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Unspoken

von

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Kapitel 11

Nachdenklich lag Benjiros Blick auf Elsa, die ihm gegenüber saß. Sie hielt ihre Stäbchen in einer Hand, diese in der Schüssel steckend, mehr tat sie aber nicht. Stattdessen starrte sie bereits minutenlang aus dem Fenster, neben dem ihr Tisch stand und regte sich nicht. Seit sie heute Vormittag auf Mario getroffen war, wirkte sie so abwesend. Auch Mario war danach nicht der Gleiche gewesen, der er sonst war. Weggeblasen war all seine positive Einstellung. Das sagte Benjiro schon sehr viel aus. Er runzelte seine Stirn.

“Elsa?”, brachte er schließlich hervor, sie reagierte jedoch nicht. “Elsa.” Passend zu seinen Worten griff er nach der Hand, in der sie die Stäbchen hielt.

Erschrocken zuckte sie zusammen, zog ihre Hand zurück und die Stäbchen landeten neben der Schüssel auf dem Tisch. Sie blinzelte ihn an und ihre Wangen färbten sich rot.

“Entschuldigung”, murmelte sie und suchte ihr Essbesteck zusammen.

“Elsa, was ist los?”, fragte Benjiro.

“Nichts”, murmelte sie nach einem kurzen Moment.

“Nichts. Ach Elsa, ich weiß doch, dass da nicht nichts ist.” Wieder griff er nach ihrer Hand und hielt diese sanft fest. Dieses Mal zog seine Gegenüber sie nicht zurück. “Seit du auf Mario getroffen bist, wirkst du so nachdenklich und in dich gekehrt.” Dass sie beim Namen ihres IT´lers so zusammen zuckte, bestätigte ihn in seinem Gedanken. “Was war da zwischen euch, dass du so auf ihn reagierst? Und er ja auch irgendwie auf dich. Wart ihr ein Paar bevor du nach Deutschland bist?”

Nun wurde sie blass. Mit aufgrissenen Augen erwiderte sie Benjiros Blick und zog nun doch ihre Hand zurück.

“Wir … nein”, sie schüttelte ihren Kopf und er war sicher, dass Tränen in ihren Augen aufstiegen, “wir waren kein Paar.”

“Aber was meinte Mario dann damit, dass ihr irgendetwas vor deiner Abreise nicht abgeschlossen habt?”

Elsa biss sich auf die Unterlippe und wich seinem Blick aus. “Wir kennen uns schon sehr lange”, flüsterte sie, “seit der Grundschule. Er ist … er ist der beste Freund meines Bruders.”

“Was aber keine Antwort auf deine Reaktion ist, meine Liebe.”

“Wir …”

“Da muss doch mehr sein, Elsa. Dass ihr euch von früher kennt oder auch das von deinem Bruder erklärt eure Reaktionen nicht. Auch Mario war nach deiner Absage total durch den Wind. Er war noch nie so schnell auf und davon. Zudem hat meine Aussage, dass du und ich uns daten, ihn getroffen. Im Normalfall unterhalten wir uns sehr viel und sind auch nach der Arbeit auf ein Bierchen gegangen, aber heute hat er alles so schnell wie möglich erledigt und ist heute viel früher auf und davon, ohne sich wirklich zu verabschieden.”

Wieder zuckte sie zusammen. Sie wischte sich mit einer Hand die Tränen weg, während sie tief Luft holte. “Mario und ich … ich war in ihn verliebt, sehr lange Zeit. Mir war nie klar, dass er auch so für mich empfindet und dann einen Tag vor meinem Abflug nach Deutschland …”

“Da hat er es dir gestanden?”

Dieses Mal konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Elsa wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht, doch es war erfolglos. Sie nickte, während sie versuchte, den Tränen Einhalt zu gebieten.

“Und dann?”

Elsa schien zu überlegen, was sie sagen sollte, ob sie etwas sagen konnte. Doch schließlich antwortete sie. “Wir … wir haben die Nacht miteinander verbracht. Es war etwas einmaliges. Doch trotzdem … aber egal wie, ich bin am nächsten Tag nach Deutschland geflogen, es war klar, dass ich mindestens drei Jahre weg bin. Und dort ist dann sowieso alles anders geworden.”

“Aber … du bist doch wieder hier. Was hat dich davon abgehalten, ihn wieder zu kontaktieren? So wie er reagiert hat, hätte er sich sicher gefreut und wäre mit dir ausgegangen. Und deine Reaktion zeigt mir auch, dass du ihn noch nicht vergessen hast. Warum sonst solltest du so reagieren?” Er hoffte, dass Elsa aufsah, seinen Blick erwiderte und er darin etwas lesen könnte, ihm eine Antwort auf seine Frage geben würde. Doch sie tat es nicht. Stattdessen zuckte sie nur mit den Schultern.

“Das … hätte ich nicht können. Es ist doch alles anders. Ich bin nicht mehr die, die ich war, als ich gegangen bin. Nicht das Mädchen oder die Frau, die er so gemocht hat. Stattdessen …” Nun sah sie doch auf und man konnte ihr ansehen, dass sie sich stark geben wollte. “Ich habe ein Kind, Benjiro.”

“Und? Ich weiß, dass dein Sohn zu dir gehört. Vielleicht hätte er das genauso getan. Aber du kannst es nicht wissen, wie er das sieht, wenn du es ihm nicht sagst. Vielleicht hätte er den Jungen genauso akzeptiert, wie er es dich tut.”

Sie wirkte verunsichert, nachdenklich, dann schüttelte sie erneut ihren Kopf. “Es ist völlig egal. Es geht einfach nicht. Das was einmal zwischen ihm und mir war, dass kann nicht mehr sein.”

Benjiro sah sie immer noch nachdenklich an, dann weiteten sich seine Augen und er setzte sich aufrecht hin, sein Blick starr auf sie gerichtet.

“Elsa”, er stockte, “ist Mario der Vater von Masaru?”

Nun wurde sie kreidebleich und ihre Augen bildeten zwei große, dunkle Flecken auf ihrem Gesicht. Benjiro zuckte zusammen, alles in ihm fühlte sich an, als würde es zusammengepresst werden. Würde sie so reagieren, wenn es nicht so wäre?

“Er ist es, oder? Er ist der Vater und deshalb kannst du nicht mit ihm ausgehen. Ich dachte ja”, er strich sich verunsichert durch die Haare, “dass du ihm meinetwegen einen Korb gegeben hast, aber ich glaube jetzt eher, dass dir das eine willkommene Ausrede war.”

Wieder liefen die Tränen über Elsas Gesicht und ein Schluchzen entkam ihr. Sie schlug ihre Hände vor sich. “Er … er darf es nie erfahren”, presste sie zwischen den Schluchzern hervor.

“Aber Elsa”, wieder landete seine Hand auf einer der ihren, nahm diese sanft zwischen seine Finger, “du musst es ihm sagen. So etwas darf man nicht verschweigen. Er hat einen Sohn. Ihr habt einen Sohn. Er muss es wissen.”

Sofort schüttelte sie ihren Kopf und rutschte nach hinten, um sich seinem Griff zu entziehen. Ihre Hände presste sie zwischen ihre Knie. “Nein, das darf er nicht, niemals! Als er damals nach unserer gemeinsamen Nacht vor meiner Türe stand, hat er mir gesagt, dass er mit mir nach Deutschland gehen will. Dass er all seine Zelte hinter sich abbricht, alles hinter sich lassen würde. Familie, Freunde, seine Mannschaft. Aber das konnte ich doch nicht von ihm verlangen. Es war mein Wunsch, dass ich in Deutschland studieren kann. Ich wollte sein Leben nicht so beeinflussen. In Deutschland habe ich dann festgestellt, dass ich schwanger bin. Ich habe lange mit mir gekämpft, was ich machen soll, aber dann habe ich eine Entscheidung getroffen. Ich wollte sein Leben schon nicht so beeinflussen, dass er alles hinter sich lässt und zu mir nach Deutschland kommt, obwohl wir nicht einmal wissen, ob das zwischen uns überhaupt hält. Das aber, ein Baby, das wäre eine ganz andere Beeinflussung für ihn. Das wäre eine Beeinflussung für sein ganzes Leben und das wollte ich ihm nicht antun. Ich habe eine Entscheidung getroffen, für Masaru. Aber ich konnte diese Entscheidung nicht für Mario treffen. Also habe ich beschlossen, es ihm nicht zu sagen. Er wird nicht erfahren, dass er Vater ist. Und das ist der Grund, weshalb ich nicht mit ihm ausgehen kann. Nicht, weil ich ihn nicht mag oder nicht gerne einen Kaffee mit ihm trinken würde. Nein, ich kann nicht mit ihm ausgehen, weil er nicht wissen darf, dass er einen Sohn hat. Dass ich sein Kind auf die Welt gebracht habe.” Sie blickte Benjiro ernst an. “Du darfst es ihm niemals sagen, klar? Du darfst ihm kein Wort gegenüber darüber verlieren.”

“Elsa.” Fassungslos schüttelte ihr Gegenüber seinen Kopf. “Findest du nicht, Mario hat es verdient zu wissen, dass er ein Kind hat? Ein Kind … das ist so viel mehr. Du hast recht, es verändert alles, aber er muss entscheiden, wie er damit umgehen will. Was, wenn dein Sohn irgendwann einmal fragt, wer sein Vater ist? Was willst du ihm dann sagen?”

Elsa ballte ihre Hände auf ihren Knien zu Fäusten. “Die Geschichte, die ich von Anfang an erzählt habe. Dass ich nicht weiß, wer sein Vater ist. Natürlich ist das hart, das ist mir klar”, winkte sie ab, ehe Benjiro etwas einwerfen konnte, “aber das ist die richtige Entscheidung.”

Er biss sich auf die Lippen und man konnte ihm ansehen, dass er das nicht so sah wie seine Begleitung.

“Es ist schlussendlich deine Entscheidung, Elsa. Ich werde Mario nichts sagen, versprochen. Aber ich bin mir sicher, dass du deine Entscheidung irgendwann überdenken musst. Wenn nicht für Mario, dann für euren Sohn. Jeder hat das Recht zu wissen, wo er herkommt.”

Man konnte Elsa ansehen, dass sie diese Aussage nicht mochte, vielleicht auch, weil ihr klar war, dass Benjiro recht hatte, doch das wollte sie nicht, sie wollte darüber nicht nachdenken.

“Es ist gut, wie es ist.” Und damit machte sie ihm klar, dass sie nicht weiter darüber reden wollte. Wieder griff sie nach den Stäbchen, um damit erneut in ihrer Schüssel herumzustochern. Ihrem Gegenüber war klar, dass das nicht stimmte. Nichts war hier gut, doch es war nicht seine Entscheidung, es war allein Elsas.

Sie beide schwiegen eine Weile und schließlich winkte Benjiro dem Kellner, um zu bezahlen. Elsa hatte von ihrem Essen eigentlich nichts angerührt und ließ die Schüssel fast voll zurückgehen. Auf die Frage des Kellners, ob es nicht geschmeckt hätte, schüttelte sie nur ihren Kopf und antwortete, dass es ihr nicht so gut ging. Ihr Begleiter bezahlte und gemeinsam verließen sie das Restaurant, um ins Geschäft zurück zu kehren. Davor blieb er stehen und hielt sie an ihrer Hand fest.

“Elsa”, richtete er ernst an sie. Sie hob ihren Kopf und man konnte ihre vom Weinen rot geränderten Augen erkennen. “Es tut mir leid”, brachte er hervor. “Ich glaube, das mit uns beiden, das kann nichts werden.” Wieder weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen. Schnell ergriff er ihre Hand fester und zog sie näher zu sich. “Es liegt nicht daran, was du mir gerade gestanden hast. Nein, es liegt daran” er verzog sein Gesicht schmerzhaft, “dass du eindeutig noch Gefühle für Mario hast. Auch wenn du versuchst, es zu verleumden, dir die Gefühle auszureden in dem du sagst, dass ihr sowieso niemals zusammen sein könntet, er bedeutet dir immer noch etwas. Du hast Gefühle für ihn, die du nicht abstreiten kannst. Und du verstehst sicher, dass ich eine Beziehung will, wo die Frau mich mag, etwas für mich empfindet, nicht für jemand anderen. Ich mag dich, sehr sogar, das wird sich nicht ändern. Aber ich beende es lieber jetzt und wir bleiben Freunde und gute Kollegen, als dass wir eine feste Beziehung beginnen, die über kurz oder lang wegen ihm auseinanderbrechen wird.”

Und wieder liefen ihr Tränen über die Wangen. Er zog Elsa in seine Arme, hielt sie fest. “Ich mag dich Elsa. Und ich bin mir sicher, du wirst glücklich werden. Ich weiß nicht wie und auch nicht wann, aber du wirst es werden, glaube mir.”

“Ich hoffe es”, schluchzte sie leise und drückte ihr Gesicht an seine Schulter. Auch wenn sie nicht in ihn verliebt gewesen war, es hatte ihr etwas bedeutet, dass Benjiro mit ihr hatte zusammen sein wollen, trotz ihres Sohnes. Doch sie konnte auch verstehen, dass er das so nicht wollte. Sie konnte es ihm nicht übel nehmen. Trotzdem war es schön gewesen, dass es jemanden gab, der sie gemocht hatte, so wie sie war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Da hatte einer richtig geschlussfolgert ... aber nein, das sorgt noch nicht dafür, dass Mario es erfährt.
Im nächsten Kapitel findet jemand, der Elsa sehr, sehr nahe steht, heraus, wer wirklich Masarus Vater ist.
Eines meiner Lieblingskapitel- also bis Sonntag ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Linchen-86
2022-11-13T19:11:16+00:00 13.11.2022 20:11
Also am Anfang mochte ich diesen Benjiro nicht so, aber endlich kann mal einer rechnen, dann die Reaktion der Beiden, da konnte einer 1+1 zusammen zählen.
Es war auch gut, dass er Elsa zu verstehen gegeben hat, dass ihr weg nicht unbedingt der Beste ist...
Elsa steckt da aber schon so tief drin, dass sie nicht weiß wie sie da jetzt wieder raus kommen soll. Sehr schwer..
Antwort von:  Tasha88
13.11.2022 20:33
Benjiro hat ihr mehr oder wenig den KOpf gewaschen - es ist falsch, was sie macht. denk mal drüber nach, Elsa...
und ja, du hast es ganz richtig gesagt. Elsa hat das jetzt schon 3 Jahre durchgezogen - da ein Zurück zu finden ist auch wirklich schwer
Von:  Centranthusalba
2022-10-27T20:16:53+00:00 27.10.2022 22:16
Ein schönes Gespräch 😊 tja, wenn man so etwas immer gleich vorher merken könnte, bevor man sich in eine Beziehung stürzt…. Na, wenigstens nimmt er es ihr nicht übel. Gerade das ist die Stolperfalle bei Beziehungen im Job.
Also noch einer, der es jetzt weiß aber nichts sagt.
Antwort von:  Tasha88
27.10.2022 22:22
Elsa wollte es probieren. Gemein für ihn...
Aber gut, soll ja schließlich irgendwie auf Elsa x Mario hinauslaufen, also musst er weg 😅

Und ja, er weiß es jetzt. Der erste, der es erraten hat... Und damit Elsa aufzeigt, dass ihr Geheimnis nicht ganz so sicher ist, wie sie dachte...
Von:  phean
2022-10-27T09:18:06+00:00 27.10.2022 11:18
🧐🤨🙄😡😤
Antwort von:  Tasha88
27.10.2022 12:22
😅😂
Antwort von:  phean
27.10.2022 13:29
Ich weiß nicht, wer und was mich an dieser Situation am meisten nervt ... Daher beschließe ich einfach, dass es nicht existiert. Punkt.
Antwort von:  Tasha88
27.10.2022 13:54
XD
hier nerven alle XD
nächstes Kapi dann ;)
Antwort von:  Tasha88
27.10.2022 14:17
ah, außerdem diente das Kapitel auch dazu, Benjiro wieder loszuwerden XD


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