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Another Life

Another World, another Wesker
von

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Kapitel 2: Wie ist das eigentlich passiert?


 

Noch bevor sie die Augen öffnete, wusste sie, dass sie nicht zurück war. Die Umgebung roch nach Desinfektionsmitteln, das Labor war dagegen inzwischen – dank Barrys Frau und ihren Geschenken – von Blumenduft erfüllt. Außerdem war sie nicht allein. Jemand war mit ihr im Raum, im Labor hatte man aber genug Respekt für sie aufgebracht, um das Zimmer nicht einfach zu betreten, wenn sie noch schlief.

»Hier sind die Bilder«, sagte eine gedämpfte Stimme, die ihr nicht bekannt vorkam. »Wie Sie hier sehen, gibt es keine ersichtlichen Verletzungen. Sie sagten, sie hätte einen Schlag auf den Kopf bekommen?«

»Richtig.« Die sanfte Stimme des hiesigen Weskers. »Bei einer Mission vorgestern. Sie war da schon kurzzeitig bewusstlos. Ich hätte sie direkt ins Krankenhaus schicken sollen.«

Er klang zerknirscht, als täte es ihm wirklich leid. Vielleicht kam die Übelkeit, die Jill in diesem Moment übermannte, von der Gehirnerschütterung und nicht von dieser Unvereinbarkeit mit dem Wesker in ihrer Erinnerung. Aber es war genug, dass sie leise würgen musste.

Das lenkte die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sie. Schritte näherten sich ihrem Bett.

»Sind Sie wach, Ms. Valentine?«, fragte die erste Stimme.

Sie öffnete blinzelnd die Augen. Neben ihrem Bett stand ein Mann, der sich hier als »Dr. Hamilton« vorstellte.

»Wie fühlen Sie sich?«, fragte er.

»Furchtbar«, erwiderte sie mit kratziger Stimme. »Aber es ging schon schlechter.«

Es war eben kein Vergleich dazu, von einem Tyrant herumgeschleudert zu werden. Oder von einem Hunter fast aufgespießt zu werden. Oder eine Klippe hinabzustürzen.

Hamilton leuchtete ihr mit einer kleinen Taschenlampe in beide Augen, Schmerzen brandeten über sie hinweg und ließen sie stöhnen.

»Ich würde Sie gern über Nacht hier behalten«, sagte Hamilton. »Als Vorsichtsmaßnahme.«

»In Ordnung.« Sie glaubte ohnehin nicht, dass sie in diesem Zustand nach Hause käme oder es dort keinen weiteren Zwischenfall gäbe. Das konnte sie sich aber nicht leisten, sie musste herausfinden, was mit Chris geschehen war – und dann dazwischengehen. Selbst wenn er nicht ihr Chris war, durfte sie nicht zulassen, dass er hier wütete; da ging es um eine gewisse Verantwortung als seine Partnerin.

Mit der Versicherung, dass er gleich zurück wäre, weil er nur schnell die Einweisungspapiere holen wollte, verließ Hamilton den Raum. Kaum war er fort, fiel Jill auf, dass Wesker immer noch hier war. Er betrachtete sie aufmerksam, während er mit der Schulter an einer Wand lehnte.

In ihrer Welt hatte Albert Wesker immer eine Sonnenbrille getragen, am Ende vermutlich auch um seine leuchtenden Augen zu verbergen. Außerdem war er immer in schwarz unterwegs gewesen. In seiner Anwesenheit war die Luft eiskalt geworden, erfüllt von einem unbändigen Verlangen nach Macht, für das er sogar über Leichen ging.

Aber dieser Wesker war anders. Seine Augen waren deutlich zu sehen, sein Anzug war dunkelblau und seine Gegenwart war sogar fast … angenehm. Selbst, dass er sie unablässig fixierte, störte sie nicht wirklich. Es weckte nur eine Frage: »Warum bist du hier? Musst du nicht im Büro sein, Captain

Das letzte Wort kam schärfer über ihre Lippen als beabsichtigt. Sie war es inzwischen einfach nicht mehr gewohnt, ihn als Vorgesetzten zu betrachten, selbst wenn er hier so anders war.

Wesker schmunzelte ein wenig. Er stieß sich von der Wand ab, kam langsam zu ihrem Bett herüber und setzte sich auf einen Stuhl daneben. »Natürlich begleite ich dich ins Krankenhaus, wenn du direkt vor mir umkippst.«

Dass er so nah war, während sie sich so kraftlos fühlte, machte sie nun doch nervös. Sie versuchte, sich aufrecht hinzusetzen, obwohl ihr Kopf dagegen demonstrierte. Wesker reagierte sofort, indem er sich vorbeugte und sie wieder nach unten drückte. »Bleib liegen, Jill. Wir wollen nicht, dass du noch einmal umfällst. Auch wenn du jetzt schon im Krankenhaus bist.«

Bei seinem letzten Satz funkelten seine Augen belustigt. Dass sie das feststellen konnte, sagte ihr, dass er viel zu nah war. In einem ersten Impuls wollte sie ihn fortstoßen, aufspringen und weglaufen, aber ihre Arme waren zu schwach dafür. Also ließ sie sich zurück auf das Bett fallen, damit er sich wieder zurückzog – was er glücklicherweise auch direkt tat. Ihr Puls beruhigte sich sofort. Dafür setzte hinter ihrer Stirn ein pochender Schmerz ein.

»Wie ist das eigentlich passiert?«, fragte Jill.

»Was genau meinst du?«

»Die Verletzung. Wer hat mir diesen Schlag versetzt?«

Wesker warf einen Blick zur geschlossenen Tür. Erst nachdem er sichergestellt hatte, dass Hamilton gerade nicht zurückkam, antwortete er: »Wir haben Chris' … Redfields Versteck infiltriert, um ihn festzunehmen. Du hast einen Alleingang gestartet und ihn gestellt.«

Das konnte sie sich vorstellen. Wenn sie hier auch mit Chris befreundet war – wovon sie ausging, wenn sie die Reaktionen aller anderen betrachtete –, sah es ihr ähnlich, dass sie die Sache allein beenden wollte.

»Redfield hat dich niedergeschlagen und ist dann geflohen. Wir haben dich in der Kommandozentrale gefunden, da wurdest du langsam schon wieder wach.«

»Tut mir leid, dass ich die Mission ruiniert habe.« Auch wenn es nicht ihre Schuld war, nicht direkt jedenfalls.

Wesker schüttelte den Kopf. »Ich hätte im Vorfeld daran denken müssen. Immerhin weiß ich, wie nah sich das Alpha-Team steht, und ich kenne auch deinen sturen Kopf. Wir hätten diesen Auftrag gar nicht erst übernehmen dürfen.«

Das war vermutlich wirklich der Fehler gewesen. Sie hätten einfach jemand anderen übernehmen lassen sollen. Aber selbst dann hätte sie einen Alleingang gewagt. Sie kannte sich doch.

Wesker griff in die Innentasche seines Jacketts und zog ein Buch hervor. »Ich nehme an, du bist eigentlich hierfür ins Büro gekommen. Damit kannst du deine Gedächtnislücken etwas füllen.«

Es war ihr Notizbuch, wie sie bemerkte, als er es ihr in die Hand drückte.

»Außerdem«, fuhr er schmunzelnd fort, »vermeiden wir dann, dass du wieder ins Büro kommst und uns noch einmal umkippst. Am Ende verletzt du dich sonst noch ernsthaft.«

»Danke, Captain.«

Er neigte den Kopf, dabei wirkte er fast verletzt. »Warum bist du eigentlich so förmlich?«

Bevor sie fragen konnte, was er damit meinte, kam Hamilton in den Raum zurück. »Ich habe die Papiere. Sie müssen sie nur noch ausfüllen.«

Wesker stand vom Stuhl auf. »Ich muss ins Büro zurück. Danke für Ihre Hilfe, Doktor. Kümmern Sie sich bitte gut um sie. Und du, Jill, erhol dich. Melde dich, falls etwas sein sollte.«

Er nickte beiden noch einmal zu – wobei es Jill vorkam, als sähe er sie besonders intensiv an, es löste eine Gänsehaut bei ihr aus – und verließ dann das Zimmer. Sie sah ihm ratlos hinterher, sich weiterhin fragend, was er gemeint hatte. Warum sollte sie ihm gegenüber nicht förmlich sein? Und warum hatte er so verletzt gewirkt?

Selbst das Ausfüllen der Einweisungspapiere lenkte sie nicht von dieser Frage und vor allem diesem intensiven Blick ab. Sie konnte sich nicht erinnern, dass der Wesker ihrer Welt sie je so angesehen hatte. Was bedeutete das nur alles? Würde ihr Notizbuch ihr helfen, sich hier zurechtzufinden? Und was genau war mit Chris hier schief gelaufen?

All diese Fragen und Überlegungen verschlimmerten die Kopfschmerzen. Sie schloss ihre Augen, schob alles erst einmal weit von sich und konzentrierte sich nur noch darauf, Hamilton die richtigen Antworten für die Einweisung zu geben. Alles andere würde sich schon finden. Irgendwann. Hoffentlich.

 

Mehrere Stunden später hatten die Schmerzen dank prompter Medikamentengabe genug nachgelassen, so dass Jill in der Lage gewesen war, sich ihres Notizbuches anzunehmen. Glücklicherweise hatte sie ein Einzelzimmer bekommen, denn das Lesen war langwierig gewesen. Als sie fertig wurde, war es bereits Nacht, aber sie war dafür um einige Informationen reicher.

Der Zwischenfall in den Arklay-Bergen hatte sich zumindest zu Beginn so abgespielt wie in ihrer Erinnerung. Wesker, Chris, Barry und sie waren bei der Rettungsmission für das verschwundene Beta-Team in das von Zombies verseuchte Arklay-Anwesen eingedrungen. Die Ereignisse im Inneren unterschieden sich aber: Dokumente und Tagebücher wiesen darauf hin, dass die Forscher nach dem erfolglosen Versuch, ein bestimmtes Medikament herzustellen, auf der Suche nach Fördergeldern an Bio-Terroristen geraten waren. Auf deren Anweisungen und mit ihren finanziellen Mitteln war das T-Virus erstellt worden, ganz ohne Umbrellas Kenntnisnahme. Die Selbstzerstörung war nicht aktiviert worden, daher hatte man später noch einmal das Anwesen durchsuchen können – und bei dieser Beweissicherung war Chris an eine Probe des T-Virus gekommen und mit dieser verschwunden.

Laut ihren Aufzeichnungen war es dann tatsächlich von der Regierung zu einer gründlichen Durchleuchtung Umbrellas gekommen und laut den Ergebnissen handelte es sich hier wirklich um ein ganz normales Pharmazieunternehmen. Deswegen existierte S.T.A.R.S. noch und darum gab es keinen Ausbruch der Infektion in Raccoon City.

Was Chris anging, so sagten die Informationen, dass er wohl inzwischen für die H.C.F. arbeitete, jener Organisation, der in ihrer Welt Wesker jahrelang angehört hatte, eine Einheit speziell trainierter Soldaten, die zu einem Konkurrenten Umbrellas zählte. Was mochte Chris dazu bewogen haben, sich ihnen anzuschließen und seine Freunde dafür zu verraten?

Der letzte Eintrag stammte von dem Tag vor der Mission, bei der sie Chris stellen wollten – und er stellte Jill vor neue Fragen: Wir haben Chris' Aufenthaltsort gefunden. Albert sagte, wir werden morgen aufbrechen, um ihn selbst zu stellen. Das sei unsere Pflicht als seine ehemaligen Kameraden. Ich sehe das etwas anders. Natürlich will ich, dass er verhaftet wird, wenn alles so stimmt. Aber zuerst will ich, dass er mir seine Beweggründe erklärt. Ich kann nicht glauben, dass er uns einfach so verraten hat. Was immer vorgefallen ist, er soll es mir sagen, erst dann werde ich ihn der Justiz übergeben. Ich wünschte, Albert würde das verstehen und es auch so sehen. Aber er hat gesagt, ich soll den Gedanken vergessen und Chris als Feind betrachten, sonst bekäme ich Probleme bei der Mission. Also muss ich einfach gute Miene zum bösen Spiel machen und mich dann heimlich absetzen. Ich werde diese Mission zu Ende bringen und ich werde die Wahrheit erfahren. Oder dabei draufgehen.

Also hatte selbst ihr hiesiges Ich daran gezweifelt, dass Chris sie einfach verraten würde. Was war dann bei diesem Treffen zwischen ihr und Chris geschehen? Hatte er sie wirklich niedergeschlagen? Aber selbst wenn: er hatte sie nicht getötet, obwohl es ihm bestimmt möglich gewesen wäre. Vielleicht war er also gar nicht böse?

Jill seufzte. Der Schmerz hinter ihren Augen setzte wieder ein, besonders weil sie sich nun eine weitere Frage stellte: warum hatte ihr altes Ich Wesker nur Albert genannt? Selbst wenn er hier ein anderer Mann war, so war er doch ihr Vorgesetzter. Falls ihre Beziehung sich hier von ihrer Erinnerung unterschied, erklärte das, warum Wesker sich über ihre Förmlichkeit wunderte. Sie wollte aber gar nicht weiter darüber nachdenken, wie ihre Beziehung ausgesehen hatte. Selbst eine mögliche Freundschaft ließ die Gänsehaut auf ihren Armen zurückkehren.

Natürlich war ihr bewusst, dass es sich um unterschiedliche Weskers handelte. Aber es war immerhin ihr erster Tag in dieser Welt, sie konnte beide einfach noch nicht voneinander trennen. Und wer wusste, ob sie das überhaupt je tun müsste? Vielleicht wachte sie morgen auch wirklich wieder im Labor auf, dann stellte sie fest, dass das alles nur ein seltsamer, langwieriger Traum gewesen war und konnte sich wieder auf ihr normales Leben konzentrieren.

Sie legte das Buch auf den Beistelltisch und löschte das Licht. Ihre erneut erwachten Kopfschmerzen ließen sofort etwas nach, seufzend sank sie ein wenig tiefer im Bett. Wenn sie doch bliebe, würde sie alles daran setzen, noch einmal mit Chris zu sprechen. Genau wie ihr anderes Ich verlangte es ihr nach einer Erklärung, nun auch für diesen Schlag, der sie derart ausknockte. Natürlich müsste sie ihn dann erst wieder finden, aber ein wenig Detektivarbeit machte ihr nichts aus.

Gerade als sie vor sich hinzudösen begann, klingelte das Telefon auf dem Beistelltisch. Jill starrte es unentschlossen an, da sie nicht so recht wusste, ob sie abheben sollte. Wer sollte sie hier schon anrufen? Obwohl … vielleicht war es Barry? Er hatte sie in ihrer Welt sogar im Labor hin und wieder angerufen, also warum sollte er das hier nicht auch tun? Mit ihm könnte sie sich bestimmt auch über Chris austauschen. Deswegen hob sie den Hörer an ihr Ohr – und als sie die Stimme ihres Anrufers hörte, setzte ihr Herz für einen Schlag aus.

»Jill, wie geht es dir?« Ohne sein Gesicht wirkte selbst Weskers sanfte Stimme in dieser Welt furchteinflößend für sie. Es erinnerte sie zu sehr an diese Jahre, die sie bei ihm als Versuchskaninchen verbracht hatte.

»Schon besser«, antwortete sie kurz angebunden.

Er schwieg für einen Moment, in dem sie ihn nur leise atmen hörte. Hatte der Wesker in ihrer Welt auch noch geatmet? Oder hatte er irgendwann damit aufgehört, vielleicht sogar ohne es zu merken?

»Ich weiß, dass dir die Ereignisse zugesetzt haben«, fuhr er fort. »Chris und du standet euch sehr nahe.«

Klang er da gerade verbittert? Was störte ihn an ihrer Freundschaft? Nein, sie musste sich irren.

»Aber heute hast du dich besonders distanziert verhalten. Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist …« Er machte eine Pause, als hoffe er, dass sie die Lücke füllen würde, aber das konnte sie ja nicht mal. Deswegen fuhr er fort: »Ich will nur, dass du daran denkst, dass du dich jederzeit bei mir melden kannst, wenn etwas sein sollte.«

Erst wollte sie ihm versichern, dass alles in Ordnung war, damit sie ihn abwürgen konnte. Doch dann kam ihr wieder in den Sinn, dass sie unter Umständen noch länger hier bleiben müsste, da wäre es besser, wenn sie sich gut mit ihm stellte.

»Danke, Albert«, sagte sie daher.

Diese Worte schienen zu genügen, um seine Laune ein wenig zu heben. »In Ordnung. Dann schlaf gut. Und mach dir keine Sorgen wegen der Arbeit, wir kümmern uns schon um alles. Bis morgen.«

Sie verabschiedete sich ebenfalls und legte dann auf.

Das Gespräch ließ sie mit einer Ahnung zurück, was ihre Beziehung anging, die ihr gar nicht gefallen wollte. Wie hatte das nur passieren können? Natürlich, Wesker war hier kein gefährlicher Feind, aber dennoch … sie erschauerte beim Gedanken an eine Beziehung mit einem Albert Wesker, egal welcher der beiden.

»Hoffentlich wache ich morgen einfach wieder im Labor auf«, murmelte sie sich zu, »das hier ist mir einfach zu verrückt.«

Sie zog sich die Decke über den Kopf, schloss die Augen und atmete noch einmal tief durch.

Bitte, lass mich einfach nur nach Hause gehen, war ihr letzter Gedanke an diesem Tag, der für ihren Geschmack viel zu seltsam verlaufen war.
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
George Hamilton ist auch ein Charakter aus RE Outbreak. Im Canon ist er Chirurg, aber in dieser Welt sind Dinge eben anders gelaufen, also ist er hier eher ein Allgemeinmediziner oder Internist. Oder ... was auch immer die Entsprechung im amerikanischen Raum wäre. Komplett anzeigen

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