiri mit längeren Schritten zu Seto auf und ging jetzt neben ihn. „Mir wird tatsächlich schlecht in den Dingern“, sagte er ruhig. „Und dass wir dadurch mehr unter uns sind, kommt mir sehr entgegen“, fügte er ebenso gelassen hinzu.

Ein kurzer Seitenblick flog von Seto zu ihm herüber. „Ich sollte dich kleinen Perversling einfach aus dem Park schmeißen lassen!“, murmelte er missmutig.

„Warum tust du es nicht?“, kam es zurück.

Wieder war von Seto eine ganze Weile nur Schweigen zu vernehmen. Schließlich kam es ruhig aber fest: „Weil das hier mein Park ist. Und weil ich hier bestimme. Und weil ich beschlossen habe mich nicht länger von dir manipulieren zu lassen. Wenn ich dich rausschmeißen ließe, würdest du ja darin doch nur wieder eine Bestätigung dafür sehen, dass ich irgendwas für dich übrig hätte. Wir bringen diesen Tag jetzt so sachlich wie möglich hinter uns, und dann will ich, dass du aus meinem Leben verschwindest.“ Damit beschleunigte er seinen Schritt auf den Eingang eines hohen, weiß gestrichenen Hauses zu und ließ einen leicht verdutzten Eiri hinter sich.

Leicht hoben sich Yukis Brauen. „Ich bin schon Teil deines Lebens, Kaiba?“, murmelte er bei sich. „Pass besser auf! Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie so was enden kann.“

Beherzt beschleunigte er nun ebenfalls seine Schritt und bald schon hatten sie das Kontrollgebäude erreicht.

Der Moment der alles veränderte

Der Weg führte die beiden Männer durch ein paar verlassene Flure und Treppenhäuser bis sie schließlich bei einem großen Raum mit einer massiven Tür ankamen. Seto zückte eine Chipkarte und steckte sie in eine Kontrolltafel an der Wand. Nach einem kurzen Piepen ertönte ein „Seto Kaiba. Zugang gewährt!“ Dann öffnete sich mit einem kurzen Zischen die Tür und gab den Weg in einen großen Raum frei, der voll mit Monitoren und technischen Konsolen gespickt war.

„Ziemlich viel High-Securety für einen simplen Freizeitpark“, konnte Eiri sich nicht verkneifen. „Du bist nicht zufällig ein wenig paranoid, hm?“

Wieder fing er sich einen kurzen Seitenblick von Seto ein. „Du würdest staunen wie oft diese Technik schon nötig war in meiner Vergangenheit. Ich habe kein gesteigertes Interesse mehr daran, irgendwelchen unerlaubten Eindringlingen ihre Vorhaben auch noch zu erleichtern.“ Er betrat den Raum und kaum hatte auch Eiri die Tür durchquert, glitt diese langsam wieder ins Schloss.

Seto trat an die Konsole und schaltete routiniert einige Monitore ein während Eiri sich interessiert im Raum umsah.

„Heißt das, wir sind jetzt hier drinnen eingeschlossen?“, fragte er wie beiläufig.

Setos Finger ruhten kurz auf der Konsole, dann sagte er beherrscht. „Nein, das heißt es nicht. Die Tür wird nur verriegelt, wenn das System einen unerlaubten Zugriff registriert. Es steht dir also jederzeit frei zu gehen.“

Eiri wandte sich dem jungen Mann am Kontrollpult zu, sagte aber nichts dazu. Setos Augen waren starr auf die Armaturen gerichtet. Täuschte er sich, oder vermied er es bewusst, ihn anzusehen?

Nun flackerte ein paar weitere Monitore auf und jetzt konnte man die eindrucksvolle Apparatur draußen im Park von mehreren Seiten betrachten. Es waren zwei große ausfahrbare Schienen, zwischen denen eine Art riesige Schaukel hing, die so zwischen den Türmen angebracht war, dass sie dazwischen vor und zurück schaukeln konnte. Es war jedoch abzusehen, dass es dabei nicht bleiben würde. Eine grafische Simulation deutete an, dass die Maschine die Fahrerkabine hochfuhr, nach oben hin eindrehte, dort einrastete und dann sowohl Schaukel als auch Kabine freigab und gegensätzlich rotieren ließ. Allein schon von dieser Grafik bekam Eiri ein flaues Gefühl im Magen. Nein, das war definitiv nichts für ihn, aber Shuichi hatte sicher Spaß daran.

Gerade erreichten die beiden jungen Männer das Gerät und kletterten hinein um sich jeweils die besten Plätze zu suchen. Seto betätigte einen Kippschalter und wandte sich dann an ein Mikrophon vor sich. „Ihr teilt euch bitte einen Doppelsitz!“

„Och, Seto!“, kam es gedehnt von Mokuba. Sein Blick suchte die Kamera. „Ich bin kein Baby mehr. Ich kann alleine sitzen.“

„Du sitzt mit Shindo-san zusammen, oder du kannst lange darauf warten, dass ich starte“, gab Seto ungerührt zurück.

Beleidigt funkelte Mokuba in die Kamera, dann stapfte er zurück zur Maschine und setzte sich neben Shuichi. Der Doppelschalensitz hatte einen gemeinsamen Bügel, den die beiden nun herunterklappten. Seto betätigte nun ein paar Knöpfe und sprach dann erneut ins Mikro: „Es dauert einen Moment, die Maschine muss erst hochfahren.“

Geschäftig machte er sich nun wieder an den Apparaturen zu schaffen. Er drückte verschiedene Knöpfe, betätigte mehrere Schaltflächen und gab einige Daten in einen Computer ein.

„Dauert das jedes Mal so lange eine Fahrt zu starten, oder versuchst du nur Zeit zu schinden um dich so wenig wie möglich mit mir zu befassen?“, kam nun Eiris ruhige Frage hinter ihm.

Noch immer widmete Seto ihm keinen Blick. „Das System ist nach der Winterpause noch nicht wieder in Betrieb genommen worden. Die Maschinen müssen erst mal wieder zum Laufen kommen, das dauert eben seine Zeit.“

Für eine kleine Weile beobachtete Eiri lediglich Setos Bemühungen das Fahrgeschäft einsatzbereit zu machen. Dann sagte er: „Dir gefällt das hier wirklich, nicht wahr? Dieser ganze Maschinenkram, das ist dein Ding, oder?“

„Warum auch nicht“, kam es kurz angebunden zurück. „Maschinen sind logisch und kontrollierbar. Und vor allem tun sie was man ihnen sagt, und zwar wenn man es ihnen sagt. Sie sind nicht so irrational wie gewisse Personen.“

„Du findest, ich bin irrational?“, kam jetzt die ruhige Frage.

Seto ballte unwillkürlich die Faust. „Habe ich dich etwa erwähnt?“, gab er angespannt zurück.

„Was hast du gegen irrational?“, nun trat Eiri zu ihm und lehnte sich leicht gegen die Konsole.

Setos Augen waren starr auf den Computerbildschirm gerichtet. „Irrationalität folgt keiner Regel. Sie ist unberechenbar und das ist ein Risikofaktor und das kann ich in meinem Leben nicht gebrauchen.“

„Tust du niemals etwas Unüberlegtes?“, kam es fast schon verwundert zurück.

„Nicht wenn ich es irgendwie vermeiden kann!“, gab Seto bestimmt zurück.

Abschätzend musterte Eiri den jungen Mann neben sich. „Hast du vor allem Angst was du nicht beeinflussen kannst?“

Setos Augen blinzelten kurz. „Wer sagt, dass ich Angst habe? Ich behalte nur eben gern die Kontrolle.“

Eiri verdrehte leicht die Augen. „Das habe ich gemerkt.“

Eine geballte Faust traf auf die Konsole auf und Eiri blickte hoch.

Zum ersten mal sah der junge Firmenchef ihn wieder an, aber sein Mienenspiel war einer eifrigen Regung unterworfen. Es lag Ärger darin und Verwirrung aber auch eine Spur von Schmerz. „Komm mir nicht so herablassen!“, fuhr er ihn an. „Ich kann diese Art Drama in meinem Leben nicht gebrauchen und ich will es auch nicht. Ich wäre nicht da wo ich heute bin, wenn ich solchen Dingen gestatten würde mich einfach in Beschlag zu nehmen. Und darum werde ich mich auch nicht länger manipulieren lassen von dir, denn ich hasse es wenn andere über mich bestimmen und mich Dinge tun lassen die ich nicht will.“ Schwer atmete er ein und aus, man konnte sehen wie er mühsam um seine Fassung rang.

Schweigend hatte Eiri den Worten gelauscht. Zunächst rührte er keinen Muskel, dann senkte er leicht den Kopf. „Ich würde nie etwas mit dir tun, was du nicht willst“, sagte er dann leise. „Zumindest nicht noch einmal“, fügte er mit einem schwachen Schulterzucken hinzu.

„Tröstlich zu wissen!“, bemerkte Seto unwirsch. Dann fuhr er sich einmal mit der Hand über das Gesicht. Verdammt! Er hatte es schon wieder geschafft ihn aus der Reserve zu locken. Er hatte sich doch so fest vorgenommen, das nicht länger zuzulassen.

Ein nachhaltiges Piepen erregte nun seine Aufmerksamkeit. Er wandte sich zum Monitor um, der ihm mitteilte, dass das System einsatzbereit war. Dankbar für die Ablenkung griff er zum Mikrophon. „Ok, es kann losgehen!“, verkündete er, was von zwei begeisterten Jubelschreien durch den Lautsprecher quittiert wurde.

Rasch drückte er einige Tasten an der Konsole und beobachtete dann über die Monitore wie die Maschinen ansprangen und die Passagierkabine langsam in die Höhe fuhr. Begleitet von dem Juchzen der beiden Insassen bewegte sich die Gondel bis beinah dreißig Meter in die Höhe. Dort angekommen klappten nun aus der Seite zwei mächtige Arme heraus und drapierten sich direkt über dem Gefährt.

Ein Ruck ging durch die Sitze als die Gondel einklinkte und sich jetzt langsam vorwärts nach oben rotierte. Ein Quietschen entfuhr den beiden Jungs und schließlich standen sie komplett auf dem Kopf und mächtige Magneten in den Metallarmen über ihnen hefteten sich nun an die Unterseite der Kabine und ließ sie dort einrasten. Jeden Augenblick würde die Gondel freigegeben werden und die wilde Wirbelfahrt konnte beginnen.

Doch die Momente zogen sich hin und nichts geschah. Ein energisches Zischen erklang aus der Maschinerie, doch die Kapsel hing wo sie hing. Die Sekunden verstrichen und allmählich machte sich Verwunderung auf den Gesichtern der Überkopf-Hängenden breit.

Setos Herzschlag beschleunigte sich. „Da stimmt etwas nicht“, murmelte er angespannt. Hastig kontrollierte er die Konsolen und betätigte einen Schalter. Doch die Kapsel hing weiter wie festgeklebt in dreißig Meter Höhe und rührte sich nicht vom Fleck.

„Seto, was ist denn los?“, drang jetzt die besorgte Stimme von Mokuba aus dem Lautsprecher. „Geht es nicht weiter? Es wird unbequem hier.“

„Kein Problem! Es geht gleich weiter“, antwortete Seto so beherrscht wie möglich ins Mikrophon. Dann wandte er sich sogleich wieder der Konsole zu. Fieberhaft überprüfte er alle Lämpchen, Hebel und Schalter. Irgendwo musste doch der Fehler liegen. Hatte er irgendetwas falsch eingegeben? Immerhin war es schon eine Weile her seit dem letzten Mal. Nein, die Schaltflächen waren so wie sie sein sollten. Der Fehler musste also im System liegen.

Rasch ging er zum Computer hinüber und startete das Bearbeitungsprogramm.

„Seto?“, kam es erneut aus dem Lautsprecher. Mokubas Stimme klang nun wirklich ängstlich.

„Gleich, gleich!“, versicherte er eilig. „Nur ein kleines technisches Problem.“

„Na, wenn du das sagst?“, kam es mit dünner Stimme von seinem Bruder.

Unruhig blickte Seto hoch auf die Monitore die jeden Winkel der Apparatur aufzeigten. Was lief hier verkehrt?

„Gibt es ein Problem?“, erklang nun Eiris ernste Stimme hinter ihm.

Setos Hände huschte über die Tastatur. „Da muss irgend ein Defekt vorliegen“, murmelte er knapp. „Ich kann aber nicht erkennen wo der Fehler liegt.“ Wieder ging sein Blick hinüber zu dem Monitor mit den zwei Passagieren. Gerade versuchten sie sich offenbar in eine bequemere Position zu bringen, als Seto auf einmal beinah das Herz stehen blieb. Der Bügel der beiden hatte sich bewegt! Auf dem Bildschirm war es deutlich zu sehen gewesen. Ein kurzer Ruck war hindurchgegangen und nun hing er ein Stück weiter auf.

Wie als Bestätigung ertönte jetzt ein lautes Kreischen aus dem Lautsprecher. „Oh, Gott! Seto! Seto, Hilfe!“, der panische Schrei des Jungen schnitt Seto mitten durchs Herz. Wie betäubt starrte er auf den Monitor wo gerade sein Bruder durch die Lockerung des Haltebügels ein gutes Stück weiter nach unten gerutscht war. Er beobachtete in Zeitlupe wie die Hand des jungen Musikers neben Mokuba rasch zupackte und den kleinen Jungen rigoros festhielt, während dieser nun langsam weiter abwärts sackte. Das Ganze war mit ängstlichem Rufen und wildem Gekreische begleitet.

Die Magnethalterung! Ging es Seto auf. Irgendwas konnte mit den Magnetspulen nicht stimmen. Zittrig überflog er die Anzeigen. Doch ein verzweifelter Ruf von Shuichi ließ ihn wieder hochfahren.

„Yuki! Kaiba-san! Tut was, ich krieg ihn nicht richtig zu fassen! Er rutscht mir weg!“

Mit zitternden Fingern und kalkweißem Gesicht starrte Seto noch immer auf den Monitor.

„Ja, gleich...!“, entfuhr es ihm schwach. „Ich muss nur.... ich mach gleich....!“ In seinem Kopf hatte sich ein schwarzes Loch aufgetan. „Nur die Ruhe! Ich kümmere mich darum...“, die Stimme versagte ihm. Das immer schriller werdende Geschrei aus dem Lautsprecher, ließ sein Herz bis zum Hals schlagen und kalter Schweiß brach ihm aus. In seinen Ohren rauschte es und er hatte das Gefühl, dass ihm gleich die Beine einknickten.

Und plötzlich waren die Geräusche weg. Er fuhr herum und entdeckte wie Eiri gerade den Schalter für den Lautsprecher umgelegt hatte. Wut kochte hoch in ihm. „Was zum Teufel soll, dass schon wieder! Rühr das nicht an!“

Doch Eiri fixierte ihn nur mit einem durchdringenden Blick. „Konzentrier dich!“, sagte er nachdrücklich.

Im ersten Moment schnappte Seto nur nach Luft, doch dann kam langsam die Rationalität zurück.

„Stimmt, ja!“, versuchte er sich zu fokussieren. Wenn er nur den Schreien lauschte war er niemandem eine Hilfe. Er atmete einmal durch und tippte dann wie besessen auf die Tastatur ein. Mit aller Selbstbeherrschung zwang er sich nicht auf den Monitor zu blicken. Wenn er auch nur für einen Moment darüber nachdachte, wie Mokuba abstürzte, würde bei ihm nichts mehr laufen. Das wäre das Ende. Und hier musste schnell gehandelt werden.

Da! Er hatte den Fehler entdeckt.

„Offenbar gibt es ein Feedback in den Magnetspulen“, obwohl er mühsam versuchte sich zu beherrschen, zitterte seine Stimme. „Die Haltespulen der Gondel sind überladen und die Magnethalterung der Bügel ist ausgefallen. Jetzt hält nur der manuelle Raster. Aber der ist für diese Belastung allein nicht ausgelegt.“

„Kannst du das Gerät nicht abschalten?“

„Der Fehler liegt nicht im System“, kam es gereizt von Seto. „Die Mechanik muss defekt sein.“

„Gibt es keine Notabschaltung für solche Fälle?“

„Natürlich hat das System einen Soft Shutdown, der ist auch vom restlichen System getrennt. Dann würden sie ganz langsam wieder runterfahren.“ Setos Finger flogen über die Tastatur. „Aber ich kann ihn nicht aktivieren“, wieder zitterte seine Stimme. „Die Spulen geben die Kapsel nicht frei.“

„Schalt sie ab!“

Wütend fuhr Seto herum. „Was glaubst du was ich hier versuche die ganze Zeit? Der Befehl kommt an, aber es ist ein technischer Defekt. Da komme ich von hieraus nicht ran. Und bis irgendwer vor Ort ist....“ So beherrscht wie möglich atmete er durch.

„Schalt doch den Strom ab.“

„Das geht nicht!“, Verzweiflung machte sich allmählich in Setos Stimme bemerkbar. „Das kann man rein aus Sicherheitsgründen nicht von hieraus machen.“

„Das ist irgendwie nicht sehr gründlich durchdacht“, gab jetzt Eiri trocken zu bedenken.

Das hilft jetzt so gar nicht!“, funkelte Seto ihn wild an und wandte sich dann wieder dem Monitor zu. Noch immer hatte Shuichi Mokuba krampfhaft am Arm und an der Kleidung gepackt und kämpfte offensichtlich darum, dass er ihm nicht entglitt. Seto wandte sich ab. Den panischen Gesichtsausdruck seines Bruders dabei zu sehen war mehr als er ertragen konnte. Wieder wandte er sich den Konsolen zu. Er musste irgendetwas unternehmen, aber was? Was?

„Kann man nicht einfach die Sicherung raus nehmen?“

Seto horchte auf. Die Sicherungen! Mit drei großen Schritten schob er sich an Eiri vorbei zu einem anderen Computer. Hastig begann er zu tippen. „Ich kann sie zwar nicht raus nehmen, aber vielleicht kann ich sie überladen, so dass sie durchbrennen oder raus springen.“ Emsig tippte er weiter und merkte kaum, dass er alles verbal begleitete. „Die Anlage ist so entworfen, dass sie die ganzen Fahrgeschäfte gleichzeitig laufen lassen kann, aber wenn ich ihr noch etwas mehr zu tun gebe....“ Eilig hastete wieder zum anderen Terminal zurück und gab dort Daten in den Computer ein.

Auf einmal heulten urplötzlich um sie her laute Sirenen auf. Unruhig blickte Eiri sich um.

„Schon gut, das muss so sein“, bemerkte Seto beiläufig während er unter Hochdruck weiter tippte. „Ich simuliere einen unautorisierten Zugang im System. Die Anlage fährt jetzt alle Sicherheitsmaßnahmen hoch und zusammen mit sämtlichen laufenden Fahrgeschäften in diesem Bezirk sollte das wohl die nötige Überlastung verursachen.“

Hinter ihnen klickte es jetzt vernehmlich über das Geräusch der Sirene hinweg.

„Nicht wundern“, meinte Seto geschäftig. „Die Tür ist jetzt dicht, damit wer immer hier drinnen was anstellt nicht entkommen kann.“

Sein Blick ging hinüber zum Monitor, wo die beiden jungen Männer noch immer verzweifelt um ihren Halt kämpften. Einige atemlose Sekunden starrten Seto und Eiri angespannt auf den entsprechenden Monitor, als plötzlich ein neuer Ruck durch die Gondel ging. Seto zuckte unwillkürlich zusammen und ein kurzer Schreckensschrei entfuhr ihm. Doch es war tatsächlich nur die Gondel die sich endlich löste, ganz langsam nach vorne wegschwang und wieder in die richtige Position glitt. Man konnte deutlich die Erleichterung auf den Gesichtern der beiden Passagiere sehnen.

Dann urplötzlich war der Bildschirm schwarz. Die Sirene verstummte und der Kontrollraum hüllte sich in Dunkelheit.

Aussprache

Angespannt standen Seto und Eiri in der Dunkelheit. Das einzige was zu hören war, war nur ihr Atem der hastiger als üblicherweise ging. Die Starre hielt mehrere Herzschläge an, dann flackerte plötzlich ein schwaches rotes Licht um sie herum auf. Die Notbeleuchtung war angesprungen.

Ein Stoßseufzer entfuhr Seto und dann sackten ihm plötzlich die Knie weg und er rutschte am Pult entlang bis auf den Boden wo der schwach die Ellenbogen auf die Knie stützte und erschöpft das Gesicht in den Händen vergrub.

Reglos stand Eiri ein Stück entfernt und blickte auf ihn herab. Kein Laut kam über seine Lippen.

Eine ganze Weile war von Seto nichts anderes zu hören als sein rascher Atem der sich allmählich beruhigte.

Schließlich brach Eiri das Schweigen. „Wir sollten vielleicht mal nachsehen, ob die zwei heil runtergekommen sind.“

Zunächst kam keine Antwort. „Wir können hier nicht raus“, erklang es schließlich noch immer aus Setos Händen heraus. „Wenn das System einen unerlaubten Zugriff registriert, schottet es alles ab und solange der Strom weg ist, lässt sich diese Tür nur noch rein manuell von außen öffnen. Auch das ist eine Sicherheitsvorkehrung, damit niemand hieraus entkommen kann, der hier nichts zu suchen hat.“

„Nenne es wie du willst, aber du bist doch schon ein bisschen paranoid, weißt du?“, kam es nun trocken von Eiri

Nun hob Seto langsam den Kopf. „Und du bist wirklich ganz schön kaltschnäuzig“,

Langsam lehnte Eiri sich nun an die Konsole neben ihm. „Warum glaubst du das?“, fragte er ruhig.

Seto wandte Kopf wandte sich ihm zu. Selbst in dem roten Licht der Notbeleuchtung konnte man erkennen, dass sein Gesicht ungewöhnlich blass war.

„Du hast doch kaum eine Miene verzogen bei der ganzen Sache“, antwortete er ein wenig sarkastisch. „Du hattest die Ruhe weg, während ich...“, er stockte kurz. „Ich war das reinste Nervenbündel.“ Er zögerte einen langen Moment dann sprach er leise weiter. „Ich hab Mokuba schon fallen gesehen. Ich konnte nicht mehr klar denken. Zum Glück hat dich das Ganze so kalt gelassen. Hättest du nicht die Ruhe bewahrt... und diese Idee mit der Sicherung gehabt... ich weiß nicht wie das ausgegangen wäre.“ Die letzten Worte klangen unangenehm hohl.

Still blickte Eiri auf ihn herab. „Versuchst du mir irgendetwas zu sagen?“, fragte er dann verhalten.

Unwirsch richtete Seto wieder den Blick zum Boden. Er sah fast schon ein wenig trotzig aus. Einen langen Moment schien er nach den richtigen Worten zu suchen.

„Ich... hätte die beiden niemals mit der Anlage fahren lassen dürfen, ohne zumindest einen Probelauf zu machen. Das war unglaublich dumm und fahrlässig von mir!“, die bitteren Worte wurden begleitet von einer geballten Faust die einmal kurz auf den Boden schlug. „Aber ich wollte das Ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen.“ Noch einmal atmete er kontrolliert durch. „Ich habe das Leben meines Bruders riskiert, weil mir meine persönlichen Gefühle wichtiger waren als er. Das kann ich mir nicht verzeihen!“

Eiris Stirn legte sich leicht in Falten. „Ich hätte ja gedacht, dass du eher mir die Schuld gibst an der Sache“, meinte er unsicher.

Noch einmal warf Seto einen kurzen Seitenblick zu ihm hinauf. „Du bist zwar nervtötend bis aufs Blut, aber nicht du hast die Maschinen ohne Wartung in Gang gesetzt, sondern ich.“

„Womöglich...“, kam es nun zögernd von Eiri, „hat meine Anwesenheit dich ein wenig zu sehr gedanklich in Beschlag genommen.“

Stumm starrte Seto vor sich auf den Boden. Er schwieg eine Weile. „Du hast ja auch alles getan um das zu erreichen.“, meinte er schließlich schwach. „Trotzdem entschuldigt das nicht die Tatsache, dass ich die üblichen Sicherheitsprotokolle übergangen habe und damit das Leben zweier Menschen riskiert habe nur um einen Vorgang abzukürzen, der mir nicht geheuer war. Wenn... Mokuba dadurch etwas passiert wäre...“, in ihm krampfte sich alles zusammen bei dem Gedanken, „ich weiß nicht was ich dann jetzt täte.“ Noch einmal warf er Eiri einen kurzen Blick zu. „Keine Ahnung ob du das irgendwie verstehen kannst.“

Für einen Moment blickte Eiri nur still auf ihn herunter, dann ließ er sich ebenfalls an der Seite des Pultes heruntergleiten und kam mit einer knappen Handbreite Abstand neben Seto auf dem Boden zu sitzen.

„Du musst dich nicht so fertig machen“, sagte er ruhig. „Es ist ja zum Glück nichts Schlimmes passiert. Das Ganze war einfach ganz dummes Pech. Ein gefährlicher Schaden, der aber nun behoben werden kann. Ich nehme mal an, dass diese ganze Anlage jetzt von dir persönlich auf Herz und Nieren geprüft wird ehe da irgendjemand noch mal einsteigt.“

„Darauf kannst du wetten!“, bestätigte Seto trocken.

Aufmunternd tappte Eiri zweimal kurz mit der Handfläche auf Setos Knie und ließ sie dann da liegen. „Na, siehst du!“

Der junge Mann zuckte einmal kurz zusammen, zog das Bein aber nicht weg. Aus den Augenwinkeln musterte er den Mann neben sich. „Versuchst du immer noch mich anzubaggern, oder ist das jetzt nur als Aufmunterung gedacht?“, kam es skeptisch.

Eiris Blick ging hinunter zu seiner Hand. Er zögerte einen Moment, dann nahm er sie herunter. „Macht der Gewohnheit...“, murmelte er.

„Ich verstehe dich einfach nicht“, schüttelte Seto leicht den Kopf. „Warum ich? Was willst du ausgerechnet von mir? Kannst du wirklich keinen anderen finden der dich Shindo-san ausspannt? Jemanden bei dem das mehr nachvollziehbar ist? Wenn du ihn loswerden willst, kannst du ihm dann nicht einfach den Laufpass geben? Warum ziehst du so eine Nummer hier ab? Ist es dir denn völlig egal wenn du andere dabei demütigst oder verletzt? Bedeuten dir deine Mitmenschen eigentlich überhaupt irgendetwas?“

Reglos saß Eiri da. Kein Ton kam über seine Lippen, doch nun konnte man sehen, dass er kurz unwillkürlich schluckte. Ein kurzer kontrollierter Atemzug entfuhr ihm, dann lehnte er sich mit dem Rücken an das Pult und schloss müde die Augen. So saß er eine eine ganze Weile, dann sagte er leise: „Es ging eigentlich niemals um das Geld, weißt du?“ Verwundert blickte Seto auf, doch Eiri redete schon weiter. „Die Sache mit den Fanfictions. Ich wollte gar kein Geld von dir, ich wollte nur deine Unterschrift auf dem Scheck.“

Setos Stirn legte sich in Falten. „Wozu?“, fragte er skeptisch.

„Es sollte nur ein Autogramm werden, für Shindo“, fügte er erklärend hinzu.

Sprachlos hatte Seto die Worte vernommen. „Ist das dein Ernst?“, fragte er ungläubig. „Du hast das ganze Theater nur abgezogen für ein Autogramm? Ich musste dir diese blöden Zettel abkaufen für eine Signatur um die du mich einfach hättest bitten können an dem Abend?“

Ein wenig unbehaglich blickte Eiri nun drein. Er schien schwer mit sich zu ringen. „Nicht ganz...“, gab er schließlich schweren Herzens zu.

„Was noch?“, hakte Seto unnachgiebig nach.

Noch einmal atmete Eiri kurz durch und dann blickte er Seto direkt an. „Mir hat nicht gefallen wie du Shindo behandelt hast“, sagte er fest. „Einen Monat vorher hast du ihm eine grobe Abfuhr erteilt, als er dich auf einer Spielemesse um ein Autogramm gebeten hat. Zwei Wochen hat er Depri geschoben bis ich es nicht mehr ausgehalten habe.“

Man konnte nun sehen wie es hinter Setos Stirn anfing zu arbeiten. Schließlich meinte er: „Wenn ich mich recht erinnere, ist er mir über das ganze Messegelände hinterhergelaufen und ließ sich einfach nicht abwimmeln.“

„Das klingt sehr nach ihm“, bemerkte Eiri trocken.

„Er wollte mir sogar vors Auto springen, da musste ich ein Machtwort sprechen.“

„Du sagtest ihm, er solle sich zum Teufel scheren!“

„Ich hätte ihn fast überfahren! Er wollte einfach nicht locker lassen.“

„Du hättest ihm einfach das Autogramm geben sollen. Shindo kann unglaublich beharrlich sein, wenn er was will.“

„So wie dich?“, nachdenklich musterte Seto den jungen Mann neben sich. Eiri hatte die Oberarme auf die Knie gestützt und seine Hände hingen schlaff nach unten. Betrübt blickte er vor sich hin. „Was willst du eigentlich von ihm?“, fragte Seto jetzt verständnislos. „Warum brühtest du so was wie das mit den Fanfictions aus? Nur um mir eins auszuwischen, weil ich nicht nett zu ihm war? Ist dir klar wie verrückt sich das anhört?“

Schwach fuhr sich Eiri nun einmal mit der Hand übers Gesicht. „Das ist... kompliziert“, seufzte er leicht.

„Hättest du die Güte zu versuchen es mir trotzdem zu erklären?“, meinte Seto etwas gereizt. „Ich würde nämlich immer noch gerne meine Rolle in der ganzen Sache begreifen.“

„Da gibt es nicht wirklich viel zu erklären“, meinte Eiri schwach achselzuckend. „Ich mag es nicht wenn jemand Shindo schlecht behandelt. Er nimmt sich so etwas immer viel zu sehr zu Herzen und ich kann es nicht ertragen wenn er heult. Und schon gar nicht wenn er tatsächlich Grund dazu hat. Also hab ich einen Wettbewerb ausgeschrieben für Shonen Ai-Fanfictions mit dir. Ich dachte mir, wenn du das Autogramm nicht freiwillig rausrückst, sorge ich dafür dass du es unfreiwillig tust. Den Rest kennst du ja.“

„Wie kommt man bloß auf eine so abwegige Idee?“, schüttelte Seto ungläubig den Kopf.

„Es hat doch funktioniert“, entgegnete Eiri schlicht.

„Das kann man wohl sagen“, gab Seto müde zu.

„Ein wenig zu gut“, kam es jetzt etwas verhalten von Eiri. Seto hob erneut den Kopf. Der blonde Schriftsteller streckte nun ein Bein geradeaus. „Ich hatte wirklich nicht geplant, dass da mehr draus wird. Ich hätte dich vielleicht doch nicht küssen sollen.“

„Nur vielleicht?“, kam es kritisch von Seto.

Nun schaute Eiri wieder auf und begegnete Setos Blick. Eine Ernsthaftigkeit lag nun in seinen Augen die Seto doch wieder etwas beunruhigte. „Weißt du, Kaiba“, sagte er leise, „wenn ich gewusst hätte was daraus wird, hätte ich das mit dem Kuss tatsächlich gelassen. Ich wollte dich einfach nur ein bisschen büßen lassen, weil du ein echtes Ekel warst, aber jetzt...“, er schluckte erneut, „jetzt kriege ich jedes Mal die Flatter wenn du mich anschaust wie jetzt grade.“

Setos Augen weiteten sich. Sprachlos starrte er Eiri an.

„Glaub mir, das war wahrhaftig nicht beabsichtigt“, fuhr Eiri fort. „aber ich finde dich tatsächlich anziehend. Auch wenn du das wohl nicht so empfindest.“ Sein Blick bekam nun etwas Resigniertes. „Ich habe mich da einfach in etwas verrannt, was vermutlich keine Zukunft hat.“ Er schlug die Augen nieder. „Aber ich kann es nicht leugnen, dass es mich schon allein anmacht nur hier neben dir zu sitzen. Ich wünschte manchmal, ich hätte mich bei so was etwas besser in der Gewalt.“

Nervös strich er die Haare aus seinem Gesicht.

„Du bist echt seltsam“, murmelte Seto. „Wenn ich von dir verlange, dass du dich von mir fernhältst und du dann wieder so ein Ding abziehst, dass mir nichts anderes bleibt als zu dir zu kommen, dann musst du wirklich ganz schön versessen auf mich sein.“

Nun hob Eiri langsam wieder den Kopf und sah ihn an. Unter diesem Blick wurde es Seto erneut ganz blümerant zumute, denn jetzt lag da eine Intensität drin, die er weder recht deuten noch erklären konnte. Aber irgendetwas ballte sich in seiner Magengrube zusammen dabei.

Das Gesicht des blonden Schriftstellers hing nun direkt vor seinem und wieder war da diese eigenartige Spannung wie vorhin im Tunnel.

„Ich bin nicht kaltschnäuzig...“, sagte Eiri nun leise und fast schon eindringlich. „So gar nicht! Ich hatte auch eine scheiß Angst.“ Sein Gesicht kam nun ein wenig näher an Setos heran, dessen Augen sich leicht weiteten.

„Ich dachte, jeden Moment stürzen beide ab, und ich konnte gar nichts machen. Das Einzige was ich tun konnte, war dafür zu sorgen, dass die einzige Person, die sie retten konnte, ihren Job macht.“ Sein Gesicht kam noch ein Stück näher an Setos heran, der zwar wie erstarrt dasaß, aber weder einen Ton von sich gab, noch zurückwich.

„Nur weil du so ein verdammtes Computergenie bist, hat Shindo überlebt, und dafür steh ich auf ewig in deiner Schuld“, Eiris Stimme zitterte nun leicht. Große grüne Augen nagelten den jungen Firmenchef fest und Seto konnte nun erkennen, dass es in ihnen eigenartig feucht schimmerte.

Jetzt hob Eiri zaghaft die Hand und sehr behutsam legten sich Daumen und Zeigefinger um Setos Kinn. Unwillkürlich beschleunigte sich Setos Atem und er konnte spüren wie sein Herz jetzt heftig gegen seine Brust pochte.

„Was... was machst du da?“, kam die schwache Frage.

„Mich bedanken!“, wisperte Eiri jetzt kaum hörbar.

Setos Puls raste. Er blinzelte mehrfach und sei Atem ging heftig. Er konnte nicht glauben, dass ihm das hier wirklich passierte. Eiris Gesicht schwebte direkt vor seinem. In den grünen Augen lag nun eine solche Sehnsucht, dass es Seto ganz heiß und kalt wurde dabei. Die Stellen an seinem Kinn, wo der andere ihn berührte, glühten förmlich und in seinem Kopf drehte sich alles.

Es war das erste Mal, dass er das Gesicht des Anderen so deutlich wahrnahm. Es war androgyn und sehr ebenmäßig und schmale, feingeschwungene Lippen näherten sich jetzt den seinen. Seto spürte wie sein Herz bis zum Hals schlug und ihm die Farbe aus dem Gesicht wich, doch er konnte sich einfach nicht losreißen. Oder wollte er nicht? Es war schwer zu sagen, er konnte im Moment irgendwie nicht klar denken. Die ganze jüngste Panik hatte sein Nervenkostüm empfindlich aufgerüttelt und ihn gerade sehr angreifbar gemacht.

Eiri neigte sich nun noch etwas dichter zu ihm hinüber. Setos Augen waren weit geöffnet, aber er wich nicht vor ihm davon. Er duldete es sogar, dass er sein Gesicht jetzt sanft zu sich zog. Auch wenn der junge Firmenchef gerade keinen Finger rührte, verriet doch seine Halsschlagader seine Aufregung. Auch Eiris Herz schlug heftig. Er konnte sich einfach nicht helfen, dieses unbeholfene Gebaren, diese leichte Furcht auf das was kommen mochte, verstärkte das flatterige Gefühl in seiner Magengrube nur noch und mit Beglückung stellte er fest, dass hier nicht länger Widerstand war.

Seine Lippen zitterten fast schon ein wenig bei der Erwartung sich sanft über seine zu legen und diese exquisite Weichheit zu ertasten und zu kosten. Nun trennten nur noch wenige Millimeter ihre Lippen voneinander und Eiri registrierte genüsslich, dass Setos Augen sich nun entspannten und halb schlossen. Sein Herz machte einen erregten Satz. Er hatte es geschafft! Das hier war genau das was er sich erträumt hatte. Er hatte gewonnen!

Und auf einmal hielt er inne und sein Gesicht wurde blass. Er brauchte einen Moment um wieder zu sich zu kommen. Was genau tat er hier eigentlich? Wieso war ihm dieser erkämpfte Kuss, der sich ihm hier jetzt so bereitwillig anbot, nur so wichtig? Was war das hier? Ein Spiel? Eine Liebelei? Er schluckte schwer. Gerade eben noch war er tausend Tode gestorben während er beobachtete, wie Shuichi über einem dreißig Meter hohen Abgrund im Begriff war zu Tode zu stürzen.

Shuichi! Nein, das konnte er ihm nicht antun! Er schlug leicht die Augen nieder. Er hatte gerade erst miterlebt wie Seto Kaiba sich selbst Vorwürfe gemacht hatte, weil er seinen Bruder in Gefahr gebracht hatte, da er sich gedanklich lieber von ihm vereinnahmen ließ, anstatt auf Mokubas Sicherheit zu achten. Aber war er da so viel anders? In den vergangenen Stunden hatte er von diesem Park und seinen Attraktionen kaum etwas mitbekommen. Stattdessen hatte sich sein ganzes Denken nur darum gedreht, Seto herum zu bekommen. Und hier waren sie jetzt!

Dabei hatte er seinen Partner völlig links liegen gelassen und versucht ihn an einen Jüngeren abzuschieben, damit er ihm nicht auf den Wecker fiel. Wäre das hier gerade nur ein wenig anders ausgegangen, dann würde er sich sein Leben lang Vorwürfe machen, dass er die letzten Stunden von Shuichis Leben einem Anderen hinterher gestiegen war, der zudem offenkundig für ihn unerreichbar bleiben würde. Der Gedanke schnürte ihm gerade empfindlich die Luft ab. Damit hätte er nicht leben können, das wurde ihm nun nur allzu bewusst. Was bin ich doch für ein Vollidiot!, schimpfte er innerlich. Dann blickte er wieder zu Seto auf, der ihm noch immer mit einem unsicheren Blick entgegensah.

Mit einem leichten Seufzer setzte sich Eiri wieder ein Stück auf, dann drückte er rasch seine Lippen kurz auf Setos Wange und lächelte dabei verschmitzt. „War ein Scherz!“, meinte er neckisch, jedoch in seinen Augen lag noch immer Bekümmertheit.

Setos Augen flogen auf. Für einen Moment war er völlig perplex, dann streckte er die Hand aus und schob das Gesicht des anderen demonstrativ weg. „Lass den Blödsinn, das ist eklig!“

Nun lehnte Eiri sich wieder zurück an das Metallpult und ließ langsam die Luft entweichen. Die Erkenntnis von eben musste er erst mal verdauen. Vor allem, wie sollte das jetzt weitergehen?

Auch Seto saß nun wieder ein wenig ratlos da. Seine Wangen hatten sich unwillkürlich bei dem Bussi gerötet. Noch immer fühlte er sich ziemlich aufgewühlt und durch den Wind. Eigentlich hatte er schon fest damit gerechnet, dass der andere ihn küssen würde. Es wunderte ihn selbst, dass er in diesem Moment tatsächlich bereit war, es zuzulassen, und noch mehr verwunderte ihn die Tatsache, dass er es fast bedauerte, dass es nicht dazu gekommen war. Und dann dieser rasche Kuss auf die Wange. Was war das nun wieder? Ein neues Spiel? Seto war es langsam leid. Er fühlte sich emotional durch die Mangel gedreht und so müde wie schon lange nicht mehr.

„Ich kann nicht darüber lachen!“, bemerkte er missmutig.

„Es ist auch nicht wirklich zum Lachen“, gab Eiri verhalten zu. „Ich... wollte wirklich nur Danke sagen.“

„Vielleicht könntest du das beim nächsten Mal auf andere Weise tun.“ Seto warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. „Du bringst mich mit so was ganz durcheinander.“ Eigentlich hatte er gar nicht so ehrlich sein wollen.

„Ja“, bemerkte Eiri nun trocken und mied seinen Blick. „Darin bin ich wohl Meister.“ Mit diesen Worten erhob er sich steif und trat einen Schritt zur Seite.

Verwundert blickte Seto ihm hinterher. „Wieso? Weil es dir Spaß macht, alle Leute um den Finger zu wickeln?“

Mit einem schiefen Lächeln warf Eiri ihm einen kurzen Blick zu. „Weil früher oder später alle Typen auf mich stehen.“ Er begann in seiner Tasche zu kramen.

Nun hievte sich Seto auch wieder vom Boden hoch. Seine Miene war ernst. „Ich steh nicht auf dich!“

Eiri sah kurz zu ihm rüber. „Oh doch, tust du!“, sagte er leicht belustigt. Dann tastete er weiter seine Taschen ab und förderte eine Packung Zigarette zutage.

Setos Wangen röteten sich ärgerlich. „Erzähl keinen Scheiß!“

„Ist doch so!“, meinte Eiri beiläufig und zog ein Feuerzeug aus der Hosentasche.

„Ist es nicht!“, stellte Seto nachdrücklich klar.

„Rede dir das nur weiter ein!“, erwiderte Eiri gelassen. Und fischte nun eine Zigarette aus der Packung.

„Hier drin herrscht Rauchverbot!“, stellte Seto demonstrativ klar.

Eiri verdrehte die Augen. „Hab dich nicht so. Das Ganze hat mich auch ziemlich geschlaucht. Ich brauch jetzt wirklich ne Kippe!“

Nachdrücklich trat Seto näher. „Ich habe es satt, dass du mir ständig widersprechen musst“, kam es grimmig von ihm. „Pack das weg!“

„Ich rauch nur eine, ganz schnell!“, entgegnete Eiri trotzig.

„Ich sagte, hier drin wird nicht geraucht!“, Ärger funkelte in Setos Miene auf.

Geringschätzig zuckte Eiri mit den Achseln und zückte das Feuerzeug zum Anzünden. „Versuch mich aufzuhalten!“

Ein scharfes Einatmen ertönte von Seto. Dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf, machte zwei große Schritte und packte ihn vorne grob am Kragen. In seinen Augen funkelte es wütend, und nur Sekunden später presste er mit Gewalt seine Lippen auf die von Eiri und zwang dem völlig überrumpelten Schriftsteller einen harten aber fast schon leidenschaftlichen Kuss auf.

Verblüfft fielen Eiri die Zigaretten aus der Hand. Er hatte das nicht kommen sehen. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass er wieder in die alten provokanten Verhaltensmuster gerutscht war. Erst als die Lippen des anderen sich wild und fordernd über seine legten, dass ihm im ersten Moment die Luft wegblieb, wurde ihm bewusst, dass er wohl wieder zu weit gegangen war. Nur diesmal bekam er dafür die Quittung, denn diesmal hatte er es nicht einmal darauf angelegt, und irgendwie behagte ihm das gar nicht. Denn das hier rief Erinnerungen wach, die er eigentlich vergessen wollte. Und zu seiner eigenen Verwunderung versuchte er sich nun von ihm zu lösen. Doch in Setos Griff lag erstaunlich viel Kraft. Unerbittlich hielt er ihn fest und bearbeitete gnadenlos sein Mund mit den seinen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, gab er ihn schließlich frei. Er ließ den Hemdkragen los, starrte ihn schwer atmend aber mit zornigem Blick an und wischte sich angeekelt mit dem Handrücken den Mund ab. „Jetzt weißt du hoffentlich wie es sich anfühlt, wenn jemand einem seinen Willen aufzwingt!“, schnaufte er aufgebracht. „Das war es doch worauf du es die ganze Zeit angelegt hast, oder? Ich hoffe, jetzt wo du endlich hast was du wolltest, lässt du es endlich mal gut sein, mich ständig zu provozieren. Ich habe jetzt nämlich wirklich genug davon!“

Noch immer perplex starrte Eiri ihn an. „Ok...“, entfuhr es ihm ein wenig benommen.

In diesem Augenblick war von der Tür her ein mechanisches Knirschen zu vernehmen. Simultan fuhren beide Köpfe herum. Jemand machte sich offenbar an der Tür zu schaffen. Es knirschte noch ein wenig weiter und dann plötzlich ertönte ein lautes 'Klack' und die Tür bewegte sich zur Seite.

Kaum war der Spalt groß genug, als sich auch schon eine kleine Gestalt hindurchzwängte und auf Seto zustürzte. Völlig aufgelöst warf sich ihm Mokuba entgegen: „Seto! Oh, Seto!“, rief er weinerlich und dann fiel er ihm schluchzend um den Hals und ließ den Tränen freien Laut. Zunächst etwas überrumpelt, doch dann verständnisvoll nahm Seto seinen Bruder in die Arme und tröstete ihn sanft. Der Mechaniker der die Tür geöffnet hatte, schob diese nun ganz auf und bemerkte beiläufig: „Wir kümmern uns bereits um den Stromausfall, Kaiba-sama. Es wird nicht lange dauern.“

„Der Cyberdrache wird erst mal stillgelegt!“, bestimmte Seto fest. „Er bekommt einen vollständigen Check-Up!“

„Natürlich, Kaiba-sama!“, verneigte sich der Mann kurz und verschwand dann aus der Sicht.

Behutsam strich Seto wieder über Mokubas Haar, während dieser sich noch immer bei ihm ausweinte. „Es ist alles gut!“, murmelte er sanft. „Jetzt kann dir nichts mehr passieren!“

Ein Stück entfernt stand Eiri und beobachtete die beiden. Sie so zu sehen gab ihm ein etwas beklommenen Gefühl. Diese Szene war nicht für Außenstehende gedacht. Mit leisen Schritten bewegte er sich zur Tür und dann verließ er schweigend den Raum.

Was das Herz will

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Epilog

Eine Woche war vergangen. Seto Kaiba steckte mitten in den Vorbereitungen zur jährlichen Wiedereröffnung des Parks nach der dreimonatigen Winterpause. Der 'Cyber End Drache' war vollständig durchgecheckt worden und steckte gerade mitten in den Umbauarbeiten um die gravierenden Sicherheitslücken zu beheben. Alle Arbeiter wurden noch einmal extra dazu angehalten, allerhöchste Gründlichkeit bei der Überprüfung der Fahrgeschäfte an den Tag zu legen.

Der Defekt und der damit zusammenhängende Vorfall hatten sich inzwischen bei der Belegschaft herumgesprochen; man ging jedoch gegenüber Außenstehenden äußerst sensibel mit diesem Thema um. Auf jeden Fall waren die Mitarbeiter hochmotiviert ihre Arbeit zur vollsten Zufriedenheit ihres Chefs zu erfüllen. Mokuba war bei allen beliebt, und so sah es jeder als sein persönliches Anliegen an, den Park absolut unfallsicher zu machen.

Seto saß an seinem Schreibtisch und überprüfte jeden Tag, ob etwas von dem Vorfall nach draußen gedrungen war, doch offenbar hielten seine Leute solidarisch dicht. Mit jedem verstrichenen Tag atmete er mehr durch. Eine Sorge weniger.

Andere Dinge ließen sich leider nicht ganz so einfach aus der Welt schaffen. Er ertappte sich immer wieder dabei, dass er den besagten Tag immer wieder Revue passieren ließ, bis hin zu dem Moment wo er sich zu dieser Kurzschlussreaktion hatte hinreißen lassen. Er war mit sich übereingekommen, dass es der angespannten Situation und einer kurzzeitigen Unzurechnungsfähigkeit bedingt durch emotionalen Stress geschuldet war.

Leider hinderte es ihn nicht daran, immer mal wieder darüber nachzudenken. Und allmählich bekam er eine wage Ahnung davon, was Eiri Yuki dazu veranlasst hatte, ein für alle Mal herauszufinden, was nun dieser dämliche Kuss eigentlich zu bedeuten hatte.

Gedankenverloren bearbeitete er den Posteingang bis er plötzlich stutzte. Es war wieder ein Päckchen in der heutigen Post; eine Büchersendung. Er musste nicht einmal auf den Absender gucken, um zu wissen von wem sie kam. Eine ganze Weile betrachtete das flache Paket in der Kiste mit einer Skepsis, als könnte es jeden Moment explodieren. Doch damit war höchstwahrscheinlich nicht zu rechnen. Nein, was dieses Päckchen enthielt, konnte womöglich noch viel verheerender sein.

Schließlich überwand er sich, nahm es aus der Postkiste und öffnete es bedächtig. Wie erwartet enthielt es ein weiteres Exemplar des Buches 'Das Herz will, was das Herz will'. Eine ganze Weile hielt er es unschlüssig in Händen. Er überprüfte kurz beide Seiten des Einbands auf irgendwelche Klebezettel hin, doch diesmal machte das Buch einen durchweg seriösen Eindruck.

Ein wenig widerwillig schlug er die ersten Seiten auf. „Widmung!“, las er. Er wappnete sich innerlich noch einmal und dann las er weiter. „Mein Dank geht an einen Freund“, Seto verzog schief den Mund, „der mich lehrte das Schöne wert zu schätzen was man hat, statt sich verzweifelt nach dem zu verzehren was man niemals haben kann.“

Setos Wangen erröteten unwillkürlich. Mit einem 'Klack', schlug er das Buch zu. „Sentimentaler Idiot!“, murmelte er. Seine Hand mit dem Buch ging in Richtung Papierkorb. Einen langen Moment schwebte er unschlüssig darüber. Doch dann erhob er sich, ging hinüber zu seinem Bücherregal und stellte das Buch in den hinteren Winkel des Bücherbords.

Dann kehrte er wieder an seine Arbeit zurück.
 

ENDE (?)



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  empress_sissi
2020-11-08T13:22:45+00:00 08.11.2020 14:22
Jetzt habe ich es endlich geschafft deine Geschichte fertig zu lesen. :-) Wirklich schönes Ende. Eiri hat endlich verstanden, dass er alles vor sich hat, um glücklich zu sein. 🥰 Und Kaiba hat jedenfalls einen neuen Freund gewonnen, ob er will oder nicht.
Von:  Lexischlumpf183
2020-09-24T06:21:54+00:00 24.09.2020 08:21
Uf, was ein Schreck, du kannst dich Moki nich für ein Herzaussetzer benutzen 😶 bin aber trotzdem sehr gespannt wie die Story sich weiter entwickelt aber bitte ohne Moki nochmal in Gefahr zu bringen. Dafür gibt es jetzt kein Keks
Von:  empress_sissi
2020-08-16T22:57:35+00:00 17.08.2020 00:57
Ach und ich dachte schon Eiri muss die restliche Fahrstrecke schwimmend zurücklegen xD Wie immer sehr gelungen.
Von:  empress_sissi
2020-07-01T21:03:20+00:00 01.07.2020 23:03
Eiri 3: Kaiba 0 würde ich mal sagen xD
Die letzten beiden Kapitel haben mir wieder sehr gut gefallen. Besonders die Fantasien eines gewissen Autors konnte ich mir wiedermal bildlich vorstellen.
Von:  empress_sissi
2020-06-15T18:58:21+00:00 15.06.2020 20:58
Ich gratuliere dir zu einer grandiosen Fortsetzung. Personentombola fand ich schon großartig. Du triffst meines Erachtens die Charaktere sehr gut (obwohl ich zugeben muss, dass ich Gravitation schon lange nicht mehr gelesen habe xD). Ein gemeiner Yuki und ein erboster Kaiba erheitern gerade meinen Feierabend.
Ich würde mich auf jeden Fall über weitere Kapitel freuen.


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