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Insomnia

Midnight x Mt. Lady
von

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Eine kappe Woche war seit der Rückkehr vom Trainingscamp vergangen.

An der UA war vorerst wieder Normalität eingekehrt. Schüler und Lehrer gingen dem normalen Schulalltag nach.

Auch für die Profihelden, welche am Trainingscamp teilgenommen hatten, war der Alltag wieder eigekehrt, waren aktuell doch keine Praktikumseinsätze geplant.

Es war Donnerstag Abend. Da die Sonne bereits vor einer Weile untergegangen war und das verbleibende Tageslicht nicht mehr ausreichte, erhellten inzwischen die Straßenlaternen die Umgebung.

Auf den Straßen war es relativ ruhig, ähnlich wie im Schulgebäude.

Beladen mit einem ganzen Stapel Klausuren, lief die Dunkelhaarige die Treppe hinunter und war in Gedanken bereits dabei, mit der Korrektur der Schriftstücke zu beginnen.

Verdammt, hätte sie diese Aufgabe in den letzten Tagen nicht so schleifen lassen, hätte Nemuri jetzt einen ruhigen Abend genießen können, anstatt sich noch mit dem Korrigieren der Klausuren herumärgern zu müssen. Doch in den letzten Tagen hatte sie der Arbeit nach dem Unterricht nicht all zu viel Beachtung geschenkt, was sich nun rächte, da es langsam an der Zeit wurde die Ergebnisse der Klausuren bekanntzugeben.

Genervt verdrehte sie die Augen. Nicht alle Schüler waren perfekt. Alles zu korrigieren würde noch ewig dauern und ihre Lust darauf hielt sich eindeutig in Grenzen!

Sie hatte den Fuß der Treppe erreicht und bog nach links, in den nächsten Flur, nur um im nächsten Moment mit einer Person zusammenzustoßen.

Beide hatten sie Glück im Unglück und konnten sich nach kurzem Straucheln wieder fangen, doch der Zusammenstoß hatte die Dunkelhaarige ganz eindeutig aus ihren Gedanken gerissen.

„Passen Sie doch auf, wo ich hinlaufe!“, blaffte ihr Gegenüber sie an.

Nemuri blinzelte und glaubte sich bei der Wortwahl der anderen Person verhört zu haben. Ihre blauen Augen fixierten die andere Person vor sich und gerade wollte sie zu einer entsprechenden Antwort ansetzen, als sie noch einmal stutzte.

„Huh? Was machst du hier?“, wollte die Lehrerin erstaunt wissen.

Auch ihr Gegenüber, eine gewisse Blondine, hatte inzwischen realisiert, mit wem sie da zusammengestoßen war.

„Oh, du bist das.“, stellte die junge Frau erst einmal fest, ehe sie mit einem kurzen Nicken auf einen Stapel Unterlagen deutete, welchen sie vor sich her trug. „Ich musste doch noch die Unterlagen zu eurer Neuorganisation abholen, da heute die Frist abläuft und ich in den letzten Tagen nicht dazu gekommen bin.“ Das Wort Neuorganisation sprach Yu recht genervt aus, doch dann änderte sich ihre Mimik und ein freches Grinsen stahl sich auf ihre Lippen :“Allerdings wundert es mich jetzt in keinster Weise mehr, dass ausgerechnet du mich halb umgerannt hast. Im Alter sieht man nun einmal nicht mehr so gut.“

An Nemuris Schläfe begann eine Ader zu pulsieren und ihr Blick verfinsterte sich schlagartig, bis ihr auffiel, dass Yu die Aussage diesmal nicht ganz ernst gemeint haben konnte, denn statt dem üblichen hämischen Unterton, klang sie viel mehr amüsiert und blinzelte ihr zwar herausfordernd, aber im Großen und Ganzen freundlich entgegen.

„Du solltest lieber anfangen zu beten, dass ich mich dazu entschließe das zu überhören.“, entgegnete die Ältere gespielt gereizt und trat einen Schritt auf die Blondine zu.

„Oh, muss ich jetzt Angst haben?“, ging diese darauf ein.

„Angebracht wäre es.“ Schließlich wurde Nemuris Blick wieder etwas ernster. „Aber mal etwas ganz anderes: es wundert mich, dass du um diese Uhrzeit noch an der UA vorbeischaust.“

„Wie schon gesagt, ich musste die Unterlagen heute noch abholen.“ Die Kleinere grummelte deutlich genervt über diese unliebsame Aufgabe. „In den letzten Tagen war in der Stadt einiges los, da habe ich beim besten Willen keine Zeit gefunden, aber der Direktor der UA wollte diese dämliche Mappe nicht ganz einfach per Post losschicken.“

„Weil er verhindern wollte, dass die Dokumente am Ende noch abgefangen werden und bei der falschen Person landen, oder aber einfach ungelesen im Altpapier landen.“

Als sie den zweiten Grund ausgesprochen hatte, hatte die Dunkelhaarige herausfordernd Augenkontakt mit ihrem Gegenüber hergestellt, welches ihr genervt entgegenblickte.

„Das ist eine haltlose Unterstellung!“, blaffte Yu, auch wenn sie insgeheim zugeben musste, dass Nemuri recht hatte. Wären die Unterlagen ihr per Post zugesandt worden, hätte sie vermutlich keinen Blick darauf riskiert.

„Ich habe gehört, dass du gestern zwei Schurken aufgehalten hast, die es auf ein Juweliergeschäft abgesehen hatten.“, wechselte Nemuri das Thema. „Du hast es bis in die Nachrichten geschafft.“

Sichtlich zufrieden reckte Yu das Kinn. „Ich sagte doch, dass ich in den letzten Tagen genug zu tun hatte.“

„Eigentlich war ich noch nicht ganz fertig und wollte sagen, dass du es in die Nachrichten geschafft hast, weil du bei dem Einsatz nicht nur die Schurken aufgehalten, sondern auch ein parkendes Auto zertreten und ein Gebäude beschädigt hast.“, ergänzte Nemuri grinsend.

Schlagartig verfinsterte die Mimik der Blondine sich. „Halt bloß die Klappe! Das war keine Absicht!“

Das die entstandenen Schäden nur ein Versehen waren, hatte die junge Frau ihrer Versicherung auch klarzumachen versucht, doch einmal mehr war man dort nicht all zu begeistert über den zu zahlenden Sachschaden gewesen. Ein Glück, dass die umstehenden Schaulustigen die kleine Panne größtenteils übersehen hatten...
 

Schließlich fiel der Blick der Blondine auf den Stapel Klausuren, welchen die Ältere bei sich trug.

„Musst du die heute Abend alle noch korrigieren?“, wollte sie wissen.

Kaum an die anstehende Arbeit erinnert, seufzte Nemuri. „So sieht es wohl aus. Ich war gerade auf dem Weg zur Lehrerbibliothek, um die Klausuren in Angriff zu nehmen.“

„Nimmst du mich mit? Das klingt nach einem guten Ort, um schon einmal einen Blick in die Unterlagen, die ihr mir da aufs Auge gedrückt habt, zu riskieren.“

Etwas überrascht war Nemuri über die Frage der Jüngeren durchaus, doch sie nickte und deutete Yu an, ihr zu folgen.

Gemeinsam machten die beiden Frauen sich auf den Weg zur Bibliothek.

Während sie einen der endlosen Flure entlangliefen, musterte die UA Lehrerin die Profiheldin aus dem Augenwinkel.

Immer wieder sah sie die Taxifahrt von letzter Woche vor ihrem inneren Auge. So war es ihr bereits die gesamte letzte Woche gegangen, doch Yus Anwesenheit machte es nicht gerade besser.

Der Kleineren erging es ganz ähnlich, doch hatten beide es bisher vermieden, das Thema anzusprechen.
 

Schließlich hatten sie den Zielort erreicht. Zwar war der Raum an sich groß, für eine Bibliothek war das Zimmer dann jedoch wieder recht überschaubar.

Einige Tische und Sitzbänke befanden sich direkt vor den Fenstern, während der restliche Raum mit Reihen von Bücherregalen gespickt war. Ein leicht muffiger Geruch nach Büchern und Teppichboden lag in der Luft.

Midnight ließ den Stapel an Klausuren auf einen der Tische fallen und setzte sich auf die Bank davor.

Die Blondine nahm schräg gegenüber von ihr am Tisch Platz, legte die Unterlagen vor sich und sah sich um.

„Die UA hat für die Lehrer also eine eigene Bibliothek?“ Das war mehr eine Feststellung als eine Frage. „Hier scheint es ja einiges an Material zu geben, aber schaut ihr tatsächlich regelmäßig in die Bücher?“ Während sie sprach, schlug Mt. Lady die Mappe mit den Unterlagen auf und fischte einen Zettel daraus hervor.

„Ja, natürlich schauen wir Lehrer ab und an in die Bücher.“, bestätigte Nemuri, stand von ihrem Platz auf und lief zu einem der Bücherregale, wo sie begann nach etwas zu suchen.

Nun doch interessiert blickte die Blondine sie an, legte die ungelesenen Unterlagen zurück auf den Tisch und stand ebenfalls auf, den Weg zu den Bücherregalen einschlagend.

„Du ähm...brauchst ein Lehrbuch um die Klausuren zu korrigieren?“, schlussfolgerte sie und grinste. „Solltest du als Lehrerin deinen Unterrichtsstoff nicht auch so beherrschen?“

Die Ältere warf der Heldin einen Blick zu und verdrehte die Augen. „Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass ich einfach nur den Unterricht für morgen vorbereiten muss? Hier in den Büchern finden sich hunderte von Übungsaufgaben und Arbeitsaufträgen, die einem das Leben deutlich leichter machen.“

Yu hatte sich inzwischen neben Nemuri gestellt und ließ ihren Blick über die Buchrücken wandern.

„Wenn es hauptsächlich um Übungsaufgaben geht, sind das meiner Meinung nach ganz schön viele Bücher.“

„Der Unterrichtsstoff ist ja auch ziemlich vielfältig.“

„Ach komm schon, wir sind beide Profis. Natürlich gehört schon etwas zu unserem Beruf dazu, aber so viele verschiedene Unterrichtsthemen? Irgendwann wiederholt sich doch alles.“

Herausfordernd und skeptisch zugleich musterte die UA Lehrerin die Jüngere. „Willst du damit sagen, du wärst in der Lage jede Aufgabe, die man dir stellt, mit Bravour zu lösen?“

„So schwer kann das für einen Profi nicht sein. Sind immerhin nur Schulaufgaben.“, ging die Blondine auf die Herausforderung ein.

„Na schön, das probieren wir doch gleich mal aus.“

Kaum ausgesprochen, legte sich ein Schatten über die Mimik der Lehrerin, der die Blondine nichts Gutes ahnend zu der Größeren sehen ließ.

Ein Arm der Dunkelhaarigen schnellte nach vorn und kesselte die Heldin zwischen ihr und dem Bücherregal ein, während sie mit der freien Hand eins der Bücher aus dem Regal griff, ohne genau darauf zu achten, welchen Titel sie da eigentlich erwischt hatte.

Ein fast schon sadistisches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als Nemuri feststellte: „Da das hier ja 'nur' Schulaufgaben sind und ein Profi die Fragen mit Leichtigkeit beantworten können sollte, erhöhen wir den Einsatz doch ein wenig. „Pro falscher Antwort eine kleine Strafe?“

Entgeistert starrte die Blondine ihr Gegenüber an, überrascht über sich selbst, da sie sich unsicher war, ob sie den Gesichtsausdruck der Älteren nun beunruhigend oder fast schon wieder anziehend finden sollte.

Dann fiel ihr Blick auf den Buchrücken des Buches, aus welchem die UA Lehrerin gedachte ihr Aufgaben zu stellen.

Yu verzog das Gesicht, schnappte sich das Buch und drehte es so um, dass auch Nemuri den Titel lesen konnte.

„Du bist wohl verrückt!“, stellte sie fest. „Kernphysik für Fortgeschrittene - ich bezweifle ernsthaft, dass DAS ein Schulbuch ist.“ Das konnte nur ins Auge gehen.

„Kernphysik?“ Nun war es auch Midnight irritiert zu blinzeln. Sie hatte bis eben nicht einmal gewusst, dass es solche Bücher in der Lehrerbibliothek gab.

Yu, die immer noch zwischen der anderen Heldin und dem Bücherregal eingekesselt war, konnte in ihrer aktuellen Position nicht anders, als zu der Größeren hochzusehen, wenn sie ihr direkt ins Gesicht sehen wollte.

„Wie wäre es, wenn ich stattdessen dir ein paar Aufgaben aus diesem Buch stelle? Als Lehrerin solltest du den Stoff aus den Büchern dieser Bibliothek eigentlich können.“ Sie grinste schadenfroh. „Und falls nicht, bin wohl kaum ich diejenige, die eine Strafe verdient hat.“

Obwohl ihr die Nähe zu ihrem Gegenüber alles andere als unangenehm war, tauchte die Profiheldin flink unter dem Arm der Anderen hindurch und endschwand mit zwei Schritten in die Freiheit, ehe sie sich wieder zu der Dunkelhaarigen umdrehte.

„Ach weißt du, einigen wir uns einfach darauf, dass wir unsere Zeit nicht mit so etwas verschwenden sollten, sondern lieber die Unterlagen in Angriff nehmen, wegen denen wir ursprünglich hergekommen sind.“, lenkte Nemuri schließlich mit einem schiefen Grinsen ein.
 

Als die beiden Frauen wieder am Tisch saßen, blätterte Yu durch die Unterlagen, die die UA ihr ausgehändigt hatte und in denen die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Profihelden und Schule noch einmal etwas genauer aufgeführt worden war.

Erst die To-Do Liste des letzten Praktikanten, dann die Mitarbeit im Trainingscamp und jetzt das! Für die Helden von Morgen konnte ein solches Konzept nur von Vorteil sein, für die Profis hingegen bedeuteten die Neuerungen vor allen Dingen eins - Arbeit! Das war ein Punkt, der der Blondine ganz und gar nicht gefiel.

Ein ziemliches Gesicht ziehend, blickte sie auf, um der UA Lehrerin gegenüber zu äußern, dass sie die angedachten Maßnahmen als vollkommen übertrieben ansah, doch dann stutzte sie.

Hatte Yu eben eigentlich noch etwas sagen wollen, zog sie es nun vor zu schweigen und musterte von ihrem Platz aus Nemuri, welche damit begonnen hatte, die Klausuren zu korrigieren.

Ein Schmunzeln stahl sich auf die Lippen der Blondine.

Der Anblick war wirklich göttlich. Man konnte der Lehrerin im Gesicht ansehen, was sie von der jeweils vor ihr liegenden Klausur hielt. Handelte es sich um Fragen, welche größtenteils richtig beantwortet waren und dem Schüler eine hohe Punktzahl einbrachten, war unübersehbar, dass die Dunkelhaarige sich für eben jenen Schüler ehrlich freute, lag jedoch eine Klausur vor ihr, welche miserabel war, verdunkelten sich ihre Gesichtszüge und sie sah aus, als hätte sie nicht übel Lust, den Schüler eigenhändig zu erwürgen.

Eine Weile lang betrachtete die Blondine fasziniert die lebhafte Mimik der Älteren, schließlich hielt sie es auf ihrem Platz nicht mehr aus, legte die eigenen Unterlagen bei Seite und stand auf.

Sie umrundete den Tisch und blieb neben der Dunkelhaarigen stehen, um selbst einen Blick auf die Klausuren werfen zu können.

„Zeig doch mal her, womit die Schüler sich herumplagen mussten. Dein Gesichtsausdruck spricht Bände.“, amüsierte sie sich.
 

Auf ihre Worte hin, wandte sich Midnight halb überrascht der anderen Heldin zu. Interessierte Mt. Lady sich wirklich für den Inhalt der Klausuren? Der Gedanke schien ihr absurd und doch hatte die Jüngere sich neben sie gestellt, sich halb über den Tisch gebeugt und spähte von ihrem Platz aus auf eins der Schriftstücke.

Doch es war nicht die Tatsache, dass die Blondine sich mal für etwas, was mit der Schule zu tun hatte, interessierte, es war viel mehr die plötzliche Nähe zu ihr, die die UA Lehrerin ein wenig aus dem Konzept brachte.

Es war das gleiche Gefühl wie neulich im Taxi, als die Profiheldin an ihre Schulter gelehnt eingeschlafen war. Egal, wie sehr die beiden sich manchmal stritten und was für ein Ego Yu auch besitzen mochte, sie hatte etwas an sich, was die Dunkelhaarige anzog wie ein Magnet, auch wenn sie dies vor anderen nie zugeben würde. Die letzten Begegnungen der beiden hatten es nicht unbedingt besser gemacht.

Da Nemuri keine sehr scheue Person war, gab sie ohne lange zu zögern dem aufkommenden Impuls nach, die Jüngere mit einem Arm zu sich zu ziehen.

Durch diese Aktion aus dem Gleichgewicht gebracht, fand die Blondine sich im nächsten Moment seitlich auf dem Schoß der anderen Frau sitzend wieder.

„Huh? Was zum?“ Fragend und mit einem zarten Rosaschimmer auf den Wangen, wandte Yu sich Nemuri zu, die nicht weiter darauf einging, sondern lediglich gemütlich die Arme um die Blondine legte und in Richtung der Klausuren nickte.

„Wenn du dir einen zweiten Rotstift schnappst und mithilfst, sind wir hier schneller fertig.“, scherzte sie.

Einen Moment lang starrte Yu sie noch entgeistert an, dann klaubte sie eins der Schriftstücke vom Tisch auf und lehnte sich an die Ältere.

Damit, dass diese sie ohne jede Vorwarnung auf ihren Schoß verfrachten würde, hatte sie zwar nicht gerechnet, doch fühlte sie sich alles andere als unwohl in ihrer aktuellen Situation.

„Ich fürchte, entweder würde ich deine Schüler zu streng oder zu wohlwollend bewerten, wobei ich letzteres für unwahrscheinlich halte.“, scherzte sie und begann damit die Klausur zu überfliegen.

„...was hat dein Schüler bitte für eine Sauklaue?“

„Oh, die Schrift ist doch noch harmlos.“, amüsierte Nemuri sich und lachte leise. Sie genoss die aktuelle Situation ebenso wie die Blondine.

Für einen Moment herrschte Schweigen.

Während die Profiheldin so tat, als würde sie tatsächlich die Klausur ansehen, hatte Nemuri das Kinn auf Yus Schulter gelehnt und hatte sich der nächsten, auf dem Tisch liegenden Klausur gewidmet, die sie korrigieren wollte, doch beide hatten sie das gleiche Problem, denn konzentrieren konnte sich keine von beiden.

So ungewohnt die Nähe zu der Blondine auch war, die UA Lehrerin genoss es, die zierliche Heldin im Arm zu halten, während Yu scheinbar nichts dagegen hatte, wäre sie doch sonst schon längst wieder aufgesprungen, oder hätte lautstark protestiert. Doch nichts dergleichen geschah. Eine Tatsache, die Midnight überraschte.

So leicht, wie die beiden Heldinnen sich ständig stritten, hätte sie nicht damit gerechnet, dass die Blondine mit dem berghohen Ego sich wohl in ihrer Nähe fühlen könnte - nun, zumindest hatte sie dies bis vor etwa einer Woche für unmöglich gehalten. Die Tatsache, dass ihre Quirk neulich im Taxi so spielend leicht gewirkt hatte und dann noch die Art und Weise, wie die Jüngere sich an diesem Abend verabschiedet hatte, hatten ihr natürlich zu denken gegeben.

Da Nemuri sich, Yu auf ihrem Schoß sitzend, nicht auf die Klausuren vor ihnen konzentrieren konnte und eine blonde Strähne sie unentwegt an der Wange kitzelte, gab sie es schließlich auf, die Schriftstücke heute noch zu korrigieren.

Sie hob den Blick und sah geradewegs zu der anderen Heldin. Durch deren Maske konnte sie ihre Augenpartie nicht so gut erkennen, doch befand sie, dass die Blondine heute einen ausgeruhteren Eindruck machte als neulich noch.

„Was machen eigentlich deine Schlafstörungen?“, sprach Nemuri schließlich das Thema an, über welches sie sich die ganze Woche schon immer wieder den Kopf zerbrochen hatte und welches sie heute bisher noch nicht hatte anschneiden können.

Yu, die mehr alibimäßig so getan hatte, als würde sie die Klausur ansehen, als dass sie diese wirklich durchgelesen hatte, legte die Papiere wieder auf den Tisch zurück und drehte sich ein wenig, sodass sie ihre Gesprächspartnerin besser ansehen konnte.

„Sie sind noch nicht ganz verschwunden, aber schon deutlich besser geworden.“, berichtete sie. „Ich komme mit viel weniger Kaffee über den Tag und was die Schlaftabletten betrifft, reicht eine Tablette pro Nacht auch wieder aus.“

Das klang zwar besser als neulich, doch die Antwort war nicht ganz so ausgefallen, wie die Dunkelhaarige es sich erhofft hatte.

„Aber verschwunden ist dein Problem dadurch nicht. Eine Tablette pro Nacht ist immer noch eine Tablette zu fiel.“, befand sie.

Yu zuckte mit den Schultern. „Ich bin ja schon froh, dass es überhaupt besser geworden ist.“

„Wenn der Versuch neulich zumindest ein wenig Linderung verschafft hat, sollte man die Aktion wiederholen.“

„Ach ja? Wolltest du in den nächsten Tagen in meinem Büro vorbeischauen und versuchen, ob deine Fähigkeiten mich noch einmal einschlafen lassen?“

Noch ehe Midnight etwas darauf antworten konnte, wurde die Aufmerksamkeit der beiden Frauen nach draußen gelenkt, als ein Blitz für den Bruchteil einer Sekunde die Dunkelheit verdrängte und die Umgebung in ein gleißendes Licht tauchte, ehe ein ohrenbetäubender Donner folgte.

Regentropfen prasselten unerbittlich an die Fensterscheibe.

Yu zog ein Gesicht. „Gewitter? Schon wieder? Warum wird das Wetter jedes Mal unterirdisch, wenn ich dir begegne?“

„Na, das fragst du besser irgendeine höhere Macht.“, kam es amüsiert von Nemuri, ehe sich ein schwer zu deutendes Schmunzeln auf ihre Lippen legte und sie sich zum rechten Ohr der Blondine herüberbeugte.

„Glaubst du, dass ich dich mit meinen Fähigkeiten nochmal so leicht einschlafen lassen kann, wie neulich im Taxi? Ich meine, dass meine Quirk so gut auf dich gewirkt hat, war wirklich bezeichnend.“

Die Blondine war sich nicht ganz sicher, auf welcher Ebene sie diese Frage nun auffassen sollte.

Fragte die Ältere sich lediglich, ob ihre Fähigkeiten noch einmal Wirkung zeigen würden, oder spielte sie gerade viel mehr darauf an, dass ihre Quirk normalerweise wesentlich besser auf Männer wirkte und es daher bezeichnend war, dass es ihr gelungen war, die jüngere Heldin fast augenblicklich damit auszuschalten.

Einige Herzschläge lang starrte Yu Nemuri einfach nur an, da das Thema ihrer Meinung nach in eine nicht ganz unverfängliche Richtung ging. Außerdem vermutete sie, dass die Ältere sich durchaus bereits ihren Teil dachte und sich nun viel mehr einen Spaß daraus machte, sie zu necken.

„Stell dir mal vor, wir könnten unsere Quirks tauschen. Würde es mir dann gelingen dich einschlafen zu lassen?“, konterte die Blondine lieber mit einer Gegenfrage.

Einen Moment dachte die Ältere darüber nach, ehe sie zu einer Antwort ansetzte: "Du weißt genau, dass das nicht möglich ist, also muss ich mir darüber auch nicht den Kopf zerbrechen.“

„Es ist ja auch nur ein Gedankenspiel.“, beharrte die Profiheldin, die ihr Gegenüber so schnell nicht wieder vom Haken lasse wollte. „Also, könnte ich, oder nicht?“

Herausfordernd grinsend schob die Kleinere das Kinn der UA Lehrerin mit einem Finger etwas hoch.

Anstatt sich aus dem Konzept bringen zu lassen, schmunzelte die Ältere ebenfalls.

„Du müsstest es probieren.“, stellte sie schließlich fest.

Die Blicke der beiden Heldinnen trafen sich. Anfangs noch herausfordernd, entfaltete der direkte Blickkontakt nach nur wenigen Augenblicken eine viel mehr magnetische Wirkung.

Yu lehnte sich im gleichen Moment nach vorne wie Nemuri. Sanft trafen ihre Lippen sich.

Die Blondine schaffte es für den Moment die Umgebung komplett auszublenden und genoss die Nähe zu der Älteren, sowie das warme Gefühl in der Magengegend.

Auch die UA Lehrerin genoss den Moment, ließ die Hände langsam über den Rücken der Jüngeren wandern und intensivierte den Kuss nach einigen Augenblicken.

So sehr die beiden Frauen sich teilweise auch streiten mochten, so eine gegenseitige Anziehungskraft übten sie ironischerweise auch aufeinander aus, bloß, dass sie dies normalerweise nicht gerade an die große Glocke hängten.

Über die Erkenntnis, dass es der jeweils Anderen ähnlich gehen musste, würde sich keine von beiden beschweren.

In diesem magischen Moment gefangen, sich dem Kuss voll und ganz hingebend, bemerkten sie erst, dass die Tür sich geöffnet und eine weitere Person den Raum betreten hatte, als besagte Person gegen das hölzerne Bücherregal neben sich klopfte, um auf sich aufmerksam zu machen.

„Ich darf daran erinnern, dass dieser Raum hier die Lehrerbibliothek ist.“, kam es mit monotoner Stimme von Aizawa, der mit einigem Papierkram beladen im Türrahmen stand.

Falls den Lehrer die Situation, in welche er geplatzt war, überrascht hatte, so ließ er sich dies zumindest nicht anmerken.

Während Yu augenblicklich wieder auf Abstand ging, aufsprang und mit Wangen, welche von Sekunde zu Sekunde röter wurden, zu dem UA Lehrer herumwirbelte, schien Nemuri sich kaum bis gar nicht von dem Besucher aus dem Konzept bringen zu lassen.

„Wie wäre es mal mit anklopfen?!“, pampte die peinlich berührte Blondine den Älteren an.

„An einer Tür, hinter der ein für jeden Lehrer zugänglicher Raum liegt?“, hakte Aizawa lediglich nach, nach wie vor mit monotoner Stimme und keine Miene verziehend.

„Ich bin überrascht, dass du um die Uhrzeit noch in der Bibliothek vorbeischaust.“, wandte Nemuri sich an ihren Kollegen. „Hast du auch noch so viel Arbeit zu erledigen?“

„Nein. Ich muss lediglich das Unterrichtsmaterial für Morgen zusammensuchen und kopieren.“, verneinte der Schwarzhaarige die Frage, schritt durch den Raum und begann in einem der Regale gezielt nach einem Buchtitel zu suchen.

„Wie auch immer, lass dich nicht stören.“ Auch Nemuri war von ihrem Platz aufgestanden, zwinkerte dem anderen Lehrer zu und griff nach dem Handgelenk der Blondine. „Wir sind dann auch schon wieder weg!“

Midnight hatte kein Problem damit, Yu, die in ihrer normalen Gestalt ein unübersehbares Stück kleiner als die Dunkelhaarige war, hinter sich herzuschleifen, zumal die Blondine ihr im ersten Moment reichlich überrumpelt hinterherstolperte.

„Los, komm mit, ich zeige dir die Schule!“, entschied Nemuri motiviert.

„Eh? Was interessiert mich die Schule?“, kam es verwirrt und mit äußerst überschaubarer Begeisterung von Mt. Lady.

Kopfschüttelnd blickte Aizawa seiner Kollegin und der jüngeren Profiheldin nach, als die beiden aus dem Raum verschwanden.

So unerwartet die Szene, in welche er da eben geplatzt war, auch gewesen sein mochte, hatte er den Blick fürs Wesentliche nicht verloren, in diesem Fall die zurückgelassenen Klausuren auf dem Tisch.

„Indem sie sie liegen lässt und vergisst, wird sie die Klausuren auch nicht schneller korrigieren.“

Schließlich wandte er sich wieder dem Bücherregal zu und zog wenig später bereits den gesuchten Buchtitel daraus hervor.
 

„Oh Gott, das war peinlich!“, murrte die Blondine, deren Gesichtsfarbe sich nur langsam wieder normalisierte, während sie sich von Nemuri durch die Schulflure schleifen ließ.

„Ach, das war halb so wild. Er wird schon nirgendwo rumerzählen, was er da gesehen hat.“ Unbeeindruckt zuckte die Dunkelhaarige mit den Schultern und fügte hinzu: "Und selbst wenn, was ist dabei?“

Yu bedachte sie mit einem skeptischen Blick. „Was dabei wäre? Der Tratsch würde sich wie im Lauffeuer erst in der Schule und dann in der ganzen Stadt verbreiten.“

Nemuri schloss einen weiteren Klassenraum auf und betrat diesen.

„Ja, vielleicht. Dann würden sich die Leute eben ein paar Tage lang das Maul zerreißen und danach würde es niemanden mehr interessieren. Außerdem dachte ich, du genießt die Aufmerksamkeit der Medien?“ Sie grinste die Kleinere an. „Ach ja, das hier ist übrigens der Klassenraum der 1b.“

„Ich habe nichts dagegen, die Medien wissen zu lassen, wenn ich einmal mehr einem Schurken erfolgreich das Handwerk gelegt habe, aber Privates würde ich lieber für mich behalten.“

Flüchtig ließ die Profiheldin den Blick durch den verlassenen Klassenraum schleifen.

„Und vorher waren wir im Chemieraum und im Klassenraum der 2a. Wirklich, du musst mir die Schule nicht zeigen. Ich weiß wie Klassenräume aussehen und diese hier unterscheiden sich auch nicht sonderlich von den Klassenzimmern, die ich kenne.“

Zwar hatte die Blondine mit der Älteren die Flucht aus der Bibliothek ergriffen, doch auf eine Führung durch die Schule konnte sie auch ganz gut verzichten.

„Wenn du glaubst, dass die UA so aussieht, wie jede andere Schule auch, dann hast du die Trainingshalle noch nicht gesehen.“

Midnight schloss den Klassenraum wieder ab und schlug den Weg in Richtung Treppe ein, welche ins Erdgeschoss führte.

Mt. Lady wirkte alles andere als motiviert, folgte ihr jedoch, was nicht zuletzt daran liegen mochte, dass sie so oder so zurück ins Erdgeschoss musste, wenn sie das Schulgebäude verlassen wollte.

Bereits während sie durchs Treppenhaus liefen und schließlich eine Art Pausenhalle durchquerten, bemerkte die junge Frau jedoch, dass dies nicht der Teil der Schule war, welchen sie vorhin ursprünglich betreten hatte, um die Unterlagen abzuholen.

„Wo sind wir denn hier gelandet? Der Eingang ist das zumindest nicht.“, murrte sie und blieb stehen, als auch Nemuri an einer Tür, welche nach draußen führte, inne hielt.

„Wir sind ja auch durch ein anderes Treppenhaus gelaufen. Wenn man das Gebäude auf dieser Seite verlässt, läuft man direkt auf die Trainingshalle zu.“

Yu riskierte einen Blick nach draußen. Folgte man dem schmalen Kopfsteinpflasterpfad, lief man in der Tat direkt auf eine riesige Halle zu. Von außen war nicht ersichtlich, dass die Schüler in diesem Gebäude trainieren konnten. Viel mehr hätte es sich auch um eine Messehalle, oder ähnliches, handeln können.

Regen prasselte unaufhörlich auf den Weg und die Rasenfläche, welche den Pfad säumte, herab. Hier und da hatten sich bereits Pfützen auf dem Kopfsteinpflaster gebildet.

Es regnete so heftig, dass die Tropfen, wenn sie die Glastür trafen, klangen wie kleine Geschosse.

Wieder zuckte ein Blitz am Himmel entlang.

„Hast du dir mal das Wetter angesehen? Du willst da jetzt nicht wirklich raus?“

„Ich wusste gar nicht, dass du aus Zucker bist.“, zog Nemuri die Jüngere auf.

Yu zog ein Gesicht. „Ich habe mir viel mehr Gedanken um dich gemacht. Alte Leute sind nicht mehr so schnell und wenn du dir da draußen eine Lungenentzündung holst, könnte das für ein in die Jahre gekommenes Immunsystem ein echtes Problem darstellen.“

Auf die Gesichtszüge der Dunkelhaarigen legte sich ein unheimlicher Schatten, als sie die andere Heldin fixierte.

„Ich würde dir raten, dass du so schnell rennst wie du kannst, weil ich nicht dafür garantieren kann, was ich mit dir anstelle, wenn ich dich in die Finger kriege...!“, zischte Nemuri.

Sie machte einen raschen Schritt auf die Blondine zu und griff noch ihr, doch die Jüngere spielte das Spielchen mit, schlüpfte geschickt unter dem Arm der Lehrerin hindurch und rannte hinaus in den Regen, Kurs auf die Trainingshalle nehmend.

„Versuchs ruhig, du kriegst mich doch sowieso nicht!“

Obwohl sie rannte, war die Heldin bereits nach wenigen Metern durchweicht. Bereits nach wenigen Schritten hatte sie gleich doppelte Motivation die Halle so schnell wie möglich zu erreichen.

Einerseits hatte sie nicht vor, sich von der Älteren, welche immer mehr Strecke gut machte, einholen zu lassen, anderseits wollte Yu so schnell wie möglich dem Regen entkommen.

Gerade, als sie die Tür zur Trainingshalle erreicht, nach der Türklinke gegriffen und diese heruntergedrückt hatte, hatte Nemuri, die ihr die ganze Zeit über bereits dicht auf den Fersen gewesen war, sie eingeholt.

Einerseits gelang es der Dunkelhaarigen so schnell nicht mehr anzuhalten, andererseits wollte sie die andere Heldin von einer weiteren Flucht abhalten.

Sie prallte gegen die kleinere Frau, die Tür zur Trainingshalle gab nach und beide Frauen taumelten ins Innere des Gebäudes.

„Wie war das noch gleich mit 'du kriegst mich nicht'?“, hakte Midnight schadenfroh nach, die Jüngere an beiden Handgelenken mit schraubstockartigem Griff fixierend.

„Ich wollte nicht herzlos sein und bin an der Tür stehen geblieben, falls es dir entgangen sein sollte.“, neckte Yu sie und blickte mit einem frechen Schmunzeln nach oben, da die UA Lehrerin sich ein Stück weit über sie gebeugt hatte.
 

Ein Bewegungsmelder sorgte dafür, dass in der Trainingshalle ganz automatisch das Licht anging, was Yu dazu veranlasste, sich erst einmal in dem Gebäude umzusehen, in welchem sie hier gelandet waren.

Sie stutzte. „Du meine Güte, DAS ist eure Trainingshalle? Was ist denn hier passiert? Sieht aus als wäre hier eine Bombe eingeschlagen.“

Hatte Midnight die Jüngere bis eben noch mit dem Blick fixiert, so blinzelte sie auf Mt. Ladys Worte hin irritiert und sah sich nun ebenfalls um. Weiterhin hielt sie die Blondine an den Handgelenken fest, hatte den Griff jedoch gelockert, sodass Yu ihre Arme wieder befreien konnte.

„Das ähm...gute Frage. Heute Morgen sah es hier noch nicht so aus.“, musste Nemuri ehrlicherweise zugeben.

Überall in der Trainingshalle befanden sich riesige Felsen und Betonblöcke. Zumindest war dies der Zustand der Halle gewesen, welchen sie in Erinnerung hatte.

Eine Klasse musste in der Zwischenzeit noch einmal hier trainiert haben, denn viele der Felsbrocken waren gespalten oder zertrümmert, während von dem Beton nur noch Schutt, oder zerbrochene Trümmerteile übrig waren.

In der Mitte der Halle war der Boden verbrannt, Trümmer waren von diesem Punkt aus in alle Richtungen auf und davon geflogen.

Die Jüngere stakste einige Schritte weit durch die Trümmer, sehr darauf bedacht, nirgends hängenzubleiben, oder zu stolpern.

„Eins muss man den Schülern, die hier gewütet haben lassen, sie haben sich Mühe gegeben.“, stellte Yu lediglich fest, den Blick über das Chaos vor sich schweifend, ehe sie damit begann, sich fröstelnd über die Oberarme zu reiben.

Aus dem Regen entkommen waren Nemuri und sie zwar, doch die Trainingshalle schien leider keine Heizung zu besitzen, und falls doch, war diese gerade nicht eingeschaltet.

Die Blondine winkte die Ältere zu sich herüber, gab sich einen Ruck und lehnte sich schließlich ganz einfach mit dem Rücken an sie, in der Hoffnung sich ein wenig aufwärmen zu können.

„Das Schulgebäude bei dem Sauwetter zu verlassen, war eine dumme Idee.“, schmollte Yu. „Wir hätten lieber warten sollen, bis der Regen nachgelassen hat. Jetzt bin ich patschnass und muss in dem Zustand noch durch die Stadt.“

Die Dunkelhaarige blickte auf den blonden Schopf der kleineren Heldin herab, welche scheinbar beschlossen hatte, sie als eine Art Heizkörper umzufunktionieren.

Das die Aussage der Profiheldin einen leicht zickigen Unterton hatte, überraschte Midnight in keinster Weise. Der Schmollmund, den die Jüngere zog, ließen sie das dem Regen geschuldete Missfallen in Yus Stimme jedoch fast schon wieder überhören.

Was die UA Lehrerin jedoch wesentlich mehr überraschte, als der Fakt, dass sie sich insgeheim einmal mehr nicht an der Blondine in ihren Armen sattsehen konnte, war die Tatsache, dass diese erneut ganz direkt ihre Nähe gesucht hatte, selbstbewusst und ohne jede Scheu.

„Ich glaube nicht, dass es so schnell wieder aufhören wird zu regnen. Warum bleibst du nicht ganz einfach heute Nacht hier?“, schlug Nemuri Yu vor, zugegebenermaßen nicht ohne Hintergedanken, hatte sie doch nicht vor, die Blondine, deren vom Regen durchweichtes Heldenkostüm wie eine zweite Haut an ihr klebte, so schnell wieder gehen zu lassen. Umgänglich und anschmiegsam, wie die Jüngere sich heute gab, fielen der Dunkelhaarigen spontan einige Vorzüge ein, die es mit sich bringen würde, die andere Profiheldin zum Bleiben zu bewegen.

Die Blondine drehte sich in der Umarmung, sodass sie sich nun frontal gegenüberstanden und sie nur noch den Blick heben musste, wenn sie ihr Gegenüber direkt ansehen wollte.

Yu warf der Älteren einen zweifelnden Blick zu. „Hier in der Schule? Meinst du in einem der Klassenräume? Vergiss es. Die Holzstühle in den Klassen sehen zum einen unbequem aus, zum anderen hole ich mir noch den Tod, wenn ich mich nicht umziehe.“

„In einem der Klassenzimmer?“ Die Lehrerin blinzelte. „Ich hatte jetzt eher daran gedacht, dich mit zu mir ins Lehrerwohnheim zu nehmen.“

„Ins Lehrerwohnheim?“, wiederholte die Blondine und dachte einen Augenblick über das Angebot nach. „Wie kann ich mir das Lehrerwohnheim vorstellen? Habt ihr jeweils eure eigenen Wohnungen in dem Gebäude, oder lebt ihr in einer großen WG?“ Möglich war schließlich alles, erst recht an dieser Schule.

„Jeder bewohnt dort ein eigenes, kleines Appartement.“, beantwortete Nemuri amüsiert die Frage der anderen Heldin. „Warum willst du das überhaupt wissen? Wolltest du sicher gehen, mit mir allein zu sein?“, scherzte sie und musste den anzüglichen Tonfall in ihrer Stimme dabei noch nicht einmal spielen.

„Das hast du jetzt behauptet.“, stellte Yu mit möglichst neutraler Stimme fest. "Ich könnte mir natürlich auch ein Taxi rufen und mich nachhause fahren lassen.“ Sie tat so, als würde sie ernsthaft über diese Möglichkeit nachdenken.

„Damit die Morgen krank bist, wenn du nicht bald aus den nassen Klamotten raus bist?“, hakte die Ältere nach.

„Deinen Worten entnehme ich, dass es dir lieber wäre, wenn ich hierbleibe.“, schlussfolgerte die Blondine, die dem Angebot ihres Gegenübers einen gewissen Eigennutz unterstellte.

Sie rang mit sich. Einerseits war da diese innere Stimme, die ihr zuflüsterte, dass sie nichts lieber tun würde als heute bei Nemuri zu übernachten, andererseits wollte sie dies nicht so direkt zugeben.

„Warum überzeugst du mich nicht ganz einfach davon, dass es die bessere Idee ist, mich heute Nacht ebenfalls im Lehrerwohnheim einzuquartieren?“ Die Blondine bedachte ihr Gegenüber mit einem herausfordernden Blick und schmunzelte.

„Ich soll dich überzeugen?“ Überrascht über diese Aufforderung blinzelte Nemuri. „Du willst davon überzeugt werden, dieses überaus nette Angebot anzunehmen und dir eine Erkältung zu ersparen?“, hakte sie nach, um einen möglichst harmlosen Gesichtsausdruck bemüht.

„Ich sehe dir die Hintergedanken an der Nasenspitze an.“, stellte Yu ungerührt fest.

„Hintergedanken? Ich weiß nicht wovon du sprichst.“, mimte die Ältere weiterhin die Unschuldige. „Dir bleibt es erspart durch den Regen zu müssen, dir dabei den Tod zu holen und zudem würde es sich anbieten, wenn du bleibst, um noch einmal etwas gegen deine Schlafstörungen zu unternehmen...“

Mit einem Finger piekte die Blondine ihr Gegenüber geradewegs gegen das Schlüsselbein.

„HA! Jetzt fängst du ja doch an, eine Liste an Vorteilen für mich aufzulisten!“, triumphierte sie.

Die UA Lehrerin behielt ihren unschuldigen Gesichtsausdruck noch für einen Moment bei, ehe sie einknickte und sich nun auch auf ihre Lippen ein Grinsen stahl.

„Na gut, zugegeben, wären das nicht die einzigen Vorteile.“, räumte sie schließlich ein. „Das ein oder andere würde mir durchaus noch einfallen, anhänglich wie du heute bist.“

„Anhänglich? Ich? Du hältst mich im Arm und nicht umgekehrt.“, korrigierte Yu gespielt empört.

„Weil du zur Frostbeule mutiert bist und mich darum gebeten hast.“, konterte die Dunkelhaarige.

„Erst nachdem du mich durch den Regen gescheucht hast.“, beharrte die blonde Profiheldin.

Die beiden ungleichen Frauen blickten sich an, schwiegen für einen Moment und mussten schließlich lachen.

Es war durchaus interessant zu sehen, dass sie seit dem Trainingscamp gelernt hatten sich zu necken, ohne dabei gleich anzufangen ernsthaft zu streiten. Und nicht nur das hatte das Trainingscamp ihnen verdeutlicht, sondern auch, dass sie bereits zuvor eine gewisse Sympathie füreinander gehegt hatten, ohne dies je zugegeben zu haben.

„Mh, wie wäre es mit so etwas wie einem kleinen Vorgeschmack auf die weiteren Vorteile, an die du noch so gedacht hast?“ Mit einer gewissen Herausforderung im Blick, sah Yu die Ältere an.

„Einen Vorgeschmack? Den kannst du haben.“, stimmte Midnight ohne jedes Zögern zu, ehe sie sich über die Lippen leckte und ein leichter Schatten sich über ihren Blick legte.

Die ältere Heldin beugte sich zu der Blondine vor sich herab und versiegelte ihre Lippen mit einem Kuss, welchen sie recht bald intensivierte. Auffordernd fuhr sie Yu mit der Zunge über die Lippen, welche darauf einging, die Arme um Nemuris Hals schlang, sie ein Stück weiter zu sich herunter zog und sich noch etwas enger an sie schmiegte.

Ein Rumpeln am Eingang der Trainingshalle ließ die Blondine aufhorchen.

Sie brachte reflexartig etwas mehr Abstand zwischen sich und die UA Lehrerin, musste sich im ersten Moment jedoch dazu zwingen, sich zurück ins Hier und Jetzt zu blinzeln.

Was war das eben bitte für ein Geräusch gewesen? Hatte sich jetzt etwa der nächste Lehrer oder Schüler zu ihnen verirrt? Nicht schon wieder!

Doch anstelle einer Person, entdeckte sie eine Art Roboter, welcher an eine übergroße, fahrende Dose mit Beleuchtung erinnerte.

„Was bitte ist das, Nemuri?“, wollte Yu irritiert wissen und deutete auf das merkwürdige Ding, welches da gerade in die Halle gefahren war und sich zwischen einigen Trümmerteilen festgefahren hatte. Abgelenkt durch den seltsamen Roboter, war Yu gar nicht aufgefallen, dass sie die andere Heldin mit deren Vornamen angesprochen hatte, welcher ihr wie selbstverständlich über die Lippen gegangen war.

„Das?“ Die Ältere musterte den Roboter kurz, frustriert darüber, dass der Haufen Elektroschrott unbedingt jetzt hatte auftauchen müssen. „Das ist eine Art fahrende Überwachungskamera, welche auch nachts die Sicherheit an der Schule garantiert.“

Die Blondine blickte sie entgeistert an.

„Die Kamera reagiert auf Bewegungen und überträgt die Bilder direkt an den Sicherheitsdienst. Wenn du dich gerade schon so sehr an meinem Kollegen gestört hast, sollten wir vielleicht hier raus, so lange der Roboter sich in dem Trümmerhaufen da vorne festgefahren hat.“

„Ihr habt echt ganz schön kranke Erfindungen an dieser Schule!“, stellte Yu entschieden fest und schob Nemuri einige Schritte vor sich her, ehe die Dunkelhaarige wieder die Führung übernahm und hinaus in den Regen lief.

Da der Roboter sich zwischen zwei Steinen festgefressen hatte, gelang es den beiden Frauen, ungesehen an der Kamera vorbeizuschlüpfen.

Auch die Blondine trat hinaus in den Regen, fluchte als die kalten Wassertropfen gnadenlos auf sie niederprasselten und beeilte sich lieber Nemuri zu folgen, hatte diese doch bereits den Weg in Richtung eines anderen Gebäudes eingeschlagen. Höchst vermutlich handelte es sich dabei um besagtes Lehrerwohnheim, vermutete die Profiheldin.

Ein flatterndes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, als sie sich vor Augen führte, was es bedeutete, wenn sie der Älteren jetzt in deren Appartement folgte, doch sie schob es bei Seite, denn ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es okay war.
 

Heilfroh darüber, den Regen endlich aussperren zu können, schloss die Blondine die Haustür hinter ihnen und folgte der Älteren durch den Hausflur.

„Ganz schön dunkel hier. Wo ist der Lichtschalter?“ Mit dem Blick suchte sie bereits die Wände nach besagtem Schalter ab.

„Der ist direkt neben der Haustür.“, erklärte Nemuri, lief jedoch bereits weiter in Richtung Treppenflur. „Allerdings ist die Lampe kaputt und muss erst noch ausgetauscht werden.“

Yu verdrehte die Augen und fragte sich, ob irgendetwas auf dem Schulgelände wohl so funktionierte, wie es sollte.

Nachdem ihr Weg sie bis hoch in die zweite Etage geführt hatte, bog die UA Lehrerin schließlich in einen Flur ab.

Hatte Yu die Andere im dunklen Treppenflur nur schemenhaft wahrnehmen können, besserte sich ihre Sicht im Flur schlagartig wieder, verfügte dieser doch über funktionierende Beleuchtung.

Da auf dem Boden Teppich verlegt worden war, wurden die Schritte der beiden Frauen gedämpft. Hier und da war ein laufender Fernseher aus einem der Appartements zu hören, ansonsten lag der Flur ruhig und friedlich da.

Die Blondine musterte die andere Heldin, welche vor ihr den Flur entlangschritt. Ein weißes Heldenkostüm und Regen waren eine gewagte Kombination. Ob Midnight sich der Tatsache bewusst war, dass der Stoff ihres Heldenkostüms dank des Regenschauers einigermaßen durchsichtig geworden war?

Da Yu bereits ahnte, dass die Ältere sie damit aufziehen würde, sollte sie sich plötzlich herumdrehen und ihren Blick bemerken, begutachtete die Profiheldin lieber den Flur.

An sechs Türen waren sie bereits vorbeigelaufen, doch noch hatten sie nicht einmal die Hälfte des Flures erreicht.

Wenn das hier das Lehrerwohnheim war und sie sich auf der zweiten Etage befanden, war dann davon auszugehen, dass das ganze Gebäude aus einzelnen Wohneinheiten bestand? Das konnte doch eigentlich gar nicht sein, oder? Es handelte sich immerhin um ein ziemlich großes Haus und obwohl die UA keine kleine Schule war, bezweifelte Yu stark, dass hier so viele Lehrer angestellt waren. Nein, vermutlich gab es hier nicht nur Wohnungen, entschied sie.

„Uff!“ Dank der Grübelei darüber, ob das ganze riesige Gebäude nun aus Wohnungen für Lehrer bestand oder nicht, hatte die Blondine gar nicht mitbekommen, dass die andere Heldin vor einer Tür stehengeblieben war und war geradewegs gegen die Größere gerannt.

„Bist du jetzt stürmisch, oder einfach nur ungeschickt?“, neckte die Dunkelhaarige Yu und wandte sich der Kleineren amüsiert zu.

„Nichts dergleichen!“, beschwerte diese sich und fügte murrend ein :“Das ältere Herrschaften auch immer die nervige Angewohnheit haben müssen, ohne Vorwarnung mitten im Weg stehen zu bleiben.“, hinzu.

Im nächsten Moment fand die Jüngere sich bereits zwischen der Wohnungstür und einer sie warnend anfunkelnden Nemuri wieder.

„Bitte wie war das?!“, hakte die UA Lehrerin sogleich nach.

Anstatt sofort darauf zu reagieren, scannte Yu lieber erst einmal den Flur sowie die Decke mit dem Blick, ehe sie nachhakte :“Sind hier eigentlich auch irgendwo Überwachungskameras?“

Midnight blinzelte. „Eh? Nein, hier sind keine.“ Schon fixierte sie Yu wieder mit dem Blick, nicht gewillt sie nach dem Kommentar eben so leicht wieder vom Haken zu lassen. „Aber lenk nicht vom Thema ab. Was sagtest du da gerade, mein Alter betreffend?“ Die unterschwellige Drohung in Nemuris Stimme war nicht zu überhören.

Die Blondine ließ sich davon jedoch nicht aus dem Konzept bringen. „Was dein Alter betrifft, frage ich mich gerade, ob du jemandem wie mir denn überhaupt noch gerecht werden kannst.“, zog sie ihr Gegenüber auf, während ein freches Schmunzeln ihre Lippen zierte.

„So? Fragst du dich das? Ich freue mich wirklich schon darauf zu hören, wie du mich gleich um Gnade anflehen wirst.“ Bei ihren Worten kam ganz eindeutig die sadistische Ader der Lehrerin ans Tageslicht.

Während sie mit einer Hand das Kinn der Blondine fixierte und diese in einen Kuss verwickelte, schloss die Ältere mit der anderen Hand die Tür zu ihrem Appartement auf.

Als die Tür in ihrem Rücken sich öffnete, stolperte Yu einige Schritte rückwärts in das Appartement, während die Dunkelhaarige auch weiterhin nicht von ihr abließ.

Zwischen immer leidenschaftlicher werdenden Küssen und wandernden Händen, nuschelte die Blondine ihrem Gegenüber ein :“Kann es sein, dass ich hier geradewegs in 'Fifty Shades of UA' geraten bin?“, zu.

Als die ältere Heldin für einen kurzen Augenblick auf Abstand ging, wurde das Schmunzeln und der Schatten auf ihrem Gesicht breiter. „Nein, Süße. Fifty Shades of Midnight trifft es eher.“

Wie um ihre Aussage noch einmal zu unterstreichen, präsentierte sie der Blondine ein Paar Handschellen, welche dieser bis eben noch gar nicht aufgefallen waren. Langsam aber sicher erinnerte sie sich, dass Nemuris Heldenkostüm wohl als ein mehr als deutlicher Hinweis auf ihre Neigungen angesehen werden konnte.

„Heilige...! Wo hast du die denn so schnell her?“ Die Profiheldin blickte sie entgeistert an, doch anstelle einer Erklärung, verwickelte die Dunkelhaarige sie lediglich in einen neuen, intensiven Kuss und drängte sie weiter in das Appartement hinein.

Yu ging darauf ein, schlang ihre Arme um den Hals der Größeren und zog diese ein Stück weit zu sich herunter, wobei ihre Finger eher zufällig gegen den Reißverschluss des Heldenkostüms der Anderen stießen. Mit einem entschlossenen Ruck zog sie daran.
 

Die junge Frau wurde von dem höchst unmelodischen Tschilpen irgendeines Vogels geweckt, welcher es sich genau im Baum vor dem Fenster bequem gemacht haben musste.

Noch alles andere als wach, versuchte Yu den Vogel zu ignorieren, doch das Tier tschilpte so schief, dass an weiterschlafen nicht zu denken war.

Gähnend schlug sie schließlich die Augen auf, blinzelte und brauchte einen Moment um sich zu orientieren.

Die Sonne schien bereits durch das Fenster und tauchte das Appartement in ein freundliches, goldgelbes Licht. Die Sonne schien? War es denn schon so spät?

Im ersten Moment war die Blondine zu faul um aufzustehen, oder sich nach einer Uhr umzusehen.

Erst, als sie sich strecken wollte und ihr rechtes Handgelenk mit einem unerwarteten Ruck ausgebremst wurde, wurde sie schlagartig wacher.

Stirnrunzelnd riskierte Yu einen Blick auf ihr Handgelenk und stellte überrascht fest, dass dieses in einer Handschelle steckte, während die andere Seite der Handschelle am Kopfteil des Bettes befestigt worden war.

Was zum?! Sie konnte sich noch ganz genau daran erinnern, dass Midnight sie gestern Nacht irgendwann wieder von den Dingern befreit hatte.

Yu setzte sich im Bett auf, so gut es ging und sah sich kurz im Raum um.

Hatte die Ältere sich einen Scherz erlaubt? Leider nur konnte sie die Andere hier nirgendwo entdecken. Der Platz neben ihr im Bett war leer und bereits ausgekühlt, wie sie feststellte, als sie mit einer Hand über das Laken strich. Auch im restlichen Raum war niemand zu sehen.

„Nemuri!“, rief die Blondine nach der älteren Heldin, von der sie vermutete, dass sie vielleicht ins Bad gegangen war. „Komm schon, mach mich sofort los!“

Leider nur erhielt die Blondine keine Antwort. Einen Augenblick lang verharrte sie und lauschte, nur um festzustellen, dass es im Appartement absolut ruhig war.

Sie rückte ein wenig mehr in Richtung des Kopfteils, an welchem sie festgekettet worden war und zerrte erst an einer Seite, dann an der anderen Seite der Handschelle. Nichts.

„Das glaube ich jetzt nicht...“, murrte sie, warf der Handschelle einen vernichtenden Blick zu und sah sich erneut im Raum um, ehe ihr die Wanduhr ins Auge fiel.

Es war bereits 09:34 Uhr und es war Freitag. Das bedeutete dann doch, dass Nemuri bereits ihrem Beruf als Lehrerin nachging und höchst wahrscheinlich schon die Helden von Morgen unterrichtete, während sie hier mit ihrem Handgelenk am Bett festhing.

Fassungslos begann Yus Augenbraue zu zucken. Wenn das hier ein Scherz sein sollte, dann war er eindeutig nicht lustig!

Schließlich bemerkte sie einen zusammengefalteten Zettel auf dem Nachtschränkchen liegen, welchen sie trotz der Handschelle problemlos erreichen konnte.

Die Heldin streckte sich, wobei die Decke ein Stück weit herunterrutschte. Die Sonnenstrahlen, die nun auf ihre nackten Schultern und ihren Rücken schienen, waren angenehm warm.

Yu schnappte sich den Zettel vom Nachtschrank und entdeckte, kaum, dass sie das zusammengefaltete Stück Papier in der Hand hielt, einen kleinen Schlüssel, welcher sich die ganze Zeit über unter dem Papier befunden haben musste.

Zuerst einmal befreite sie mit Hilfe des Schlüssels ihr Handgelenk, dann stand sie auf und streckte sich. Bei dieser Aktion stellte die junge Frau fest, dass sie den Muskelkater ihres Lebens hatte.

„Gott, mir tut alles weh.“, gähnte sie.

Während sie barfuß durch das gemütlich eingerichtete Appartement tappte und den Zettel, welchen sie auf dem Nachtschränkchen gefunden hatte aufklappte, schweiften Yus Gedanken zurück zum vergangenen Abend und ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus.

„Ich werde sie nie, wirklich nie wieder alt nennen.“, schwor die Blondine sich mit einem abwesenden Lächeln auf den Lippen, ehe sie damit begann die handgeschriebenen Zeilen zu überfliegen.

»Ich konnte nicht widerstehen, tut mir leid. ;) Den Schlüssel für die Handschellen hast du aber inzwischen sicherlich entdeckt.

Ich habe es gestern, nachdem wir schließlich schlafen gegangen sind, mit meinen Fähigkeiten wohl etwas übertrieben, oder du hast im geschlossenen Raum einfach eine zu hohe Dosis davon eingeatmet, zumindest habe ich es heute Morgen einfach nicht geschafft dich zu wecken.

Ich musste schon los, meine Klasse mit neuen Unterrichtsthemen quälen, aber wenn du es um 10 Uhr in die Kantine schaffst, können wir zusammen frühstücken.

PS Du hast die Unterlagen gestern in der Bibliothek vergessen. Hol sie heute nach dem Unterricht bei mir ab.

Nemuri <3 «
 

Kopfschüttelnd legte Yu den Zettel auf dem Wohnzimmertisch ab und betrat das Badezimmer der Älteren, in welchem sie auch ihr Heldenkostüm wiederfand, welches die UA Lehrerin hier zwischengelagert haben musste.

Sie strich sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht und betrachtete einen Funkwecker, welche auf der Ablage im Badezimmer stand. Wenn sie sich beeilte, konnte sie es durchaus noch bis 10 Uhr in die Kantine schaffen.

Allerdings würde das Erscheinen einer bekannten Profiheldin, welche nicht an dieser Schule arbeitete, sicherlich Fragen aufwerfen. Viel zu viele Fragen, denen sie sich noch ungerne stellen wollte.

Erst einmal beschloss die junge Frau unter die Dusche steigen.

Während sie nach dem Duschkopf angelte, welcher eindeutig zuvor von einer deutlich größeren Person an der Armatur in der Dusche angebracht worden war, stellte Yu fest, wie ausgeschlafen sie sich eigentlich fühlte.

Endlich! Wie lange war sie nun nach dem unschönen Zwischenfall damals durchs Leben gewandelt wie ein Kaffeesüchtiger Zombie?

Seit langem konnte sie wieder erholt und ausgeschlafen in den Tag starten. Ob sie den Effekt, den die Quirk des Schurken damals erzielt hatte, nun endgültig los war, konnte sie zwar nicht genau sagen, doch machte sie sich diesbezüglich nun deutlich weniger Gedanken, wusste sie doch nun, dass Nemuris Quirk ihre Schlafstörungen effektiv beseitigen konnte.

Auf die Aussage, dass sie jederzeit wieder ein gern gesehener Gast bei der Älteren wäre, würde die Heldin definitiv zurückkommen, nicht nur wegen dem, was gestern zwischen ihnen passiert war, sondern viel mehr, weil ihr wirklich etwas an der Anderen lag.

Und da ging es wohl nicht nur ihr so.

Das abwesende Lächeln auf ihren Lippen wurde noch eine Spur breiter, als Yu sich an Nemuris Antwort, die sie ihr erst etwas verspätet gegeben hatte, erinnerte.

Als sie sich gestern Nacht bereits gemütlich an die Seite der Älteren gekuschelt hatte und deren Wärme genoss, während Nemuri mit einem Finger Kreise auf der Haut der Blondine zog, hatte die UA Lehrerin sich an die noch unbeantwortete Frage, die Yu ihr zuvor in der Bibliothek gestellt hatte, erinnert.

»Angenommen, wir würden wirklich spontan unsere Quirks tauschen, hast du dich doch gefragt, ob du mich mit meiner eigentlichen Fähigkeit ebenfalls zum einschlafen bringen könntest. Ich fürchte, du würdest mich damit in Narkose versetzen, Yu.«

Genau das hatte die Ältere ihr auf die noch offen stehende Frage geantwortet, ehe sie den Raum mit Hilfe ihrer Quirk in eine blassrosane Wolke gehüllt hatte, welche die Blondine, kaum dass sie einige Atemzüge getan hatte, in einen tiefen Schlaf versetzt hatte.

Yu schob die Erinnerungen an letzte Nacht zur Seite, als sie schließlich wieder in ihr Heldenkostüm schlüpfte und einen Blick auf die Uhr riskierte.

09:55 Uhr. Sie war sich immer noch unschlüssig, ob sie nun in der Kantine vorbeisehen sollte, oder nicht.

Doch ganz gleich, ob sie nun in die Kantine ging, oder aber erst einmal heim, ehe sie ihre Unterlagen heute Abend abholen würde, sie stand vor einem weiteren Problem, für welches sie noch keine Lösung gefunden hatte: Wie bitte sollte sie sich ungesehen durch die Schule bewegen, oder das Schulgelände verlassen, wo es hier vor Schülern und Lehrern um diese Uhrzeit inzwischen wohl nur so wimmelte?!

Sie seufzte. Das war nun wirklich ein Problem, allerdings war sie sich ziemlich sicher, dass einer Profiheldin wie ihr da schon etwas einfallen würde.



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