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Tag 3

Shuichi agierte immer strukturiert und vorausschauend. Hatte er ein Ziel verfolgte er es kontinuierlich und ließ sich nicht ablenken. Das gleiche galt auch für sein Privatleben, auch wenn er Ablenkung in Form von Jodie hatte. Sie tat ihm gut. Durch sie hatte er sich verändert und war nicht mehr nur auf ein Ziel fokussiert. Er hatte gelernt, dass sich Prioritäten und Wichtigkeiten verschieben konnten – auch wenn seine Arbeit immer an oberste Stelle stehen würde.

Als Agent hatte er sich mittlerweile einen Namen gemacht. Er war gut in seinem Job und liebte die Herausforderung. So war nicht verwunderlich, dass er nach und nach aufgestiegen war und sogar als Berater zu diversen Fällen hinzugezogen wurde – vor allem dann, wenn es um seine Fähigkeiten als Schütze ging. Sehr schnell hatte sich Shuichi in diesem Feld weitergebildet, verschiedene Trainings absolviert und eine Ausbildung als Scharfschütze absolviert.

Doch es gab auch Tage, an denen ihm die Arbeit schwerfiel. Nach außen zeigte er nichts, aber wenn er zu Hause war, ließ er sich gehen. Es war auch lange her, dass er einen solchen Tag hatte. Aber jetzt war es so weit. Er war erst seit einigen Wochen in Japan und für seinen verdeckten Einsatz in eine andere Rolle geschlüpft. Täglich belog er die Menschen in seiner Umgebung. Aber am schlimmsten war die Frau, die er zurücklassen musste.

Während seiner Arbeit sowie in seiner Freizeit – wenn er sie hatte – verbot er sich an New York und ihre gemeinsame Zeit zu denken. Denn sobald er es tat, suchte er nach möglichen Alternativen, um die räumliche Trennung aufzuheben. Da dies aber mit seiner Arbeit in Widerspruch stand, lenkte er sich ab. Er ging oft nach draußen, joggte, macht Kampfsportübungen oder las sich wieder und wieder alle Unterlagen zu seinem Einsatz durch. Am schlimmsten waren allerdings jene Tage an denen er mit ihr – beruflich – telefonieren musste. Sie waren dabei nie allein und mussten darauf achten, was sie sagten. Immer wenn er ihre Stimme hörte, wünschte sich ein Teil von ihm wieder nach New York zu gehen. Ein anderer Teil wusste aber, dass er in Japan gebraucht wurde und mit seinem Einsatz gegen die Organisation mehr beitragen konnte.

Leider war es nicht so einfach wie anfangs vermutet. Er musste sie erst einmal auf sich aufmerksam machen und dann langsam in ihrem inneren Kreis aufsteigen. Dafür hatte er sein gesamtes Leben in New York auf Eis gelegt und seine Liebste verlassen. Das Letzte, was ihm noch in Erinnerung blieb, waren ihre Tränen als sie ihn am Flughafen verabschiedete. Nie hatte er sie verletzen wollen, aber er tat es dennoch. Nicht nur einmal, sondern an jedem Tag an dem er in Japan war. Allein seine Anwesenheit in dem Land hatte dafür gesorgt.

Er wollte sich nicht ausmalen, wie schmerzhaft es für sie sein musste, jeden Morgen aufzustehen und nicht zu wissen, was mit ihm war. Es gab Abende, da schrieb er ihr keine Nachricht, sondern fiel einfach nur müde ins Bett. Wahrscheinlich saß sie zu Hause und wartete auf seinen Anruf oder seine Nachricht, während sich in ihrem Kopf verschiedene Horrorszenarien abspielten. Er konnte verstehen, wenn sie Tag für Tag deswegen kämpfte. Und die Zeitverschiebung half auch dazu bei.

Shuichi ging die Straße entlang und beobachtete das hektische Treiben der Menschen. Er ging in der Menschenmasse unter und zog keine Aufmerksamkeit auf sich. Seine Hände glitten in seine Jackentaschen und er ging einfach weiter, ohne wirklich auf seinen Weg zu achten. Er kannte seine Umgebung bereits gut genug, um zu wissen, wie er am schnellsten nach Hause kam. Der FBI Agent atmete tief durch und sog die kühle Luft ein. Als er an seinem Wohnkomplex ankam, blickte er sich um. Die Organisation war überall und beobachtete ihn. Er war nirgends sicher. Das Fadenkreuz prangte über ihn. Aber das gehörte zu seiner Arbeit dazu.

Shuichi stieß die Tür auf, ging zu seinem Briefkasten und überprüfte seinen Inhalt. Er war zwiegespalten. Keine Post hieß auch, dass er einen freien Abend hätte und sich um keinen Auftrag kümmern musste. Allerdings hatte er damit genug Zeit, um sich ganz seiner Sehnsucht nach Jodie hinzugeben. Dennoch musste er aufpassen, dass er Akemi nicht vor den Kopf stieß. Dass sie Interesse an ihm hatte, hatte er bereits erkannt. Aber er hielt sie auf Abstand. Dafür war ihm Jodie viel zu wichtig.

Shuichi ging die Treppen nach oben und öffnete seine Haustür. Er trat ein, zog die Jacke und Schuhe aus und überprüfte die Wohnung auf Eindringlinge. Eigentlich freute er sich immer auf seine ruhige Wohnung. Dazu ein Glas Bourbon und eine kühle Dusche.

Er begab sich zunächst ins Wohnzimmer und ließ sich auf das Sofa fallen. Für einen Moment schloss er die Augen und erlaubte sich abzuschalten. Nur ein einziges Mal wollte er sich gehen lassen. Doch es kam anders. Sofort sah er Jodies Gesicht vor sich. Wut. Trauer. Tränen. Ein Lächeln.

Unbeabsichtigt ließ er die Hand in seine Hosentasche gleiten und zog sein Handy hervor. Er öffnete die Augen, las ihre letzte Nachricht und sah sich ein Foto von ihr an. Dann suchte er in den Einstellungen und unterdrückte seine Nummer. Beinahe wie in Trance wählte er die Nummer seiner Freundin.

Es dauerte nicht lange, bis Jodie den Anruf entgegennahm. „Starling. Hallo?“

Erst jetzt realisierte der Agent, was er getan hatte. Er war schwach, aber als er Jodies Stimme hörte, lächelte er. Er atmete tief durch, schwieg aber.

„Hallo?“

Er konnte einfach nichts sagen.

„Hallo? Wer ist denn da?“, fragte Jodie erneut.

Shuichi wusste, dass es gefährlich war, jetzt mit ihr zu telefonieren, gefährlich, den Kontakt aufrecht zu halten. Aber er wollte ihr so viel sagen und noch viel mehr versprechen. Aber ein Versprechen war ein Problem, denn er hätte alles getan, um es auch zu halten. Akai atmete ein weiteres Mal tief durch.

„Shu? Bist du das?“, wollte die Agentin wissen.

Mit einem Mal hatte er einen Kloß im Hals. Er versuchte ihn runterzuschlucken, aber es gelang ihm nicht. Beim Versuch etwas zu sagen, zitterten seine Lippen. Er vermisste sich, wollte sie sehen, sie im Arm halten, sie küssen, sie…

Tief in seinem Inneren wusste er aber, dass seine Arbeit die höchste Priorität hatte und er sich nicht seinen Gefühlen hingeben konnte. „Es tut mir leid…“, wisperte er und beendete den Anruf. Sogleich warf er das Handy auf das Sofa und lehnte sich nach hinten. Er seufzte. Warum musste es nur so schwer sein?



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