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S.T.A.R.S. Snapshots

Another World, another Wesker ~ One-Shot-Sammlung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der OS spielt 1991, als Albert gerade bei der Army war - und zeigt, wie er Chris und Barry traf. Komplett anzeigen

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[1991] – Ich schätze, ich sollte dir danken


 

Seit Albert Raccoon City verlassen hatte, war er nicht mehr in einer Kneipe gewesen. Wie auch, wenn er mit seiner Grundausbildung in der Army beschäftigt war? Deswegen nutzte er seinen ersten freien Abend, um in der Stadt, die dem Stützpunkt nahe war, eine Bar aufzusuchen, die ihm von einigen anderen empfohlen worden war. Wobei empfohlen vielleicht etwas großzügig war – denn während er die kleine Stadt betrachtete, durch deren Straßen er lief, war er sich ziemlich sicher, dass es einfach keine andere Bar gab.

Der Lärm war schon vor der Tür unüberhörbar, als er eintrat wurde er noch dazu von Zigarettenrauch und einem massiven Geruch nach Alkohol und Hefe eingehüllt. In einer Ecke spielte eine Jukebox erfolglos gegen die Soldaten an, während diese sich lautstark miteinander über ihre Pflichten oder ihre Familien austauschten. Eigentlich war es wie in jeder Bar, nur mit mehr Uniformen. Er fühlte sich fast wie zu Hause.

Albert schlängelte sich durch die Anwesenden – er erkannte nicht einmal jemanden, obwohl bestimmt auch einige Leute aus seiner Einheit dabei waren – bis zum Tresen, wo er sich ein Bier bestellte. Erst als ihm ein volles Glas ausgehändigt wurde, wollte er auch einen Tisch suchen, am besten in irgendeiner Ecke, wo die Leute ihn in Ruhe ließen und niemand ihn stören konnte.

Doch die Suche endete schon nach einem Schritt, als ein anderer Gast plötzlich mit Wucht gegen ihn stieß. Das Bier landete in Alberts Shirt, was ihn mit flammenden Ärger erfüllte, den er schon länger nicht mehr gespürt hatte – wahrscheinlich, weil er eben schon lange nicht mehr in einer Kneipe gewesen war.

Wütend wandte er sich an den Typ, der ihn angerempelt hatte. »Hey! Was soll der Scheiß?!«

Der andere hob unschuldig die Hände. »Mann, tut mir leid, okay? Ich hatte schon ein paar Bier, deswegen ...«

Albert stellte das nun leere Glas mit Nachdruck wieder zurück auf den Tresen, ohne den Blickkontakt zu dem anderen zu unterbrechen. »Wow, Glückwunsch. Und jetzt versuchst du, andere davon abzuhalten, denselben Fehler zu machen?«

»Na ja, du bist jetzt schon aggressiv, das wird bestimmt nicht besser, wenn du auch noch trinkst.«

»Oh, du hast mich noch nicht gesehen, wenn ich aggressiv werde«, sagte Albert und wollte gerade schon ausholen, um ihn zumindest mit einem Schlag zu treffen – als plötzlich jemand neben sie beide trat.

»Jetzt ist aber genug«, sagte der Neuankömmling mit brummender Stimme. »Kein Grund, hier direkt einen Streit anzufangen.«

Albert wandte sich ihm zu, um ihn darauf hinzuweisen, dass er niemanden brauchte, der sich hier einmischte und ihm sagte, was er tun sollte, doch kaum fiel sein Blick auf den Mann, der größer war als er und ihn deswegen mit leicht funkelnden Augen mild von oben herab betrachtete, erstarb jeder Widerspruch in seinem Hals. Für einen kurzen Moment kam es ihm vor, als wäre dieser Neuankömmling, der auch deutlich älter war, nicht nur irgendein Fremder, sondern sein Vater, der ihn von einem schlimmen Fehler abhalten wollte. Albert presste die Lippen aufeinander, dafür seufzte der Kerl, der ihn angerempelt hatte: »Mann, Barry, ich hab das auch allein geklärt.«

Der große Mann – Barry – sah ihn an und schüttelte mit dem Kopf. »Ich hab dir gesagt, du sollst dich zurückhalten, Chris. Jetzt entschuldige dich bei ihm.«

Chris rollte mit den Augen, wandte sich aber wirklich wieder an Albert: »Es tut mir leid. Ich hätte vorsichtiger sein sollen.«

»Ja«, erwiderte Albert nur. »Was auch immer.«

Die Lust auf einen Kneipenabend war ihm nun auf jeden Fall vergangen, deswegen ging er an Barry vorbei, um wieder nach draußen zu kommen. Doch schon nach einem Schritt legte sich eine schwere Hand auf seine Schulter. »Warte mal. Kann ich dich nicht zu einem Bier einladen? So als Wiedergutmachung?«

Albert sah Barry mit gerunzelter Stirn an. »Du hast doch nichts falsch gemacht.«

»Ich hab nicht gut genug auf Chris aufgepasst, das reicht doch«, erwiderte Barry. »Also?«

Eigentlich legte Albert keinen Wert auf Gesellschaft, schon gar nicht die eines angetrunkenen Idioten, der neugierig hinter Barrys Rücken hervorsah und auf seine Antwort wartete. Aber dann war da noch diese leise Stimme in seinem Inneren, die unbedingt Zeit mit jemandem wie Barry verbringen wollte. Die Erkenntnis füllte ihn wieder mit Ärger, diesmal aber auf sich selbst. Was wäre da die bessere Strafe, als mit einem angetrunkenen Idioten herumzusitzen? Deswegen seufzte er schließlich lautlos. »Fein, wenn du unbedingt Geld für mich verschwenden willst.«

Barry klopfte ihm zufrieden auf die Schulter und schob ihn dann schon in Richtung Tresen. »Wahrscheinlich hast du es schon mitbekommen, aber ich bin Barry, und mein ungeschickter Freund ist Chris. Wie heißt du?«

»Wesker«, antwortete er automatisch nur mit seinem Nachnamen, bis ihm einfiel, dass er ja gar nicht auf dem Militär-Gelände war, weswegen er das weiter ausführte: »Albert Wesker.«

 

Eine Stunde später wusste Albert, dass Barry und Chris bei der Air Force waren, die ebenfalls in der Nähe stationiert war und sich deswegen schon eine Weile kannten.

»Ist es eine gute Idee, so viel zu trinken, wenn ihr morgen wieder fliegen sollt?«, fragte Albert in Chris' Richtung.

Der winkte direkt ab. »Ich darf grad eh nicht fliegen. Hatte Ärger mit einem Vorgesetzten, weil ich seinen Befehlen nicht gefolgt bin. Dass ich raus durfte, liegt auch nur daran, weil es mein erster Verstoß war.«

Albert hätte ihn gern darauf hingewiesen, dass es eine dumme Idee war, bei der Air Force nicht auf die Vorgesetzten zu hören, aber das nahm Barry ihm bereits ab, gefolgt von einem »Das hab ich dir schon so oft gesagt«. Chris warf Barry darauf einen glühenden Blick zu. »Es war einfach falsch! Ich kann das nicht machen, wenn ich weiß, dass es nicht richtig ist.«

Was hatte man von ihm verlangt? Und warum hatte er sich so etwas nicht schon vor dem Beitritt denken können? Albert fragte nicht, denn im Grunde interessierte es ihn nicht. Chris erschien ihm inzwischen zwar nett, aber das war es auch schon. Er wollte nicht mehr über diese Person wissen, die er nach dieser Nacht ohnehin nie wiedersähe. Warum Energie in eine Beziehung investieren, die ohnehin zum Scheitern verurteilt war?

»Warum bist du eigentlich zur Army gegangen, Albert?«, fragte Barry ihn plötzlich.

»Ich will Polizist werden«, erklärte er knapp. »Aber ich hab keine Lust auf's College, also muss ich zumindest Militärdienst ableisten.«

Barry nickte anerkennend, was Albert fast mit Stolz erfüllte – ein Gefühl, das sofort zersplitterte, als er fortfuhr: »Aber du solltest unbedingt noch an deiner Aggressivität arbeiten. Chris hat vorhin einen Fehler gemacht, aber deswegen solltest du ihm nicht eine reinhauen.«

»Woher weißt du, dass ich das vorhatte?«

»Ja«, bekräftigte Chris neugierig, »woher weißt du das?«

»Deine Muskeln haben sich angespannt«, antwortete Barry, »und du hattest diesen Ausdruck im Gesicht, als wäre dir gerade jeder Ärger egal.«

So offensichtlich war das gewesen?

»Respekt. Ich hatte noch niemanden, der das vorher gesehen hat.«

»Das macht die Erfahrung.« Barry erhob sich von seinem Platz am Tresen. »Ich bin gleich wieder da, geht euch in der Zwischenzeit nicht an die Gurgel.«

Dabei bedachte er besonders Chris mit einem Blick, den dieser aber unschuldig erwiderte, während er einen Schluck Bier nahm. Kaum war Barry zwischen den anderen Gästen verschwunden, setzte Chris sein Glas wieder ab und beugte sich in Alberts Richtung. »Also, Al-«

»Albert«, erwiderte dieser frostig.

»Ja ja, also: Vaterprobleme?«

Albert runzelte seine Stirn, während Chris ihn fragend ansah. Da er das nicht weiter ausführte, blieb nur eine Antwort: »Ich weiß nicht, was du meinst.«

Chris seufzte lächelnd. »Ich will wissen, ob du Probleme mit deinem Vater hast.«

Diese Forderung erfüllte Albert mit Verwirrung, aber vor allem wieder Ärger. Was fiel diesem Kerl, der ihn gar nicht kannte, eigentlich ein?

»Was geht dich das an?«, erwiderte er.

Chris zuckte mit den Schultern. »Gar nichts. Ich mache mir nur meine Gedanken, warum du bei Barry so lammfromm bist, obwohl du mich kurz vorher noch schlagen wolltest. Und da fällt mir nur ein, dass du ihn sofort als Vaterfigur betrachtet hast. Hey, Barry ist ein echt väterlicher Typ, viele bei uns sehen ihn also als Vaterersatz, da ist also nichts Schlimmes daran. Meistens wollen die anderen einfach nur von ihren Vätern anerkannt werden. Aber weil der das nicht tut, holen sie sich die Anerkennung einfach von Barry.«

Albert bewunderte Chris ein wenig dafür, dass er selbst im angetrunkenem Zustand solche Schlussfolgerungen ziehen konnte. Aber natürlich gab er das nicht zu, sondern zog seinen Trumpf, mit dem er dem anderen den Wind aus dem Segel nehmen wollte: »Deine Theorie ist ja ganz nett, aber ich habe keine Probleme mit meinem Vater, denn meine Eltern sind schon lange tot.«

Vor seinem inneren Auge sah er wieder das Schlafzimmer voller Blut. Er trank rasch einen Schluck Bier, um das Bild zu verdrängen.

»Wow, tut mir leid.« Chris kratzte zumindest seinen letzten Anstand zusammen. »Aber hey, da haben wir ja was gemeinsam. Meine Eltern sind auch früh gestorben. Seitdem waren meine Schwester und ich auf uns allein gestellt.«

Sieh nicht hin, Alby. Wieder einmal hörte er die Stimme seiner Schwester in seinen Ohren, was ihn schaudern ließ.

»Sei froh, dass du nicht allein bist«, sagte Albert tonlos.

»Ja, das bin ich auch.« Chris lächelte zufrieden, sah ihn aber gleich wieder besorgt an. »Bist du etwa allein?«

»Ja.« Alex war adoptiert worden und hatte seitdem keinen Kontakt mehr zu ihm, er war also auf sich allein gestellt. »Aber das stört mich nicht.«

Das glaubte Chris ihm offensichtlich nicht, und in diesem Moment hasste Albert ihn sogar ein wenig dafür. Vielleicht hasste er aber auch nur sich selbst, dass es ihm nicht gelang, einen angetrunkenen Fremden davon zu überzeugen, dass mit ihm alles in Ordnung war.

Entschlossen knallte Chris seine Faust auf den Tresen, was Albert zusammenzucken ließ.

»Ich habe mich entschieden!«, verkündete er geradezu feierlich. »Ich werde jetzt einfach dein Bruder sein, Al!«

»Albert«, erwiderte er genervt. »Und warum denkst du überhaupt, dass ich einen brauche?«

Chris legte eine Hand auf Alberts Schulter und sah ihm intensiv direkt in die Augen. »Weil Familie echt wichtig ist. Und jeder sollte eine haben. Auch du.«

Er hoffte, die Gänsehaut käme davon, wie unheimlich er die Situation gerade fand, und nicht, weil er irgendwie ergriffen davon war. Nein, ganz bestimmt nicht, weil er ergriffen davon war. Sobald Chris wieder nüchtern war, vergaß er das ohnehin, er durfte sich keine Hoffnungen machen. Alex hatte all seine Hoffnung damals mitgenommen, als sie gegangen war, er wollte diesen Schmerz nicht noch einmal erleben.

Unwirsch fegte er Chris' Hand von seiner Schulter. »Ich brauche niemanden.«

Chris blieb keine Zeit, darauf etwas zu erwidern, da Barry zurückkehrte. Prüfend blickte er zwischen ihnen hin und her, diesmal sah er Albert besonders intensiv an – wahrscheinlich war er wieder zu angespannt. So gern er noch eine Weile geblieben wäre, um Zeit mit diesem Mann zu verbringen, so sehr wollte Albert jetzt nur noch weg, bevor er doch noch Emotionen investierte.

Deswegen stand er nun auch direkt auf. »Ich denke, ich gehe dann mal besser. Danke für die Einladung. Und … macht's gut oder so.«

Verabschiedungen lagen ihm nicht so wirklich, deswegen hob er nur noch die Hand und ging dann möglichst rasch in Richtung Ausgang. Hinter sich hörte er noch, wie Barry »Was hast du ihm gesagt, Chris?« fragte, doch die Antwort bekam er schon nicht mehr mit. Sollte Chris ihm ruhig erzählen, was er wollte, er würde diese beiden Männer ohnehin nie wiedersehen, also konnte es ihm egal sein. Jedenfalls war er davon noch überzeugt, als er durch die Tür nach draußen in die kühle Luft trat, um zum Stützpunkt zurückzugehen und diesen Abend wieder zu vergessen.

 

Einen Monat später lief Albert nach dem Frühstück durch die Kaserne, direkt vorbei an der Poststelle, die ihn wie üblich nicht interessierte – immerhin erwartete er von niemandem Post und verschickte auch keine. Deswegen ignorierte er auch den lauten Pfiff, der von dort kam, aber als jemand »Wesker!« rief, hielt er doch inne und wandte sich dem ungeduldigen Soldat hinter dem Tresen zu, vor dem er rasch salutierte.

»Wollen Sie Ihren Brief jetzt oder nicht?«, fragte er und wedelte dabei mit einem Umschlag.

Albert runzelte die Stirn. »Brief?«

»Ja! Nehmen Sie ihn endlich!«

Um keinen Streit mit einem Vorgesetzten zu provozieren, nahm Albert ihm den Brief ab und entfernte sich dann rasch, ehe er einen Blick auf den Umschlag warf. Dabei hatte er nicht viel Hoffnung, dass es irgendetwas Interessantes war, wahrscheinlich stammte er lediglich von seiner Bank, die ihn über neue Investmentangebote informieren wollte, oder dem Lagerraum, wo er seine Möbel untergebracht hatte.

Deswegen überraschte es ihn umso mehr, als er sah, dass der Absender jemand von der Air Force war – und als er Chris' Namen las, konnte er nicht anders, als die Stirn zu runzeln. Er musste nicht einmal darüber nachdenken, wer das überhaupt war, denn er erinnerte sich immer noch, obwohl er es eigentlich hatte vergessen wollen.

Aber warum schreibt er mir? Und das ausgerechnet heute?

Um das herauszufinden, öffnete Albert den Umschlag und zog eine einfache Glückwunschkarte heraus, die ihn nur noch verwirrter zurückließ. Als er sie aufklappte, begrüßte ihn darauf dieselbe kantige Schrift wie schon auf dem Umschlag:

 

Alles Gute zum Geburtstag, Al!

Bestimmt fragst du dich, woher ich das jetzt schon wieder weiß. Wenn du das wissen willst, musst du heute Abend wohl oder übel wieder in die Bar kommen. Ich lade dich diesmal auch auf ein Bier ein. Also lass mich nicht hängen!

 

PS: Barry kommt auch.

 

Es ärgerte ihn, dass Chris ihn schon wieder Al nannte, und dass er irgendwie an sein Geburtsdatum gekommen war – aber gleichzeitig ertappte er sich selbst dabei, dass es ihn freute, zum ersten Mal seit er das Waisenhaus verlassen hatte, von jemandem einen Geburtstagsgruß zu bekommen. Schade, dass er ausgerechnet von Chris gekommen war. Dass der aber noch an ihn dachte, überraschte ihn wirklich. Er war fest davon ausgegangen, nie wieder etwas von einem der beiden zu hören. Vielleicht konnte es nicht schaden, eine Ausnahme zu machen und die beiden zumindest noch einmal zu treffen – vor allem Barry wäre an seinem Geburtstag mal eine willkommene Abwechslung zu seinen sonstigen Arten, diesen Tag zu verbringen.

Ob Chris von derselben Person, die sein Geburtsdatum verraten hatte, auch wusste, dass er heute Ausgang hatte? Das würde er auf jeden Fall herausfinden, selbst wenn er dafür noch einmal mit ihm sprechen musste.

 

Diesmal war die Bar wesentlich leerer als noch beim letzten Besuch, aber die Lautstärke blieb gleich. Chris hatte einen Tisch ergattert, von dem aus er Albert zu sich winkte. Albert setzte sich ihm gegenüber, um möglichst weit entfernt von ihm zu sitzen.

»Barry kommt später«, erklärte Chris die Abwesenheit des anderen direkt. »Aber schön, dass du es geschafft hast, Al.«

»Albert. Verrätst du mir jetzt, wie du an meine Daten gekommen bist?«

»Du kommst gleich auf den Punkt, was? Ich kenne jemandem auf deinem Stützpunkt, den hab ich gefragt, ob er einen Albert Wesker mit einem Aggressionsproblem kennt – und da bist du wohl der einzige. Also, eigentlich bist du auch der einzige Wesker, das mit dem Aggressionsproblem war daher vermutlich unnötig.«

Albert konnte nicht anders, als ein wenig zu schmunzeln. Offenbar bestärkte das Chris darin, fortzufahren: »Ich habe ihn nicht gefragt, wann du Geburtstag hast, aber ihm ist das in den Akten einfach in die Augen gesprungen, deswegen hat er es mir gesagt. Und darum weiß ich es auch. Genau wie das mit deinem heutigen Ausgang.«

»Und du dachtest, es wäre eine gute Idee, mir eine Karte zu schicken?«

Chris lächelte vielsagend. »Sei mal ehrlich: Hast du dich gefreut?«

Er könnte ihn einfach anlügen, ihm sagen, dass ihm dieses Zeichen gar nichts bedeutete und Chris sich gar nicht mehr anzustrengen brauchte, irgendetwas zu beweisen. Das war immerhin garantiert das einzige, worum es ihm ging, er wollte sich selbst zeigen, dass er ein guter Kerl war, Albert war dafür nur der Mittel zum Zweck. Aber dennoch …

»Habe ich. Ich schätze, ich sollte dir danken.«

Chris' Lächeln schien noch eine Nuance wärmer zu werden. »Dann bin ich erst recht froh, dass ich die Karte geschickt habe. Willst du jetzt mein Bruder sein?«

Meinte er das wirklich ernst? Sie waren immer noch praktisch Fremde, deswegen konnte Albert ihm das nicht einmal glauben. »Warum machst du das?«

»Hab ich dir doch schon gesagt. Niemand sollte so allein sein wie du.«

»Das ist lächerlich«, erwiderte Albert direkt. »Ich weiß nicht mal, wie du richtig heißt.«

Chris musste einfach die Kurzform eines Namens sein, und seinen Nachnamen kannte er auch nicht. Wie sollte man auf einer solchen Basis eine Freundschaft aufbauen, geschweige denn eine Familie sein?

Statt diesen Fehler einzusehen, reichte Chris ihm die Hand über den Tisch hinweg. »Chris Redfield.«

Statt einzuschlagen, blickte Albert ihn nachdenklich an. »Du heißt wirklich Chris?«

»Es ist schön simpel, oder?«

Albert lachte kurz auf, dann schüttelte er seufzend mit dem Kopf. »Du wirst deine Zeit mit mir verschwenden. Ich bin ziemlich langweilig.«

Chris ließ die Hand sinken und für einen Moment befürchtete Albert fast, dass er sein Angebot damit wirklich zurückzog. Doch er grinste nur verschmitzt. »Dieses negative Denken ist das erste, was ich dir austreibe, da kannst du dir sicher sein.«

Offenbar war er entschlossen. Sich weiter dagegen zu sperren könnte entweder zu weiteren nervigen Momenten führen – oder seine einzige Möglichkeit zerstören, wirklich einmal so etwas wie einen Freund zu haben. Das mit Alex war so lange her … vielleicht sollte er es einfach mal wieder riskieren. Wenn das schief ging, konnte er immer noch in seine Einsamkeit zurück.

Er gab sich selbst einen Ruck, dann ergriff er Chris' Hand, die immer noch auf dem Tisch lag. »Okay, dann lass uns Brüder sein. Aber ich bin mir sicher, dass es dir bald langweilig wird.«

Chris strahlte regelrecht, während sie sich die Hände schüttelten. »Mann, Al, es wird wirklich Zeit, dass dir jemand beibringt, wie man positiv denkt. Zum Glück hast du jetzt ja mich.«

Albert hatte nicht einmal den Drang, ihn erneut zu korrigieren. Er schüttelte lächelnd nur noch einmal den Kopf, davon überzeugt, dass Chris schon bald das Interesse verlieren würde.

Er konnte an diesem Abend noch nicht wissen, dass sein Leben von nun an mit dem von Chris verbunden wäre und dass sie zusammen noch Dinge erleben würden, die keiner von ihnen sich in seinen kühnsten Träumen je ausgemalt hätte.
 



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