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Under Our Wings

von

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8. Böses Erwachen


 

„Mein Herz ist tief durchdrungen von Kummer und Wut. Wie konnten meine eigenen geliebten Eltern mich dazu auffordern meinen vertrauten Familiensitz zu verlassen? Warum sollten sie mich aussortieren wie einen gewöhnlichen Gegenstand?“* - (Kung Fu Panda 2, Mad Libs, Word Game Book, “The Exile Files, by Shen”)
 

* frei übersetzt
 


 

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Ai wachte am nächsten Tag als Erste auf. Sofort stieg sie aus dem Bett und schlich zu Shens Bettlager rüber. Zu ihrer Enttäuschung lag die neue Robe immer noch auf dem Stuhl im Esszimmer. Er hatte die neue Robe nicht angezogen. Sachte schob sie den Vorhang der Abstellkammer zur Seite. Shen lag auf dem Bauch und schlief. Seine kaputte weiße Robe hatte er einfach auf den Boden geschmissen und er lag jetzt wieder unbekleidet im Bett.

Mit einem lächelnden Kopfschütteln hob Ai das schmutzige Kleidungsstück vom Boden auf. In Augenblicken wie diesen kam er ihr immer noch vor wie ein Teenager. Die Pfauenhenne wollte ihn nicht wecken. Sie schob die Vorhänge leise wieder zu und ließ ihn schlafen.
 

Es herrschte nicht gerade die perfekteste Stimmung am Esstisch, als das Ehepaar ihr Mahl einnahm. Liang war ziemlich in sich gekehrt und redete heute nicht viel.

Ai drängte ihn nicht zu einem Gespräch, dennoch konnte sie eine Frage nicht zurückhalten.

„Denkst du, die werden nach uns suchen?“, fragte sie leise.

Der Pfau schaute nur kurz auf, dann seufzte er. „Ich befürchte, ja. Und es wäre nicht anders zu erwarten.“

Nachdenklich schaute Ai auf ihr Essen. „Und was sollen wir jetzt machen?“

Liang erhob sich. „Auf jeden Fall sollten wir uns erst mal ruhig verhalten.“ Er begab sich ans Fenster und spähte nach draußen. „Wegen Shen müssen wir sowieso jetzt vorsichtig sein. Wir verlassen das Haus jetzt nur noch im Ausnahmefall.“

Er drehte sich zu ihr um. „Reichen unsere Vorräte noch?“

Ai schaute in die Küche. „Für mehrere Tage bestimmt. Aber woher sollen wir wissen, wie lange sie sich in der Umgebung noch aufhalten?“

Liang senkte seinen Blick. „Ich weiß noch nicht, was wir in ferner Zukunft tun sollen. Wichtig ist, was wir an jedem Heute bewerkstelligen können.“ Er schwieg einen kurzen Moment. „Alles andere müssen wir abwarten.“

Ai nickte verständnisvoll und nippte an ihrem Tee.
 

Den Rest des Vormittags verbrachten die beiden Pfauenvögel still und wenig aktiv. Liang säuberte die Küche, während Ai Shens weiße Robe erneut wusch und die Risse vernähte. Sie war sich zwar nicht sicher, ob er es wieder anziehen würde, aber wenn, dann sollte es wenigstens halbwegs gepflegt aussehen. Nachdem sie damit fertig war, schüttelte sie es aus und betrachtete es nachdenklich. Es würde wohl noch lange dauern bis die Blutflecken verblassten. Seufzend faltete sie es zusammen und dachte nach, was sie als nächstes machen könnte. Liang war kurz ums Haus gegangen, um das Feuerholz kleinzuhacken.

Ais Blick wanderte zum Vorhang. Shen war immer noch nicht aufgestanden. Ob er Hunger hatte, aber es nicht sagen wollte?

Schließlich gab sich die Pfauenhenne einen Ruck. Sie wollte sich wenigstens nach seinem Wohlbefinden erkundigen. Sie könnte ihm ja auch eine Suppe warm machen, vielleicht regte das seinen Appetit an.

Im nächsten Moment kam Liang wieder durch die Tür. In den Flügeln hielt er ein paar kleingehauene Baumstämme.

„Du siehst immer noch müde aus“, meinte Ai besorgt.

Liang wich ihrem Blick aus. „Nur wegen gestern Abend.“

Er ging schnell an ihr vorbei und lud das Holz in der Küche neben dem Ofen ab. Ai folgte ihm.

„Du solltest dich trotzdem ausruhen“, riet sie ihm. „Wenigstens für ein Weilchen. Ich kann Shen in der Zwischenzeit was zu essen anbieten.“

Liang rieb sich übers Gesicht. „Meinetwegen. Er will mich wohl eh nicht sehen.“

Als er ins Schlafzimmer gehen wollte, hielt Ai ihm an der Schulter fest und sah ihn eindringlich an.

„Es war nicht deine Schuld gewesen“, beharrte sie.

Liang legte seinen Flügel auf ihren, doch er schob ihn weg und ging ins Bett. Traurig sah Ai ihm nach.
 

Die Suppe war schnell gemacht. Ai dekorierte nochmal alles mit frischen Kräutern. Sie war sich halbwegs sicher, dass Shen diesem unmöglich widerstehen konnte.

Mit der dampfenden Schüssel in den Flügeln verließ sie die Küche, stellte sie aber dennoch auf den Esszimmertisch ab, um zuerst nach Shen zu sehen.

Der weiße Pfau schlief tatsächlich immer noch. Er lag auf der rechten Seite und hatte sich tief in die Decke gehüllt.

„Shen?“, flüsterte sie. „Bist du wach?“

Sachte fasste sie ihn an der Schulter. Doch kaum hatte sie ihn berührt, zuckte Shen stark zusammen und begann zu zittern.

„Lass… mich…“ murmelte er dumpf.

Dieses Verhalten war Ai völlig neu.

„Shen, was ist los?“, fragte sie besorgt. Sie befühlte seinen Kopf. Fieber hatte er nicht, wie auch? Vögel konnten kein Fieber bekommen, aber er zitterte extrem.

„Shen, schau mich mal an.“

Sie versuchte ihn umzudrehen, doch der Pfau weigerte sich und stieß sie sogar weg.

„L-lass mich i-in Ruhe!“, stotterte er.

Ai gefiel das gar nicht. Schnell rannte sie zu ihrem Mann ins Schlafzimmer.

„Liang!“ Sie warf sich neben ihm aufs Bett und rüttelte ihn an der Schulter. „Irgendetwas stimmt nicht mit ihm!“

Sofort erhob sich der Pfau und folgte ihr zu Shens Bett. Shen, der die Worte seiner Eltern nur teilweise vernommen hatte, drehte sich auf den Rücken und zog die Decke höher.

„Lasst mich doch in Ruhe!“, rief er als er seinen Vater neben sich stehen sah.

„Jetzt sei doch nicht so unvernünftig“, tadelte Liang ihn und versuchte die Bettdecke zur Seite zu ziehen. Doch Shen warf sich auf die andere Seite. Er wollte ihn nicht näherkommen lassen. Doch Liang fiel noch was anderes auf. Shens Mundschleimhäute war ziemlich blass.

„Shen?“, fragte Liang im ernsten Tonfall. „Hast du Schmerzen?“

Shen schüttelte heftig den Kopf, doch er zitterte immer noch stark bei jeder Bewegung.

Liang verengte die Augen. „Shen, wenn du mich nicht nachsehen lässt, dann reiß ich dich aus dem Bett!“

Ai war etwas erschrocken über Liangs harte Worte, doch sie zeigten wenigstens Wirkung.

Shen schielte verbittert zu seinem Vater. „Ist mir doch auch egal…“

Er lockerte seinen Griff um die Decke, sodass der Pfauenvater sie hochheben konnte. Sofort fiel sein Blick auf die Verbände. Sie waren noch feucht und teilweise schmutzig vom ganzen Regenwasser.

Nachdem Liang die Bettdecke vollständig entfernt hatte, setzte er sich neben das improvisierte Bett und schob ein wenig den Verband am Bauch zur Seite. Was er da drunter sah, hatte er nie sehen wollen. Die Wunde war extrem gerötet und an einigen Stellen aufgegangen. Ai erkannte sofort, dass das nicht normal war und hielt sich geschockt die Flügel vor dem Schnabel. Liang untersuchte sofort die anderen Wunden, die teilweise auch etwas ungewöhnlich gerötet waren.

„E-es- zieh-t“, bibberte Shen, der immer noch ohne Decke im Bett lag. Zitternd drehte er sich auf die Seite. Er umarmte sich selber und zog sogar seine Beine an.

Liang stand sofort auf und legte Shen seine Decke wieder drüber. Dann schob er Ai hastig zur Seite. Die Pfauenhenne spürte die extreme Anspannung ihres Mannes. Beide sahen sich entgeistert an. Dann senkte Liang kurzfristig den Blick.

„Ich hol den Arzt“, sagte er schließlich mit fester Stimme.

„Nein!“ Shen richtete sich auf und packte seinen Vater protestierend am Hemd. „K-keinen Arzt, keinen Arzt mehr!“

Doch keiner von beiden achtete auf sein Betteln. Ihre Gedanken waren nur dabei, wie sie einen Arzt bekommen sollten.

„Du meinst „unseren“ Arzt?“, fragte Ai.

Liang nickte. „Genau den meine ich.“

Ai sah ihn zweifelnd an. „Hältst du es für klug ihn nach all den Jahren wieder ins Vertrauen zu ziehen? Er weiß bis heute nicht einmal, wo wir wohnen.“

„Einen anderen können wir nicht holen. Er kennt unsere Familie sehr gut.“ Sein Blick fiel auf seinen Sohn. „Und auch Shen.“

Ai griff mahnend nach seinem Flügel. „Shen hasst ihn, das weißt du.“

Liang hielt inne. Der große Wutausbruch von Shen war ihm immer noch tief in Erinnerung. Er hatte den Arzt aus dem Haus gejagt, und hätte ihn bestimmt noch umgebracht…

Der Pfau schüttelte den Kopf. „Eine andere Wahl haben wir auf die Schnelle jetzt nicht. Er ist sehr gut, ich kenne die anderen Ärzte nicht. Und wir wissen nicht, wer von ihnen den Mund halten wird, wenn er erfährt, dass Shen noch am Leben ist.“

Ai musste einsehen, dass es nicht anderes ging. „Na gut, aber was ist, wenn Xiao Dan dich erwischt?“

„Ich kann nicht anders“, wehrte Liang ab und warf ihr einen harten Blick zu. „Oder willst du, dass er stirbt?“

Darauf wusste Ai vor lauter Angst nicht mehr zu antworten, weshalb Liang nach einem langen Mantel griff und ihn sich überzog.

„K-kein A-arzt“, stieß Shen mühsam hervor und erhob sich in seinem Bett. „K-keinen Arzt!“

Liang verengte die Augen und ging zu seinem Sohn rüber. „Shen, du bist extrem schwach…“

Die Wut in Shens Augen darauf traf den Pfauenvater eiskalt.

„I-ich b-in nicht me-hr d-das k-kleine K-küken!“, fauchte der weiße Pfau. Seine Atmung hatte sich inzwischen beschleunigt. „I-ich bin stark!“

Liang versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben und atmete tief durch. „Shen, deine Wunden brauchen eine Behandlung…“

„D-dann lass mich doch sterben!“, schrie Shen ihn an. „W-wolltest d-du das nicht schon immer?“

Diese Worte fühlten sich für Liang so an, als würde man ihn über eine Kante in den Abgrund stoßen. Doch er beherrschte sich noch im letzten Moment nicht nochmal zusammenzubrechen. Dennoch konnte er die aufsteigenden Tränen in seinen Augen nicht zurückhalten, weshalb er sich schnell abwandte und zur Tür ging.

Ai begleitete ihn. „Pass auf dich auf“, mahnte sie ihn eindringlich.

Liang antwortete nichts. Stattdessen öffnete er die Tür, sah sich schnell um, dann verschwand er nach draußen. Besorgt sah Ai ihm nach. Der Himmel war zwar teilweise bewölkt, aber es war heller Tag. Ob er es überhaupt unentdeckt bis zum Arzt schaffte?

Die Pfauenhenne sah noch wie Liang im Wald verschwand, dann schloss sie schnell wieder die Tür. Ihr Blick wanderte zu Shen, der immer noch im Bett saß, mit gebeugtem Körper. Er konnte sich kaum noch oben halten.

Besorgt ging sie auf ihn zu. „Shen, leg dich hin. Du musst dich schonen...“

„I-ich bin nicht schwach!“, keifte der Pfau sie an.

Ai wusste einfach nicht, was sie noch machen sollte und hob ihre Flügel zu einer beruhigenden Geste. „Shen, dein Vater hatte es damals nicht so gemeint… Er hatte sich nur Sorgen um dich gemacht…“

Ihr blieb der Satz im Hals stecken, als Shen sich plötzlich aus dem Bett erhob und durch das Zimmer laufen wollte. „I-ich bin stark!“

Doch kaum hatte der geschwächte Pfau ein paar Schritte gemacht, fiel er taumelnd nach vorne und fiel auf den Boden.

„Shen!“ Sogleich eilte seine Mutter zu ihm und legte ihre Flügel auf seinen Oberkörper. „Shen! Bist du in Ordnung…?“

Doch der weiße Pfau schaffte es sich etwas zu heben und stieß sie zur Seite. „L-lass mich endlich i-in Ruhe! Ich k-komm a-lleine…“

Shen wollte aufstehen, doch dann schwankte er erneut und brach zusammen. Verzweifelt sah Ai zu wie ihr Sohn sich auf dem Boden krümmte. Er hatte so starke Schmerzen. Seiner Mutter stiegen die Tränen in die Augen. Zitternd beugte sie sich über ihn und hielt ihn an den Schultern. „Komm wieder ins Bett. Komm wieder ins Bett“, bat sie eindringlich.

Behutsam hob sie Shens Kopf. Zu ihrer Bestürzung musste sie feststellen, dass er ebenfalls nun Tränen in den Augen hatte. Ai sagte nichts dazu. Sachte hob sie den weißen Pfau und drückte ihn an sich. Egal ob draußen Warane lauerten oder Shen selber mit dem Tod rang, die Pfauenhenne war nur zu seinem entschlossen: Nichts und niemand auf der Welt würde ihr ihren Sohn wegnehmen.



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