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Common Ground

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen, da bin ich endlich wieder! *aus der Versenkung auftauch*
Eine schlechte und eine gute Nachricht – die schlechte zuerst: Ich habe mich schweren Herzens entschieden, das Kapitel nochmal zu teilen, da die über 12.000 Wörter, die es jetzt am Ende hatte, doch echt viel sind und man es einfach nicht gut am Stück lesen und verarbeiten konnte (wie ich nur zu gut am eigenen Leib gemerkt habe). ^^° Außerdem ist 35 irgendwie auch eine schönere Zahl. ;D
Aber das bringt mich direkt zur guten Nachricht: Das nächste Kapitel ist damit bereits so gut wie fertig und ich werde es hoffentlich noch im Laufe der kommenden Woche bzw. nächstes Wochenende ebenfalls hochladen, damit die Odyssee der beiden Idioten endlich mal ein Ende hat. ;D

Soundtrack für dieses Kapitel ist „Head“ von The Cooper Temple Clause, das lange mit „Outta My Head“ von I Hate Kate gekämpft hat, aber leider hat letzteres einfach keine gute Titel-Kombination hergegeben.

Jetzt aber erstmal viel Spaß beim Lesen! :) Komplett anzeigen

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You wanna leave it. (But you can’t forget about it.)

Nach einer weiteren Nacht unruhigen Schlafs, gespickt mit kruden Träumen, in denen die Gestalten von Fujiwara-san, Serenity Wheeler und natürlich wieder einmal Devlin die prominentesten Rollen eingenommen hatten, saß Seto bereits eine Viertelstunde früher als sonst in seiner Schuluniform mit einem Kaffee und der Zeitung am Küchentisch. Selten, eigentlich noch nie, hatte er sich so sehr auf das Wochenende gefreut wie an diesem Freitag, auch wenn ‚Wochenende‘ für ihn keineswegs gleichbedeutend mit ‚nicht arbeiten’ war. Allerdings bedeutete es sehr wohl, dass er Devlin zwei Tage lang nicht sehen und damit hoffentlich auch nicht mehr permanent an das denken musste, was er gestern nie gehört hatte und das nach wie vor jedes Mal dieses enervierende Flattern in seiner Magengegend auslöste.

„Morgen, Seto!“ Ein Stuhl wurde nach hinten und dann wieder an den Tisch gerückt; Mokuba hatte sich mit seinen Cornflakes und einem Glas Orangensaft zu ihm an den Tisch gesetzt.

Seto sah nur kurz von der Zeitung auf. „Morgen.“

„Wie war das Geschäftsessen gestern?“

„Nicht der Rede wert“, antwortete er mehr der Zeitung als seinem Bruder.

Was würde es nützen, Mokuba davon zu erzählen, wie frustrierend es war, wenn einen alte, dicke Männer mit viel Einfluss einfach nicht ernst nehmen wollten, nur weil man in ihren Augen noch ein naseweiser Teenager war, der bestimmte universelle Lebenserfahrungen noch nicht gemacht hatte (und vielleicht auch gar nicht machen wollte)? Das würde er noch früh genug selbst lernen, und je später er das tat, desto besser.

Glücklicherweise hakte Mokuba nicht weiter nach, sondern wandte sich wieder seinem Frühstück zu. Ein paar Minuten lang hörte Seto nur das Knuspern von Cornflakes und gelegentliches Saft-Schlürfen. Der Leitartikel im Wirtschaftsteil war sehr interessant und forderte seine Aufmerksamkeit, dennoch wurde er das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Ein kurzer Blick über den Rand der Zeitung bestätigte, dass Mokuba ihn irgendwie forschend zu mustern schien. Hatte er etwas auf dem Herzen?

Nun, wenn ihn etwas so sehr beschäftigte, würde er schon irgendwann den Mund aufmachen.

Nach weiteren drei Minuten – Seto hatte den Leitartikel soeben beendet – war es schließlich so weit: „Sag mal, Seto, willst du mich denn gar nicht fragen, wie es gestern im Black Clown war?“

Seto entließ ein leises Seufzen und senkte die Zeitung. „Wie war es gestern im Black Clown?“, fragte er wunschgemäß, gab sich dabei jedoch keinerlei Mühe, den Trotz in seiner Stimme zu verbergen.

„Sehr cool, ich hab wieder alle meine Spiele gewonnen! Ich glaube ich hab den Dreh langsam echt raus!“

Mit einem beiläufigen Nicken schlug Seto die nächste Seite des Wirtschaftsteils auf.

„Und auch sehr … aufschlussreich.“

Seto hielt inne. Er legte die Zeitung zur Seite, um seinen Bruder erstmals richtig anzusehen, und griff nach seiner Kaffeetasse. „Inwiefern?“

„Seto, mal ganz ehrlich …“ Mokuba ließ seinen Löffel in die leere Schüssel fallen, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und verschränkte seine Finger ineinander. „Was ist da eigentlich wirklich zwischen dir und Duke gelaufen auf der Klassenfahrt?“

Ohne einen Schluck genommen zu haben, stellte Seto die Kaffeetasse etwas zu kraftvoll wieder ab, sodass die braune Flüssigkeit über den Rand schwappte und einen dunklen Ring auf dem hellen Holz des Tisches hinterließ. „Bitte?!“

„Da du mir ja keine Antwort geben wolltest, hab ich gestern einfach Duke gefragt, ob er mir sagen kann, was deine seltsame Bemerkung von letztens zu bedeuten hatte.“

Setos Augen verengten sich. „Wie zum Teufel kommst du auf die Idee, dass–“

„Oh, komm schon, wenn es um DDM geht, dann gibt es keine Chance, dass Duke nicht Bescheid weiß, noch dazu, wenn ihr im selben Zimmer wart!“

„Und? Was hat er gesagt?“, erkundigte sich Seto im vergeblichen Versuch mehr gleichgültig als gereizt zu klingen.

„Warum hast du ihm geholfen?“

Natürlich gab Mokuba ihm nicht einfach eine Antwort, sondern stellte eine Gegenfrage! Seto atmete gedehnt aus, hielt dem ernsten und unangenehm bohrenden Blick seines Bruders (Woher hatte der Junge das nur?) aber problemlos stand. „Ich fand seine Idee einer DDM-Duel Disk eben nicht schlecht. Außerdem war ich nach deiner kleinen ‚Aktion‘ dankbar, überhaupt irgendetwas Sinnvolles zu tun zu haben!“

„Und die genauen Hintergründe–“

„Hat er mir verschwiegen, hat er dir das auch gesagt?!“ Setos Stimme hatte sich mehr gehoben, als ihm lieb gewesen wäre, und das kurze Zucken von Mokubas Mundwinkeln ließ es ihn sofort bereuen.

„Ja, das hat er. Aber auch, dass er dir später die Wahrheit gesagt hat. Was er mir allerdings nicht erzählen wollte, war, was genau danach passiert ist …“

… wenn es dein jämmerliches Spiel dann noch gibt!

„Sehr richtig, denn das geht dich auch nichts an!“ Energisch schlug Seto die Zeitung zu, trank seinen Kaffee in einem Zug aus und erhob sich. „Los jetzt, wir müssen zur Schule!“

Sichtlich genervt – es war dasselbe Gesicht, das er auch dann immer zog, wenn man ihm sagte, dass er für irgendetwas, das ihn brennend interessierte, noch zu jung war – schnappte sich Mokuba seinen Rucksack und trottete widerwillig in den Flur.
 

Japanisch war definitiv nicht die beste erste Stunde, wenn man nicht besonders gut geschlafen und noch viel zu wenig Kaffee getrunken hatte. Frau Yamamura schrieb nicht mit der Kreide an die Tafel, sie quietschte, und setzte jeden Punkt mit besonders viel Nachdruck, sodass Duke sich am liebsten permanent die Ohren zugehalten hätte. Nichtsdestotrotz sollte er wohl besser anfangen, sich ebenfalls Notizen machen, denn der Stoff war laut Yamamura-sensei klausurrelevant. Er zog seinen Collegeblock zu sich heran und wollte eine neue Seite aufblättern, blieb jedoch unwillkürlich bei den Notizen aus der gestrigen Geschichtsstunde hängen.

Vorsichtig fuhr er mit dem Finger ein paar der Bleistiftlinien seines kleinen ‚Kunstwerkes‘ in der unteren rechten Ecke nach.

So langsam würde er sich wohl oder übel an den Gedanken gewöhnen müssen, dass Das mit uns genauso Geschichte war, wie die Dinge, die er weiter oben zur Schlacht von Kawanakajima notiert hatte. Er hatte sein Möglichstes versucht, Kaiba unmissverständlich klar zu machen, wie er die Dinge sah, viel mehr konnte er nicht tun. Den Rest des Weges musste Kaiba gehen, und wenn der nicht wollte, dann ging es nun einmal nicht.

Ihm selbst blieb eigentlich nur noch übrig zu retten, was zu retten war, und das war primär die DDM-Duel Disk. Ein leises Schnauben entwich ihm. Erst hatte Kaiba damit nichts mehr zu tun haben wollen, dann hatte er die Entwürfe doch neu gemacht – zwar in der Hauptsache für seinen kleinen Bruder und seine Firma, doch das Endergebnis zählte. Aber was bedeutete das nun für seine Mitwirkung an der tatsächlichen Verwirklichung dieser Ideen?

Max jedenfalls schien zu erwarten, dass Kaiba daran weiterarbeitete und zwar in enger Abstimmung mit ihm als dem Designer des Spiels. Wenn Max nun aber mit Kaiba telefonierte und Kaiba ihm sagte, dass er keineswegs beabsichtigte, das auch tatsächlich zu tun … wie stand er, Duke, denn dann vor dem Vorstand, und vor allem vor Max da?!

Wenn er jemanden um keinen Preis der Welt enttäuschen wollte, dann war es der Mann, der mehr für ihn und sein Spiel getan hatte, als jeder andere! Von den Mitgliedern des Vorstandes ganz zu schweigen, die ihm aufgrund seiner Jugend ohnehin schon immer eine gehörige Portion Skepsis entgegengebracht hatten.

Hätte er Max letztens am Telefon doch die Wahrheit sagen sollen?

Nun, nicht zwingend, denn die Wahrheit war nun mal, dass er absolut keine Ahnung hatte. Es nützte alles nichts, er musste noch einmal mit Kaiba reden, so unangenehm es auch werden würde. Dann konnte er Max notfalls immer noch anrufen und zumindest versuchen, ihm die Situation irgendwie zu erklären. Mit einem kaum sichtbaren Nicken zu sich selbst schlug Duke die nächste leere Seite auf und begann abzuschreiben, was Yamamura-sensei in den vergangenen Minuten an der Tafel produziert hatte.

Wann immer die Lehrerin zu einer ausschweifenderen Erklärung ansetzte, wanderten seine Gedanken trotzdem ganz automatisch zurück zu der Zeichnung auf der vorherigen Seite. Ein ums andere Mal hob er die Ecke des Blocks vorsichtig an und betrachtete sie, ließ sich für ein paar Sekunden von den Erinnerungen an die weichen, haselnussbraunen Haare, den Sturm in den ozeanblauen Augen, die mal fordernden, mal zärtlichen Berührungen mitreißen, ohne an all das zu denken, was danach passiert war.

Erst die Pausenklingel holte ihn schlagartig zurück ins Hier und Jetzt. Es hatte doch alles keinen Zweck!

Er blätterte die Seite noch einmal richtig auf, riss die untere rechte Ecke mit der Zeichnung heraus und ließ sie beim Verlassen des Raumes in Richtung Toiletten beiläufig in den Mülleimer nahe der Tür fallen.
 

Ungeachtet der lauteren Geräuschkulisse um ihn herum arbeitete Seto in der Pause nahtlos weiter – oder unternahm zumindest den Versuch. Seine Mitschülerinnen und Mitschüler standen in Grüppchen zusammen und unterhielten sich, aßen, schrieben Hausaufgaben ab oder legten bereits das Material für die nächste Stunde zurecht.

Zu Setos Leidwesen hatte sich der Kindergarten in dieser Pause dafür entschieden, Wheelers Tisch als Treffpunkt zu nutzen, der bedauerlicherweise nicht so weit weg von seinem eigenen Tisch war, wie er das gerne gehabt hätte. Immerhin war Devlin gerade nicht bei ihnen; nur die anderen Mitglieder von Mutos kleiner Weltenrettertruppe sprachen viel zu lebhaft miteinander.

„Ffaut ma’, waff iff gefunden hab’, Leute!“, platzte Joey, den letzten Bissen eines Schokoriegels kauend, so lauthals in das Gespräch seiner Freunde hinein, dass nicht einmal Seto in der Lage war, es zu ignorieren.

„Joey, wie oft soll ich dir noch sagen–“ Gardners Augenrollen war praktisch zu hören.

„Ja doch!“ Schnell schluckte Wheeler hinunter und wedelte mit einem Fetzen Papier. „Schaut mal, was ich gefunden hab!“

„Hast du das etwa aus dem Müll gezogen?!“

„Ja, und?! War doch nur Papier drin!“ Wieder deutete Wheeler grinsend auf den Zettel in seiner Hand. „Ein kleines Fanart von Kaiba!“

Setos Kopf zuckte leicht nach oben.

„Wow, sieht ja gar nicht schlecht aus!“, kommentierte Muto.

„Ja, richtig stark!“, pflichtete Gardner ihm bei und entließ ein langgezogenes Seufzen, „Wenn mich mal jemand einfach so zeichnen würde …“

„Ich kann’s gerne mal versuchen!“, warf Taylor grinsend ein.

„Danke, ich verzichte!“

„Bestimmt von jemandem aus seinem dämlichen Fanclub!“, nahm Wheeler den Gesprächsfaden wieder auf, „Hier ist sogar noch ein kleines bisschen Handschrift!“ Er kniff die Augen zusammen, offenbar in der irrigen Annahme, die Schrift so besser identifizieren zu können.

„Joey! Was soll das?!“ Gardner verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte missbilligend den Kopf.

„Mann, reg’ dich mal ab! Mich interessiert doch nur, wer so verrückt ist, sowas zu machen! Also von jemandem wie Kaiba! Die kann doch nicht mehr alle Tassen im Schrank haben!“

„Joey, also ehrlich! Für seine Gefühle kann niemand etwas! Wenn du dich mal in Gott-weiß-wen verliebst, würdest du auch nicht wollen, dass sich jemand so darüber auslässt!“
 

Du hast dich verliebt, oder? So richtig?

Irgendwie schon.
 

Setos Kiefer verkrampfte sich, seine rechte Hand ballte sich unwillkürlich zur Faust.

„Irgendwie kommt mir die Schrift bekannt vor … aber ich komm einfach nicht drauf …“

Dieser …! Geräuschvoll klappte Seto seinen Laptop zu und stand auf. Mit zwei Schritten war er bei Wheeler angekommen und riss ihm wortlos den Zettel aus der Hand.

„Hey, was soll das, Geldsack?!“

Ja, das war er, ganz eindeutig. An seinem Tisch hier im Klassenzimmer, den Kopf aufgestützt und an seinem Laptop vorbei in die Leere der ihn umgebenden Kästchen starrend. Seine Augen stachen ganz besonders heraus – wer auch immer das hier gezeichnet hatte, schien darauf Wert gelegt zu haben. Und diese Perspektive …

„Hey Leute, was–“

Seto hob den Blick und zog scharf die Luft ein. Devlin war wieder hereingekommen und etwa zwei Meter von ihm und seinen Freunden entfernt wie angewurzelt stehen geblieben. Seine Augen weiteten sich, kaum länger als eine Millisekunde, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.
 

Du hast dich verliebt, oder? So richtig?

Irgendwie schon.
 

Ruckartig wandte Seto den Kopf und sah Joey durchdringend an. „Hör auf deine kleinen Freunde, Wheeler! Von wem auch immer das hier ist, es geht dich einen feuchten Dreck an!“

Noch während er sprach, zerriss er die ohnehin schon kleine Zeichnung, einmal, zweimal, dreimal, ging zum Mülleimer und warf die Schnipsel hinein. Als er an seinen Platz zurückkehrte und den Laptop wieder aufklappte, hatte der Kindergarten seine Sprache noch immer nicht wiedergefunden.
 

Die Stunde hatte kaum begonnen, da war sie auch schon wieder zu Ende. Ihr Inhalt war nahezu vollständig an Duke vorbeigezogen, so als hätte der Lehrer eine Sprache gesprochen, die er nicht verstand. Während alle ihre Sachen zusammenpackten, um zur Mittagspause hinunter auf den Schulhof zu gehen, ließ auch Duke das Lehrbuch und den Collegeblock in seinen Rucksack gleiten und warf dabei einen verstohlenen Blick über seine Schulter. Kaiba war bereits aufgestanden und verließ das Klassenzimmer, seine lederne Tasche in der Hand.

Er wusste es! Mit Sicherheit! Kaiba wusste, dass die Zeichnung von ihm war!

Duke schluckte und musste gegen den Impuls ankämpfen sich mit beiden Händen wieder und wieder übers Gesicht zu fahren. Da verließ man einmal für drei Minuten den Raum!

Am liebsten wäre er vorhin einfach im Boden versunken. Ja, er hatte Kaiba bereits am Montag klar gemacht, wie er zu der ganzen Geschichte stand, und dass er Dem mit uns gerne noch eine Chance gegeben hätte. Kaiba hatte dem jedoch eine klare Absage erteilt und erwartete nun sicherlich, dass das Thema für ihn damit ebenfalls erledigt war.

Tja, war es aber nun einmal nicht! Konnte ja nicht jeder so unbeteiligt über allem stehen wie der feine Herr!

Aber … tat Kaiba das tatsächlich?

Immerhin hatte er ihn da vorhin gewissermaßen verteidigt … 

… aber auch die Zeichnung zerrissen …

Ach, eigentlich spielte es ja auch gar keine Rolle! Es blieb dabei, er musste mit Kaiba sprechen und die Sache von eben würde dabei kein Thema sein!
 

Die Bank ganz hinten auf dem Schulhof zwischen zwei hohen, mittlerweile halb entlaubten Bäumen gehörte schon so fest zu Seto, dass zumindest in den großen Hofpausen niemand anderes auf den Gedanken kam, sich dort hinzusetzen. Sein Blick war fest auf den Bildschirm geheftet, seine Hände lagen auf der Tastatur, bereit weitere Buchstaben zu tippen, sodass ein außenstehender Beobachter durchaus auf den Gedanken hätte kommen können, dass er tatsächlich arbeitete. Doch seine Finger bewegten sich schon seit einigen Minuten nicht mehr und auch sein Geist hätte nicht weiter weg vom Strategie-Update für die KC-Vertriebsmannschaft sein können.

Devlins entsetzter Blick angesichts der Erkenntnis, dass ausgerechnet er es war, der dieses Stück Papier in Händen hielt …
 

Du hast dich verliebt, oder? So richtig?

Irgendwie schon.
 

Setos Eingeweide verknoteten sich. Mit dieser Zeichnung waren, noch verstärkt durch Gardners Geschwafel über Gefühle, Devlins Worte von gestern schlagartig zur sichtbaren Realität geworden. Verdammt!

Fast schon gewaltsam ging sein rechter kleiner Finger wieder und wieder auf die Return-Taste nieder, um seinen letzten, auf halber Strecke abgebrochenen Satz komplett wieder zu löschen. Das musste doch endlich mal ein Ende haben! So konnte es n–…

Das Laub auf dem Boden knisterte auffällig regelmäßig. Jemand kam näher.

Bevor Seto ganz begriffen hatte oder es verhindern konnte, raschelte Kleidung direkt neben ihm. Sein Blick huschte nach rechts. Sämtliche seiner Muskeln schienen sich anzuspannen und zu verkrampfen, als würde seinen unerwarteten Besucher ein gefährliches Kraftfeld umgeben, in das er unweigerlich hineingezogen würde, sobald er sich bewusst oder unbewusst auch nur einen Millimeter darauf zu bewegte.

„Was willst du, Devlin?“, presste Seto mühsam hervor und hielt den Blick weiter fest auf seinen Bildschirm geheftet.

„Entschuldige die Störung, Kaiba, aber ich muss leider noch eine Sache mit dir besprechen.“

Mit einem kurzen Augenrollen sperrte Seto den Bildschirm, sah aber weiter demonstrativ an Devlin vorbei geradeaus. Nicht, dass Devlin ihn tatsächlich beim Arbeiten unterbrochen hätte, aber der Eindruck zählte!

„Hat Pegasus dich schon angerufen?“

Devlins Stimme klang ungewohnt kraftlos, doch Seto verbat sich weiterhin jegliche Form von Blickkontakt. „Nein.“

„Dann wird er das sicherlich im Laufe der nächsten Tage noch tun.“ Devlin entließ ein kaum hörbares Seufzen, stützte die Ellenbogen auf seine Oberschenkel und knetete seine Hände. „Es ist so, er … er erwartet, dass ich die weitere Entwicklung der DDM-Duel Disk eng begleite und ich … kann es mir im Moment noch weniger sonst leisten, vor ihm, aber vor allem dem Vorstand blöd dazustehen.“ Seto überlief ein Schauer, als die grünen Augen ihn streiften und dann hastig wieder zum laubbedeckten Boden zurückkehrten. Devlins linke Hand ballte sich zur Faust, als er fortfuhr: „Die haben mich noch nie sonderlich ernst genommen und das ist meine Chance denen zu beweisen, dass ich auch liefern kann!“

… der junge Mr. Kaiba … in Ihrem Alter …

Unwillkürlich entfuhr Seto ein leises, abfälliges Schnauben. Ja, mit Sicherheit gab es im Vorstand von Industrial Illusions ähnliche Exemplare.

„Also, was ich damit sagen will: Könntest du mich bitte über die Fortschritte bei den Vertragsverhandlungen und an der DDM-Duel Disk auf dem Laufenden halten?“

Als er nicht sofort reagierte, atmete Devlin gedehnt aus und machte Anstalten wieder aufzustehen. „Aber wenn du nichts mehr damit zu tun haben willst, dann–“

„Ich gebe dir Bescheid, sobald der Vertrag unterschrieben ist. Und auch, wenn ich den ersten Prototypen fertig habe.“ Die Worte flossen ganz wie von selbst aus Setos Mund.

Mit großen Augen ließ sich Devlin zurück auf die Bank sinken. „Verstehe ich das richtig: Du wirst doch selbst an der Duel Disk weiterarbeiten?!“

Für den Bruchteil einer Sekunde vergaß Seto seine Vorsicht und sah hinüber zu Devlin. „Das tue ich schon.“

Die grünen Augen leuchteten auf, Devlins Mund öffnete sich, so als würde er eigentlich fünf weitere Fragen stellen wollen, doch stattdessen schloss er ihn wieder und … lächelte. „Danke!“

Ach, und Kaiba? … Danke!

Déjà-vu.

Der Wind frischte auf, spielte mit Devlins Haaren, wehte ihren angenehm leichten, fruchtigen Duft in Setos Nase. Seine Kehle schnürte sich zu, sein Herz schlug schnell und hart gegen seinen Brustkorb.

Devlin hier, neben ihm, so nahe, mit diesem Lächeln, das … das war so nicht vorgesehen! Ganz und gar nicht!

Er … er musste hier weg!

Abrupt wandte Seto sich ab, klappte wortlos seinen Laptop zu, schnappte sich seine Tasche und entfernte sich zügigen Schrittes von der Bank in Richtung des Schulgebäudes, gerade so schnell, dass es noch nicht unter ‚rennen‘ fiel.

Erst als er die Treppen schon erreicht hatte, läutete die Klingel das offizielle Ende der Pause ein.
 

Von einem Moment auf den nächsten fand sich Duke allein auf der Bank wieder. Er sah Kaiba nach, bis die Schultür hinter ihm zugefallen war, und schüttelte leicht den Kopf. Die sanfte Brise rauschte in seinen Ohren, herbstliche Kälte zog in seinen Nacken und ließ ihn frösteln.

Eigentlich war ihr Gespräch doch ganz normal und … zivilisiert verlaufen – wenn auch ein bisschen wortkarg auf Kaibas Seite, aber das war ja nichts neues.

Sollte er sich darüber nicht eigentlich freuen? Immerhin ging ihre Zusammenarbeit weiter, Kaiba arbeitete bereits am Prototypen für die DDM-Duel Disk, Pegasus Erwartungen würden erfüllt werden!

Allerdings schien Kaiba darüber hinaus tatsächlich nichts mehr mit ihm zu tun haben zu wollen, wie sein überstürzter Abgang eben nur zu deutlich gezeigt hatte – als hätte er soeben erfahren, dass Duke an irgendeiner seltenen, hochansteckenden Krankheit litt. Und die Sache mit der Zeichnung vorhin hatte dabei mit Sicherheit auch nicht wirklich geholfen.

Sein Herz zog sich zusammen. Noch immer schwebte ein Hauch von Kaibas Parfüm in der Luft um ihn herum und ließ ihn noch einen Moment an Ort und Stelle verharren. Als es klingelte, erhob er sich schließlich mit einem tiefen Seufzen und folgte der verblassenden Duftspur ebenfalls zurück ins Schulgebäude.
 

Devlins irritierter Blick, der sich durch seinen Rücken in sein Innerstes bohrte, verfolgte Seto noch den ganzen restlichen Schultag. War es denn wirklich schon so weit gekommen, dass Flucht das einzige Mittel darstellte, das ihm noch zur Verfügung stand?!

In der Firma war er jedenfalls mehr als dankbar für die vielen Termine, die ihm keine Zeit ließen, weiter über Devlins Worte, Devlins Lächeln oder den Eindruck, den sein spontaner Abgang bei Devlin hinterlassen haben musste, nachzudenken. Und außerdem: Mindestens für die nächsten zwei Tage würde er rein gar nichts von Devlin sehen oder hören – zum ersten Mal seit dem Beginn der Klassenfahrt vor knapp zwei Wochen! Das musste es sein, was alle Welt so an den Konzepten ‚Wochenende‘ und ‚Urlaub‘ schätzte!

Rechtzeitig zum Abendessen war Seto zurück in der Villa und saß sogar noch vor Mokuba am gedeckten Tisch – etwas, das so selten vorkam, dass es fast schon als Novum gelten konnte und seinen kleinen Bruder, der heute morgen auf der gesamten Fahrt zur Schule geschmollt hatte, hoffentlich wieder ein wenig besänftigen würde. Umso irritierender war es daher, dass Mokuba, als er endlich ebenfalls das Esszimmer betrat, einen prall gefüllten Rucksack auf dem Stuhl neben sich abstellte und seine pünktliche Anwesenheit nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu würdigen schien.

Offenbar hatte Mokuba seine Verwirrung registriert. „Ich übernachte doch heute bei Hiro, schon vergessen?! Damit wir morgen früh gleich ganz zeitig mit seinen Eltern in das neue große Spaßbad am Stadtrand fahren können.“

Ach ja, richtig! Der seit Wochen geplante Ausflug mit seinem besten Freund und dessen Eltern! Na, dann würde Roland wohl morgen Badehosen einpa–

„Und denk’ nicht mal daran, Roland hinter mir her zu schicken! Das ist echt mega-peinlich jedes Mal!“

Seto rollte nur mit den Augen und kam nicht umhin, sich ertappt zu fühlen. Wie machte der Junge das nur?!

Einige Minuten lang aßen sie in Stille, bis Mokuba endlich das zunehmend unangenehme Schweigen brach. „Seto?“

Er erwiderte den Blick seines Bruders mit vorsichtiger Skepsis, denn dessen Tonfall ließ nichts Gutes vermuten.

„Was ist denn nun eigentlich wirklich mit deinen ersten Entwürfen passiert?“

Seto entließ ein leises Seufzen, legte sein Besteck ab und wischte sich den Mund mit der Serviette ab. „Ich sagte doch bereits, das geht dich nichts an!“

„Tja, ich möchte es aber wissen und ich werde so lange weiterfragen, bis du oder Duke mir eine Antwort gebt! Irgendwann wird einer von euch beiden schon einknicken! Also, was ist mit den Entwürfen passiert, Seto?“

Ohne seinen Bruder anzusehen, griff Seto wieder nach seiner Gabel. „Ich möchte nicht dar–“

„Was ist mit den Entwürfen passiert?“ Mokubas Stimme wurde eindringlicher und die grauen Augen starrten ihn fest und entschieden an.

Seto schob sich einen weiteren Bissen Essen in den Mund und kaute in aller Seelenruhe.

„Was ist mit den Entwürfen passiert?“

Er schluckte hinunter, setze Messer und Gabel neu an.

„Was ist mit den Entwürfen passiert, Seto?“

Seine Finger schlossen sich fester um die Griffe des Bestecks. Ärger begann in seiner Kehle hochzuzüngeln.

„Was ist mit den Entwürfen passiert?“

Warum konnte Mokuba ihn nicht einfach in Ruhe lassen?! Er wollte diese ganze Geschichte doch einfach nur vergessen!

„Was ist mit den Entwürfen passiert?“

Seine Lippen pressten fest aufeinander, während er zunehmend hektisch ein besonders widerspenstiges, sehniges Stück Fleisch auf seinem Teller schnitt.

„Was ist mit den Entw–“

Laut und metallisch klirrend knallte Seto das Besteck neben seinen Teller auf den Tisch. „Wheeler!“

Mokuba zuckte sichtlich zusammen. „W-was?!“

„Wheeler ist passiert!“

„Wie–“

„Er hat sie ins Feuer geworfen! Bist du jetzt zufrieden?!“

„I-ins Feuer?! Du meinst das Lagerfeuer an eurem letzten Abend? Aber wusste Joey denn gar nicht, dass–?“ Wieder brach Mokuba mitten im Satz ab und seine Augen weiteten sich. „Natürlich wusste er es nicht!“ Kopfschüttelnd legte auch er sein Besteck aus den Händen und sah Seto durchdringend an. „Lass mich raten, du hättest es ihm sagen können, hast es aber nicht getan?“

Seto verschränkte die Arme vor der Brust und wich dem vorwurfsvollen Blick seines kleinen Bruders aus. Eine Antwort war wohl nicht notwendig, Mokuba würde sein Schweigen auch so richtig deuten.

„Okay, also ich fasse mal kurz zusammen und du sagst mir, ob ich das richtig verstanden habe: Du hast bereitwillig zugelassen, dass die Pläne für die DDM-Duel Disk in Flammen aufgehen, obwohl du wusstest, dass sie das Einzige sind, was DDM retten kann?! Weil du beleidigt und sauer warst, dass Duke dich angelogen hat und Joey dir wahrscheinlich zufällig gerade mal wieder blöd gekommen ist?!“

Mit viel Phantasie, die Mokuba zweifelsohne hatte, konnte man das vorsichtige Neigen von Setos Kopf als Nicken interpretieren.

„Meinst du nicht, dass das vielleicht etwas überzogen war?!“

„Nein, das meine ich nicht!“ Setos Faust sauste auf den Tisch, sodass die Teller und das Besteck darauf schepperten. „Und damit ist dieser Punkt jetzt endgültig beendet!“

Mehr würde – konnte – er dazu auch nicht sagen. Von dem, was sonst noch vorgefallen war, hatte Mokuba keine Ahnung und dabei würde es auch schön bleiben! Er war ohnehin noch etwas zu jung für … diese Art von Dingen.

Mokuba atmete einmal gedehnt aus und nahm sein Besteck wieder auf. „Na gut, von mir aus! Aber dann verrat mir wenigstens noch, warum du die Entwürfe später neu gemacht hast!“

„Ich bitte dich, das muss dir doch längst klar sein!“

„Ich würde es aber gerne nochmal von dir hören!“

„Du hast erzählt, wie viel Spaß dir DDM gemacht hat.“ Er führte den Satz nicht weiter, Mokuba sollte sich den Rest denken können. „Außerdem wollte ich die Umsätze durch DDM ungern aufgeben.“

„Oh bitte, Seto, ich kenne die aktuellen Zahlen! So sehr fallen die DDM-Arenen nun echt nicht ins Gewicht! Also, warum hast du die Entwürfe wirklich neu gemacht?“

„Hab ich das nicht eben gesagt?! Deinetwegen und wegen der Umsätze!“

„Sonst nichts?“

„Sonst nichts!“

„Wirklich n–“

„Mokuba!“ Der Stuhl quietschte über den Boden, als Seto auffuhr, die Hände auf den Tisch stützte und seinen Bruder drohend anfunkelte. „Wenn du jetzt nicht sofort aufhörst, sehe ich mich wohl oder übel gezwungen, deine Strafe für die Laptop-Aktion so zu verhängen, wie ich sie mir an Tag Zwei der Klassenfahrt ausgedacht habe, und glaub mir, wenn ich dir sage, dass das nicht in deinem Interesse ist! Und jetzt beantwortest du mir gefälligst mal eine Frage: Warum um alles in der Welt interessiert dich das überhaupt so sehr?!“

Mokubas bis hierhin noch selbstbewusster Blick fiel in sich zusammen und er sah zerknirscht nach unten – ein Ausdruck, der sofort ein schmerzhaftes Ziehen in Setos Brust auslöste. Als würde sämtliche Luft aus ihm herausgelassen, ließ er sich wieder zurück auf seinen Stuhl fallen, ohne den Blick von seinem kleinen Bruder zu lösen.

„Ich dachte–“ Mokuba stockte und setzte noch einmal neu an, „Nun ja, ich hatte gehofft, Duke und du, ihr …“ Er schluckte und drehte das Besteck ruhelos zwischen seinen Fingern hin und her. „… ihr habt euch vielleicht angefreundet.“

Seto verkniff sich ein entrüstetes Schnauben und entschiedenes Kopfschütteln und wartete einfach nur darauf, dass sein kleiner Bruder weitersprach, denn ganz offensichtlich schien es ihm damit wirklich ernst zu sein.

„Weißt du, wie Hiro und ich Freunde geworden sind?“

Er schüttelte den Kopf. Falls Mokuba es irgendwann einmal erzählt hatte, hatte er entweder nicht richtig zugehört oder es vergessen. Kurz wanderte sein Blick zu seinem noch immer nicht geleerten Teller, doch jeglicher Rest von Appetit war ihm vergangen.

„Auf unserer ersten Klassenfahrt waren wir zusammen in einem Zimmer. Wir waren bis spät in die Nacht auf, haben über alles mögliche geredet und hatten eine richtig gute Zeit zusammen. Er … er versteht mich einfach, weißt du? Und ich bin mir sicher, er würde mir bei allem helfen, und ich ihm auch. Für ihn würde ich auch eine Nacht oder mehr durchmachen, wenn es um etwas geht, das ihm wirklich wichtig ist! Und vielleicht … vielleicht hab ich mir einfach gewünscht, dass du auch mal so jemanden hast.“

Seto atmete gedehnt aus. „Dann war das also auch der Grund für die Sache mit dem Laptop und dem Telefon?“

Mokuba zuckte nur mit den Schultern und nickte schließlich leicht.

Setos Muskeln entspannten sich, sein Gesicht wurde weicher, doch bevor er etwas sagen konnte, betrat Roland die Küche. „Können wir, Master Mokuba?“

„Ja, ich komme!“ Mokuba sprang auf und warf sich den Rucksack über die Schulter; die trübe Stimmung war bereits wieder aus seinem Gesicht gewichen. „Naja, sei’s drum, ich bin jedenfalls echt froh, dass du Duke geholfen hast, egal aus welchem Grund. Und Hiro auch, der ist nämlich schon genau so ein großer DDM-Fan wie ich!“

Mokuba umrundete den Tisch und drückte ihn noch einmal kurz zum Abschied.

Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln erwiderte Seto die Umarmung und konnte es nicht lassen, einmal durch Mokubas Haar zu wuscheln. „Viel Spaß, kleiner Bruder!“

„Hey, lass das!“, protestierte Mokuba lachend. Er strich sich die Haare wieder aus dem Gesicht, winkte noch einmal und verließ gemeinsam mit Roland das Esszimmer.

Die schwere Verbindungstür zur Garage fiel nur wenig später geräuschvoll ins Schloss und Seto blieb noch für einen Moment in der Stille sitzen. Dann stand er auf, stellte das Geschirr auf dem Küchentresen ab und ging nach oben in sein Arbeitszimmer.
 

Schwerfällig ließ Seto sich in seinen Bürostuhl fallen und starrte gedankenverloren auf den Bildschirm des Laptops, der noch damit beschäftigt war, die zuletzt verwendeten Programme und Dateien zu laden.

Natürlich wollte Mokuba immer nur das Beste für ihn, auch wenn ihre jeweiligen Definitionen davon, was das genau war, manchmal doch sehr weit auseinander gingen. Er sich mit Devlin anfreunden?! Einem Mitglied des Kindergartens?! Ernsthaft?!

Nun gut, wenn man seine kleinen Freunde und alles wegstrich, was während der Klassenfahrt in kommunikativer und jeglicher anderer Hinsicht schief gelaufen war …

… dann war Devlin eigentlich gar nicht so verkehrt.

Außerdem war Devlin tatsächlich der wahrscheinlich einzige Mensch da draußen, der in der Lage war, gewisse Aspekte seines Lebens zu verstehen: Den Stress und den Druck der Verantwortung, die ständigen Auseinandersetzungen mit den Fujiwara-sans dieser Welt, den konstanten Kampf um Respekt und Anerkennung, nur weil man den Altersdurchschnitt in nahezu jedem Raum, den man betrat, signifikant nach unten zog … den Drang, die eigenen Träume und Ideen zu verwirklichen – trotz aller dieser Konsequenzen – und das unglaubliche, niemals abstumpfende Gefühl, wenn es gelang …

Das Klingeln seines Handys unterbrach seine ziellosen Gedanken und nach einem kurzen Blick auf das Display hob er genervt ab. „So spät noch am Arbeiten, Pegasus?“

Blechernes Lachen drang aus dem Hörer. „Ob du es glaubst oder nicht, dasselbe hat Duke auch gesagt, als ich letztens mit ihm telefoniert habe! Ihr Jungs kennt eure Zeitzonen!“ Ein kurzer Stich durchfuhr Seto. „Aber was soll ich sagen, mittlerweile ist auch hier schon Freitag, ich habe ein gutes Glas Wein in der Hand und einen neuen Drachen vor mir auf der Staffelei, da kann man schon mal ein bisschen die Zeit vergessen! Und beim Blick auf den Drachen schoss mir doch just in den Sinn, dass ich auch noch einmal mit dir sprechen wollte.“

„Dann komm gefälligst zum Punkt!“

„Ja doch, warum denn immer gleich so ungeduldig?! Wie du dir sicher denken kannst, geht es um die DDM-Duel Disk.“

Seto rieb sich die Stirn. Gut, das war in der Tat zu erwarten gewesen.

„Wirklich eine hervorragende Arbeit, Kaiba-Boy, einfach grandios!“

Es gelang Seto nur knapp ein Aufstöhnen zu unterdrücken. Wie oft hatte er Pegasus schon gesagt, er solle das gefälligst lassen?! Schnell schob er den Gedanken jedoch beiseite, denn Pegasus sprudelte einfach weiter, sodass Seto sich kurzerhand einen Zettel und einem Kugelschreiber schnappte, um die wichtigsten Punkte zu notieren.

„… Den Vertrag über die offizielle Auftragsvergabe an Kaiba Corp. bereitet meine Rechtsabteilung gerade vor; ich sende ihn dir zu, sobald er mir vorliegt und ich unterschrieben habe. Die finale Abnahme des Designs lege ich ganz in Dukes Hände. Viel scheint an dieser Front ja gar nicht mehr zu tun zu sein, aber er ist vor Ort, was die Abstimmung sicher erleichtert, außerdem ist er der Designer des Spiels und damit der Experte.“

„Mhm“, stimmte Seto zu, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und spielte gedankenverloren mit dem Kugelschreiber in seiner Hand.

„In aller Ernsthaftigkeit, mein lieber Kaiba, ich muss mich wirklich bei dir bedanken! Ich bin von Dungeon Dice Monsters extrem überzeugt, ebenso wie vom jungen Devlin. Wenn er so weitermacht, hat er noch eine glänzende Zukunft vor sich und es hätte mir wahrlich das Herz gebrochen, ihn so früh schon scheitern zu sehen. Also: Danke für deine Unterstützung!“

Fast schon zwanghaft klickte Seto wieder und wieder die Mine des Kugelschreibers hinaus und wieder hinein. „Es bringt mir nun mal Umsatz.“

„Natürlich, natürlich! Sag, wann endet eigentlich offiziell euer Schuljahr?“

Setos Daumen hielt still, das Klicken stoppte. „Ende März. Warum?“

„Nun, ich trage mich mit dem Gedanken, den jungen Devlin zurück nach Amerika zu locken. Vielleicht erst einmal nur für ein paar Monate, im Rahmen eines großzügig bezahlten Praktikums, aber natürlich in der Hoffnung, dass er auf den Geschmack kommt und sich entschließt dauerhaft zu bleiben.“

Klackernd fiel der Kugelschreiber aus Setos Hand hinunter auf die Schreibtischplatte und rollte leise weiter über die Kante.

„Ein derart helles Köpfchen und so leidenschaftlich bei der Sache, ich wäre dumm, mir dieses Talent nicht zu sichern! Das bleibt aber unter uns, mein Lieber, wir wollen doch dem guten Duke die Überraschung nicht verderben, nicht wahr?“

„Selbstverständlich!“, presste Seto widerwillig hervor, während er nach unten gebeugt am Boden nach dem heruntergefallenen Kugelschreiber suchte.

„Wunderbar, wunderbar! Nun, dann möchte ich dich auch nicht weiter aufhalten, immerhin ist bei dir bereits Freitagabend und junge Leute wie du sollten um diese Zeit Besseres zu tun haben, als über irgendwelche Verträge und Lieferzeiten zu verhandeln! Mach den Computer aus, geh raus, triff dich mit anderen Menschen, hab Spaß! Diese einmalige Zeit bekommst du so nie wieder! Glaub mir, ich weiß wov–“

„Auf Wiederhören, Pegasus!“, würgte Seto ihn ab, legte auf und knallte das Smartphone auf die Tischplatte. Warum nur hatten in letzter Zeit ständig Leute das unerklärliche Bedürfnis, ihm zu sagen, wie jemand in seinem Alter zu sein und zu leben hatte?!

Er musste und würde nichts dergleichen tun! Weder würde er ‚rausgehen und sich mit anderen Menschen treffen‘, noch ein Mädchen oder sonst irgendwen ‚mit anderen Augen sehen‘! Er brauchte das alles nicht, hatte es nie gebraucht und so würde es auch bleiben!

… ich hatte gehofft, Duke und du, ihr … habt euch vielleicht angefreundet.

Nein, hatten sie nicht! Ende!

Devlin war ja wohl ohnehin bald in Amerika, was bei genauerer Betrachtung die Lösung aller seiner Probleme war! Also: Viel Spaß, gute Reise, auf nimmer Wiedersehen!

Auf der Suche nach etwas, das er schon wieder vergessen hatte, riss Seto eine Schublade seines Schreibtisches nach der anderen auf. Beim Blick in die unterste zuckte er unwillkürlich zusammen: Orangene Triceratops grinsten ihm mit ihren winzigen Strich-Mündern und treudoofen Knopfaugen entgegen.

Was machte dieses verdammte Ding überhaupt noch hier?! Er zerrte den Block heraus und schloss die Schublade mit einem unsanften Tritt.

Er musste dieses Teil endlich loswerden! Er würde es endlich loswerden!

Mokuba konnte er es nicht geben, so lädiert wie es aussah; in den Müll werfen funktionierte aus irgendwelchen irrationalen Gründen ebenfalls nicht … dann blieb doch eigentlich nur noch eines: Rückabwicklung!

Er würde zu Devlin gehen, ihm seinen hässlichen Dino-Block in die Hand drücken und damit endgültig alles aus seinem Leben und seinen Gedanken löschen, was geschehen war!

Außerdem besaß Devlin ja bereits den passenden Stift!

Ohne überhaupt einen Blick auf den Bildschirm zu werfen, klappte Seto den Laptop wieder zu, marschierte die Treppen nach unten in den Flur, zog sich den kurzen, beigefarbenen Mantel über, der noch immer in der Garderobe hing, und griff sich mehr oder weniger zufällig einen der diversen Autoschlüssel vom Schlüsselbrett.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Heute kein lange Nachrede, wir lesen uns die Tage bei Teil 2, in dem wir erfahren, ob Seto bei seiner Mission Erfolg hat ;D
Seid gespannt! <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kuro_Kami
2023-12-06T12:44:27+00:00 06.12.2023 13:44
Ui dann bin ich mal gespannt ob Seto das so hinkriegt wie er sich das vorgestellt hat. Freu mich auf jeden Fall schon auf's nächste Kapitel. ฅ^•ﻌ•^ฅ
Antwort von:  DuchessOfBoredom
06.12.2023 20:39
Vielen Dank! <3 Da ich es gerade hochgeladen habe, kannst du im Grunde direkt nahtlos weiterlesen XD
Ich hoffe, es gefällt und wird irgendwie den Erwartungen gerecht! 🤞
Von: Karma
2023-11-26T22:08:15+00:00 26.11.2023 23:08
Oh Mann, hier geht's ja wieder rund bei unseren beiden Lieblings-Sturköpfen.
😁😁😁
Hier passiert wieder so viel, dass ich kaum weiß, wo mir der Kopf steht. Seto, der olle (oder vielmehr junge);sture Bock. Man möchte ihn nur zu gerne schütteln, aber das spare ich mir lieber auf. Erst mal schauen, wie's weitergeht und was Seto unternimmt, um Duke endgültig loszuwerden - oder vielleicht doch lieber bei sich zu behalten.
😊
Ich muss gestehen, die beiden fehlen mir - nicht nur bei deiner Story, auch bei meinen eigenen. Ich brauche dringend mal wieder Zeit und Muße zum Schreiben. Und Ideen wären auch nicht schlecht; Blockaden sind mies
Genug gelabert. Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel, auch wenn ich am Ende wahrscheinlich Rotz und Wasser heulen werde - einfach nur, weil's dann vorbei ist.
Antwort von:  DuchessOfBoredom
27.11.2023 06:37
Genau, halt dich besser erstmal zurück mit dem Schütteln, der gute Seto muss ja auch noch Auto fahren XD

Hachja, das verstehe ich, dieses Alltagsleben mit Arbeit und anderen Verpflichtungen nervt manchmal einfach, wenn es einen hartnäckig vom Schreiben abhält. Ich drücke die Daumen, dass dich die Muse bald mal wieder küsst, denn wie schon mal gesagt, ich würde mich auch tierisch freuen, mal wieder was von dir zu lesen. <3 Aber man kann es nun mal nicht erzwingen.
Solange halte ich für uns die Mastershipping-Fahne hoch, ich hab noch ein paar Ideen im Anschlag, kann also erstmal für weiteren Nachschub sorgen. ;D
Für mich wird es aber auf jeden Fall auch ein komischer Moment, wenn diese Geschichte vorbei ist, also vielleicht schließe ich mich dann mal kurz an mit dem Heulen 🙃


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