Zum Inhalt der Seite

Week End - another version

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Part 1

Scheiße gelaufen war es. Dabei hatte es nur ein dummer Scherz sein sollen. Ja, dumm war er vielleicht wirklich gewesen, so im Nachhinein betrachtet. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er damit so eine heftige Reaktion beim Anderen bewirken würde.

Es war schon dunkel und Taiji stiefelte mit einem Sixpack Bier durch die Straßen. Im Tonstudio war niemand anzutreffen gewesen, obwohl er gehofft, eigentlich sogar erwartet hatte, dort Yoshiki vorzufinden, den Kopf metertief in Arbeit vergraben, wie er es immer tat, wenn er nach einem ihrer Streitereien geflüchtet war. Doch diesmal nicht. Taiji hatte kurz überlegt gehabt und sich dann dazu entschlossen, es bei ihm Zuhause zu probieren. Und auf dem Weg dorthin war er jetzt.
 

Vor ein paar Stunden hatten sie das Video zu „Week End“ in einer alten Lagerhalle abgedreht. Und als sein Part dran war, war Taiji spontan eine Idee gekommen: In der finalen Szene, als er den Streit mit einer Frau simulieren sollte und im Anschluss von einem unsichtbaren Gegner erschossen wurde, hatte er sich einfach über die Szene hinaus totgestellt. Er wollte lediglich testen, ob es ihm jemand abnehmen würde; von tödlich verlaufenden Unfällen beim Film hatte man ja schon einige Male gehört. Nun, so richtig geglaubt hatten es scheinbar nur wenige, den Reaktionen vor Ort nach zu urteilen, aber unter den wenigen hatte sich auch Yoshiki befunden – und der war durchgedreht! Er war, als die ersten anfingen, sich um ihn herum zu versammeln und zum Aufstehen aufzufordern, zu ihm gerannt, hatte sich auf die Knie geschmissen und an ihm herumgerüttelt. Auf der Erdbeben-Skala Stärke Sechs. Er hatte ihn angeschrien, die Herumstehenden angeschrien und war in pure Panik verfallen. Als er die Augen schließlich aufschlug und Yoshiki angrinste, erstarrten dessen Gesichtszüge für Sekunden, bevor er ihn abrupt losließ und von dannen lief. Irgendwie hatte Taiji in dem Moment schon geahnt, dass er zu weit gegangen war.

Nachdem er sich von dem Fake-Blut seiner „Erschießung“ gereinigt hatte, hatte er sich auf die Suche nach Yoshiki gemacht und ihn schlussendlich an einem Steg am Hafenbecken ausfindig machen können (die Lagerhallen befanden sich ganz in der Nähe des Hafens). Er hatte natürlich versucht, mit ihm zu reden, doch es war nur in einem Handgemenge mit wüsten Beschimpfungen ausgeartet, bevor Yoshiki auch von diesem Ort floh. Während der Auseinandersetzung war Taiji eine Bierflasche, die er bei sich führte, zu Bruch gegangen und kurz darauf war er in den Scherbenhaufen gestürzt. Fast schon eine symbolträchtige Szene.
 

Er fuhr sich abwesend mit der Hand über den Verband an seinem Unterarm. Wenn er Yoshiki in seiner Wohnung nicht antreffen würde, wo konnte er dann noch nach ihm suchen? Bei Toshi? Irgendwo musste er sich verkrochen haben, denn stundenlang durch die Nacht zu stromern nach so einer Nummer war nicht seine Art. Das war Taijis Metier. Aber vielleicht hatte er ja Glück und würde ihn gleich unter der ihm vertrauten Adresse antreffen. Bloß...ob er ihm auch Zutritt gewähren würde, war fraglich.

Irgendwann, Taiji hatte das Gefühl für Zeit vollständig verloren, stand er vor Yoshikis Haus. Mit skeptischen Blicken scannte er jedes Fenster ab, doch nirgendwo erkannte er Licht brennen. Zumindest von dieser Seite aus. Aber so schnell wollte er nicht aufgeben und so drückte er den Klingelknopf.

Es passierte nichts. Kein Geräusch war vom Inneren des Hauses zu hören, kein Licht ging an, kein Gesicht schob sich vor das Fenster um zu schauen, wer da störte. Taiji stand regungslos vor verschlossener Tür und nach einer halben Minute betätigte er die Klingel noch einmal. Doch auch darauf folgend erhielt er keine Reaktion.

Er seufzte.

Der Sixpack machte sich mit seinem Gewicht allmählich bemerkbar.

Dann griff er in seine Hosentasche und zog sein Schlüsselbund hervor. Er besah sich die einzelnen Schlüssel in seiner Hand und ein kleines Lächeln zuckte in seinem Mundwinkel auf. Er besaß noch immer den Ersatzschlüssel zu diesem Haus. Wenn Yoshiki in der Zwischenzeit nicht die Schlösser ausgetauscht hatte... Taiji griff nach dem entsprechenden Schlüssel und steckte ihn ins Schloss, drehte um.

Der Widerstand gab nach, das Schloss öffnete sich und Taiji hatte Zutritt zur Wohnung. Sein Puls ging augenblicklich schneller.

Der Flur war nachtschwarz. Nirgendwo ein Hinweis auf eine Lichtquelle. Die Geräusche, die er hörte, kamen von der Straße, doch innerhalb der Wohnung war alles totenstill. Sollte seine Befürchtung sich bewahrheiten und Yoshiki war gar nicht zuhause? Im nächsten Moment trat er auf etwas Weiches und erschrak. Sofort zog er seinen Fuß zurück und bückte sich, griff nach dem noch unidentifiziertem Objekt und hielt es sich dicht vors Gesicht. Nur eine Jacke. Aber Moment, das war die Jacke, die Yoshiki vorhin noch getragen hatte. Er musste seit dem seine Wohnung also allermindestens aufgesucht haben! Der Stoff roch sogar noch nach ihm... Taiji schloss für einen Moment die Augen und die Faust fester um das weiche Material. Es war eine abstrakte Mischung aus Sehnsucht, gespeist vom Eigengeruch des Anderen, und Sorge um eben jenen. Dann schlug er die Augen wieder auf, nur um von fast der gleichen Dunkelheit wie hinter seinen Lidern begrüßt zu werden. Er ging weiter durch den Flur, setzte mit Bedacht einen Fuß vor dem anderen, wollte die Jacke am Kleiderhaken anhängen – stolperte vorher aber über einen Stiefel. Wieder bückte er sich und griff danach. Er war sich nicht sicher, aber es könnte einer der Stiefel gewesen sein, die Yoshiki heute trug. Den Zweiten fand er jedoch nicht, auch nicht, als er den Rest des Flures durchquert hatte.

Er stand nun im Eingang zum geräumigen Wohnzimmer. Irgendein Licht von der Straße schien durch die zwei großen Seitenfenster hinein und gab somit zumindest ein bisschen mehr vom Raum Preis, als der stockfinstere Flur es tat: Bücher und CDs lagen quer über dem Boden verstreut, ein massiver Kerzenständer, eine kaputte Vase, Bilder, die von den Wänden gerissen worden waren und teils auch zerschlagenes Glas vorwiesen, Stifte, Papier – und da war auch der zweite Stiefel. Ein Fremder wäre stark davon ausgegangen, hier hätte ein Kampf oder ein Überfall stattgefunden. Aber für Taiji waren es eindeutige Spuren eines Nervenzusammenbruchs Yoshikis.

Da bewegte sich etwas. In der hintersten und dunkelsten Ecke des Raumes, beim Sofa, hatte es eine Regung gegeben. Taiji hatte es nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen, fokussierte jetzt seinen Blick aber fest darauf. Erkennen tat er nichts, außer ein unförmiges Etwas. Instinktiv wanderte seine Hand zur Wand neben sich und tastete nach dem Lichtschalter, ohne den Blick von der dunklen Ecke zu nehmen. Nach einigem Herumtasten hatte er ihn gefunden und schaltete das Licht ein.

Taiji sah Yoshiki direkt ins Gesicht. Dieses hatte allerdings nicht mehr viel Ähnlichkeit mit jenem einige Stunden zuvor am Drehset: Seine Augen wirkten müde und erschöpft, seine Wangen erschienen seltsam eingefallen und das Haar war völlig pudelig und zerzaust. Er saß mit angezogenen Beinen auf dem Sofa, das Hemd zur Hälfte geöffnet aber irgendwie schief an seinem Körper hängend und vor ihm auf dem Sofatisch stand ein Glas Rotwein, zusammen mit einer Flasche, in der sich nicht mehr viel Inhalt befand.

„Du siehst scheiße aus.“

Das war das Erste, was Taiji in den Kopf kam und ungefiltert aussprach.

Yoshikis Augen bewegten sich hinter den zotteligen Haarfransen, die ihm quer ins Gesicht hingen, und fokussierten Taiji.

„Leck mich.“

Seine Stimme war mehr ein raues Murren und hatte kaum Ton.

„Dich doch immer“, erwiderte Taiji unbeeindruckt und stiefelte quer durch den Raum – dessen Chaos jetzt im direkten Licht noch viel deutlicher zu erkennen war – zum Sofa. „Noch Platz für Bier?“ Und er hielt den Sixpack kurz angedeutet etwas höher, bevor er sich auf das gepolsterte Möbelstück niederließ, als sei nie etwas gewesen. Das halbe Dutzend Bierflaschen wurde neben sich auf dem Boden abgestellt, die erste Flasche herausgenommen und geöffnet.

Yoshiki beobachtete den Jüngeren nur blinzelnd, gab aber zunächst keine weiteren Äußerungen von sich. Er wirkte wie ein Schatten seiner selbst. Aber auch das war für Taiji nicht wirklich überraschend; zu oft hatte er ihn schon in solchen Szenen erlebt, als dass es ihn noch verwundern würde.

Als er die ersten Schlucke genommen hatte, setzte Taiji die Flasche wieder ab und sah ihn an. „Was ist los mit dir? Warum bist du so ausgerastet?“, fragte er nach kurzem Schweigen.

Das Schweigen Yoshikis hielt länger an. Die ganze Zeit saß er zusammengekauert auf dem Polster und bis auf den Kopf hatte sich noch nichts an ihm geregt. Und es sah auch nicht so aus, als sollte sich daran so schnell etwas ändern.

Das erkannte auch Taiji und wandt den Blick mit einem kaum wahrnehmbaren Seufzen wieder von ihm ab, setzte statt dessen das Bier neu an.

„Ich hab gedacht, du bist tot“, kam es plötzlich heiser krächzend von der Seite.

Taiji sah ihn daraufhin sofort wieder an.

„Das war ja auch der Witz an der Sache.“

Yoshikis Augen, eh schon müde, schmale Schlitze, verengten sich noch ein Stück mehr.

„Für mich war das kein Witz!“, zischte er. „Du machst wieder deine dummen Späße und mich lässt du Todesängste ausstehen!“

„Man, ich wollt' doch nur–!“

Yoshikis bis eben noch zusammengefalteter Körper entfaltete sich mit einem Mal und wandt sich in seiner Position nun vollständig Taiji zu.

„Ich hab gedacht, ich hab dich verloren, du Arsch! Ich dachte, du bist jetzt für immer weg!“ Seine einst so heisere Stimme hatte sich zu einem schrillen Kreischen gewandelt. „Ich hab gedacht, ich kann dich nie mehr–„ Er brach mitten im Satz ab, als sollte das Folgende ungesagt bleiben. Statt dessen funkelte er ihn nur eindringlich aus glasigen Augen an.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück