Version 2 Elsa x Mario
„Wie, ihr habt euch immer noch nicht geküsst??“ Vor Entsetzen fällt Conny der Strohhalm aus dem Mund und nur mit knapper Not fängt sie die Flasche Limo auf, so dass sich ihr Inhalt nicht über den kleinen Cafe-Tisch ergießt, an dem sie mit Elsa sitzt.
Ihre Freundin hebt sogleich abwehrend die Hände und sieht sich peinlich berührt um. „Nicht so laut.“
Conny hält sich schnell die Hand vor den Mund. Aber dann muss sie doch grinsen. „Das darf doch nicht wahr sein. Wie lange datet ihr jetzt schon?“
Elsa ist die ganze Sache ziemlich peinlich. Sie meidet den Blick der langjährigen Freundin ihres Brudes und betrachtet stattdessen hochinteressiert die Fußbodenfliesen des Einkaufszentrums, in dem sich das kleine Café befindet.
„So… 6 Monate, wenn man mal den Kinobesuch damals als erstes Date nimmt.“ Bei den Worten ‚erstes Date’ hebt sie die Hände und zeichnet imaginäre Strichelchen in die Luft.
„Und seitdem habt ihr euch noch nicht… ?“ Mit Rücksicht auf die anderen Gäste des Cafes senkt Conny etwas die Stimme. Aber Elsa kann trotzdem erkennen, dass sie vor Neugier platzt. „Hat er es noch nicht einmal versucht?“
„Zählt auf die Stirn?“
„Nein!“
„Wange?“ versucht Elsa es weiter.
„Elsa...?“ Conny sieht sie gespielt streng an. „Nur Händchen halten macht aus euch beiden noch kein Paar. Da muss schon ein bisschen mehr her.“
Etwas geknickt sieht Elsa wieder zu Boden. Sie verstand sehr wohl was Conny meinte. Seit einem halben Jahr waren Mario und sie offiziell ein Paar. Das heißt, so sah ihre Umgebung das. Sie unternahmen viel miteinander, Elsa kam zu jedem Spiel der Kickers und umgekehrt Mario zu ihren Leichtathletikwettkämpfen. Man sah sie immer zusammen. Aber tatsächlich... könnte man auch denken, dass sie nur gute Freunde waren, denn bis auf Händchenhalten waren sie sich wirklich noch nicht näher gekommen. Dabei würde sie schon gerne. Elsa spürt wie ihre Wangen warm werden, bei dem Gedanken daran, dass Marios Arme um sie greifen, sie näher zu sich heranziehen, seine Lippen näher kommen...
„Elsa, da hilft nur eines:“ Entschlossen schlägt Conny ihre beiden Hände auf den Tisch. „Angriff! Es bringt nichts auf ihn zu warten. Du musst ihm jetzt ein Zeichen geben, dass du willst.“
Entsetzt sieht Elsa ihre Freundin an. Das Herz rutscht ihr bis in die Kniekehlen. „Und wie soll ich das tun?“
„Und? Erfolgreich gewesen?“ fragt Mario als sich die vier vor dem Sportgeschäft wiedertreffen.
„Ja!“ Sarah strahlt und hält ihre neuen Volleyballschuhe in die Höhe. Neben ihr begutachtet Viktor seine neuen Torwarthandschuhe und nickt nur.
„Und ihr?“
Mario seufzt und steckt die Hände in die Hosentaschen. „Ich bräuchte eigentlich auch neue Handschuhe, aber…“ er zögert, „vielleicht schenkt mir ja jemand zum Geburtstag welche.“ Dabei sieht er erwartungsvoll Gregor an, der gerade freudestrahlend seine neuen Stulpen aus der Plastikverpackung wühlt.
„Zu deinem Geburtstag? Der ist doch noch ewig hin! Also bei mir hält ein Paar maximal einen Monat.“ Viktor sieht seinen Freund und Rivalen erstaunt an. Dann grinst er schief. „Aber wenn man natürlich nichts hält…“
Mario kneift die Lippen zusammen.
„Viktor!“ Sarah knufft ihrem Freund in die Seite.
„Was denn? Weißt du, was so Handschuhe bei mir aushalten müssen? 100 Schüsse von Eric und die sind durch!“
„Echt?“ Sie macht große Augen.
Viktor grinst und stichelt weiter: „Aber vielleicht sind Gregors Bälle ja doch nicht so hart…?“
„Wenn du willst, testen wir das gerne aus.“ Gregor kommt seinem Käptn zur Hilfe. „Aber dann bringst du am besten gleich noch ein Paar Ersatzhandschuhe mit.“
„Da seid ihr ja wieder“ begrüßt Conny sie mit einem Strahlen, als sie in der Mitte des Einkaufszentrums wieder zusammentreffen. Artig bewundert sie Sarahs neue Schuhe und Gregors Stulpen. „Du wirst der bestangezogenste Fuballer auf dem Platz sein.“ kichert sie und gibt ihm einen Kuss auf die Wange.
„Pfff… wenn das alles ist, wovor ich Angst haben muss.“ spottet Viktor, aber niemand beachtet ihn.
Elsa stellt sich nah neben Mario. „Und du hast nichts gefunden?“
„Gefunden schon, aber seit unserem letzten Kinoabend bin ich etwas knapp bei Kasse. Da muss ich mich wohl noch etwas gedulden. Nicht so schlimm.“ ergänzt er und legt sanft den Arm um sie. Elsa schließt die Augen und genießt den kurzen Augenblick der Nähe. >Ein Zeichen geben. Nur wie?<
„Und was machen wir als Nächstes?“
„Lasst uns mal da rüber gehen, das ist irgendwas los.“ sagt Viktor und deutet auf eine große Menschenmenge an einem Ende des Zentrums.
Während sie mit sich mit all den Einkaufstüten bepackt wie eine Karawane ihren Weg durch die vielen Menschen bahnen, ist Elsa pausenlos in Gedanken bei Connys letzten Worten. >Angriff! Zeig ihm, dass du willst.< Sie greift nach seiner Hand und hält sie fest. Mario blickt zu ihr und lächelt. Sie sieht in seine braunen Augen.
„Wo bleibt ihr denn? Wenn ihr auf dem Platz auch so langsam seid, werdet ihr nie gegen uns gewinnen!“ ruft Viktor aus gefühlt 100 Metern Entfernung.
Elsa verdreht die Augen. „Das ist doch kein Wettlauf hier.“
„Lass ihn.“ Mario zuckt mit den Schultern. „Der ist schon den ganzen Tag so. Gestern haben die Teufel gegen Blau-Weiß 5:0 gewonnen. Das ist ihm irgendwie zu Kopf gestiegen.“
„Na und? Das hättet ihr doch auch hinbekommen.“ erklärt sie überzeugt.
„Hehehe…. Schwesterchen“ Gregor lacht peinlich berührt und kratzt sich verlegen am Hinterkopf.
„Zumindest das zu 0“ Elsa drückt noch einmal Marios Hand. „Da bin ich mir ganz sicher.“
Ihr Freund strahlt sie an. „Danke Elsa, du bist toll!“ Er bleibt stehen, um sie fest an sich zu drücken. Elsas Herz schlägt auf einmal schneller. Sein Gesicht ist so nah. >Wäre das eine Gelegenheit?< Unsicher verharrt sie etwas länger als üblich in der Umarmung. Ihre Augen huschen über seine Lippen, die jetzt nur wenige Finger breit von ihren entfernt sind.
„Ich mir nicht.“ tönt Viktors Stimme über ihre Köpfe hinweg, „Wenn ich mich an euer letztes Spiel gegen die Schwarzen Blitze erinnere, dann wäre eher ein 5:5 für euch ein Erfolg gewesen.“
Mario knirscht mit den Zähnen. Er dreht den Kopf von Elsa weg und starrt auf den Fußboden.
Elsa unterdrückt ein Seufzen. Stattdessen wendet sie sich an ihren Bruder. „Wann spielt ihr mal wieder gegeneinander? Ich erwarte, dass du mindestens drei Punkte gegen ihn machst.“
Viktor lacht laut auf. „Das nennt man Tore! Im Fußball zählt man Tore und keine Punkte. Mario, hast du das deiner Freundin noch nicht beigebracht?“
Empört stemmt Elsa die Arme in die Hüften „Also erstens, muss Mario mir nichts beibringen, ich bin schließlich selber Sportlerin und zweitens… zweitens haben wir besseres zu tun, wenn wir zusammen sind, als über Fußball zu reden.“
„Ha, zum Beispiel?“
Elsa wird plötzlich rot als ihr klar wird, dass sie Viktor gerade eine Steilvorlage geliefert hatte.
Doch Conny rettet sie. „Ohhhh,“ ruft sie laut aus und unterbricht damit das kleine Wortgefecht: „Ein Kusswettbewerb!“
Das kleine Grüppchen bleibt vor einer kitschig dekorierten Bühne stehen.
„Ja, ja, trauen sie sich! Kommen Sie nur näher heran. Kommen Sie und machen Sie mit!“ tönt die Stimme eines Moderators durch knisternde Lautsprecheranlagen. „Trauen Sie sich, zeigen Sie uns, wie sehr Sie Ihre Frau, Ihre Freundin, Ihre Partnerin lieben! Und das gleiche gilt natürlich auch für Sie meine Damen. Schnappen Sie sich Ihren Mann, Freund oder Partner und beweisen Sie hier auf der Bühne, wie verliebt Sie in ihn sind!“
Einige Pärchen sind dem Aufruf bereits gefolgt und stehen eng umschlungen dort oben vor einem neugierigen Publikum. Hinter ihnen befindet sich jeweils eine überdimensionale Uhr, auf der die Minuten und Sekunden angezeigt werden, die ihr Kuss bereits dauert. Dazwischen läuft aufgeregt der kleine Ansager im schwarzen Anzug herum und feuert abwechselnd die Paare an, weiter zu küssen und animiert neue Kusswillige dazu auf die Bühne zu kommen.
„Na wie steht’s?“ auffordernd dreht sich Viktor zu den anderen um. „Traut ihr euch?“
Conny ist hochrot angelaufen wie eine Tomate und nestelt verlegen mit ihren Fingern herum. Gregors Hand liegt schon wieder an seinem Hinterkopf. Viktor muss bei dem Anblick laut lachen. „Ach, ist ja interessant! Allein in Connys Zimmer könnt ihr gar nicht genug voneinander bekommen, aber hier in aller Öffentlichkeit…“
„Onii-chan, lass das!“ entgegnet Conny, aber sie sieht immer noch verlegen zu Boden.
„Sag bloß, ihr macht tatsächlich nur Hausaufgaben, wenn ihr euch stundenlang in deinem Zimmer einsperrt.“ provozierend sieht er seine Schwester und Gregor noch einen Augenblick an, dann zuckt er mit den Schultern und wendet sich dem verblieben Pärchen zu.
„Und wie ist es mit euch?“
Elsas Herz pocht laut in ihrer Brust. Unsicher sieht sie zu Mario. Am liebsten würde sie hektisch mit dem Kopf schütteln. So hatte sie sich ihren ersten Kuss nicht vorgestellt.
Mario schaut skeptisch auf die Bühne.
„Was gibt es denn zu gewinnen?“ versucht er einen Grund für eine Absage zu finden.
„Wie ‚was gibt es zu gewinnen?‘“ Viktor schüttelt empört den Kopf. „Na den Titel des Siegers. Du bist einfach kein Sportsmann, wenn dir das nicht ausreicht.“
Elsa spürt, wie Mario sich versteift. Doch er sagt nichts. Viktor feixt und wendet sich wieder ab. Demonstrativ ergreift er Sarahs Hand und winkt dem Moderator zu.
In Elsas Innerem grummelt es. Wie hatte sie eben noch gesagt? Sie war ebenfalls Sportlerin. Und die Aussicht auf einen Sieg lies es auch in ihr rumoren. Nervös knabbert sie an ihrer Unterlippe.
„So ein Wettbewerb ist doch albern.“ sagt Mario plötzlich laut neben ihr. Er greift nach Elsas Hand und zieht sie zu sich heran. „So etwas brauchen wir nicht.“ flüstert er und sieht sie mit roten Wangen an. Elsa runzelt die Stirn. Gern hätte sie ihm zugestimmt, aber etwas in ihr ist mit seinen Worten nicht einverstanden. ‚Es bringt nichts auf ihn zu warten.‘ hatte Conny gesagt.
„Hätte mir eigentlich klar sein müssen, dass ihr von der Kitahara kneift. Gewinnen ist ja nicht so euers.“ ruft Viktor von der Bühne zu ihnen herunter.
Elsa stockt der Atem. >Was glaubt er eigentlich…<
Bevor der Moderator die beiden an ihren Platz unter einer freien Uhr schiebt, blickt Viktor noch einmal über seine Schulter auf das Pärchen unter ihm. Er zwinkert ihnen zu und für Mario und Elsa ganz deutlich zu erkennen, formt er mit seinen Lippen die Worte „Nie-Gewinn-Kickers“.
Durch Elsa geht ein Ruck: „Mario!“ Sie umklammert seinen Arm und schneller als Mario realisieren kann, was da gerade passiert, hebt sie die Hand.
„Es steht immer noch unentschieden, was?“ meint Conny und nimmt noch etwas von ihrem Eis, das Gregor ihnen vor ein paar Minuten gebracht hat. Denn, so wie es aussah, würden sie hier noch eine Weile verbringen müssen.
Gregor nickt zustimmend. „Mario macht sich gut.“
„Das war eine harte Nuss.“ lacht sie, „ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet Elsa auf Viktors Provokationen eingeht.“
Gregor sieht sie mit großen Augen an. „Was meinst du damit?“
„Naja,“ Conny wird leicht rot, „Ich hab meinem Bruder vorhin erzählt, dass die beiden vielleicht einen kleinen Anstupser gebrauchen können. Und er war sofort bereit zu … äh helfen.“
Ungläubig sieht Gregor erst seine Freundin und dann Elsa und Mario auf der Bühne an. „Conny?“
„Was?“
„Ich bin froh, dass wir das auch ohne deinen Bruder hinbekommen haben.“
