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Der Blaue Geist und der Freiheitskämpfer

von

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Zuko sprang von Baum zu Baum. Die meterhohen Fichten boten eine gute Deckung, während er den Konvoi im Auge behielt. Es war ihm egal was Iroh gesagt hatte: Das Leben auf der Straße war nichts für ihn. Er hatte sich für etwas Anderes entschieden. Sein Onkel mochte sein Glück in Ba Sing Se oder wo auch immer suchen, er jedoch nicht. Zuko war nicht dazu bestimmt das einfache Leben eines Straßenhändlers oder Teebrauers zu führen – er war schließlich der Prinz der Feuernation. Ironischerweise war er gerade dabei einen Versorgungstrupp eben jener Nation auszuschalten, die ihm unterstand. Natürlich war er verkleidet, wie immer: Als Blauer Geist, der Geißel der Feuernation. In Gedanken versunken hätte er fast verpasst wie der Konvoi anhielt. Sie waren auf einer gut geschützten Lichtung angekommen und die Komodorrhinos bockten. Die Tiere waren müde und ausgelaugt; eine Pause war angebracht. Der ideale Moment um zuzuschlagen. Gerade als sich Zuko aus der Baumkrone stürzen wollte, ging ein Aufschrei durch das provisorische Lager. Von überall und nirgends her hagelten Pfeile, Steine und Baumstämme auf die Soldaten ein. In Sekundenbruchteilen war die geordnete Formation der Einheiten der Feuernation zerstört, die Feuerbändiger ausgeschaltet und die normalen Soldaten heillos zerstreut.
 

„Gute Arbeit“, meldete sich eine Jungenstimme zu Wort. Aus dem Unterholz traten mehrere Leute, allesamt männlich. Ihr Anführer, dem Verhalten nach zu urteilen, war ungefähr in Zukos Alter. Er trug zwei Hakenschwerter am Gürtel, hatte dunkelbraune Haare und einen Getreidehalm im Mund. Ein paar Jugendliche waren in der Lage gewesen einen Versorgungskonvoi der Feuernation auszuschalten – das war beeindruckend und ärgerte den Prinzen gleichermaßen. Er sah sich noch immer als Teil der mächtigsten Fraktion der Welt. Kurz überlegte er, ob er nicht selbst eingreifen sollte, als er sich aus der Baumkrone stürzte. Mit ausgestreckten Beinen streckte er einen der letzten Nachzügler nieder, der sich aus dem Hinterhalt heraus auf den Anführer hatte stürzen wollen. Leise stöhnend brach der maskierte Soldat unter ihm zusammen.
 

„Boss, hinter dir!“ Der Größte und Beleibteste von ihnen deutete hinter seinen Anführer, welcher sogleich nach den Schwertern am Gürtel griff und ausholte. Zuko seinerseits zog die Krummschwerter und parierte den Angriff mühelos. Trotz des Überraschungsmoments auf der gegnerischen Seite war der Prinz in der Lage sich zu wehren und dabei eine elegante Figur abzugeben. Dabei stand er noch immer auf dem stöhnenden Soldaten. Die Maske des Blauen Geists verbarg sein Gesicht, während er den auf ihn einprasselnden Attacken auswich. Seine Stimme würde ihn verraten oder zumindest ein Indiz für seine wahre Identität bilden. Er schüttelte zwar mehrmals mit dem Kopf, was aber den Fremden nicht zu interessieren schien.
 

„Moment Mal, Boss. Den Typ kenne ich von den Fahndungsplakaten. Das ist…“ Dem Dicken stockte der Atem, während sich die anderen um ihn scharten. „Das ist der Blaue Geist. Jet, hör auf!“
 

Just in dem Moment hielt Jet im nächsten Hieb inne. Zuko zögerte einen Moment, drehte die Krummschwerter dann aus den Handgelenken heraus und schob sie in die Scheiden am Rücken zurück. Um zu zeigen, dass er keinen weiteren Streit wollte, hob er die bloßen Hände in die Höhe und streckte die Innenflächen nach außen.
 

„Wenn wir den zu den Freiheitskämpfern bekommen, Jet, dann sind wir unschlagbar“, meldete sich ein weiterer „Freiheitskämpfer“ zu Wort, dieses Mal ein Junge mit einem kreisrunden Hut, der an einer Lederschnur unter dem Kinn gehalten wurde, sowie einem Bogen in der Hand.
 

„Der Blaue Geist ist nur ein Mythos, Longshot. Jeder Trottel kann sich so eine Maske überziehen“, meinte Jet mit einem Hauch von Unsicherheit im Gesicht.
 

„Du bist aber der beste Kämpfer von uns, er hat dir widerstanden und obendrein das Leben gerettet“, stellte Longshot nüchtern fest.
 

„Das mag stimmen, aber…“
 

Zuko rollte mit den Augen und musste ein Seufzen unterdrücken. Ihm wurde das allmählich zu dumm. Er wusste ja nicht einmal, warum er sich diesen Kindergarten überhaupt antat. Die Lebensmittel und die Verpflegung würde die komische Truppe sich wohl unter den Nagel reißen und auf einen weiteren Kampf hatte er gerade wenig Lust. Als er sich zum Gehen umdrehte, wurde er durch ein „Moment“ gehindert.
 

„Du hast bisher noch kein Wort gesagt“, bemerkte Jet.
 

„Wie scharfsinnig“, ging es dem Prinzen durch den Kopf. Kurz überlegte er, bevor er sich umdrehte, hinhockte, ein Schwert zog und mit der Spitze das Wort „stumm“ ins Erdreich ritzte.
 

Die Meute kam näher, beugte sich über ihn und der Hüne rümpfte die Nase. Sie wirkten noch nicht sonderlich überzeugt. Zukos Magen grummelte lautstark. Er war hungrig, das konnte er nicht bestreiten. Die Aussicht auf ein vernünftiges Abendessen ließ ihn seine Pläne zu verschwinden doch noch einmal überdenken. Hastig schrieb er dazu: „Stumm, wegen der Feuernation. Maske, weil Narbe durch Folter.“
 

Beides war nicht einmal gelogen. Was sein Vater mit ihm angestellt hatte war Folter gewesen. Einem Kind so etwas anzutun, noch dazu dem Eigenen, es auf ewig zu brandmarken. Nicht einmal die besten Heiler würden diesen Makel entfernen können. Deswegen trug er auch die Maske so gerne: Damit war er einfach nur ein Schatten, jemand, den man nicht beachten wollte, weil man ihn fürchtete, und nicht mehr der verbannte Prinz.
 

Jets Züge veränderten sich schlagartig. Ein mitleidiger Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit. Er hielt Zuko die Hand hin und nickte. „Schon okay. Das respektieren wir.“
 

Dass der Junge mit dem Getreidehalm im Mund seine feindselige Position so schnell aufgegeben hatte, machte Zuko misstrauisch. Zu schnell und zu auffällig. Kurz sah er in die braunen Augen und musterte diese eingehend, konnte aber nichts erkennen, was auf eine List oder Feindseligkeit hingedeutet hätte. Stumm ließ er sich in die Höhe ziehen und schob das Schwert in die Scheide am Rücken zurück.
 

„Schön dich kennenzulernen, Fremder. Ich bin Jet, und das ist meine Truppe, die Freiheitskämpfer.“ Nacheinander zeigte er auf die umstehenden Leute und benannte sie. Der große Dicke hieß Pipsqueak, der mit dem Hut und Bogen Longshot, und zwei kleine Jungen, die sich als Smellerbee und Duke herausstellten. Letzterer hockte auf den Schultern von Pipsqueak und hob fröhlich die Hand.
 

„Wie sollen wir dich nennen?“, fragte Jet und hob die Mundwinkel zu einem einladenden Lächeln an.
 

Zuko überlegte einen Moment, bevor er mit der Fußspitze den Namen „Lee“ in den Boden zeichnete.
 

„Okay, dann Herzlich Willkommen bei den Freiheitskämpfern, Lee. Wir würden uns freuen, wenn du gemeinsam mit uns isst.“ Damit drehte sich Jet um und gab Anweisungen wie mit den Vorräten zu verfahren sei.
 

Zu Zukos großem Erstaunen lief das Ganze außerordentlich koordiniert ab. Jeder hatte eine feste Aufgabe, die sich von Feuerholz sammeln, über Kisten schleppen, bis hin zu kochen erstreckte. Im Nu war ein Lager aufgebaut. Pipsqueak würde mit Duke die erste Wache übernehmen, während sich der Rest um ein Feuer versammelte und gebratenen Reis zu sich nahm. Zuko verhielt sich, gemäß seiner eigenen Angaben, schweigend und beobachtete die anderen beim Essen. Keiner bedrängte ihn, sie versuchten aber auch nicht, ihn aktiv in die Gespräche einzubinden. Sein Magen grummelte noch lauter, als ihm der Duft des Reises in die Nase stieg. Er musste jetzt einfach etwas essen. Langsam griff er nach einer Schale, schob sich die Maske ein wenig nach oben und begann mit Stäbchen zu essen, sorgsam darauf bedacht, nicht zu viel von seinem Gesicht preiszugeben.
 

„Seht nur, er taut auf“, grinste Jet und klopfte Zuko auf den Rücken. Dieser hob kurz abwehrend die Hand, nur um dann weiterzuessen. Hätte er diese verdammte Narbe nicht, wäre er als irgendein Flüchtling der Feuernation durchgegangen. Das Ding brandmarkte ihn einfach und verkomplizierte sein Leben unnötig. Sein Onkel hätte jetzt wieder etwas von „Ehrlichkeit“ und „Vertrauen“ geschwafelt, aber Iroh hatte leicht reden: Er ging als alter, komischer Kauz mit einem Hang zu Tee durch. Das war bei ihm nicht so einfach.
 

„Jetzt nimm die Maske schon ab, wir beißen nicht.“ Bevor Zuko reagieren konnte, hatte ihm Jet die Maske vom Kopf gezogen und der Prinz erbleichte. Alle Augen waren auf ihn gerichtet und auch geweitet. Innerlich machte er sich bereit auf einen Kampf und spannte seine Muskeln an.
 

„Sieht ja wirklich schlimm aus“, murmelte Longshot mitfühlend. „Vor uns musst du dich damit aber nicht verstecken. Wir alle haben durch die Feuernation etwas verloren.“
 

Zuko zog die Augenbrauen zusammen. Den freundlichen Blicken nach zu urteilen hatte wirklich niemand Ahnung von seiner Identität. Konnte denn das die Möglichkeit sein? Seine Geschichte war doch innerhalb der Feuernation bekannt.
 

„So ist es doch beim Essen angenehmer, oder?“, lächelte Jet und legte die Maske neben Zuko auf den Baumstamm. „Jetzt stärke dich mal und dann schlaf eine Runde. Das ist das Mindeste, was wir für dich tun können. Wir übernehmen die restlichen Wachen.“
 

Zuko wollte schon „Danke“ sagen, hielt dann aber inne. Er war schließlich stumm. Oder doch nicht? Sollte er seine neuen Freunde, oder eher Bekannten, denn er brauchte keine Freunde, mit einer Lüge strafen?
 

„Schon okay, ich kann auch eine übernehmen“, murmelte er leise und fügte, auf die erstaunten Blicke der anderen, hastig hinzu: „Ich kann sprechen. War eine reine Vorsichtsmaßnahme. Meine Identität preiszugeben könnte mir eine Menge Ärger einhandeln.“
 

Zu Zukos großer Überraschung reagierte die Truppe auch hier wieder verständnisvoll.
 

„Klar, damit hast du was mit Smellerbee gemeinsam, nicht wahr?“, meinte Jet grinsend und nickte zu dem kleinen Jungen, der frech die Zunge herausstreckte. Der Anführer beugte sich zu Zuko hinüber und murmelte: „Mädchen.“
 

„Das habe ich gehört, Jet!“, fauchte Smellerbee, was aber im Gelächter der Runde unterging. Sogar der Prinz konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Das hier war anders. Noch immer ein Leben auf der Straße, unter seiner Würde, aber erträglicher.
 

„Du brauchst aber heute keine Wache zu übernehmen, Lee. Ich schulde dir was.“ Jet drehte den Getreidehalm in seinem Mund ein wenig herum und legte Zuko erneut eine Hand auf die Schulter, wobei er dieses Mal sanft zudrückte. „Hau dich aufs Ohr, ist okay.“
 

Alles in Zuko sträubte sich. Das konnte noch immer eine Falle sein. Sie mussten einfach wissen wer er war. Dann meldete sich Onkel Irohs Stimme in seinem Kopf zu Wort, faselte wieder etwas von Vertrauen und Ehrlichkeit, was sein Neffe nur mit einem Augenrollen kommentierte. Der alte Mann verfolgte ihn sogar hier.
 

„Ist gut, danke“, lächelte Zuko verlegen und aß fertig, bevor er sich auf eine der ausgebreiteten Matten legte, die Schwerter in Griffnähe und die Augen schloss. Er hörte den anderen noch eine Weile mit geschlossenen Augen zu, die sich aber über allerlei Dinge unterhielten, nur nicht über ihn, bevor er endlich wegdämmerte und zum ersten Mal seit langem ruhig schlief. Für eine Weile zumindest.



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