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Die letzte Hoffnung

von

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6. Falsche Anschuldigungen

Die Siegerehrung fand sofort im Anschluss auf dem Arena-Platz statt. Doch noch ehe die Teilnehmer ihre Preise und Urkunden entgegennehmen konnten, wurde Po von seinem Vater zuerst in Beschlag genommen.

„Po! Das war großartig gewesen!“, rief er und schlang seine Flügel um den dicken Pandabauch.

Dem Panda war das ein bisschen peinlich und schob seinen Dad sachte beiseite. „Ist schon okay, Dad. Das war doch nur ein Wettbewerb…“

„Das war großartig gewesen, Drachenkrieger!“, gratulierte ihn auf einmal eine laute Stimme von der Seite. Po fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er in das Gesicht einer anderen bekannten Person starrte. „König Wang? Sie auch hier?“

„Ich konnte doch nicht den ersten großen Kampf von meinem Lieblingskrieger verpassen“, meinte der Hunnenkönig lachend und boxte dem Panda in die Seite.

Po errötete etwas vor Verlegenheit. „Oh, das ist sehr nett.“

In diesem Moment sah Sheng seine Familie, oder zumindest den Großteil der Familie, auf sich zukommen.

Seine Mutter empfing ihn mit offenen Flügeln. „Ach, Junge, ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist.“

Sie umarmte ihn herzlich. Umso erleichterter war der Pfau, als er von seiner Schwester abgelöst wurde, die ihn nur ganz kurz einen Drücker gab. „Wenigstens bist du bis in die zweite Runde gekommen“, meinte sie mit einem Lächeln.

Dicht hinter ihr kam Zedong angetrottet, der weniger begeistert dreinschaute. „Jetzt schau doch nicht so enttäuscht“, meinte Xia. „Dafür ist er jetzt Kung-Fu-Vizemeister.“

Zedong verzog den Schnabel. „Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, wenn Sheng gewonnen hätte.“

Sheng lächelte und tätschelte ihm über den Kopf. „Vielleicht beim nächsten Mal. Wer weiß, vielleicht wirst du ja mal Sieger.“

Zedong hob den Schnabel. „Ich werde irgendwann sowieso mal besser als du.“

Er hob die Flügel zu einer Kampfposition. Sheng lachte und machte es ihm gleich. „Dann musst du aber noch sehr viel üben.“ Er sah sich um. „Wo ist eigentlich Vater?“

„Dad ist nach deinem Patzer abgehauen“, antwortete Zedong.

„Junge!“, rief die alte Ziege entrüstet und nahm den Jungen beiseite. „Was hast du heute für Ausdrücke?“

Doch Sheng ließ sich davon nicht stören und beugte sich zu seinem kleinen Bruder runter. „Und wo ist er hin?“

Zedong reckte den Hals und flüsterte seinem großen Bruder etwas zu. Kaum war er fertig, wollte Sheng auch schon los, doch die alte Ziege hielt ihn am Ärmel fest.

„Warte, du musst noch zur Siegerehrung!“, sagte sie. „Und lass ihn besser noch Zeit“, bläute sie ihm ein. „Er muss ich erst einmal beruhigen.“
 

Sheng ließ ein paar Stunden verstreichen, bevor er sich in das Gebiet begab, in die Zedong seinen Vater hat hingehen sehen. Es handelte sich um den entlegensten Teil des Kung-Fu-Arena-Geländes. Zwischen den vielen Bäumen waren in einigen Abständen immer eine Stein-Statue aufgestellt, die die Sieger der Kung-Fu-Wettkämpfe darstellten. Die Größte war eine Schildkröte, die den großen Meister Oogway darstellte, wo es Shen aber nicht hingezogen hatte. Stattdessen fand Sheng seinen Vater nach einigem Suchen vor dem Standbild des ehemaligen Meisters Meister Donnerndes Nashorn wieder. Der weiße Pfau kniete davor in geduckter Haltung, seine Flügel feste auf den Boden gepresst und sein Blick gesenkt.

Zögernd trat Sheng näher an ihn heran. Er wusste nicht, weshalb sein Vater sich ausgerechnet diese Statue für seinen Aufenthaltsort ausgesucht hatte, doch im Moment beschäftigte ihn etwas anderes.

„Vater“, begann er zögernd, „die anderen feiern schon. Möchtest du nicht mitkommen? Immerhin bin ich jetzt Vizemeister. Das ist doch auch schon etwas.“

Schweigen war alles, was er als Antwort erhielt. Sogar an der Haltung des weißen Pfaus hatte sich nichts geändert.

Sheng stieß ein beleidigtes Schnauben aus. „Redest du etwa jetzt nie wieder mit mir?“

Wieder blieb eine Reaktion aus. Schließlich wandte sich Sheng ab. „Falls du es dir doch noch überlegen solltest, wir sind im Hauptquartier vom Arena-Areal.“

Er hatte gerade einen Schritt gemacht, da erhob der weiße Pfau seine frustrierte Stimme. „Wie erträgst du es nur nach dieser Niederlage über so etwas zu reden?“

Sheng sah seinen Vater verwundert an. „Du redest ja glatt so als ginge es hier um die Welt. Es war doch nur ein Wettbewerb.“

„Nur ein Wettbewerb?“ Jetzt endlich erhob sich der weiße Pfau und drehte sich mit düsterem Blick zu seinem Sohn um. „Es ging um die Ehre der Familie! Und heute hast du sie enttäuscht.“

Sheng holte tief Luft, bevor er darauf antwortete. „Okay, ich hab zwar nicht gewonnen. Aber es hat mir Spaß gemacht.“

Shen schüttelte ungläubig den Kopf. „So, es macht dir also Spaß zu verlieren?“

Sheng verengte die Augen. „Ich bin Zweiter geworden. Für jemanden, der noch nie zuvor es mit Profis aufgenommen hatte, war das schon eine Meisterleistung. Vielleicht bist du es nur nicht gewohnt zu verlieren, denn du willst ja nie verlieren.“

Shens Augen verengten sich zu gefährlichen Schlitzen. Dann drehte er seinem Sohn einfach den Rücken zu.

„Vater, ich will nicht respektlos sein“, versuchte Sheng sich so gut wie möglich zu benehmen. „Eine große Niederlage hatte dir damals gereicht, aber ich muss auch meine eigenen Niederlagen durchmachen und sie akzeptieren.“

Shen stieß ein verächtliches Schnauben aus. „Mmpf, was für ein niederträchtiges Gedankengut.“

„Vater, es ist ja nicht so, dass ich nicht wüsste, wie sehr dir ein Sieg bedeutet“, versuchte Sheng es erneut. „Aber wenn ich nie rausgehe, wie soll ich dann meine Grenzen austesten? Es gibt ja nicht nur diesen Wettkampf. Da gibt es noch viele andere. Ich kann mich immer noch verbessern.“

Es folgte eine Schweigeminute, bevor Shen sich zu einem Satz durchrang, und dieser Satz klang äußerst verärgerst. „Ich hab dich nie unter Druck gesetzt in einer Kampfsportart gut zu sein, und jetzt setzt du dich selber unter Druck.“

„Was heißt hier Druck?“, fragte sein Sohn überrascht. „Es bereitet mir Freude meine Kräfte mit anderen zu messen. Woher soll ich sonst wissen, wo ich mich noch verbessern kann?“

Shen umarmte sich selber und zog den Kopf ein, wobei sich seine Schultern extrem verspannten. „Sobald du nicht gut genug bist, lassen sie dich fallen!“

Sheng rieb sich über die Stirn, behielt aber so gut wie möglich die Fassung. „Selbst wenn ich nicht der Meister werde, so sind sie immer noch meine Freunde.“

Shen drehte den Kopf nach hinten zu seinem Sohn, wobei er ihn hasserfüllt ansah. „Sie werden dich verachten! Genauso wie sie mich.“

Sheng erschrak fast bei Shens grausigen Augen, als würde er im Geiste schon planen jeden zu martern, weshalb Sheng es mit milden Worten versuchte. „Vielleicht liegt es auch daran, dass du nie Freunde gehabt hattest. Du solltest mal lernen, die Welt nicht so düster zu sehen, es gibt auch Lichtblicke im Leben. Da ist man nicht allein…“

„Komm du mir runter mit deiner farbenfrohen-heilen-Welt!“, schnitt der weiße Pfau ihm das Wort ab und drehte sich harsch zu ihm um. „Ich hab mehr als genug gesehen, um zu kapieren, dass man niemanden über den Weg trauen kann, außer einem selber!“

Sheng verengte die Augen „Und außer Mutter, oder?“

Der weiße Pfau senkte den Blick. „Sie ist klug genug, um das zu sehen.“ Seine Augen wanderten wieder zu ihm. „Und dasselbe solltest du auch tun.“

Shengs Haltung verkrampfte sich. „Du verlangst also allen Ernstes von mir, dass ich das Kung-Fu vollständig aufgebe, nicht wahr?“

Shen schwieg zuerst, bevor er anderweitig antwortete. „Das wird dich zumindest vor Enttäuschungen bewahren.“

So langsam wurde Sheng wütend. „Du kannst ja meinetwegen für den Rest deines Lebens in Yin Yan bleiben“, knurrte der jüngere Pfau, „aber ich möchte mein Leben ausleben und was leisten. Auf diese Art und Weise kann ich auch an einen Ruf arbeiten.“

Shen stieß ein bösartiges Fauchen aus. „Es scheint dir wohl egal zu sein, was ich durch dich an einem Ruf zu verlieren habe! Das kannst du nicht durch Niederlagen aufbauen!“

Sheng zog scharf die Luft ein. „Was hast du schon an guten Ruf zu verlieren? Du hattest dir damals keinen eingehandelt-“

Der junge Pfau brach abrupt ab. Shen stürzte sich auf ihn, doch Sheng wehrte ihn gekonnt mit seinen Flügeln ab. Es folgten harte Hiebe und Schläge von jeden, bis ihre Flügel aufeinanderprallten und sie in dieser Haltung zum Stillstand kamen. Keuchend starrten sich Vater und Sohn in die Augen. Eine Weile drückte ein jeder den anderen noch von sich, dann lockerten sich ihre Körperspannungen, bis sie ihre Flügel endlich senkten. Eine Weile standen beide schweigend da, dann machte Sheng einen Schritt nach hinten, wobei er seinen Vater nicht aus den Augen ließ.

„Sei mal ehrlich Vater“, sagte er ernst. „Wann hattest du das letzte Mal in deinem Leben wirklich Freude verspürt?“

Als eine Antwort ausblieb, wandte Sheng sich ab und ging frustriert davon. Shen sah seinem Sohn noch eine Weile nach, bis er sich wieder zu der Statue von Meister Donnerndes Nashorn umdrehte und in dieser Position stehen blieb. Er war so sehr in seinem Groll vertieft, dass er die weiße Gestalt im Gebüsch, die der kleinen Shenmi gehörte, nicht bemerkte.
 

Wütend schwang Sheng eine Nebentür zum großen Gebäude für die Kung-Fu-Kämpfer auf und schlug sie sofort mit einem lauten Knall wieder zu. Dann lehnte er sich dagegen und starrte verbittert auf den Boden. So hatte sein Vater schon lange nicht mehr mit ihm geredet und es ärgerte ihn maßlos, dass er irgendwie nie die richtigen Worte fand, um endlich mal Zugang zu ihm zu finden. Seine Seele war immer noch so von seiner schwarzen Vergangenheit zerfressen, dass sie vor lauter Löchern nicht mehr geflickt werden konnte. Egal wie lange Jahre er schon mit seinem Vater zusammen lebte, den er bis zu seinem 17. Lebensjahr nicht gekannt hatte, so konnte er sich nicht daran erinnern, wann er ihn das letzte Mal wirklich glücklich oder ausgelassen gesehen hatte. Selbst mit den kleinen Kindern machte er immer einen zurückhaltenden Eindruck. Selten war sein Lächeln warm, eher gequält und vorsichtig, als würde er mit Herzensfreude seiner Gesundheit schaden.

Sheng hob den Kopf, als Po ihm im Gang entgegenkam. Der Panda war etwas besorgt gewesen und hatte die Feierrunde für einen Moment verlassen. Erwartungsvoll sah er den Piebald-Pfau an. „Und? Wie ist es gelaufen?“

Sheng sah den Panda mit düsterer Miene an. „Kannst du es dir nicht denken?“

Zerknirscht legte Po seine Finger aneinander. „Na ja, vielleicht ein bisschen vorstellen könnte ich es mir. – Aber vielleicht beruhigt er sich ja wieder.“

Sheng senkte den Blick. „Dazu wäre ein Wunder nötig.“

Bekümmert sah Po ihn von der Seite an. „Ist er denn wirklich so enttäuscht?“

Der Pfau seufzte und sah den Panda ernst an. „Wie enttäuscht war er bei dir gewesen, als er gegen dich verloren hatte?“

Po schrak kurz zusammen bei dem Gedanken an ihren Endkampf in Gongmen. Shen hatte die Niederlage bedeutend weh getan und der anschließende Wutausbruch auf dem Schiffswrack von ihm…

„Oookaaay“, meinte Po nach einer Weile ernüchternden Nachdenkens. „Ich denke, wir bräuchten in den Fall schon ein sehr, sehr kleines Wunder.“ Er legte den Daumen und den Zeigefinger zusammen. „Vielleicht so ein ganz klitzekleines wenigstens.“

Sheng wandte den Blick von ihm ab und ging an ihm vorbei. Doch dann hielt er noch einmal inne. „Ach übrigens, danke.“

Po hob verwundert die Augenbrauen. „Wofür?“

„Dafür, dass du ehrlich gekämpft hast und mich nicht absichtlich hast gewinnen lassen.“

Po blieb kurz der Mund offen, bevor er die Achseln zuckte. „Kein Problem, Kumpel.“

Sie nickten sich gegenseitig zu, dann ging Sheng wieder seines Weges, während Po ihm nachsah.

„Netter Kerl“, meinte er nach einer Minute des Schweigens und sein Blick wanderte zur Tür, die nach draußen führte. Vielleicht sollte er doch mal bei Shen für ihn ein gutes Wort einlegen.
 

Shenmi hockte immer noch im Strauch und hoffte, dass ihr Vater Sheng nachlaufen würde. Doch das Mädchen wartete vergeblich. Shen blieb unbeweglich dastehen und erweckte den Eindruck für den Rest seines Lebens als Deko in der Landschaft stehen zu wollen. Während das Pfauen-Mädchen fieberhaft darüber nachgrübelte, ob es ihren Vater umarmen sollte, hörte sie ihn etwas murmeln.

„Selbst nach deinem Tod musst du mich demütigen“, hörte sie ihn leise fluchen. Shen sah zu der Statue von Meister Donnerndes Nashorn hoch. „Es hat mir so eine Genugtuung bereitet dich sterben zu sehen, aber selbst jetzt noch willst du mich mit deinem Kung-Fu in die Tiefe stürzen. Und dafür musst du ausrechnet meinen Sohn nehmen? Dir genügt es wirklich nicht, dass du mich vor meinem Vater blamiert hast!“

In diesem Moment hob Shenmi ruckartig den Kopf, als sie ein Knacken im Unterholz wahrnahm. Auch Shen hatte das Geräusch vernommen und hob seinen Pfauenkamm. Rechnete er damit, dass sein Sohn zurückkam?

Shenmi versuchte die Quelle der knisternden Schritte ausfindig zu machen und erkannte auch schon einen großen Schatten zwischen den Bäumen. Gerade als Shenmi sich erheben wollte und auf den Schatten, wie sie vermutete ihren Bruder, zuzugehen, kam dieser plötzlich in Bewegung. Shenmi erkannte zu spät, dass es nicht Sheng war und ihr blieb der Schrei im Halse stecken, als der große Schatten sich auf Shen stürzte. Shen reagierte sofort und wehrte den großen Schatten ab. Mit einem lauten Rumps landete der große Kragenbär Yamato auf der Erde. Doch noch ehe der weiße Pfau den Grund für dieses rüpelhafte Eindringen erfragen konnte, richtete sich der Bär mit einem lauten Gebrüll auf und griff Shen erneut an. Shen wehrte ihn mit Schlägen und Tritten ab, was den Kung-Fu-Kämpfer aber nur halbwegs stoppte.

Shenmi, völlig erschrocken, rannte schnell davon. Sie wollte unbedingt Hilfe holen. Unterdessen hatte Shen seine Federmesser gezückt. Doch der große Kragenbär raste auf ihn zu wie eine Dampfwalze und schleuderte den Pfau gegen die nächste Steinstatue. Für einen Moment war der weiße Pfau wie betäubt. So einen harten Kampf hatte er schon ewig nicht mehr geführt. Doch noch ehe er zum Gegenangriff übergehen konnte, traf den Bären plötzlich ein Hieb von der Seite und er knallte ohnmächtig zu Boden.

Verwundert hob der Pfau den Kopf. Sein Gesicht verfinsterte sich schlagartig als hinter dem gefallenen Kung-Fu-Kämpfer der Panda auftauchte.

Mühsam erhob sich Shen und strich sich seine zerzausten Federn glatt. „Mit dem wäre ich auch alleine fertig geworden!“

Po zog eine Schnute. „Ja klar. War ja deutlich zu sehen.“

Harsch drehte Shen sich zu ihm um. „Ich bin nicht so leicht zu besiegen wie mein Sohn!“

„Ah ja, genau, deswegen bin ich eigentlich gekommen, und wollte darüber reden.“

„Da gibt es nichts mehr zu bereden!“, keifte Shen ihn an und riss seine Robe herum.

„Hey, hey, hey!“, mahnte Po mit erhobener Tatze. „Jetzt atme mal tief durch und komm mal wieder runter…“

„Lass mich endlich in Ruhe!“, schrie Shen ihn an. „Scherr dich doch mit deinem Pack wieder dorthin, wo du hergekommen bist und lass mich allein!“

Der weiße Pfau rang mit einem Mal nach Luft und lehnte seine Oberkörper mit seinen Flügeln an der Statue von Meister Donnerndes Nashorn. Po hob die Augenbrauen als er merkte, wie Shen seine Fingerfedern in das Gestein reinbohrte.

Eine Weile wusste der Panda nichts zu sagen und tippte die Finger aneinander. Dann wanderte sein Blick wieder auf den am Boden liegenden erlegten Gegner und fragte sich wieso der Japaner so ausgerastet war.
 

Im Hauptquartier hatte Sheng sich wieder in den Festsaal begeben. Seine Mutter hob den Kopf, als sie ihn hereinkommen sah und merkte sofort, dass ihr älterer Sohn nicht gerade fröhlich aussah.

Es handelte sich bei dem Raum um einen größeren Saal, wo nicht nur die Teilnehmer, sondern auch ihre Familien und Freunde mit rein durften. Jeder hatte an den Tischen so seine eigene Runde. Die Fünf, die Meister, Shens Familie und auch die Wahrsagerin und König Wang belegten einen Teil des Raumes für sich, wobei Mr. Ping hier und da noch die restlichen Nudeln verteilte.

Jian bemerkte den besorgten Gesichtsausdruck seiner Mutter und sah unsicher zu ihr hoch. „Mama, darf Sheng jetzt nicht mehr nach Hause?“

Verwundert sah Yin-Yu ihn an. „Aber Junge, wie kommst du denn darauf? Natürlich darf er wieder mit uns nach Hause. Vater ist im Moment nur etwas…“ Sie suchte nach dem passenden Ausdruck, doch die alte Ziege kam ihr zur Hilfe.

„Mach dir keine Sorgen, mein Junge“, meinte sie und rieb dem Jungen über den Rücken. „Dein Vater ist auch mal auf jemanden wütend. Das kann jeden Mal passieren…“

„Mama! Mama!“ Im nächsten Moment kam die kleine Shenmi hereingerannt und warf sich gegen ihre Mutter. „Da greift ein großer Bär Papa an!“

Yin-Yu verstand zuerst überhaupt nichts. „Du meinst Po?“

„Po?“ Die fünf Freunde sahen verwundert auf.

Doch Shenmi schüttelte heftig den Kopf. „Nein, ein großer Bär, er will ihn umbringen!“

Xia konnte nicht glauben, was sie da hörte und tauschte mit ihrem Bruder Sheng einen verwirrten Blick aus. Doch dieser konnte nur ratlos die Achseln zucken. So sehr er auch auf seinen Vater sauer war, so würde er nie so was einfädeln wollen.

„Das ist doch lächerlich“, meinte ihre Mutter schließlich, um das aufgeregte Mädchen zu beruhigen. Doch Shenmi ließ sie nicht weiterreden und zerrte ihre Mutter am Kleid hinter sich her. Die Fünf und auch die Meister, die nun ebenfalls auf Shenmis Angst aufmerksam geworden waren, erhoben sich schnell von ihren Plätzen und folgten ihr nach draußen.
 

Prüfend beugte sich der Panda über den k.o. geschlagenen Kragenbären. „Wow, mein Kung-Fu-Hacken hat richtig gesessen.“ Sein fragender Blick wanderte zu Shen. „Was wollte er eigentlich von dir?“

Er erschrak förmlich bei Shens düsterem Blick. „Hab ich was Falsches gesagt?“

Der Panda wich zwei Schritte zurück, als sich Shens Flügel zu Fäusten ballten. „Ihr Kung-Fu-Fanatiker seid alles Narren! Muss ihr immer jeden niedermachen, der euch im Weg steht!“

Po kratzte sich ratlos am Kopf. „Könntest du das vielleicht etwas erläutern, damit auch ich das verstehe?“

In diesem Moment sprang eine kleine blaugrün-weiße Gestalt aus dem Dickicht. „Wo ist der Feind?!“, rief Zedong und sah sich suchend nach allen Seiten um.

„PAPA! PAPA! PAPA!“ Sofort kam Shenmi auf Shen zu gerannt. „Bist du verletzt? Bist du verletzt?!“

„Nein, nein. Keine Sorge, keine Sorge. Es geht mir ja gut. Es ist alles in Ordnung.“ Tröstend nahm der weiße Pfau Shenmi in die Flügel.

Jetzt sah er nicht nur seine Familie und die Wahrsagerin, sondern auch die Meister, die Fünf und sogar König Wang, zusammen mit einem aufgeregten Mr. Ping, auf sich zu rennen. Die Blicke von Sheng und Shen trafen sich nur kurz und wichen sich auch sogleich wieder aus. Zum einem war Sheng froh, dass seinem Vater nichts passiert, aber den Streit von vorhin hatten beide immer noch nicht vergessen.

„Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“, polterte Meister Ochse sogleich los und sein Blick fiel auf den am Boden liegenden Japaner. „Hast du schon wieder deinen Frust an jemanden ausgelassen?!“

Empört erhob sich der weiße Pfau. „Was sollen die Beschuldigungen? Er hat mich angegriffen.“

Meister Ochses Blick fiel auf Po. „Ist das wahr?“

Po bewegte zögernd die Lippen. „Äh… ja, ja! Diesmal war es nicht seine Schuld gewesen. Er hat angefangen. Das kann ich nur bestätigen…“

„Panda!“, fiel Shen ihm lautstark ins Wort. „Hör auf damit! Du warst erst später hier gewesen. Verteidige mich nicht in Sachen, über das du nicht in der Lage bist eine Aussage zu machen!“

Po setzte eine beleidigte Miene auf. „Entschuldige mal, ich wollte dir nur helf…“

„Po!“, rief Mr. Ping. „Was war denn los?“

Auch seine Freunde wollten endlich den Grund für den ganzen Tumult wissen. Doch alles was der Panda dazu sagen konnte war ein Achselzucken. „Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.“

Für Meister Ochse hingegen schien der Fall völlig klar zu sein. „Haust du jetzt jedem eine rein, der gegen deinen Sohn angetreten ist, nur damit du dich besser fühlst?!“, schrie er Shen an, was den weißen Pfau sofort die unbändige Zornglut hochtrieb.

„Willst du mir etwa unterstellen…??!!“

„Oohohoo, keinen Streit!“ Schnell zwänge sich der Panda zwischen Ochse und Pfau und hob die Tatzen. „Und außerdem, wenn es nur um den Wettkampf gehen würde“, er deutete auf den erlegten Gegner, „dann müsste er auch auf mich sauer sein. Immerhin ist er durch mich in der Halb-Runde durchgefallen.“

In diesem Moment mischte sich Xia in das Gespräch ein. „Vielleicht sollten wir erst mal das „Opfer“ fragen, wenn es wieder aufgewacht ist.“

„Das ist eine gute Idee“, stimmte Po ihr zu.

Wie aufs Stichwort vernahmen auf einmal alle ein Stöhnen. Der große Kragenbär kam wieder zu sich. Po hielt es für das beste von Verwandter-zu-Verwandter als erster ein Gespräch anzufangen und wedelte über dessen Gesicht. „Hey, Kumpel. Tut mir leid, dass ich dir eine verpassen musste, aber könntest du uns verraten, weshalb du hier so einen Krawall gemacht hattest?“

Der Bär richtete sich auf. Als er den weißen Pfau sah, sprang er mit einem gewaltigen Satz wieder auf die Beine. Alle wichen erschrocken zurück. Auch Shen hob die Flügel, nur für den Fall, falls er wieder angegriffen wurde. Doch stattdessen setzte der Bär zu einem Gebrüll an.

„Du verfluchte Kreatur!“, donnerte er. „Deiner Strafe wirst du jetzt nicht entgegen!“

Shen sah den Bären immer noch wütend aber auch verständnislos an. „Wovon redest du da?“

„Tu nicht so schuldlos!“, knurrte Yamato weiter. „In Japan konntest du dich verbergen, aber hier nicht mehr!“

Das machte den Pfau noch ratloser. Schließlich legte er die Flügel zusammen und nahm eine würdevolle Haltung ein. In der Gegenwart von so vielen Leuten würde er ihn wohl kaum nochmal anfallen wie ein Verrückter. „Würdest du deine unkontrollierte Denunziation bitte erläutern?“, fragte er mit säuerlichem Unterton.

„Du warst dabei gewesen, als das Dorf Kimura in Japan vor ein paar Tagen zerstört wurde!“

Nach dieser Aussage wurde es still auf der Lichtung. Alle Augen wanderten zu Shen, der nicht wusste, was er sagen sollte. Er schien sogar für einen Moment regelrecht verwirrt zu sein, bis seine Gesichtszüge sich wieder schlagartig verhärten. „Was soll ich getan haben?!“

„Was muss ich da hören?!“ Diesmal war es Meister Ochse der diesen Vorwurf mitanprangerte und wutschnaubend auf den weißen Pfau stierte. „Ich wusste doch die ganze Zeit, dass er wieder etwas im Schilde führt!“

Er hob die Hufe und wollte den weißen Pfau packen, doch dieser wich schnell von ihm weg und fauchte den Kragenbären zornig an. „Was erlaubst du dir, sowas zu behaupten?! Das ist eine verleumderische Unterstellung!“

„Du warst dort eindeutig gesehen worden!“, schmetterte Yamato seine Verteidigung ab. „Zusammen mit dieser ruchlosen Ninja-Bande!“

„Ninjas?“ Fantao und Zedong tauschten verstohlene Blicke aus. „Cool!“

„Weißt heißt hier „Cool“?!“, beschwerte sich der Japaner lautstark. „Er hat die ganzen Wertsachen geplündert und zudem noch mehrere Häuser zerstört!“

Alle starrten den Kragenbären sprachlos an. Endlich meldete sich Po zu Wort. „Äh, ich glaube du verwechselst da was, Kumpel. Er hat mein Dorf überfallen… das war aber schon lange her.“

Der Kragenbär stemmte die Tatzen in die Hüften. „Willst du etwa damit sagen, ich lüge??!!“

„Äh, nein, nein, nein…“, wehrte Po ab. „Nicht unbedingt… ich meine, das könnte doch alles ein Missverständnis sein.“

„Also ich glaube schon was er sagt!“, rackelte Meister Ochse über den Platz und wollte sich erneut auf Shen stürzen. „Dafür kommst du vors oberste Gericht!“

„Bitte, bitte hören Sie auf!“, mischte Yin-Yu sich jetzt ein und stellte sich schützend neben Shen. „Er war nicht in Japan, das kann ich nur bezeugen!“

Sie schaute flehend in die Runde und ihr Blick blieb auf Shifu hängen, der selber nicht wusste, was er von dieser ganzen Situation halten sollte.

Mantis hingegen legte den Kopf schief, als er in die ratlosen Gesichter seiner Freunde schaute. „Also ich verstehe nur: Pfau da, Dorf weg.“

Der Ochse packte den Pfau am Kragen. „So?! Gibt es da etwa etwas, was wir wissen sollten?! Antworte gefälligst!“

„Nimm deine dreckigen Hufe von mir weg!“, schrie Shen in an und drohte mit seinen Federmessern.

Po fing Yin-Yus verzweifelten Blick auf und hielt es nun für seine Pflicht jetzt Stellung zu beziehen. Mutig bäumte er sich auf. „Wen er sagt, er war nicht in Japan gewesen, dann glaube ich ihm auch! Für ihn lege ich meine beiden Kung-Fu-Tatzen ins Feuer. Vielleicht auch meine Füße.“

Jian schaute verwundert auf Pos Füße und verzog angeekelt den Schnabel.

„Panda, ich brauche deine Bürgschaft nicht!“, wies Shen die Bemühungen des Pandas ab und setzte, nach einigem Male Luft holen, eine gelassene Miene auf, wobei er Yamato einen hochnäsigen Blick zuwarf. „Tz, das ist völlig lächerlich. Ich war noch nie in Japan gewesen. Warum sollte mich für so ein Land interessieren? Mich interessiert nur China.“ Damit erweckte er sofort Meister Ochses Argwohn, was Shen aber sofort wieder berichtigte. „Das war eine rein sachliche Begründung.“

In Yamato staute sich eine erneute Wut auf, die sich wieder zu entladen drohte. „Wenn ich es sage: Es war ein weißer Pfau! Wollt ihr einen Verbrecher so davonkommen lassen?!“

Meister Ochse stieß ein lautes bedrohliches Schnauben aus. „Ich kann ihn sofort festnehmen lassen!“

„Wow, wow, wow, jetzt halt mal die Backen, Kumpel“, mahnte ihn Po und beugte sich flüsternd zu Shen rüber. „Bist du sicher, dass du nicht geschlafwandelt bist?“

Shen verzog beleidigt den Schnabel, wodurch sich der Panda aber nicht beirren ließ. „Kann doch möglich sein“, murmelte der Drachenkrieger kleinlaut. „Ich hab mal Geschlafwandelt, da hab ich…“

„Halt den Mund, Panda!“ Wütend stieß Shen den Panda zur Seite. „Ich weiß nicht was hier vorgeht!“, zeterte er und schaute voller Verachtung auf den japanischen Kragenbären. „Aber eins kann ich dir sagen, du hättest es verdient jetzt bei lebendigem Leib massakriert zu werden für deine Lügen!“

„Aber es war ein weißer Pfau gewesen!“, beharrte der Bär auf seine Aussage.

„Vielleicht hast du ihn mit einem weißen Kranich verwechselt“, versuchte Po die Situation zu erklären.

„Unmöglich! Er sah ganz genauso aus wie er!“, beteuerte Yamato. „Weiße Federn, rote schwarze Flecken und lange Schwanzfedern. Und schreit wie ein Pfau. Das kann keine Verwechslung gewesen sein.“

In diesem Moment brach die alte Ziege zusammen. Yin-Yu bemerkte es zuerst. „Was ist mit dir?!!“ Schnell eilte sie zu ihr.

Die anderen sahen erschrocken auf die Ziege. „Was hat sie denn?“

Sogleich war die Wahrsagerin von allen Anwesenden umringt. Die alte Ziege machte einen äußerst geschwächten Eindruck. Yin-Yu musste ihr helfen wenigstens aufrecht zu sitzen.

„Na großartig!“, beschimpfte der weiße Pfau den Ochsen. „Du bringst es fertig und bescherst älteren Damen einen Herzinfarkt!“

„Shen? Shen?“, rief die alte Ziege mit schwacher Stimme.

Sogleich eilte der Pfau zu ihr. Zu seiner Überraschung griff die Ziege sofort nach seinem Flügel und hielt ihn ganz fest. Shen befürchtete schon das Schlimmste und beugte sich besorgt zu ihr vor.

„Shen, Shen“, murmelte die alte Ziege weiter.

„Ich bin ja hier. Was ist denn?“

„Oh, Shen, es… es… es könnte sein, dass du… dass du…“ Die alte Ziege scheute sich davor den Satz zu Ende zu sprechen, doch irgendwie überwand sie sich dann doch dazu. Sie sah den weißen Pfau mit bestürzter Miene an. „Es könnte sein, dass du… dass du… dass du einen… Bruder hast.“



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