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Tag 1

Shuichi, ich liebe dich!

Es war Jahre her, seit er diese vier Worte aus ihrem Mund gehört hatte.

Ich liebe dich!

Er erinnerte sich noch ganz genau an den Klang ihrer Stimme, wenn sie jene Worte aussprach. Je nachdem in welcher Situation er sich befand, konnte er sie auch jetzt noch hören. Selbst wenn er in Gefahr war, hörte er sie. Immer und immer wieder. Manchmal retteten sie ihn. Manchmal lag er deswegen nachts wach. Manchmal verfluchte er sich auch dafür, was er ihr alles antat.

Sie war nicht seine erste Freundin und auch nicht seine Letzte. Aber sie war die Frau, die sich in sein Herz gebrannt hatte und von der er nicht loskam, egal wie sehr er es auch versuchte. Jodie war ein ganz besonderer Mensch. Ein Mensch, der mehr verdient hatte als ihn.

Shuichi Akai war ein Mann, der mit beiden Beinen fest im Leben stand. Er hatte alle Probleme und Herausforderungen – im Privat- als auch Berufsleben – mit Bravour gemeistert. Nach außen wirkte er wie ein Agent ohne Emotionen. Kalt und unberechenbar. Aber wenn es um Jodie ging, musste er sich zusammenreißen, um nicht überstürzt zu handeln. Er hatte es zwar immer hinter einer Fassade versteckt, aber in seinem Inneren brodelte es andauernd.

Eigentlich hätten sie nur noch Kollegen sein müssen, vielleicht sogar Freunde, aber nicht mehr. Trotzdem knisterte es immer noch zwischen ihnen. Wann immer sie alleine waren, hoffte er, dass sie ihm nicht näherkam, dass sie nicht merkte, wie sein Herz schlug, wenn er ihren betörenden Geruch einsog. Sie brauchte manchmal nur neben ihm zu stehen und schon fühlte er sich überfordert.

Normalerweise konnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Normalerweise. Aber Jodie war anders. Sie wusste, welche Knöpfe sie bei ihm drücken musste. Und alles passierte ganz unbewusst. Vielleicht war es auch seine Bestimmung und sie der Mensch, der ihn am besten ergänzte. Shuichi hatte schon viel von der großen Liebe, dem roten Faden und dem Schicksal gehört. Bislang hatte er allerdings nicht daran geglaubt, da ihm der Gedanke, dass von Anfang an eine Person für ihn bestimmt gewesen war, fremd war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es tatsächlich so etwas gab und auch nicht, dass eine Person auf ihn wartete. Bis er Jodie kennenlernte. Bei ihr verspürte er diese besondere Verbindung.

Im Laufe seines Lebens hatte er viel gesehen. Schmerz. Wut. Trauer. Liebe. Menschen, die zusammenfanden und ohne den anderen nicht mehr leben konnten. Und insgeheim wünschte er sich das auch. Er wollte nach Hause kommen in eine Wohnung die voller Liebe war. Warm und willkommen. Es musste kein Essen auf dem Tisch stehen, es reichte schon, wenn sie einfach nur da war. Sie mussten nicht einmal miteinander intim werden, der Austausch von Zärtlichkeiten reichte vollkommen aus. Eine Berührung hier, eine Berührung da. Mehr brauchte er nicht. Aber würde er dieses Leben irgendwann wirklich bekommen oder würde er vorher sterben? Oder würde sie einen Mann treffen, den sie mehr liebte?

Shuichi ging die Straße entlang, die Zigarette im Mund und die Hände in den Hosentasche. Die kalte Jahreszeit brachte ihn immer wieder zum Nachdenken. Es war dunkel und trist. Ein weiteres Jahr voller Einsamkeit.

Als sich der Agent umblickte, stand er vor dem Häuschen eines Wahrsagers. Er schüttelte den Kopf. Er glaubte nicht an so etwas. Aber dann sah er Jodie vor sich. Sie hätte sich sicher die Zukunft voraussagen lassen und dann darauf gewartet, dass alles eintrat. Er schmunzelte und ging näher an das Häuschen heran.

„Möchten Sie etwas über Ihre Zukunft erfahren?“

Shuichi warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. „Wie viel?“

„3.000 Yen“, entgegnete die Dame.

Akai bezahlte sie. „Und jetzt?“

Sie hielt ihm ein Set mit Tarotkarten hin. „Ziehen Sie drei Karten.“

„Mhm…“, murmelte der Agent.

„Nur keine Scheu. Wählen Sie drei Karten aus dem Deck aus. Aber decken Sie sie nicht auf.“

Er entschied sich für drei Karten und legte sie auf den Tisch.

„Gut. Die Entscheidung ist endgültig.“ Sie platzierte die übrigen Karten links neben sich, ehe sie die erste Karte aufdeckte. „Bevor wir zu Ihrer Zukunft kommen, müssen wir uns Ihre Vergangenheit ansehen. Die Liebenden. Diese Karte steht für Bindungen und taucht meistens dann auf, wenn es um eine Herzens-Entscheidung geht. Sie müssen eine Entscheidung treffen, die eine alte Beziehung betrifft.“

Shuichi schluckte. Es war nah an der Realität.

„Kommen wir jetzt zur zweiten Karte. Sie steht für Ihre Gegenwart.“ Die Frau deckte die Karte auf. „Das Rad des Schicksals. Ihre Vergangenheit und Ihre Zukunft werden schon sehr bald in Einklang gebracht werden.“ Sie lächelte. „Glückliche Fügungen bahnen sich an.“

„Aha“, murmelte Shuichi.

Nun deckte sie auch die letzte Karte auf. „Ihre Zukunft. Die Welt. Es kommt zusammen, was zusammengehört. Die Karte besiegelt das Ende einer Lebensphase und den Anfang eines neuen Abschnittes.“

„Mhm…“, murmelte Akai.

„Das sind gute Karten. Sie werden Glück haben. Aber für Ihr Glück müssen Sie auch einiges tun. Abwarten bringt Sie nicht weiter.“

Shuichi blickte sie irritiert an.

„Wenn Sie eine Frau finden, lassen Sie sie nicht los. Es kann immer zu spät sein.“

„Was meinen Sie damit?“

„Nur weil die Karten eine Bestimmung vorhersagen, muss es nicht eintreten. Wenn Sie zu lange warten, kommen Sie zu spät und die Frau lernt einen anderen Mann kennen. Irgendwann führt jeder sein Leben weiter. Aber dann wird es für Sie zu spät sein. Halten Sie die Liebe fest.“

Akai musterte sie. „Verstehe…“ Er klang nicht überzeugt.

„Jeder wird irgendwann sein Schicksal akzeptieren.“

„Danke für die Vorhersage“, gab er monoton von sich und entfernte sich vom Stand. Er dachte nach und sah sich um. Überall waren Menschen – Pärchen - und erfreuten sich über den Weihnachtsmarkt. Schnell entschied der Agent, dass es am besten war, nach Hause zu gehen. Doch so weit kam er nicht.

„Shu?“

Er drehte sich zur Seite.

„Du bist wirklich gekommen.“

Akai sah Jodie irritiert an. „Was machst du hier?“

Sie schmunzelte. „Sag bloß nicht, du hast es schon vergessen. Ich habe dich doch gestern gefragt, ob du heute Abend mit mir über den Weihnachtsmarkt schlendern willst. Du hast nur mit einem Mhm…mal sehn geantwortet. Ehrlich gesagt, hab ich nicht mit dir gerechnet, weil ich dachte, dass du mir gar nicht richtig zugehört hast.“

Er hatte das Gespräch tatsächlich nicht mehr in Erinnerung, aber sein Unterbewusstsein hatte ihn hergeführt. Zu ihr.



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