Dunkelheit [Back To Gaya]
Unruhig zucken Boos Augen hin und her. Es ist dunkel um ihn herum. Nicht ein einziger Funken Licht dringt zu ihm durch. Boo sitzt auf dem Boden - zumindest glaubt er das. Er ist sich mittlerweile nicht mehr sicher. Es ist schwer sich zu orientieren, wenn dort nichts ist, an dem man sich orientieren könnte. Boo dreht seinen Kopf nach rechts - oder ist es doch links? Er weiß es nicht. Langsam erhebt er sich. Aber saß er überhaupt? Boo weiß es nicht. Er weiß noch nicht mal, ob er jetzt gerade steht.
Knarzende Geräusche dringen an sein Ohr. Ein Zischeln, Tappen und Schlurfen mischt sich dazu. Die Geräusche kommen von überall. Boo kann keines einer genauen Richtung zuordnen. Ein Luftzug streicht über Boos Haut. Ein Weinen, Wimmern und Winseln kommt zu den Geräuschen hinzu. Dann ist schlagartig Ruhe. Vorsichtig geht Boo einige Schritte nach Vorne. Aber hat er sich überhaupt bewegt? Ist er überhaupt nach vorne gegangen und nicht einfach nach hinten oder gar zur Seite? Boo weiß gar nichts mehr. Nicht mehr wie er heißt, wo er herkommt, was vor dieser Schwärze war. Er weiß auch nicht, wie lange er schon hier ist. Es kommt ihm so vor als wäre die Schwärze schon immer da gewesen. Gibt es überhaupt eine Zeit davor? Hatte er jemals einen Namen? Ist er schon immer hier gewesen? Oder gab es eine Zeit davor? Was ist “Zeit”?
Er schluckt und ist sich im nächsten Moment schon nicht mehr sicher, ob er es überhaupt getan hat. Schwärze, nichts als Schwärze. Sie bestimmt alles. Kann er ohne diese Schwärze überhaupt leben? Sein Kopf ist wie leer gefegt. Er weiß es nicht. Er weiß gar nichts mehr. Hat er überhaupt jemals etwas gewusst? Was ist überhaupt “wissen”? Da ist nichts - nur die Schwärze, nichts anderes. Gab es überhaupt jemals etwas anderes?
Er reibt sich über seine Arme. Doch hat er seine Hände wirklich bewegt? Was sind überhaupt “Hände”? Und was sind “Arme”? Ist er vielleicht nur ein Geist? Ein Geist ohne Körper? Eine Seele? Doch was ist ein “Körper”? Ein “Geist”? Eine “Seele”? Gibt es sowas überhaupt? Was ist er überhaupt? Wer ist er überhaupt? Er kann sich nicht erinnern. Erinnerungen. Was sind “Erinnerungen”? Müsste er sich an etwas erinnern?
Die Geräusche setzen wieder ein. Tappen. Winseln. Zischeln. Stöhnen. Kriechen. Wimmern. Schlurfen. Von überall und nirgends. Heißer Atem schlägt gegen sein Gesicht. Er greift nach vorne, doch bekommt nichts zu fassen. Hat er sich überhaupt bewegt? Er weiß es nicht.
Er dreht sich im Kreis, doch sieht nur Schwärze. Etwas anderes gibt es nicht. Nur eine undurchdringliche Schwärze, die sich um seine Haut legt - fast wie Nebel. Wie schwarzer, dichter Nebel. Er atmet aus. Doch was ist “atmen”? Hat er sich überhaupt bewegt? Hat er irgendetwas gemacht?
Es ist kalt. Aber was ist “kalt”? Ist ihm dann überhaupt kalt? Er weiß es nicht. Er weiß nicht, wie sich Kälte anfühlt. Ist “kalt sein” überhaupt etwas Schlechtes? Oder ist es vielleicht doch etwas Gutes? Was ist “Kälte”? Kann man Kälte fühlen? Aber wie fühlt man? Was ist “fühlen” überhaupt? Kann man einfach so fühlen? Muss man wissen, was es ist, um es zu können? Oder geht das ganz allein? Er weiß es nicht. Er weiß rein gar nichts. Aber ist das etwas schlechtes? Nichts zu wissen? Muss man überhaupt etwas wissen? Was ist “wissen”? Was ist “gut”? Was ist “schlecht”? Da ist nur die Schwärze - nichts anderes. Es gibt nur sie und ihn - mehr nicht. Nur diese Schwärze.
