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Pompeji

von

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Sie war noch so jung

Die Sonne brannte mir erbarmungslos in den Nacken und doch verrichtete ich meine Arbeit sehr gewissenhaft. Nach und nach kamen einige Knochen zum Vorschein, die mich stutzig werden ließen. Sie passten nicht zu den anderen. Nicht zu denen, die man in Pompeji sonst gefunden hatte. Jene Körper, die von Asche eingeschlossen waren und ihre unverkennbare Todeshaltung zeigten. War es am Ende sehr viel jünger und gehörte nicht zum dramatischen Geschehen jener Ortschaft, die wir Stück für Stück ausgruben und erforschten?
 

Neugierig besah ich mir die Überreste, die einst ein Mensch ergaben, wie ich gelebt, geliebt, gelacht und geweint hatte. Ein Jammer, dass diese Person wohl nicht viel von seinem Leben lebte und dramatisch verstarb. Falls er zu den Opfern Pompejis gehörte. Sicher war ich mir nämlich nicht.
 

"Ey Tristan?", rief es hinter mir und verwundert drehte ich mich um.
 

Stev mein Kollege stand unweit hinter mir und runzelte kaum merklich die Stirn. "Was machst du hier?"
 

"Das frage ich dich. Du hockst da und wühlst im Dreck. Komm lieber mit und hilf mir mit dem Rest."
 

Im Dreck wühlen? Über die Aussage meines Kollegen wunderte ich mich sehr, drehte mich um und sah erneut auf die Knochen vor mir. Sah er sie als nicht wichtig an, als unspektakulär? Sicher, Stev war der Leiter der Ausgrabung, somit mein Vorgesetzter. Und doch wollte ich ihm von den Knochen erzählen, ihn fragen, ob sie in jene Zeit passten.
 

"Komm, Tristan. Ich hab da etwas Neues, etwas, was wir bisher noch nicht hatten."
 

Neugierig erhob ich mich nun doch, folgte dem schwarzhaarigen, großgewachsenen Mann und fragte mich gleichzeitig, welchen bedeutenden Fund er gemacht hatte. Vielleicht eine Taverne, ein Badehaus oder die Latrinen, auf denen nicht nur diese Art von Geschäften verrichtet wurden, sondern noch ganz andere? Die Neugier war deutlich greifbar. Mein Herz klopfte voller Vorfreude. Mit jedem Schritt, den ich durch das alte Pompeji lief, zitterte ich voller Erwartung, konnte es kaum erwarten, diesen Fund zu bestaunen und Stev zu jenem zu gratulieren.
 

Schritt für Schritt ging ich an teils verfallenen Gebäuden vorbei, erblickte einige und sie kamen mir seltsam bekannt vor. So, als hätte ich sie schon einmal gesehen.
 

"Da vorn müsste eine Taverne sein", murmelte ich vor mich hin, bog mit Stev die nächste Straße ein und blieb erstaunt stehen, als es sich genau dort wirklich befand.
 

Aber nicht nur eine Taverne. Unweit zu meinen Füßen lag etwas, was mir die Tränen in die Augen trieb. Schwer schluckend trat ich näher, kniete schließlich vor den in Asche gehüllten und versteinerten Knochen. "Fast so, als wolle er sie beschützen, sie nicht alleine lassen."
 

"Es wirkt fast so. Erstaunlich, nicht wahr?", fragte Stev mich erfreut und ich konnte deutlich hören, wie stolz er über diesen Fund war.
 

"Hat man die Eltern des Mädchens auch schon gefunden?"
 

"Eltern? Ich verstehe nicht ganz, was du meinst, Tristan?"
 

"Sie hatte Eltern, sie hätten sie nicht alleine gelassen. Sie war erst vier Jahre alt." Meine Stimme klang belegt, ich zitterte stark und sah mich dabei um. "Sie müssen irgendwo hier sein."
 

"Tristan, woher weißt du, wie alt sie war? Wir haben sie vor wenigen Stunden erst gefunden?"
 

"Ich weiß es nicht, es ist nur eine Vermutung", wisperte ich leise und schritt einige Meter durch das, was einst ein Raum, ein Haus darstellen sollte.
 

"Du bereitest mir Sorgen. Erst wühlst du im Dreck und jetzt stellst du Vermutungen auf, die sogar stimmen könnten." Stev runzelte die Stirn über mein Verhalten, legte die Hand auf meine Schulter und drückte sie leicht. "Vielleicht legst du dich besser hin."
 

"Denkst du, die Sonne bekommt mir nicht?"
 

"Gut möglich", sprach Stev, während er mich von den Überresten des Esels und dem kleinen Mädchen wegführte. "Ruh dich einfach aus und wir reden später weiter."
 

"In Ordnung", murmelte ich erneut, doch mir war, als würde mich von hinten etwas berühren. Hastig drehte ich mich daher um und was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
 

"Tristan?" Stev konnte mich gerade noch abfangen, ich taumelte und fasste mir an den Kopf.
 

Vor mir stand das Mädchen, daneben der Esel, der mir so vertraut vorkam.
 

"Kehr um, Bruder. Der Vesuv schläft nicht. Nicht mehr."
 

Worte, die so leise waren, dass ich sie kaum hören konnte, doch ihrem Blick entnahm ich, dass sie mich warnen wollte. Ebenso der Esel, der mich versuchte zu schieben, zum Gehen zu bewegen.
 

"Geh, Tristan. Schon bald ist Pompeji für immer verloren."
 

Ein Schauer überkam mich. Es wiederholte sich, der Vesuv würde erneut ausbrechen und mich genauso verschlingen, wie er es schon einmal getan hatte.



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