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Plan B

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Vor noch nicht einmal einem Monat hat Adue ihre Geschichte Plan A hochgeladen.
Und sie hat mich nicht losgelassen
mit ihrem Einverständnis durfte ich eine Fortsetzung schreiben.
Eigentlich war der Plan, alles etwas glücklicher zu machen, aber ...
nun gut, lest selbst >.<

Eure Tasha
PS es wäre von Vorteil, Plan A gelesen zu haben Komplett anzeigen

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Kapitel 1

Daichi
 

Daichi befand sich in seinem Arbeitszimmer. Dem Zimmer, das eigentlich irgendwann als Kinderzimmer umfunktioniert werden sollte. Er wusste gerade nicht, ob das irgendwann passieren würde. Aus verschiedenen Gründen.

Zum einen tat sich immer noch nichts. Egal, was Yui alles machte. Zyklusbeobachtung, Ovulationstests, oder wie auch immer das hieß. Dazu nahm sie regelmäßig irgendwelche Vitamine und sonstige Nahrungsergänzungsmittel, trank Tees, die dabei helfen sollten, schwanger zu werden. Doch egal was sie alles unternahm, sie wurde es nicht.

Inzwischen versuchte sie seit einiger Zeit, ihn dazu zu überreden, sich untersuchen zu lassen. Bei einer Kinderwunschklinik, doch dazu konnte er sich noch nicht durchringen. Und bisher hatte er sie davon abhalten können, einen Termin auszumachen. Vermutlich würde das nicht mehr lange anhalten. Wobei … bis vor ungefähr zwei Wochen hatte sie fast jeden Tag gefragt. Doch seit diesen zwei Wochen nicht mehr. Aber es war ihm ehrlich gesagt ganz recht.

Ein Kind … eine Zeitlang war seine größte Sorge, dass das nicht funktionierte. Bei allen anderen Paaren schien es so einfach. Einmal miteinander schlafen und schon war der Nachwuchs unterwegs. Und bei ihnen … Nichts.

Es hatte ihn lange gequält. Jeden Monat die erneute Enttäuschung. Inzwischen war es anders. Während Yui tief getroffen war und weinte, war es bei ihm das Gegenteil. Er war erleichtert. Jedes Mal aufs Neue. Er wusste, dass es seiner Ehefrau gegenüber nicht fair war. Es war ihr größter Wunsch, der jeden Monat wieder mit Füßen getreten wurde. Doch seit ein paar Monaten war es sein größter Albtraum. Seitdem er und Koshi … Daichi presste die Lippen fest aufeinander. Er wollte nicht darüber nachdenken. Und doch tat er es. Er konnte es nicht vergessen. Diesen Moment. Nein, diese Stunden. Er wusste, dass es moralisch gesehen nicht in Ordnung war, was sie da getan hatten. Sie hatten ihre eigentlichen Partner hintergangen und wenn diese es wüssten, dann wäre es sicherlich die größte Verletzung, die man ihnen hatte antun können. Und trotz dieses Wissens, hatten er und Koushi es getan. Eigentlich war es ihnen auch klar gewesen. Es würde nur diese eine Nacht geben. Sie würden ihre erste, vergessene Nacht nachholen. Doch auch, wenn sie wussten, dass es nur ein einziges Mal sein würde, eines hatten sie beide wohl nicht bedacht. Zumindest er nicht. All die Gefühle, die er für seinen besten Freund je empfunden hatte, die waren auf einen Schlag zurückgekommen. Und seitdem nahmen sie ihn ein. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, in der er nicht anderweitig beschäftigt war, dachte er an ihn. Daran, wie er sich in seinen Armen angefühlt hatte. Wie er gerochen und geschmeckt hatte. Seine Wärme.

Wenn er mit Yui zusammen war, fühlte er nichts mehr, zumindest nicht das, was er früher gefühlt hatte. Wenn er mit seiner Ehefrau schlief, etwas, das er eigentlich immer gerne getan hatte, schloss er seine Augen und stellte sich vor, dass es Koushi war. Und dann gab er sich ihm hin. Um anschließend feststellen zu müssen, dass es nicht er war.

Es erleichterte Daichi, zu wissen, dass Yui nicht schwanger war. Ein Kind hätte alles nur schlimmer gemacht. Denn dann wäre er endgültig an sie gebunden.
 

Koushi war damals sein Plan A gewesen. Und weil sie beide es nicht auf die Reihe bekommen hatten, waren sie nun in Plan B gefangen. Sein eigentlich bester Freund mit Oikawa, ausgerechnet Oikawa, der nur wegen Koushi nach Japan zurückgekehrt war. Und er mit Yui. Es war nicht so, dass er für sie nichts empfand, ganz im Gegenteil. Er war sich sicher, dass er sie liebte, natürlich. Doch die Gefühle für sie und die für Koushi, die waren nicht miteinander vergleichbar.

Koushi ging ihm unter die Haut. War er ihm schon immer. Wie hatten sie beide es geschafft, beste Freunde zu bleiben? Wie hatten diese tiefen Gefühle, die sie füreinander hatten, es zugelassen, dass sie eine vergleichsweise einfache Freundschaft hatten aufbauen können? Nein, dass sie sie hatten halten können? Wie hatte Koushi es geschafft, an seinem Hochzeitstag neben ihm zu stehen und sein Trauzeuge zu sein? Die Antwort konnte Daichi sich selbst geben. Weil dieser, ebenso wie er selbst, seine Gefühle tief in sich vergraben hatte.

Und dann war da dieser Moment gewesen. Als sie nach ihrem Treffen in Sendai, nein, eigentlich während ihres Treffens, allein gewesen waren. Und dann war das herausgekommen, was damals vorgefallen war. Wie ihr Leben schief gegangen war. Nein, nicht schief gegangen. Aber dass sie nun in Situationen festhingen, von denen sie sich sicher gewesen waren, dass sie glücklich wären. Doch daran zweifelte Daichi inzwischen jeden Tag. Drei Wochen nach ihrem Treffen hatten sie beide das getan, was sie vielleicht besser nicht getan hätten. Sie hatten sich in einem Hotel getroffen. Bewusst. Geplant. Und sie hatten keinen Rückzieher gemacht. Er hatte die beste Nacht seines Lebens erlebt. Die besten und schönsten Stunden. Wie es für sie weitergehen sollte, das hatten sie damals nicht gewusst. Sie wussten es auch heute noch nicht. Eine Affäre war für sie beide nicht infrage gekommen. Sich zu trennen auch nicht. Denn auch wenn sie gegenseitig ihr Plan A gewesen waren, so waren sie für ihren jeweiligen Plan B Plan A. Und so hatten sie festgehalten. Waren geblieben, wo sie waren. Er bei Yui, Koushi bei Oikawa, der so viel mehr aufgegeben hatte. Seinen Platz im Nationalteam in Argentinien. Nur wegen Koushi.

Hätte er selbst auch so viel aufgegeben? Seine Antwort heute lautete ja. Er hätte alles für ihn aufgegeben. Alles? Was war mit seiner Ehe? Und da war der Unterschied von wollen zu können. Er würde gerne, doch er konnte nicht. Er konnte das nicht tun. Er konnte das Yui nicht antun. Auch wenn er sich etwas anderes wünschte.

Daichi ballte die Hände zu Fäusten und presste seine Lippen fest aufeinander. Warum waren sie gefangen? In einem angeblichen Traum, der mehr und mehr zum Albtraum wurde. Er dachte einmal, er wäre glücklich. Mit Yui. Mit seiner Freundin aus Kindheitstagen, denen es irgendwie vorherbestimmt gewesen war, irgendwann ein Paar zu werden. Doch inzwischen war er nur noch unglücklich. Aber was sollte er tun? Koushi hatte seinen Partner und er wollte auch nicht, dass Yui ebenfalls unglücklich war. Also musste er einfach weitermachen. Etwas anderes blieb ihm doch nicht übrig. Oder?

Kapitel 2

Yui
 

Sie stand an der Türe zu dem Zimmer, in das sich ihr Ehemann wie so oft in den letzten Wochen, Monaten, zurückgezogen hatte. Zuerst hatte sie nur gedacht, dass es daran liegen würde, dass auch ihn der unerfüllte Kinderwunsch herunterziehen würde. Doch inzwischen war sie sich da nicht mehr sicher. Die letzten Male, als der Schwangerschaftstest negativ gewesen war, hatte Daichi so erleichtert gewirkt. Und das passte nicht dazu, dass er traurig wäre. Nein, ganz im Gegenteil. Überhaupt hatte er sich verändert. Er war in sich gekehrt, sprach wenig mit ihr und ließ auch Nähe kaum noch zu. Natürlich tröstete er sie, wenn sie weinte. Nahm sie in die Arme und hielt sie fest. Redete ihr gut zu, dass es sicherlich irgendwann klappen würde. Doch es war anders. Auch wenn er nach außen hin normal schien, so war es, als hätte er eine Mauer zwischen ihnen aufgebaut. Eine Mauer, die sie nicht überwinden konnte. Ihr Mann entfernte sich von ihr und sie wusste nicht, was sie tun konnte, um das zu ändern.

Inzwischen war ihr auch ein anderer Gedanke gekommen. Einer, der ausgelöst worden war, als sie bemerkt hatte, dass er sie beim Sex nicht einmal mehr ansah, sondern seine Augen immer geschlossen hielt. Er sprach auch nicht mehr wirklich mit ihr. An sich nur noch Organisatorisches und Oberflächliches. Sie vermisste es, mit ihm Zeit zu verbringen, in der sie lachten. Und weil sie inzwischen nicht mehr davon ausging, dass das nur am unerfüllten Kinderwunsch hing, hatte sich diese Befürchtung in ihr ausgebreitet, eine Angst sie eingenommen. Hatte er jemand anderen? Eine andere Frau kennengelernt, mit der er eine Affäre hatte?

Und auch, wenn sie es eigentlich nicht wissen wollte, konnte sie es nicht mehr zurückhalten. Sie musste mit ihm sprechen. Wissen, was los war. Sie konnte nicht so weitermachen wie bisher. Und dazu war das hier sicher ganz gut. Ihr Blick fiel auf das Stäbchen, das sie in der Hand hielt. Ihr Herz zog sich zusammen, doch sie unterdrückte den Schmerz, der in ihr aufstieg Sie durfte darüber jetzt nicht nachdenken. Stattdessen hob sie die Hand und klopfte an die Holztüre.

“Ja?”, erklang von innen seine Stimme. Kurzerhand öffnete sie die Türe und streckte ihren Kopf hinein.

“Hey. Hast du kurz?”, brachte sie hervor, kämpfte dabei darum, dass ihre Stimme festblieb.

Daichi hob seinen Kopf zu ihr und wieder einmal kam sie nicht umhin zu bemerken, wie fertig er aussah.

“Klar. Was gibt es?”, fragte er und räumte die Unterlagen zur Seite, mit denen er gerade beschäftigt gewesen war.

“Hier.” Sie legte kurzerhand das Plastikstäbchen vor ihm auf den Tisch. Sie erinnerte sich daran, wie auch er die ersten Monate immer geknickt gewesen war. Wie jeder negative Schwangerschaftstest auch ihn unglücklich gemacht hatte. Und nun konnte sie es ganz genau sehen. Dieser erleichterte Ausdruck, der über sein Gesicht huschte. Doch er hatte sich gleich darauf wieder unter Kontrolle und legte den Test vor sich auf die Platte zurück.

“Es tut mir leid, Yui”, richtete er an sie und sie konnte seinen Worten entnehmen, dass er es ernst meinte. Es tat ihm leid. Für sie. Nicht für sich.

Noch könnte sie gehen. Den Raum verlassen und so tun, als wäre alles wie immer. Noch hatte sie es nicht angesprochen. Doch sie konnte so nicht weitermachen. Es ging ihnen beiden doch immer schlechter. Vielleicht gäbe es ja eine Lösung. Vielleicht eine Ehetherapie? Ihr Herz zog sich zusammen. Das zu denken, zeigte doch auf, dass in ihrer Ehe etwas nicht stimmte. Sie waren einmal glücklich gewesen. Warum waren sie es nicht mehr?

“Daichi?”, brachte sie zögerlich hervor, während ihre Fingernägel sich in ihre Handballen bohrten.

“Ja?” Er sah sie an, mit diesen leeren Augen, in denen früher so viel Liebe für sie gestanden hatte.

“Ich muss dich etwas fragen. Und ich will, dass du ehrlich zu mir bist.”

Man konnte erkennen, wie er sich anspannte.

“Ja?”

“Was ist los?”

Er blinzelte und verzog sein Gesicht. Es war, als würde sich in ihm etwas verschließen. Das Lächeln, das anschließend seine Mundwinkel anhob, wirkte gezwungen.

“Es ist alles okay, Yui”, richtete er mit diesem falschen Lächeln an sie, ehe er seinen Kopf wieder senkte. Dabei fiel sein Blick ein weiteres Mal auf den Schwangerschaftstest und er erstarrte erneut.

Ein weiteres, vermutlich ein letztes Mal hätte sie die Möglichkeit, das hier aufzuhalten. Sie könnte sagen: In Ordnung. Und dann gehen. Doch das wollte sie nicht. Konnte sie nicht! Wenn sie es jetzt nicht ansprechen würde, dann würde sie es vielleicht niemals mehr tun. Und sie befürchtete, dass das der Anfang vom Ende wäre. Oder war dieser bereits eingetreten? Als Daichi seinen Kopf wieder hob, schien ihm bewusst zu werden, das etwas in der Luft lag.

“Yui?”, stellte er ihren Namen zögerlich, fast so, als würde er am liebsten nicht fragen.

“Nein, Daichi. Es ist nicht alles in Ordnung!”, platzte es aus ihr heraus. “Es ist gar nichts in Ordnung. Und damit meine ich nicht das!” Ihr Finger deutete auf den negativen Test vor ihm. “Zwischen uns beiden stimmt etwas nicht mehr. Was ist los? Hast … hast du eine andere?” Ihre Stimme zitterte und Tränen traten in ihre Augen.

Ihr Ehemann sah sie wie geschlagen mit weit aufgerissenen Augen an. Und in diesen stand eindeutig eines: Schuld.

“Oh Gott”, entkam es ihr entsetzt, als ihre Beine weich wurden. Diese zitterten und langsam lief sie rückwärts. Als sie gegen das kleine, an der Wand stehende Sofa stieß, ließ sie sich darauf sinken.

Daichi sprang auf, hetzte um seinen Schreibtisch herum und kam zu ihr. Ehe er sie erreichen konnte, hielt Yui ihn auf. Sie hielt ihm eine Hand entgegen.

“Nein! Bleib bloß weg von mir!”

Sofort blieb er stehen, nur noch einen Meter von ihr entfernt.

“Bitte, Yui. Das ist …”

“Wer ist sie? Kennst du sie von der Arbeit? Ist sie auch Polizistin?” Tränen liefen ihr unablässig über die Wangen. Gerade hatte er, wenn auch unbewusst, ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

“Das … so ist das nicht, Yui. Es … es gibt keine andere Frau.”

“Warum siehst du mich dann mit diesem Blick an? Warum zerbricht unsere Ehe? Warum wirkst du immer so, als würdest du nicht hier bei mir sein wollen, sondern wo anders?”

Sie konnte Daichi ansehen, wie er regelrecht in sich zusammenzusinken schien. Seine Hände ballten sich unablässig wieder und wieder zu Fäusten. Die Nervosität strahlte aus jeder seiner Poren. Und ebenso auch immer noch dieses Schuldbewusstsein.

“Es … es handelt sich nicht um eine andere Frau”, kam stockend über seine Lippen.

Verwirrt legte Yui ihren Kopf schräg. Es handelte sich nicht um eine andere Frau? Was sollte das heißen? Es gab da doch eindeutig jemand anderen. Warum sollte er also so reagieren? Und dann wurde ihr die Aussage bewusst. Ihre Augen weiteten sich und ihre Finger krallten sich rechts und links von ihr in das Material des Sofas. Keine Frau …

“Du … du willst sagen …”

“Es tut mir so unglaublich leid”, brach es aus Daichi heraus. Seine Beine schienen nachzugeben, denn er sank an Ort und Stelle auf den Boden. Auch über seine Wangen strömten Tränen.

“K-keine Frau …”, stotterte Yui fassungslos. Ihr Ehemann schüttelte den Kopf, war anscheinend nicht in der Lage, sie anzusehen, denn sein Blick war auf den Boden gerichtet.

“Du … du … willst mir ernsthaft sagen, dass …”, sie zögerte, kämpfte mit den Worten, bis sie es endlich hervorbrachte, “ein Mann …”

“Oh Gott.” Er schlug die Hände vor sein Gesicht. “Das war nicht … ich wollte nicht, dass …”

“Hast du eine Affäre mit einem Mann?” Sie wusste nicht, wie sie diesen Satz so klar und deutlich hatte aussprechen können, denn in ihr ging es gerade alles andere als geordnet zu. Sie wollte schreien. Sie wollte um sich schlagen. Sie wollte ihn schlagen. Auf der anderen Seite wollte sie weinen. Sich zusammenrollen und klein machen. Ihn nie wieder sehen. Und das, obwohl sie doch eigentlich eine Familie gründen wollten. Eine Familie … Etwas weiteres wurde ihr bewusst. Das war der Grund, dass er nicht wollte, dass sie beide weitere Untersuchungen vornehmen ließen. Dass er bei jedem negativen Schwangerschaftstest erleichtert war.

Ein seltsames Geräusch war zu vernehmen. Eine Mischung aus einem Schluchzen und einem Wimmern. Erst da wurde ihr bewusst, dass sie es gewesen war, die es ausgestoßen hatte. Daichi rappelte sich auf, wollte zu ihr kommen, sie trösten. So, wie er es immer tat. Doch das wollte sie nicht. Sie wollte nicht von dem Menschen Trost erfahren, der ihr diesen Schmerz antat. Der ihr Herz herausriss und darauf herumtrampelte.

“Bleib von mir weg”, stieß sie mit einem Kreischen hervor, als ihr Ehemann seine Hand nach ihr ausstreckte. Er hielt in der Bewegung inne, ehe seine Finger kraftlos herunterfielen.

“Ich wollte das nicht, Yui. Wirklich nicht.”

“Ach ja? Warum tust du es dann? Hast du mit ihm etwa …?” Angeekelt verzog sie ihr Gesicht.

“So ist es wirklich nicht, Yui. Nicht, wie du es dir vorstellst. Ich habe keine Affäre.”

“Und das soll ich dir glauben? Wie soll ich dir überhaupt noch irgendetwas glauben? Da scheint ja irgendetwas mit einem … mit einem Mann gelaufen zu sein! Das ist der Grund dafür, dass unsere Ehe kaputt geht. Nein, du bist schuld. Du und dieser … dieser Kerl, den du …”

“Koushi.”

“Den du anscheinend …” Yui hielt inne. “Was?”

“Es ist Koushi. Der Kerl, den du meinst. Koushi.”

Die Stille, die im Raum herrschte, war zum Schneiden dick, umhüllte sie gewissermaßen.

Während Yui Daichi immer noch ungläubig ansah, erkannte sie die geröteten Augen und die Tränen, die auf seinen Wangen standen. Und auch wenn sie erkannte, wie sehr ihn das alles belastete, konnte sie sich um ihn in diesem Augenblick keine Gedanken machen. Zumindest konnte sie kein Mitleid für ihn empfinden. Stattdessen fühlte sich ihr Herz an, als hätte eine eiskalte Hand es im Griff. Und dieser Griff wurde fester und fester, zerquetschte das Organ, das sie am Leben erhielt, regelrecht.

Koushi Sugawara. Der beste Freund ihres Mannes. Der Kerl, der regelmäßig hier war. Mit dem sie über so vieles redeten. Mit dem sie lachten. Der über ihren unerfüllten Kinderwunsch Bescheid wusste. Als einer der wenigen, denen sie sich anvertraut hatten. Dieser Koushi Sugawara.

“Habt ihr beide … habt ihr miteinander …” Sie musste die Frage nicht aussprechen, da nickte Daichi bereits. Die Schuld in seinen Augen wurde dunkler, tiefer.

Doch es war die Antwort, dieses “Ja”, das er nicht einmal laut aussprach, ganz im Gegenteil, sehr leise, das dafür sorgte, dass sich Yuis Magen herumdrehte. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund und sprang auf. Daichi konnte nicht reagieren, als sie an ihm vorbeirannte, seinen Mülleimer unter dem Schreibtisch hervorzog und sich würgend darüber beugte. Es vergingen einige Minuten, bis sie sich wieder aufrichten konnte. Mit einem Ärmel wischte sie sich über den Mund, aus dem sie den Geschmack des Erbrochenen nicht wegbekam.

“Warum? Warum tust du uns das an?”, schluchzte sie. “Warum machst du alles kaputt?”

“Es tut mir wirklich so leid, Yui. Das war nicht so geplant. Aber … Koushi …”

“Liebst du ihn?” Schlussendlich war das die Frage, die zeigte, ob es eine, wenn auch nur kleine Möglichkeit gab, dass ihre Ehe das vielleicht doch noch unbeschadet überstehen konnte. Wobei, der Schaden war da. Aber konnte man ihre Ehe vielleicht doch noch irgendwie reparieren? Fortsetzen? Gäbe es eine Möglichkeit? Eine winzige? Dann könnten sie vielleicht eine Ehetherapie machen. Das Ganze hinter sich lassen. Wobei er Koushi natürlich nie wieder sehen dürfte und …

“Ja.”

Erneut wurde das Wort fast lautlos ausgesprochen. Leise, kaum vernehmbar. Und doch sorgte es dafür, dass ihr Herz nun nicht mehr nur zerquetscht wurde. Es zerbrach. Es zerbrach in hunderte, tausende von kleinen Scherben und könnte nie wieder zusammengesetzt werden.

“Ich habe mich nicht erst jetzt in ihn verliebt”, fuhr Daichi direkt fort. “Ich habe mich in ihn verliebt, als wir in der Schule waren.”

“Du willst mir sagen, dass du mich geheiratet hast, obwohl du deinen besten Freund liebst? Und der stand an unserer Hochzeit auch noch neben dir und hat es bekundet?” Entsetzen zog sich durch ihre Stimme.

“Nein, so war das nicht.”

Ein weiterer Gedanke schoss durch Yuis Kopf.

“Du hast behauptet, du hast keine Affäre! Bin ich nur deine Vorzeigeehefrau? Um anderen Leuten gegenüber zu behaupten, dass du nicht … nicht schwul bist? Hast du deshalb ein Baby mit mir wollen?” Erneut stieg Übelkeit in ihr auf.

“Nein, das ist es nicht! Das darfst du auf gar keinen Fall glauben, Yui!” Nun war auch Entsetzen in Daichis Tonfall zu hören. “Ich habe dich nicht geheiratet, weil ich ein Alibi gebraucht habe. Ich habe dich geheiratet, weil ich es wollte. Und ich wollte ein gemeinsames Kind mit dir. Dass wir beide eine Familie haben. Dass wir eine Familie sind! Doch …” Er hielt inne. Die roten Augen traten in seinem blassen Gesicht nur noch mehr hervor. “Ich habe mich damals in Koushi verliebt und dachte, er würde nicht so für mich empfinden. Also habe ich meine Gefühle tief in mir vergraben. Bis es vor vier Monaten bei unserem Teamtreffen in Sendai zur Sprache kam. Und da habe ich erfahren, dass meine Gefühle nie einseitig waren. Er war damals auch in mich verliebt. Doch es sollte nicht sein. Daher haben wir, unabhängig voneinander, entschieden, dass wir unsere Freundschaft halten wollen. Auch wenn es schwer war. Doch irgendwie haben wir es hinbekommen.”

“Und weiter? Wie ist es dazugekommen, dass ihr nun doch miteinander intim wart? Dass du ihn liebst? Unsere Ehe kaputt machst?”

Daichis Hände ballten sich zu Fäusten, schlossen sich wieder und öffnen sich erneut. Das Spiel wiederholte sich mehrmals.

“Ich wollte unsere Ehe niemals kaputtmachen, das musst du mir glauben, Yui. Ich wollte es schaffen. Dass wir es schaffen. Und doch …”

“Du hast mit ihm geschlafen.”

“Das … ja.”

“Bereust du es?”

Diese Frage schien etwas in ihm auszulösen. Er zuckte zusammen, sank danach regelrecht ein. Und da wurde ihr die Antwort bereits bewusst, noch ehe er seinen Kopf schüttelte.

“Nein. Ich liebe ihn. Ich wollte nur, dass ich mir seiner Gefühle bewusst gewesen wäre. Dass ich es gewusst hätte, ehe wir beide, du und ich, soweit gekommen sind. Nicht nur, ehe wir geheiratet hätten, schon viel früher.”

Alles in Yui fühlte sich wie betäubt ab. Sie stand immer noch neben Daichis Schreibtisch. Nicht einmal mehr den säuerlichen Gestank, der aus dem Mülleimer kam, nahm sie wahr. Daichi stand vor dem kleinen Sofa, ihr zwar zugewandt, den Kopf jedoch zu Boden gesenkt.

“Koushi … er war immer mein Plan A.”

Sein Plan A. Er hätte sich also für ihn entschieden. Damals. Heute?

“Das bedeutet”, setzte sie ihre Schlussfolgerung mit schon fast tonloser Stimme, “ich bin nur dein Plan B.”

Langsam nickte er, sah sie nun doch an. Auf seinen Lippen lag ein trauriges Lächeln.

“Du darfst das nicht falsch verstehen, Yui, wirklich nicht. Ich liebe dich. Ich habe dich geheiratet, weil ich dich liebe. Ich wollte es. Eine Familie. Wir beide, unsere Kinder. Ich wollte mit dir zusammen sein. Mein restliches Leben.”

“Aber warum? Warum hast du es dann zugelassen?” Wieder traten Tränen über ihre Augenlieder, von denen sie eigentlich dachte, dass es keine mehr gäbe.

“Weil … weil die Liebe für ihn … und die Liebe für dich … Sie sind nicht vergleichbar.”

“Die für ihn ist stärker.”

“Ja.”

Wieder dieses Wort. So eindeutig ausgesprochen. So klar. Es gab keine Zweifel, nicht für Daichi. Und es machte Yui eines endgültig klar. Ihre Ehe war vorbei. Egal, was der Grund war, dass Daichi noch hier war, bei ihr. Es gab keinen Weg zurück.

“Warum bist du noch hier?”, fragte sie. Er hob fragend seinen Kopf. Schien nicht zu verstehen, worauf sie hinauswollte. “Bei mir. Warum bist du nicht bei ihm?” Das schien er nun zu verstehen.

“Wegen dir. Wegen Oikawa.”

Als sie ihre Stirn verwirrt runzelte, sprach er schnell weiter.

“Ich bin mit dir verheiratet. Suga hat seine Beziehung. Und … eigentlich sind wir doch glücklich, oder? Jedenfalls habe ich mir das gesagt. Ich konnte dich doch nicht verlassen. Nicht einfach so. Mir war bewusst, dass ich dein Plan A bin. Ich wusste, weiß doch, dass du mich wirklich liebst. Wir waren glücklich … und ich dachte, wenn wir zusammen bleiben … dann hält das und wir bleiben glücklich damit, wie es ist.”

“Stattdessen wurdest du immer unglücklicher.” Das erklärte alles. Er war unglücklich, die letzten Monate. Unglücklich, mit ihr. Er wollte nicht sie. Er wollte jemand anderen. Ihn. Koushi. Nein, ihre Ehe war nicht mehr zu retten. Sie hatte vorher etwas falsches gedacht. Das hier, das war nicht der Anfang vom Ende. Es war das Ende.

“Ich will, dass du gehst. Pack ein paar Sachen ein und verschwinde. Wir beide werden einen Termin ausmachen, wann du kommen und deine restlichen Sachen holen kannst. Ich werde dann aber nicht da sein.”

“Yui!” Mit weitaufgerissenen Augen starrte Daichi sie entsetzt an. Das hatte er anscheinend nicht erwartet.

“Was willst du hören? Das war es. Unsere Ehe ist kaputt. Du hast dafür gesorgt. Und ich will dich nicht mehr sehen. Du hast zehn Minuten!” Mit zitternden Beinen ging sie an ihm vorbei. Sie spürte, wie seine Finger ihren Arm streiften, doch sie riss ihn weg. Sie konnte nicht. Sie konnte wirklich nicht.

Mit immer stärker zitternden Beinen ging sie in ihr Badezimmer. Mit ebenso bebenden Fingern schloss sie Türe hinter sich ab. Und dann gaben ihre Beine endgültig unter ihr nach. Sie zog sie an und schloss ihre Arme fest darum, ehe sie ihre Stirn auf ihren Knien ablegte. Sie verbot sich, an etwas zu denken. Die Minuten zogen nur so vorbei, bis ein Klopfen an der Badezimmertüre sie wieder aus ihrer Lethargie riss.

“Yui? Ich … ich habe mir ein paar Dinge eingepackt. Ich … ich gehe dann besser. Wenn du reden willst … Du … Melde dich bitte, ja?” Er schien zu warten. Auf eine Entgegnung von ihr. Doch sie brachte kein Wort hervor. Selbst wenn sie hätte wollen, wäre es nicht gegangen.

“Na gut, dann gehe ich mal …”

Erneut Schweigen.

“Es … es tut mir wirklich leid, Yui. Unendlich leid. Ich wünschte, ich könnte es alles rückgängig machen. Du musst mir glauben, ich … ich habe dich wirklich geliebt.”

Immer noch konnte sie nichts erwähnen.

Es verging noch ein Moment, dann waren Schritte zu vernehmen, die sich von der Türe entfernten. Und noch einmal ein paar Minuten, bis die Wohnungstüre ins Schloss fiel. Und erst dann kam es endgültig über Yui. Alles in ihr zerbrach und ein lauter Ton entkam ihren Lippen, ehe sie heulend auf ihrem Badezimmerboden zusammensank.

Kapitel 3

Koushi
 

Koushi stand in seinem Schlafzimmer. Von hier aus hatte man einen tollen Blick auf die erleuchtete Stadt unter ihnen. Er selbst wäre auch mit einer kleineren und vor allem billigen Wohnung zufrieden gewesen. Doch sein Partner nicht. Und so wohnten sie nun in dieser Penthousewohnung über den Dächern der anderen und sahen mehr oder weniger auf sie hinunter. Als er die Wohnung damals mit Toru besichtigt hatte, dieser natürlich nur über einen Videocall zugeschaltet, hatte er die Wohnung noch geliebt. Zusammen hatten sie diese eingerichtet, sich Möbel ausgesucht und bestellt.

Und eigentlich nur wenige Tage, bevor Toru nach Japan zurückgekommen war, zu ihm, war er mit Daichi zusammengewesen. Es hatte nur ein >diese eine Nacht zurückbringen< sein sollen. Nicht mehr. Und doch war es alles gewesen.

Sie beide, Daichi und er. Das war mehr.

Es war mehr als ihre Freundschaft.

Mehr, als etwas körperliches.

Er liebte diesen Mann.

Er liebte ihn mehr, als es gut war.

Er liebte ihn mehr, als er je etwas oder jemand anderen geliebt hatte.

Mehr, als er Toru liebte.

Doch dieser war sein Partner. Seit einem Jahr. Und dieser war es gewesen, der alles aufgegeben hatte. Sein Leben, seines Traum. Um hier zu sein, in Japan. Bei ihm. Und obwohl er Daichi wirklich liebte, alles dafür geben würde, mit ihm zusammen zu sein … so konnte er es nicht. Er konnte Toru nicht verlassen.

Und Daichi war mit Yui verheiratet. Versuchte mit ihr ein Kind zu bekommen.

Sie beide, Daichi und er, sie hatten ein Leben. Ein Leben, in dem sie gefangen waren.

Denn so fühlte es sich manchmal an. Als wären sie gefangen, eingeschnürt, ohne Chance, jemals entkommen zu können. Es war nicht möglich. Egal, wie sie auch füreinander empfanden, wie sehr sie sich liebten. Sie beide steckten fest. Und das war es, was auch ihn immer weiter herunterzog.

Er und Daichi hatten sich bereits lange nicht mehr gesehen. Seit ihrem Treffen damals im Hotel. Wie sollten sie auch? Er befürchtete, wenn derjenige, für den er so empfand, plötzlich vor ihm stehen würde, könnte er sich nicht mehr zurückhalten. Er wusste, dass es seinem Gegenpart genauso ging. Sie hielten zumindest über SMS Kontakt. Ganz ohne irgendwie miteinander verbunden zu sein, hätten sie es dann doch nicht ausgehalten.

Auch wenn es auf der einen Seite immer das Wissen war, dass das hier nicht das Richtige war, nicht das, was sein Herz wollte, war es auf der anderen gut, dass Toru da war. Dieser lenkte ihn mehr als ab, sorgte dafür, dass er sich auf etwas anderes als auf Daichi konzentrieren musste. Und auch wenn ihm jeder Kuss, jede Liebkosung wehtat, die er von Toru erhielt, konnte er sich doch ablenken. Daichi würde sich von Yui schließlich auch nicht fernhalten …

Und trotzdem stand er nun hier, in seinem Schlafzimmer, nichts anderes als seine Boxershorts angezogen, und blickte aus dem Fenster in die nicht so dunkle Dunkelheit. In seiner Hand hielt er sein Handy, das vor ein paar Minuten vibriert hatte. Er hatte Daichis Nummer als Absender erkannt, brachte es jedoch nicht über sich, die Nachricht zu öffnen.

Es war irrational, das war ihm bewusst und doch hatte er jedes Mal Angst, dort etwas zu lesen, das alles nur noch schlimmer für ihn, für sie beide, machen würde. Zum Beispiel, dass Daichi das zwischen ihnen, das eigentlich nichts war, endgültig beenden wollte. Dass es ein Fehler war. Dass er ihn nie wieder sehen wollte. Oder, das war das schlimmste Szenario, das zutreffen könnte, denn es würde alles endgültig unüberwindbar machen, dass Yui schwanger wäre.

Und nun stand er hier, das Gerät mit den Fingern umschlossen. Nicht vorbereitet, auf das, was dort nun stehen könnte. Schließlich hob er das Handy doch an und starrte erneut auf den Namen der Person, die ihm auf der einen Seite so nahe stand und auf der anderen doch so weit entfernt war. Er schluckte noch einmal, ehe er die Nachricht öffnet.

Seine Augen weiteten sich, als er die Schriftzeichen las, die dort standen. Sein Herz nahm ein anderes Tempo an, sein Mund wurde trocken und er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen.
 

Daichi: Yui weiß es. Sie hat mich rausgeworfen. Sie meinte, dass unsere Ehe vorbei ist. Dass sie zu Ende ist. Dass ich sie kaputt gemacht habe. Und sie hat ja recht. Ich habe sie kaputt gemacht. Und es ist so schrecklich. Ich habe sie tief verletzt, das weiß ich. Das gerade war mit das Übelste, was ich erlebt habe. Doch ist es schlimm, dass ich mich auf der anderen Seite irgendwie erleichtert fühle?
 

Koushi wusste nicht, wie lange er auf die Schriftzeichen starrte. Er las sie, nahm sie war und gleichzeitig auch nicht.

Daichis und Yuis Beziehung war zu Ende.

Daichi … Plötzlich war das zwischen ihnen beiden doch möglich.

Sein Herzschlag nahm vor Freude einen Takt zu, um im nächsten Moment wieder zu stocken. Nein, war es nicht. Toru. Da war immer noch Toru. Und damit war es egal, was mit Daichi war. Vielleicht war dieser nun wieder frei. Doch er selbst war es nicht.

Was sollte er nun tun? Was sollte er Daichi schreiben? Dieser bräuchte ihn jetzt sicherlich an seiner Seite, oder? Er bräuchte seinen besten Freund. Aber … er würde ihm nicht als bester Freund gegenübertreten können. Er war auch ein Grund dafür, dass Daichis Ehe zu Ende war. Und daher, nein, er könnte es nicht.

Was sollte er also tun?

Und während er immer noch überfordert auf den Handybildschirm sah, vibrierte es erneut und eine neue Nachricht von Daichi wurde angezeigt, direkt unter der alten. Und da er den Chat geöffnet hatte, sprangen ihm auch die nächsten Schriftzeichen direkt ins Auge.
 

Daichi: Oh Gott, es tut mir leid, dass ich dir das so um die Ohren geknallt habe. Das hätte ich nicht tun sollen. Ich kann es leider nicht mehr löschen,dafür ist es schon zu lange her, dass ich es dir geschickt habe. Vergiss es bitte einfach!
 

Vergessen. Wie sollte er es vergessen? Und schon flogen Koushis Finger über das Display.
 

Koushi: NEIN!
 

Koushi: Wie sollte ich vergessen können, was du da schreibst? Wie, da es so viel mehr bedeutet …
 

Daichis Antwort kam sofort.
 

Daichi: Aber was bedeutet es? Was bedeutet es für uns? Du hast Oikawa und ich würde niemals von dir wollen, dass du dich von ihm trennst. Du bist glücklich mit ihm.
 

Koushi: Bin ich das?

Koushi: Was, wenn mein Herz mir sagt, dass ich nur mit dir glücklich sein kann?

Koushi: Dass nur du derjenige bist, der mich glücklich machen kann?

Koushi: Doch es würde alle anderen unglücklich machen.

Koushi: Warum fühlen sich diese Gefühle gleichzeitig so richtig und so falsch an?
 

Er starrte immer noch auf sein Handy. Sein Herz schlug fast unangenehm in seinem Brustkorb. Was hatte ihn dazu geritten, das zu schreiben? Seit vier Monaten hatten sie dieses Thema nicht mehr angesprochen. Sich nicht getroffen. Nur oberflächliche Nachrichten ausgetauscht. Und nun das …

Ihm war bewusst, dass Daichi die Nachricht längst gelesen hatte. Er kannte ihn und er wusste, dass auch sein bester Freund das Handy nicht aus der Hand gelegt hatte. Und doch dauerte es, bis die Antwort kam. Und im gleichen Moment, als diese auf dem Bildschirm auftauchte, schob sich von hinten ein Arm um seinen Bauch.

Kapitel 4

Toru
 

Toru trat in ihr Schlafzimmer. Mit einer Hand rubbelte er mit einem Handtuch durch seine vom Duschen noch nassen Haare. Er erkannte seinen Partner, der vor der Fensterfront stand.

Sein Herz machte einen Satz. Endlich war er hier, bei ihm. Konnte mit ihm zusammen sein. Er liebte ihn so sehr. Mehr als Argentinien, und das war fast ein Kopf-an-Kopf-Rennen gewesen. Doch ihre Fernbeziehung war hart gewesen. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Für ihn. Für ihre Beziehung.

Warum also hatte er das Gefühl, dass Koushi ihm aus dem Weg ging? Und das bereits, seit er wieder da war. Dabei lebten sie zusammen, sahen sich jeden Tag. Doch es war anders.

Vermutlich mussten sie sich erst aneinander gewöhnen. Eine Fernbeziehung mit längeren Besuchen beieinander war eben doch etwas anderes, als plötzlich zusammenwohnen. So gesehen 24/7 - wenn man die Arbeit mal außen vor ließ. Sie beide, sie würden schon noch in ihre gemeinsame Bubble zurückfinden, da war er sich sicher.

Er ließ das Handtuch sinken und trat um das Bett herum hinter seinen Partner, dem er seinen Arm um den Bauch legte, es genoss, die nackte Haut unter den Fingern zu spüren. Er senkte seinen Kopf und legte ihn in Koushis Halsbeuge, während er das Handtuch auf den Boden fallen ließ.

“Suga-Chan. Warum bist du nicht zu mir unter die Dusche gekommen? Ich hatte gehofft, dass du mich einseifst.” Schmollend schob er seine Unterlippe vor, während sein Blick wie von selbst auf das leuchtende Display von Koushis Handy landete, das dieser in der Hand hielt. Dort blitzte eine Nachricht auf, die er, ohne es direkt zu wollen, las.
 

Daichi: Weil Gefühle irrational sind. Und unsere füreinander erst recht.
 

Torus Herz blieb stehen. Gefühle füreinander? Und schon huschte sein Blick nach oben, nahm weitere Schriftzeichen wahr, die sein Herz schier zum Stillstand brachten. Es waren Sekundenbruchteile, in denen das geschah, denn da senkte Koushi das Handy schon.

“Toru.”

Dass das Lächeln in seiner Stimme ebensowenig echt war, wie das in seinem Gesicht, wurde Toru klar, als sich sein Partner aus seiner Umarmung befreite und zur Seite trat, sich ihm zuwandte. Auch die Panik, die in seinen Augen flimmerte, war zu erkennen.

“Was war das?” Jedes Lächeln war aus Toru verschwunden. Von seinen Lippen, seiner Einstellung, seinen Augen. Letztere wirkten fast schwarz, blitzten bedrohlich auf. Passend zu der tiefen, grollenden Stimmlage, die hervorkam. “Warum schreibt dir Sawamura, dass eure Gefühle füreinander irrational wären? Warum schreibst du ihm, dass er der Einzige ist, der dich glücklich machen kann?”

Koushi erstarrte, schien fieberhaft nach Worten zu suchen. Doch auch, wenn er seinen Mund öffnete und schloss, kam nichts hervor. Keine Erklärung, keine Entschuldigung. Kein Wort, was die Schriftzeichen, die er gelesen hatte, in etwas anderes umwandelten. Es blieb, was es zu sein schien. Koushi betrog ihn.

“Toru, ich …”, brachte sein Partner, wenn er das noch war, hervor. Er schüttelte seinen Kopf. “Es ist nicht, was du zu denken scheinst.” Seine Stimme war hoch, schalten seine Worte bereits eine Lüge.

“Es ist nicht das, was ich zu denken scheine? Was denkst du denn, was ich denke, Koushi?”

“Dass … dass … Daichi und ich …”

“Dass Daichi und du, was?”

Wieder stockte Koushi. Man konnte ihm ansehen, wie er kämpfte. Vermutlich mit sich selbst. Seine Hand umklammerte das Handy, das neben ihm herabhing.

“Dass wir … also dass da …”

“Dass ihr was? Sag es, Koushi. Sprich es aus.” Torus Stimme war eiskalt. Und das machte seinem Gegenüber eindeutig Angst. Doch das sollte es auch. Suga hatte schon erlebt, wie er ausrastete, doch noch nie wegen ihm.

“Daichi und ich”, der Kleinere schluckte, “wir sind … er und ich …”

“Ja?”

Koushi presste seine Lippen aufeinander. Sein ganzer Körper zitterte, doch sicherlich nicht, weil es hier im Raum kalt wäre, denn das war es nicht.

“Warum sagst du es nicht?”, brüllte Toru plötzlich, sorgte dafür, dass sein Partner zusammenzuckte und noch blasser wurde. “Fickst du mit Sawamura?”

Nun erstarrte Koushi. Das Schuldeingeständnis war fast zu greifen, auch wenn es nicht laut ausgesprochen worden war.

“Das … nein. Wir … wir sind nicht …”

“Warum sonst, soll er dir so etwas geschrieben haben? Warum hat er geschrieben, dass eure Gefühle …” Toru erstarrte, als ihm etwas klar wurde. Als die Bedeutung zu ihm durchdrang. “Fuck. Du liebst ihn!”

Ein unsicheres Nicken folgte.

“Ja. Schon sehr lange … Schon, bevor das mit uns beiden überhaupt begonnen hat …”

Ein weiteres Mal herrschte Stille, ehe Toru sich herumdrehte und mit einem lauten, wütenden Schrei auf die Matratze ihres Bettes einschlug.

“Verarscht du mich!”, wandte er sich gleich darauf wutentbrannt erneut an seinen Partner. “Du gehst mir fremd? Mit deinem angeblich besten Freund? Ich habe für dich alles aufgegeben! Meinen Traum, mein Leben in Argentinien! Meinen Platz als Nationalzuspieler! Weil ich mit dir zusammen sein wollte! Und du treibst es mit deinem besten Freund? Lügst mir die große Liebe vor? Du verarscht mich eindeutig! Du verdammtes Arschloch!”

“Toru. Das wollte ich nicht! Das hatte ich niemals vor. Ich liebe dich. Ich … war mir sicher, dass …” Und wieder stockte Koushi mitten im Satz, hielt inne, suchte zum wiederholten Male nach Wörtern. Doch sein aktueller Partner ließ ihn nicht aussprechen.

“Spar es dir, du Heuchler. Ich mache mir seit ich hier bin Gedanken, warum ich das Gefühl habe, dass du mich gar nicht da haben willst. Doch ich habe es darauf geschoben, dass wir uns daran gewöhnen müssen, nicht nur für ein paar Tage oder einen Urlaub zusammenzuwohnen, sondern dass es nun unser Alltag ist. Und du verlogener Mistkerl hast in der Zeit hinter meinem Rücken fröhlich Sawamura gevögelt! Seit wann geht das, hmm? Seit wann lachst du dir mit ihm zusammen ins Fäustchen? Wolltet ihr etwa euren beiden Küken helfen, indem ihr ihren größten Rivalen aus dem Nationalteam nehmt? War es das, weshalb du mit mir zusammen bist? Hast du mir unsere ganze Beziehung über etwas vorgelogen, nur um Tobio und Shoyo zu unterstützen? Bist du so ein hinterhältiges Miststück?”

“Das ist es nicht, Toru! Sicherlich nicht! Tobio und Shoyo haben damit überhaupt nichts zu tun! Ich hatte nichts mit Daichi! Also … nicht als wir zusammengekommen sind. Und ich habe auch keine Affäre mit ihm. Aber …”

“Aber du vögelst mit ihm?” Torus Stimme war eiskalt. Immer noch blitzte die Wut in seinen Augen und er hatte seine Hände zu festen Fäusten zusammengeballt. Zu gerne würde er auf etwas einschlagen. Vielleicht sogar auf den Mann, der vor ihm stand. Und auf dessen Vögel-Partner.

“Nein. Also … es war einmal Toru. Zwei Mal, aber …”

“Von `zwischen uns war nichts´ und `wir haben es nur ein, vielleicht auch zwei Mal miteinander getrieben´ liegen Welten!” Um nicht zu schreien, laut zu brüllen, presste er die Worte zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.

“Das …” Mit einer Hand fuhr sich Koushi über das Gesicht. Er sah fertig aus.

Aber das war Toru egal. Er sollte sich genauso scheiße fühlen wie er. Sein Herz sollte ebenfalls brechen, kaputt getreten und geschlagen werden. Er sollte auch dieses schmerzende Gefühl empfinden, das ihn zu zerreißen drohte.

“Toru, Daichi und ich … wir haben in der Oberschule eine Nacht miteinander verbracht. Wir hatten zu viel getrunken und konnten uns beide nicht mehr daran erinnern. Damals … Daichi hatte auf mich den Eindruck gemacht, als wäre er angewidert. Als fände er die Vorstellung, dass zwei Männer das miteinander erleben, ekelhaft. Und daher habe ich versucht es zu vergessen. Trotz dessen haben wir es geschafft, unsere Freundschaft irgendwie zu retten. Er ist mit Yui zusammengekommen, hat sie geheiratet. Und wir beide, du und ich, Toru, wir sind wieder aufeinandergetroffen. Ich habe dich besser kennengelernt - und mich in dich verliebt.” Als Toru nichts erwiderte, sprach Koushi schnell weiter. “Einen Monat, bevor du zurückgekommen bist, habe ich es meinen Freunden erzählt. Und Daichi hat so seltsam reagiert, dass ich wieder dachte, dass er angeekelt ist. Vor mir. Doch … stattdessen hat er mir gestanden, dass er damals in mich verliebt gewesen ist. So wie ich in ihn. Und dass wir beide es damals richtig versaut haben. Wir haben unsere Chance vertan. Und dann … dann konnten wir nicht … Wir konnten es nicht vergessen. Und ich weiß, wie scheiße das von uns, von mir - dir gegenüber -, war, haben Daichi und ich es wissen wollen. Wie unsere Nacht damals war. Und deshalb haben wir uns getroffen. Ein Mal nur. Und seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen, das schwöre ich dir.”

“Wann?”

“Wann … was?”

“Wann habt ihr euch getroffen und gevögelt?”

Bei Torus hartem Blick schlucke Koushi.

“Ungefähr eine Woche, bevor du nach Japan gekommen ist.”

“Und dann?”

“Was dann?”

“Gott, Koushi! Bist du wirklich so dumm? Wobei, warum frage ich das überhaupt?” Die ganze Antwort bestand aus einem Knurren. “Was habt ihr dann gemacht? Du und dein Fickpartner?”

Erneut schluckte Koushi.

“Wir … sind auseinander gegangen. Und wie gesagt, wir haben uns nicht mehr getroffen. Nur … geschrieben.”

“Warum hast du ihn nicht mehr getroffen?”

“Weil … weil ich …”

“Ja? Spuck es jetzt einfach aus! Ich weiß es, doch ich muss es aus deinem Mund hören!”

“Weil”, Koushi schloss die Augen, “ich mich nicht zurückhalten hätte können.”

Nun war es Toru, der schlucken musste. Erneut kam der Schmerz zurück, schob sich an der Wut vorbei und überflutete ihn. Doch sofort drängte er ihn wieder zurück. Es war so viel einfacher zu hassen, als dieses Gefühl zuzulassen.

“Okay.”

“Okay?” Überrascht öffnete sein Partner seine Augen wieder.

Toru erwiderte den Blick, versuchte, sich die Wut nicht zu sehr anmerken zu lassen.

“Koushi. Er oder ich. Sawamura oder ich?”

Es herrschte Stille, die sich immer weiter ausbreitete.

“Jetzt sag es gefälligst!” Vielleicht war die einzig richtige Antwort die, die alles doch noch in Ordnung bringen konnte. Falls das überhaupt noch möglich war …

“Ich … ich kann nicht …”

“Er oder ich, verdammt noch mal!”, brüllte Toru auf. Er griff nach Sugas Schultern und schob ihn nach hinten, so dass er gegen die Glasscheibe knallte. Das Handy flog auf den Boden, doch das nahm keiner von ihnen wahr.

“Es … es tut mir so leid”, flüsterte Koushi, während sich aus seinen Augen Tränen lösten, den Weg über seine Wangen fanden.

Mit einem lauten Schrei, der sich den Weg aus seinem Innersten nach außen bahnte, holte Toru mit seiner Faust aus. Koushi zuckte zusammen, als diese neben seinem Gesicht auf der Glasoberfläche aufkam.

“Toru, deine Hand”, flüsterte er erschrocken.

In dem Angesprochenen zog sich alles zusammen. Er wollte das nicht hören. Er konnte diese fürsorgliche Seite des Mannes, den er eigentlich liebte, nun nicht hören. Nicht dann, wenn dieser gerade gesagt hatte, dass er sich für einen anderen entschied.

“Verschwinde”, hauchte er. Als Finger seine nackte Schulter berührte, zuckte er zusammen, machte einen Satz nach hinten. “Verschwinde!”, brüllte er. “Mach, dass du wegkommst! Ich will dich nie wiedersehen!”

“Toru, bitte, lass uns nicht so auseinandergehen.” Tränen liefen über Koushis Gesicht, doch das war dem Angesprochenen egal.

“Du warst es, Koushi! Du bist es gewesen, der das zwischen uns kaputt gemacht hat, nicht ich! Ich habe alles für dich aufgegeben. Ich bin zu dir gekommen! Daher ist es mir scheißegal, wie du es empfindest. Es ist mir scheißegal, dass du nicht so auseinandergehen wolltest. Du bist es gewesen, der sich dafür entschieden hast! Du willst Sawamura, dann bitte, geh. Geh zu ihm, vögelt euch weiterhin das Hirn raus. Es ist mir scheißegal. Genauso, wie ich dir scheißegal gewesen bin. Verschwinde einfach nur.”

Er drehte sich um, ging zum Kleiderschrank und öffnete ihn. Aus den Tiefen zog er eine Reisetasche hervor, die er seinem nun Ex-Partner vor die Füße schmiss. Und dann zog er all dessen Klamotten hervor, schmiss sie ebenfalls auf den Boden. Wie ein Berserker wütete er. Als der Schrank leer war, ging er weiter. Öffnete weitere Regale, Schränke, Schubladen und verteilte sämtlichen Inhalt in der Wohnun, ignorierte, was dabei kaputt ging. Er brüllte Beschimpfungen, dass Koushi verschwinden sollte und schrie all seine Wut und seinen Schmerz hinaus.

Er wusste nicht mehr, wie oft er seinen Ex-Partner von sich gestoßen hatte, wie oft dieser versucht hatte, ihn zu besänftigen, mit ihm zu reden, doch nichts fruchtete. Er wütete auch noch weiter, als die Haustüre sich schon längst hinter Koushi geschlossen hatte.

Doch dann war die Wut zu Ende, alles hinausgebrüllt. Der Schmerz übernahm die Oberhand und inmitten der Verwüstung sank er auf den Boden. Mit einem Brüllen kam das Gefühl, das sein Herz zerriss, hervorgeschossen. Das die Tränen über seine Wangen trieb, dafür sorgte, dass er sich selbst die Fingernägel in die Oberarme grub, blutige Kratzer zog.

Toru wusste nicht, wie lange er so da gesessen hatte, als er irgendwann aus all dem Chaos tatsächlich sein Handy hervorzog und eine Nummer wählte. Eine Nummer, die er in der Kurzwahl eingespeichert hatte. Es tutet ein paar Mal in der Leitung, bis sein Gesprächspartner endlich annahm.

“Hey Shittykawa, hast etwa schon Sehnsucht nach mir?”

“Hajime.”

Dass er nicht den Spitznamen seines besten Freundes verwendete, dazu der zitternde, vor Schmerz verzerrte Tonfall schien alles zu sagen.

“Toru, was ist los?”

“Koushi … er hat … Er ist weg …”

“Okay, ich komme. Bleib wo du bist. Ich fahre sofort los. Ich bin für dich da, ja? Das bin ich immer, Toru. Das werde ich immer sein!”

Kapitel 5

Koushi
 

Koushi hielt sein Handy wieder in der Hand. Sein Daumen strich über das Display. Auf dessen oberen Rand konnte man Daichis Name lesen. Ihr Chat war geöffnet.

Er hatte bereits etwas eingetippt, es dann jedoch auch wieder gelöscht. Er wusste nicht, ob es gut war, ihm nun zu schreiben. Sollte er ihm schreiben, dass auch seine Beziehung zu Ende war? Dass Toru ihn nicht nur rausgeworfen, vielmehr hochkant rausgeschmissen hatte?

Aber was würde das für ein Zeichen sein, wenn er ihm nun schreiben würde? So ala - hey, wir sind beide Single. Endlich können wir zusammen sein!

Nein, das war nicht in Ordnung. Weder Toru gegenüber, noch Yui. Die zwei hatten sie immerhin geliebt. Es wäre für beide ein Schlag ins Gesicht, wenn sie nun direkt, noch am gleichen Tag, ein Paar werden würden.

Wobei, war es überhaupt das, worauf es hinauslaufen würden? Waren Daichi und er dafür bestimmt, zusammen zu sein? Wirklich glücklich miteinander werden?

Auf der einen Seite schrie alles in ihm ja. Das hatte er sich damals gewünscht. Und seitdem er von Daichis Gefühlen wusste, wünschte er es sich wieder. Nein, er war sich sicher, dass Daichi der Einzige wäre, der ihn glücklich machen könnte. Das hatte er ihm doch auch erst vor wenigen Stunden geschrieben.

Doch dann waren da diese anderen Gedanken. Dieses schlechte Gewissen. Sie hatten beide zwei Menschen ins Unglück gestürzt. Zwei Menschen, die sie geliebt hatten. Von denen sie gedacht hatten, sie ebenfalls zu lieben. Es vielleicht auch getan hatten. Wenn auch weniger, als die Liebe zwischen Daichi und ihm war.

Hatten sie beide es daher verdient, glücklich zu werden? Sein schlechtes Gewissen, sein Schuldbewusstsein sagte laut und deutlich: Nein. Sie hatten es nicht verdient.

Toru hätte es verdient.

Yui.

Doch nicht er.

Und er wünschte sich auch, dass Daichi glücklich würde. Doch war es wirklich er, der dafür sorgen könnte?

Mit einem Schlucken schob er das Handy wieder zurück in seine Hosentasche. Nein, er könnte ihm nicht schreiben. Nicht jetzt. Erst einmal musste er selbst mit alldem klarkommen, was passiert war. Er würde sich vorerst ein Hotelzimmer nehmen und dann schauen, wie es weitergehen würde.
 

Daichi
 

“Hier, der Schlüssel. Sie finden Ihr Zimmer im zweiten Stock. Sie können den Aufzug dort hinten nehmen oder, wenn sie möchten, ist daneben auch der Zugang zum Treppenhaus.”

“Vielen Dank.” Mit einer leichten Verbeugung nahm Daichi den Zimmerschlüssel entgegen, an dem auf einem Metallschildchen die Nummer 21 prangte. Die zwei und die eins. Die letzten Nummern, die Koushi und er getragen hatten.

Und wieder landeten seine Gedanken bei ihm. Er sollte an so viel anderes denken. An seine Ehefrau, die vermutlich nun seine Ex-Frau werden würde. Daran, wie sie das mit der Scheidung machen würden. Ihre Wohnung, all das. Doch nichts davon beschäftigte ihn. Stattdessen dachte er nur an seinen besten Freund. Daran, was das alles für sie beide bedeutete.

Mit seiner Reisetasche trat er ein paar Schritte vom Empfangstresen des Hotels weg, in dem er schon einmal gewesen war. Vor fast vier Monaten. Zusammen mit Koushi.

Er wusste nicht, warum es ihn hierher gezogen hatte. Erst hatte er sich überlegt, einen seiner anderen Freunde anzufragen, ob er dort über Nacht bleiben könnte, sie ihm eine Zuflucht boten.

Erst hatte er an die Tanakas gedacht. Kiyoko und Ryunosuke hätten ihn mit ausgebreiteten Armen empfangen. Natürlich. So waren die beiden. Vermutlich hätten sie nicht einmal nach dem Grund gefragt.

Okay, Kiyoko hätte nicht gefragt, Ryu schon. Doch Kiyoko war schwanger, er wollte sie nicht belasten. Zudem waren sie beide auch Freunde von Yui. Das hatte sich so ergeben, da sie als Paare doch oft etwas miteinander unternommen hatten. Nein, er wollte die beiden nicht da mit reinziehen. Und auch keinen der anderen.

Zudem wollte er niemanden anlügen. Was hätte er sagen sollen, weshalb Yui und sich getrennt hatten? Die Wahrheit war, weil er sich in jemand anderen verliebt hatte. Nein, weil er jemand anderen liebte. Das war ein Unterschied.

Und noch dazu war es ja nicht irgendjemand.

Es war Koushi.

Sein bester Freund.

Ebenso ein Freund der anderen.

Und eine Person, die ebenfalls in seiner Beziehung war. Mit niemand Unbekannten, auch wenn sie nicht alle Oikawas Fan waren, so war er eben doch der Partner von einem der ihren. Noch dazu war dieser Partner extra hier nach Japan zurückgekehrt. Wegen Koushi.

Erneut blieb Daichi stehen und ließ seine Reisetasche wieder zwischen seine Füße fallen. Den Zimmerschlüssel steckte er in seine Hosentasche, ehe er mit seiner Hand durch sein Gesicht fuhr.

Nein, er könnte Koushi auch nicht vor den anderen outen. In der Hinsicht, dass sie beide gemeinsam zwei Beziehungen zerstört hatten und das nur, weil sie sich nicht hatten zusammenreißen können. Doch konnte man das über Gefühle sagen?

Er schluckte, ehe er sein Handy hervorzog. Er öffnete den Chat zwischen Koushi und ihm. Sein Blick fiel auf die letzten Schriftzeichen, die dort zu lesen waren. Es waren seine eigenen.
 

Daichi: Weil Gefühle irrational sind. Und unsere füreinander erst recht.
 

Koushi hatte nicht mehr darauf geantwortet. Hatte er etwas Falsches geschrieben? Wobei, er hätte ihm generell nicht schreiben sollen. Er hatte das Gefühl, dass er Koushi damit vor eine Entscheidung gestellt hatte, die dieser eigentlich nicht treffen sollte. War es vielleicht das, weshalb er ihm nicht mehr geantwortet hatte? Vielleicht.

Vermutlich sollte er selbst erst einmal ankommen, ehe er über das zwischen sich und Koushi nachdachte.

Erst musste das mit Yui und ihm geklärt werden. Es war nicht nur eine Beziehung, die beendet wurde. Sie beide waren verheiratet. Unbewusst landeten seine Finger an dem Ehering, der an der linken Hand saß. Er schluckt, ehe er ihn abzog und ebenfalls in seine Hosentasche steckte.

Egal was wäre, es gäbe kein zurück in diese Richtung. Yui hatte recht gehabt. Ihre Ehe war kaputt. Sie könnte nicht mehr repariert werden. Vielleicht war auch er kaputt. Ein leises Stöhnen entkam ihm und er fuhr erneut mit der Hand durchs Gesicht.

Und ob Koushi seine Zukunft war, das wusste er auch nicht. Man konnte den Plan A nicht immer zurückholen. Manchmal war er einfach vergangen.

Was Koushi gerade wohl machte? Ob er vielleicht doch glücklich war? Mit Toru? Und warum landeten seine Gedanken nun wieder bei ihm?

“D-daichi?”

Hinter ihm erklang plötzlich eine Stimme, mit der er nicht gerechnet hatte. Mit weit aufgerissenen Augen drehte er sich herum.

“Koushi!”

Sein Blick fiel auf die Reisetasche, deren Henkel Koushi in einer Hand hielt. Sein Blick wanderte wieder zurück, zu den goldbraunen Augen, die ihn ungläubig anstarrten. Und er konnte erkennen, dass diese blutunterlaufen und angeschwollen waren. Seine Gedanken liefen im Kreis. Hatte er geweint? Dazu die Reisetasche. Bedeutete das etwa …

“Was machst du hier?”, platzte es aus ihm heraus.

Koushis Mundwinkel hoben sich schief an.

“Toru hat mich rausgeworfen. Er hat zufällig gesehen, was wir beide vorher miteinander geschrieben haben und hat eins und eins zusammengezählt. Nun ja, es ist nicht so schön ausgegangen und nun wollte ich mir ein Zimmer für die Nacht organisieren.”

Anscheinend hatte Koushi, was ihre Freunde anging, ähnlich gedacht wie Daichi. Doch das wunderte den Jüngeren der beiden nicht das geringste. Sein bester Freund machte sich immer Gedanken um die anderen.

Und es hatte ihn ebenfalls hierher gezogen. Hierher, wo sie beide die Beziehung und die Gefühle zwischen ihnen für immer und endgültig verändert hatten.

“Ich … ich habe ein Zimmer. Willst du vielleicht …” Daichi stockte mitten in seinem Satz. Ja, er wusste, was sein Herz wollte. Doch sein Kopf sagte ihm eindeutig, dass das noch nicht jetzt sein durfte. “Ich will damit nichts sagen. Es geht nur darum, dass wir beide etwas haben, wo wir schlafen können. Schlafen, nichts anderes.”

Der Gefragte zögerte, ehe er nickte.

“Ja, das klingt gut. Danke dir, Daichi.”

“Nicht dafür.”
 

~~~
 

Kurz darauf standen sie in dem Hotelzimmer, das zumindest für diese Nacht das ihre wäre. Als Koushi die Zimmernummer gesehen hatte, hatte er schlucken müssen. Ihre Zahlen. Und kaum dass sie eingetreten waren, waren ihre Blicke auf das Bett gefallen. Es war nicht das gleiche Zimmer wie beim letzten Mal und doch war es identisch.

Und obwohl ihre Erinnerungen verstärkt wurden, war ihnen beiden klar, dass es nicht darum gehen würde. Nicht heute. Vielleicht sogar auch noch nicht die nächsten Tage. Doch das würde sich zeigen.

“Willst du duschen?”, fragte Daichi, wiederholte unbewusst Worte, die er bereits vor so vielen Jahren zu Koushi gesagt hatte. Ob es ihm selbst bewusster war?

Ein kurzes Lächeln huschte über Koushis Gesicht, ehe er nickte.

“Ja.”

“Dann gehe ich nach dir.”

Ein Nicken. Eine Bestätigung. Keine Einladung zum gemeinsamen Duschen. Ohne darüber nachzudenken. So war es richtig. Jetzt, für diesen Moment.
 

~~~
 

“Wie sollen wir es machen?” Koushis Blick fiel auf das Bett.

“Ich denke … wir können beide darin schlafen, oder?” Daichi presste seine Lippen aufeinander. “Oder soll ich vielleicht doch lieber nach einem zweiten Zimmer fragen?”

“Nein, das ist doch schwachsinnig! Wir schaffen das.”

“Das denke ich auch.”

Trotzdem mussten sie beide schlucken. Wieder in einem Bett schlafen, gemeinsam. Ein großer Wunsch von ihnen beiden - und doch hatten sie es sich anders vorgestellt.

Ein wenig später lagen sie im Bett, nebeneinander. Jeder auf seiner Seite, Abstand zwischen sich. Es war seltsam.

Auf der einen Seite war da dieses Sehnen nacheinander. Der Wunsch danach, sich nahe zu sein, sich zu berühren.

Und dann war da dieses schlechte Gewissen, dass es nicht zuließ. Bei keinem von ihnen.

“Als Toru deine Nachricht gesehen hat, hat er mich darauf angesprochen. Er hat es mir zum Vorwurf gemacht, dass er meinetwegen alles aufgegeben hat”, flüsterte Koushi, nachdem er minutenlang in die Dunkelheit gestarrt hatte. Er konnte nicht zur Ruhe finden. Wie auch? Nach all dem, was heute passiert war. “Aber ich kann ihn verstehen. Wie sollte er mich jetzt nicht hassen? Ich habe ihn verletzt. Sein Herz gebrochen.”

Es herrschte Stille, die schließlich von Daichi unterbrochen wurde.

“Ich kann Yui auch verstehen. Sie ist zu mir gekommen und hat gefragt was los ist. Sie meinte, dass mit unserer Beziehung etwas nicht mehr in Ordnung ist. Sie hat mir auf den Kopf zugesagt, dass ich eine Affäre hätte. Ich konnte sie nicht weiter anlügen. Es tut mir leid.”

“Das muss es nicht, Daichi. Das, was wir beide da getan haben … das war nicht fair. Nicht den beiden gegenüber. Yui und Toru. Sie haben jedes Recht, uns zu hassen.”

“Damit hast du recht. Mir würde es nicht anders gehen, wenn ich an ihrer Stelle wäre.”

“Ich weiß auch nicht, ob ich das kann, Daichi. Das mit uns beiden. Wie können wir glücklich sein, wenn andere wegen uns unglücklich sind?” Und damit sprach Koushi die Gedanken aus, die ihm vorher durch den Kopf gegangen wären.

Womit hätten sie es verdient, glücklich zu werden?

Daichi versteifte sich und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Er musste sich räuspern, den Kloss aus seinem Hals bekommen, ehe er sprechen konnte.

“Ich verstehe wirklich, was du damit sagen willst … aber denkst du … denkst du, sie wären mit uns glücklich gewesen? Ich hatte versucht, mit Yui glücklich zu sein, doch sie selbst meinte heute zu mir, dass es mich nur unglücklicher gemacht hat. Es hätte keinen Weg mehr gegeben, nicht für sie und mich. Es tut mir leid, wenn ich dir deine Beziehung ebenfalls kaputt gemacht habe. Das wollte ich nicht. Es …”

“Nein, Daichi!”, fuhr im Koushi ins Wort. “Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Für mich bist du es. Der Eine. Und du hast recht, auch wenn ich das vielleicht nicht sehen wollte. Es wäre bei mir nicht anders gewesen. Toru und ich - nein, wir wären auch nicht glücklich gewesen. Ganz im Gegenteil. Doch … ich wünschte, es wäre anders gelaufen. Ich wünschte, es wäre alles anders gelaufen und ich hätte es dir damals gesagt. Doch ich habe es nicht. Wir müssen nun mit dem leben, was wir getan haben, wir können daran nichts ändern.”

“Auch damit hast du recht.” Ein tiefes Seufzen entkam Daichi. “Und ich wünschte auch, dass wir ihnen diesen Schmerz hätten ersparen können. Dass wir ihn uns hätte ersparen können …”

Wieder vergingen Minuten, in denen keiner von ihnen etwas sagte und sie nur ihren Gedanken nachhingen.

“Daichi”, war es schließlich Koushi, der das Wort ergriff. “Es fällt mir schwer, das zu sagen. Aber das mit uns beiden, ich kann das nicht.” Diese Worte hatte er vor einigen Minuten bereits ausgesprochen, doch in diesem Augenblick klangen sie ernsthafter.

Daichi schluckte schwer. Sein Atem stockte und zum wiederholten Male an diesem Tag breitete sich Schmerz in seiner Brust aus.

“Ich will damit sagen”, sprach sein Freund schnell weiter, “ich kann es jetzt nicht. Nicht jetzt, wo wir beide gerade erst eine Trennung hinter uns haben. Wir müssen erst mal damit abschließen, mit diesen Beziehungen. Alles regeln. Und dann … dann schauen wir, ja?”

Die Schwere, die auf Daichi gelastet hatte, ließ wieder etwas nach.

“Du meinst, dass wir noch warten sollen? Ehe wir entscheiden, was das mit uns beiden werden soll?”

“Ja, genau. Ich meine, ich liebe dich, das weiß ich. Aber ich brauche die Zeit. Ich kann mich jetzt nicht direkt mit dir in die nächste Beziehung stürzen. Das haben Yui und Toru nicht verdient und auch wir beide müssen abschließen. Lass uns warten und dann weitersehen.”

Ein schiefes Grinsen erschien auf Daichis Gesicht, das im Dunkeln nicht zu sehen war.

“Mit Warten kennen wir uns inzwischen aus, oder? Ein paar Monate mehr werden da nun nichts mehr ausmachen.” Auch wenn es sich anfühlte, als würde es alles ausmachen.

“Richtig.”

Keiner von ihnen sagte etwas, ehe Daichi nickte.

“Okay, fügte er hinzu, da Koushi ihn nicht sehen könnte. Unter anderem, weil dieser mit dem Rücken zu ihm lag.

“Gut.”

Erneute Stille.

“Koushi?”

“Ja?”

“Ich liebe dich auch.”

Dieser erwiderte nichts, doch dann war ein Schluchzen zu vernehmen. Ein zweiter und ein dritter, ehe die Töne nicht mehr verstummten. Daichi rutschte näher, schlang seinen Arm um den neben ihm Liegenden und zog ihn mit dem Rücken gegen seinen Brust. Er presste ihn eng an sich, während der schlanke Körper vor ihm vor Beben und Schluchzern geschüttelt wurde. Er schloss seine eigenen Augen und vergrub seine Nase in dem silbergrauen Schopf des Älteren. Und dann spürte er, wie auch ihm die Tränen über die Augen traten und anschließend in einem nicht mehr endenden Strom über die Wangen liefen.

Epilog

Acht Jahre später
 

Wie früher bereits, stand ein großer Fernseher in der Auslage des Elektronikgeschäfts. Als großer Volleyball-Fan ließ der Besitzer des Ladens regelmäßig Spiele laufen. Auch Hochschulspiele. Auch ihre Spiele beim Frühlingsturnier, an dem sie 2013 teilgenommen hatten, waren hier gelaufen. Und auch heute, 14 Jahre später, war Volleyball etwas, das auf diesem Bildschirm lief. Zwar kein Spiel, doch es hatte damit zu tun.
 

>Volleyball-Nationaltrainer Iwaizumi Hajime und der ehemalige argentinische Nationalzuspieler Oikawa Toru haben geheiratet<
 

Koushi war wie erstarrt vor dem Bildschirm stehen geblieben, auf dem das frisch vermählte Ehepaar gezeigt wurde. Er hatte gewusst, dass die beiden ein Paar geworden waren, nachdem die Beziehung zwischen ihm und Toru zerbrochen war.

Man war nicht darum herum gekommen, es zu erfahren, wenn man sich für Volleyball interessierte. Zudem waren Hinata und Kageyama ein Teil des Nationalteams und dadurch regelmäßig in Kontakt mit Iwaizumi. Und trotzdem, diese Nachricht traf ihn nun härter, als er angenommen hätte.

Eine warme Hand legte sich auf seinen Rücken.

“Kommst du damit klar?”

Nur kurz hoben sich seine Mundwinkel, als er das Mitleid vernahm, mit dem er angesprochen wurde.

“Natürlich. Ich meine, es ist doch gut, dass er sein Leben weiterlebt und er glücklich ist. Nichts anderes hatte ich mir für ihn gewünscht. Ich bin auch froh, dass er sich von dem, was ich getan habe, nicht negativ herunterziehen habe lassen. Doch ich kann es nicht verleugnen, dass es mir einen Stich im Herzen versetzt.”

Es herrschte Stille und als Koushi über seine Schulter blickte, erkannte er die hochgezogenen Augenbrauen des hinter ihm Stehenden.

“Nicht, wie du denkst!”, verteidigte er sich sofort. “Es geht mir darum, dass es bei ihm so geradlinig verlaufen ist. Er ist mit Iwaizumi zusammengekommen und jetzt …”

“Nun ja, als geradlinig würde ich es nun nicht gerade bezeichnen, wenn man bedenkt, dass er nicht wegen ihm, sondern eigentlich deinetwegen nach Japan zurückgekommen ist. Aber ich verstehe, was du damit sagen willst.”

Ein sanftes Lächeln erschien auf Koushis Lippen und er drehte sich wieder dem Bildschirm zu. Eine Hand landete an seinem Kinn.

“Aber irgendwie ist es schon Ironie des Schicksals, dass er sich auch in seinen besten Freund verliebt und diesen geheiratet hat, meinst du nicht auch?”

Ein leises Lachen war zu vernehmen.

“Anscheinend haben beste Freunde eine gewisse Anziehungskraft.”

Das Lachen wurde erwidert.

“Das sagt der Richtige.”

Erneut wandte sich Koushi herum und sah die Hand, die ihm entgegengestreckt wurde. Mit einem Lächeln, das tief aus ihm kam, ließ er seine Hand von seinem Kinn sinken. Stattdessen schob er sie in die Finger des anderen.

“Ja, beste Freunde haben etwas”, erwiderte er schmunzelnd.
 

~~~
 

Auf Daichis Zügen lag ein Lächeln, während sie gemeinsam durch den Park liefen. Er liebte es, diese Hand in seiner zu halten.

Zwar hatte es noch ein wenig gedauert, bis Koushi und er sich dafür bereit gefühlt hatten, eine Beziehung miteinander einzugehen, doch seitdem waren sie unzertrennlich. Das schlechte Gewissen hatte sie noch lange Zeit im Griff gehabt, doch es war weniger geworden. In Momenten wie diesem kam jedoch die Erinnerung daran zurück, dass sie zwei Personen tief verletzt und unglücklich gemacht hatten. Doch das war nun einmal ihre Geschichte, daran konnten sie nichts ändern.

“Vermutlich sind Kageyama und Hinata deshalb heute nicht bei unserem Treffen dabei. Ich gehe davon aus, dass sie auf Torus Hochzeit sein werden”, überlegte Koushi neben ihm, ihre Hände weiterhin ineinander verschlungen.

“Das wird es sein. Und vermutlich hat es deshalb keiner von ihnen laut erwähnt, um uns nicht damit zu behelligen”, erwiderte Daichi und blickte zum wolkenlosen Himmel auf. Dadurch achtete er nicht auf seine Umgebung.

Plötzlich schlug etwas gegen seine Seite und er riss seine Hand aus Koushis, während er sich bereits herumdrehte. Doch da lag das Mädchen, das anscheinend gegen ihn gerannt war, schon auf dem Boden.

“Ist bei dir alles in Ordnung?”, fragte er und ging augenblicklich neben ihr auf ein Knie, um ihr beim Aufsitzen zu helfen.

Er war es seinem Beruf geschuldet, dass er alles sofort auffasste. Das Mädchen war nicht verletzt, wirkte eher überrascht, so wie auch er. Sie blinzelt und hob ihre Hände an, die sie betrachtete, ehe sie ihren Kopf schüttelte.

“Ja. Hab mir nicht wehgetan”, erklärte sie.

Daichi betrachtete das ungefähr sechs oder sieben Jahre alte Mädchen immer noch. Da hob sie ihren Blick zu ihm. Daichi stockte und seine Augen weiteten sich. Das war doch …

Die braunen Augen, die dunklen Haare … Das alles kam ihm so bekannt vor und gleichzeitig auch nicht. Und doch …

“Yui”, hauchte Daichi.

Das Mädchen hielt inne, legte ihren Kopf zur Seite. Ehe sie etwas sagen konnte, ertönte ein lauter Ruf.

“Yume! Oh mein Gott, ist alles in Ordnung?”

Eine Frau kam angerannt, die sofort neben ihrer augenscheinlichen Tochter in die Knie sank.

“Mama, alles ist okay. Ich bin gegen den Mann gerannt, aber mir ist nichts passiert.”

“Da bin ich aber froh. Ist mit Ihnen alles …” Die Frau hob ihren Kopf, sah ihn an und erstarrte. “Daichi …”

“Yui”, wiederholte er ihren Namen leise.

Er konnte nicht fassen, was da gerade passierte. Sie hatten seit ihrer Trennung keinen Kontakt mehr gehabt. Die Scheidung hatte Yui komplett über ihre Anwälte regeln lassen. Es hatte mehr als deutlich gezeigt, was sie von ihm hielt. Und er hatte es ihr nicht einmal übelgenommen.

Langsam erhoben sie sich.

“Du … du bist also doch noch Mutter geworden. Das freut mich für dich, ich weiß ja, wie sehr du es dir gewünscht hattest.” Daichi schob verunsichert seine Hände tief in die Hosentaschen.

“Ja. Bei mir … war wohl alles in Ordnung. Yume”, Yui blickte ihre Tochter an und ein liebevolles Lächeln lag auf ihren Lippen, während sie ihr zärtlich durch die Haare strich, “war eine große und sehr unerwartete Überraschung.” Sie richtete ihren Blick wieder auf Daichi und anschließend auf dessen Partner hinter ihm. “Und ihr … seid …” Sie brachte die Worte nicht hervor.

“Wir sind ein Paar, ja.” Daichi zog eine Hand aus der Hosentasche und hob sie Koushi entgegen, der mit einem Lächeln wieder ergriff, seine Finger erneut zwischen Daichis schob. “Aber wir waren es nicht direkt, nachdem wir beide …” Er hielt inne, schien Worte zu suchen. “Es hat sich nicht richtig angefühlt. Daher haben wir noch eine Weile gebraucht. Doch ich freue mich wirklich, von Herzen, Yui, dass du glücklich bist. Zumindest wirkst du so.”

Das Lächeln, dass er seiner Ex-Frau schenkte, war echt und es schien bei ihr anzukommen. Auch sie lächelte, wenn auch etwas verhaltener.

“Ja, das bin ich. Und ich hoffe sehr, ihr beide seid es auch. Mit eurem Plan A.”

Daichis Augen weiteten sich überrascht. Das hatte sie sich gemerkt?

“Wir sind es, ja”, antwortete Koushi an seiner Stelle, sprach für sie beide.

“Das ist gut. Dann … euch weiterhin alles Gute.”

“Ja, dir beziehungsweise euch auch”, erwiderte Daichi noch schnell, als Yui sich bereits herumdrehte und gemeinsam mit ihrer Tochter ging.

Er und Koushi standen noch eine Weile da und sahen in die Richtung, in die sie davongegangen waren.

“Und wie geht es nun dir damit?” Koushis Finger drückten seine Hand sanft.

Ein leises und noch ungläubiges Lachen entkam Daichi.

“Ich weiß es nicht. Irgendwie … Ich habe nicht damit gerechnet. Die letzten Jahre habe ich mich immer wieder gefragt, wie es laufen würde, wenn sie und ich wieder aufeinandertreffen würden. Was ich dann zu ihr sagen würde. Aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass es heute sein wird. Auch nicht in nächster Zeit. Doch … ich freue mich wirklich für sie.” Erneut wanderte sein Blick in die Richtung, in die Yui gegangen war. “Sie hatte sich so sehr ein Kind gewünscht und nun hat sie eines. Sie ist glücklich. Und das macht mich glücklich.”

“Das kann ich verstehen.” Koushi lächelte sanft. “Als ich vorher Toru auf dem Bildschirm gesehen habe, zusammen mit Iwaizumi, da ist mir das auch durch den Kopf geschossen. Er wirkt glücklich. Das war es, was ich mir für ihn gewünscht habe. Und es hat auch mich glücklich gemacht. Ich hatte irgendwie doch immer die Angst, dass wir sie beide unglücklich gemacht haben und sie nie wieder glücklich werden. Doch nun … sie sind es.”

Daichis Hand um Koushis schloss sich ebenfalls fester. Sein Partner traf es genau. So hatte er auch gefühlt. Und das sogar bis heute, wie er gerade feststellen durfte. Yui gerade so gesehen zu haben, so glücklich, das nahm ihm einen großen Stein von der Seele, von dem er nicht wusste, dass er noch immer dort lag. Und wenn er Koushi so musterte, ging es diesem genauso. Er lächelte.

“Ich bin auch glücklich, Koushi. Mit dir.”

Goldbraune Augen wandten sich ihm zu.

“Ich ebenfalls, Daichi. Mit dir.”

Sie lächelten sich voller Liebe an. Für sie beide war es doch ihr Plan A gewesen, der aufgegangen war. Es hatte Umwege gegeben, Schmerzen. Doch nun, hier in diesem Moment, könnten sie nicht glücklicher sein. Alles wandte sich zum Guten und das nicht nur für sie beide.

“Na los, lass uns gehen, Daichi. Unsere Freunde warten sicher schon auf uns.”

“Dann lass uns gehen.”

Gemeinsam liefen sie weiter, Hand in Hand.

Sie waren glücklich.
 

~Ende ~
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war es... das letzte Kapitel der Geschichte.
So viel zum Thema, ich werde sie, im Gegensatz zu Adue glücklich machen ... Tja, ich habe das Gefühl, die beiden nur noch viel unglücklicher gemacht zu haben. Oh, und vergessen wir Yui und Oikawa nicht ...
Danke an alle Mitleser. Für die Sternchen.

Und ja, das war das letzte Kapitel. Und gut, ein wenig veräppelt habe ich euch vielleicht mit den wenigen Worten über diesen hier - es folgt nämlich noch der Epilog ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war also mein Ende von Plan A.
Diese Geschichte hat mich wirklich mitgenommen und sehr runtergezogen.
Das beste daran ist doch eindeutig der letzte Satz ;)
Ich bin glücklich, dass alle glücklich sind. Happyend musste einfach sein ;)

Ich hoffe, sie hat euch gefallen.
Ich würde mich freuen, wenn ihr mir ein Kommentar da lasst.
Diese Geschichte war etwas ganz anderes für mich mich. Normalerweise bin ich eigentlich die "fluffig" Schreiberin. Und das war ganz anders. Sowohl BL oder auch das Thema.

Eure Tasha Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Centranthusalba
2023-07-01T13:16:31+00:00 01.07.2023 15:16
Na, dann sind ja alle glücklich 🙂
Hach Mensch, 😩 die sind immer alle so ehrlich bei dir…

Eine Frage noch: Wissen die anderen davon, dass die beiden zusammen sind?🤔
Antwort von:  Tasha88
01.07.2023 17:16
Schon irgendwie, gell? 😅
Und ich wollte, dass alle glücklich sind...

Und ja, das wissen die. Nach 8 Jahren muss es 😅😂
Von:  Centranthusalba
2023-06-28T18:05:20+00:00 28.06.2023 20:05
Hehee, das mit dem Hotel war ein guter Move.👍🏻
Tja, ist das jetzt ein gutes Ende?😕
Antwort von:  Tasha88
28.06.2023 20:57
wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende ;)
Von:  Centranthusalba
2023-06-25T19:02:45+00:00 25.06.2023 21:02
Oh wow 😮 das war mal gut!
Ein astreiner narzisstischer Wutausbruch. Sehr gut geschrieben. Die ganzen Schimpfwörter, je schmerzhafter es wird, und dieses „Koshi soll den gleichen Schmerz erfahren, wie er ihn selbst fühlte“ 👍🏻
Sehr, sehr gut, Tasha 👍🏻👍🏻👍🏻
Antwort von:  Tasha88
25.06.2023 21:22
Danke dir.
auch ein Kapitel, das nicht leichtgefallen ist. nun gut, es ist wirklich "leicht" von der Hand gegangen beim aufschr3eiben, aber der Seele hat es nicht gut getan >.<
Von:  Centranthusalba
2023-06-25T18:50:43+00:00 25.06.2023 20:50
😍😍😍🥺😢🥰🥰🥰❤️❤️❤️😳⚡️😱😱😱
Ähm ups… das gibt Ärger

Antwort von:  Tasha88
25.06.2023 20:54
ups ... klingt zu süß... >.<
hach ja ... ähm ... zu kickers zurück? ist fluffiger >.<
Von: Hinata_Shouyou
2023-06-22T08:39:19+00:00 22.06.2023 10:39
bin durch zufall auf die FF gestoßen
also ich finde sie bis jetzt echt gut
bin gespannt wie es mit den beiden weiter geht^^
Antwort von:  Tasha88
22.06.2023 14:25
Ich freue mich über den Zufall ^^ und dein Kommentar. Vielen Dank dafür :)
leider ist das bisher eine ziemliche Herzschmerz Geschichte >.<
Von:  Centranthusalba
2023-06-19T06:54:31+00:00 19.06.2023 08:54
Joa 😮‍💨 soll ich jetzt sagen „gut gemacht“?😉
Nein wirklich, sehr guter Dialog. Vor allem wie Yui immer einen Schritt weiter denkt und dann von der Antwort brutal zurückgeholt wird. 👍🏻
Ging ja dann doch schnell die Eskalation…

Nur eines hat mich aus dem Konzept gebracht: barste? 🤔 barst… oder?
Antwort von:  Tasha88
19.06.2023 09:27
Das ist der Punkt, nicht wahr?
zwar gut aber nicht gut. Oder nicht gut aber gut?
irgendwo dazwischen ;)
ich merke es gerade wo du schreibst - ist wohl dialekt ...
danke fürs darauf aufmerksam machen und danke für dein kommi ^^
Antwort von:  Tasha88
19.06.2023 09:28
habs mir einfach gemacht XD da steht jetzt zerbrach
barst sieht soo seltsam aus
Von:  Centranthusalba
2023-06-16T11:10:24+00:00 16.06.2023 13:10
Ein schöner Einstieg👍🏻
Ja, also „schön“ relativ gesehen 😅
Wenn man Adues Teil nicht gelesen hat, dann ist man nun im Bilde.

Besonders schön fand ich: Denn auch wenn sie gegenseitig ihr Plan A gewesen waren, so waren sie für ihren jeweiligen Plan B Plan A. ui 😳
Antwort von:  Tasha88
16.06.2023 15:12
ja, schön ist so eine Sache an dieser Geschichte.
Was hat Adue mir gestern noch geschrieben? super, jetzt bin ich deprimiert ...
das war ich auch >.<

und das mit plan a, plan b und plan a habe ich damals auch mit ihr gesprochen, als sie meinte, ob das so überhaupt Sinn ergibt :/
Antwort von:  Tasha88
16.06.2023 15:12
danke, dass du dabei bist


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