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Sherlock Holmes

das unheilvolle Familienerbstück
von

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Familien Geschichte aus treuer Perspektive

Es dauerte nicht lange bis den beiden Männern nun auch schon die Tür mit einem leisen Knarren geöffnet wurde. Vor ihnen stand ein älterer Herr, welchem man, anhand der vielen Falten in seinem Gesicht und der gut geübten Haltung seines nur augenscheinlich gebrechlichen Körpers, ansehen konnte, wie viele Jahre er in diesem Haus bereits diente. Ein Bilderbuch Diener. Mit einem freundlichen Willkommensgruß und einer höflichen Verbeugung bat er Sherlock und John herein. “Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, Sir?” Angesprochener nickte und darauf hin ließ das Kleidungsstück sogleich direkt von seinen Schultern gleiten, welches sogleich von dem etwas kleineren Butler, der sich hinter den Detektiv gestellt hatte, dankend entgegen genommen wurde. “Mr. Cooper wird sicherlich gleich bei Ihnen sein!”, würde das Ermittler-Duo höflich informiert und die beiden blieben vorerst direkt am Eingang stehen.
 

Der Doktor war schon vom ersten Augenblick an beeindruckt, drehte sich einmal um die eigene Achse, während er nach oben an die hohe und bemusterte Decke sah und konnte mal wieder nur staunen. Ein riesiger, gläserner Kronleuchter befand sich im Zentrum der hohen Eingangshalle, hoch oben von der Decke hängend und prunkvoll strahlend. Das Highlight dieses ebenso großen Eingangsbereichs. Sein Blick wanderte weiter an den Wänden entlang, hinweg über verzierte Tapeten, kleinen verschnörkelte Wandlampen, eine breite Treppe, die links und rechts an der Wand nach oben führte und einigen Bildern und Portraits von vergangen Erlebnissen und Familienmitgliedern. Rundum ein vielsagendes Haus voller Erinnerungen.
 

Zur gleichen Zeit sah sich auch Sherlock mit wachen Augen und gezielten Blicken um. Verlor dabei keine Zeit, schnell jedes noch so kleinste Detail aufzunehmen und wie für ihn üblich, sofort gedanklich zu hinterfragen. Mit konzentrierten, filternden Blick scannte er alles, was er zu sehen bekam ab, begann bereits die Erkenntnisse, die er erhalten hatte, seit sie dieses Anwesen betreten hatten, zu analysieren, miteinander zu verknüpfen und seine Schlüsse daraus zu ziehen. Letztendlich fiel sein Blick wider auf den Butler neben ihm, der pflichtbewusst auf seinem Posten stand und darauf achtete, dass die ‘Besucher’ keinen Unfug anstellten oder negativ auffielen. Doch etwas störte den Detektiv an diesem Mann. Dessen Blick, Körperhaltung, Ausstrahlung... Dieser treuergebene Diener war nicht nur schon seit vielen Jahren hier tätig, hatte so manches von der hier lebenden Familie mitbekommen,… Nein,... dieser Mann hatte vor allem eine schlimme und traurige Zeit hinter sich, dessen Ursprung noch nicht allzu lange her sein konnte.
 

Er wirkte akkurat, aufmerksam und zudem noch sympathisch - Sherlock konnte sich gut vorstellen, dass dieser kleine ältere Mann einen sehr guten Draht zu dem ermordeten Mr. Thomson gehabt, vielleicht sogar mit diesem eine freundschaftlichen Basis gepflegt hatte. Doch verdächtig,…das war er keinesfalls. “Entschuldigen Sie,…”, fing Sherlock mit einem freundlichen Lächeln an, woraufhin der Diener aufhorchend zu ihm hoch sah. “…da wir uns für dieses großartige Anwesen und dessen Geschichte interessieren, wollte ich fragen, ob wir nicht irgendetwas wissen sollten, irgendwelche versperrten oder verbotenen Zimmer?” Kurzzeitig überrascht, dass gerade ER so etwas gefragt wurde, senkte und hob der Butler einmal leise räuspernd seinen grauhaarigen Kopf und antwortete dann mit tiefer und beruhigender Stimme. “Dass Sie mich so etwas fragen erstaunt mich doch ein wenig! Ich nehme an, Sie haben damals die Berichterstattung verfolgt und müssten deshalb doch genau wissen, was hier vor etwa zwei Monaten vorgefallen ist!” Unruhig und zitternd ballte der ältere Mann dabei langsam seine Hände zu Fäusten. Das Thema schien dem Butler wohl sehr nahe zu gehen.
 

“In der Tat, das weiß ich alles! Dafür auch mein herzlichstes Beileid! Trotz allem wollte ich noch einmal aus erster Hand erfahren, wie es dazu gekommen ist! Das Vernünftigste, was man tun kann, kurz vor dem Kauf einer solch prachtvollen Immobilie, ist es, ‘den’ Menschen aufsuchen der wohl am meisten Blut, Schweiß und Liebe hineingesteckt hat, das Anwesen und deren geliebten Bewohner über viele Jahre in treuer Ergebenheit am Leben zu erhalten!” Erstaunt wurde Sherlock gemustert. Der kleine Diener wusste wohl nicht so Recht, ob er seinem Gegenüber Vertrauen schenken oder sich lieber in Acht nehmen sollte. Schon öfter hatten sich hier irgendwelche unseriösen und unverschämten Betrüger Zugang verschafft, nur um an das Herz dieses Hauses zu kommen, es sich unter den Nagel zu reißen, Eigennutz daraus zu ziehen und es überteuert weiter zu verkaufen. Schon so manche Menschen hatte dieser treue, gutherzige Butler vertreiben können, würde nicht eher ruhen bis die Mauern um ihn herum, im Andenken an ihre früheren glücklichen Jahre, in guten Händen waren.
 

Noch etwas misstrauisch wanderte sein Blick zu John und gleich darauf wieder zurück zu Sherlock. Letztgenannter wusste sehr wohl was er tat, er ging direkt auf Konfrontation und würde nicht klein beigeben, während John nur aufmerksam und ruhig hinter seinem Kollegen stand und das Geschehen weiter verfolgte. “Es muss schrecklich gewesen sein einen jahrelangen Freund und zwei lebensfrohe junge Menschen mit einem Schlag zu verlieren! Dann auch noch keinen zu haben, der einem zuhören, die Wahrheit hören will, die doch so naheliegend ist und die das eigene Leid mildern, sowie den Toten ihre verdiente Ruhe verschaffen würde!…ist es denn nicht langsam an der Zeit?” Noch während Sherlock diese Worte aussprach, weiteten sich die Augen des Butlers. Er konnte wohl einfach beim besten Willen nicht begreifen, wie der Detektiv so etwas nur behaupten damit auch noch damit auch noch die Wahrheit benennen konnte.
 

Sherlock hatte ohne Zweifel direkt die seelischen Leiden des Dieners ausgesprochen, die vom Tod seines Freund Mr. Thomson und der Enkeltochter handelten. Wie nur konnte dieser junge Mann - dachte der Diener geschockt - über den wahren Ablauf jener Nacht Bescheid wissen? Woher sollte er diese Informationen haben, wenn doch nur ‘er selbst’ es damals mit eigenen Augen gesehen hatte und-…und….!!!! Abrupt hob sich der Kopf des Dieners in Sherlocks Richtung, sah diesen eindringlich an. “Ja,….das wäre es in der Tat!”, stimmte er seinem Gegenüber nun immer noch etwa zögerlich zu, konnte sich aber nicht lange so offen in die Karten schauen lassen, denn schon im nächsten Augenblick hallte eine weitere Männerstimme im ganzen Saal wieder, welche die Aufmerksamkeit der drei Männer auf sich zog. “Mr. Holmes und Mr. Watson! Ich begrüße Sie herzlich in diesem wunderschönen Anwesen!” Ein ca. 1.50 großer, wohlgenährter Mann um die 30, kam jetzt mit schnellen Schritten auf sie zu. Er trug einen einfachen Anzug mit Krawatte und hatte einige Papiere in der Hand. Gelassen und breit lächelnd blieb er vor Holmes und Watson stehen und gab beiden zur Begrüßung die Hand.
 

“Ich bitte vielmals darum, die zeitliche Verzögerung zu entschuldigen. Darf ich Ihnen beiden vielleicht eine Zigarre anbieten?” John verneinte höflich und sah daraufhin etwas erstaunt mit an, wie sein Kollege stattdessen eine dieser übelriechenden Dinger entgegen nahm und sie sogleich dankend in seiner Hosentasche verstaute. Er würde schon seine Gründe haben, dachte sich der Blondschopf im Stillen und nicht weiter darüber nach. “Nun Mr. Holmes, bei unserem Telefonat heute morgen erwähnten Sie, dass Ihr größtes Interesse den Privatzimmern und dem Garten gelte! Ich würde deshalb vorschlagen, dass wir gleich einmal einen Rundgang machen und ich Ihnen alles Wichtige zeige!” Mit einer eleganten Drehung, dabei einmal mit seinem Gehstock auf den Boden klopfend, stimmte Sherlock diesem Vorschlag zu. “Gewiss, das wäre uns sehr Recht! Könnten wir vielleicht zu aller erst die Zimmer im Obergeschoss besichtigen?” “Aber selbstverständlich, kommen Sie!”
 

Mit diesem Satz drehte sich der Makler um und lief voraus, gefolgt von Sherlock und John. Noch während sie zur Besichtigung aufbrachen, wand sich der Consulting Detective kurzzeitig nochmal in die Richtung des allein gelassenen Butlers und warf diesem einen vielsagenden Blick zu. Der Diener schien zu verstehen, denn er nickte nur. Auch er drehte sich darauf hin auf dem Absatz um und verließ durch die Haustür die Eingangshalle. Nachdem Mr. Cooper mit den beiden Männern dann auch schon im Obergeschoss angekommen war, durchliefen sie zusammen alle Zimmer, die einst Mr. Thomson und dessen zwei Enkelkinder bewohnt hatten. Aufmerksam und sich auch das kleinste Detail im Kopf ab speichernd, ging der Lockenkopf mit vornehmer Haltung durch jedes einzelne und sah sich mit schnellen Blicken alles genau an. Die Augen des Detektivs drangen in jeden noch so kleinen Winkel vor, schlossen gedanklich alles Unwichtige aus und ließ nur wichtige Informationen zurück, die sein Gehirn gleichzeitig kombinierte und dem Gedankenpalast hinzufügte, welcher ihren Fall darstellte.
 

Der Doktor derweil blieb auf dem Flur, schaute ab und an aus den großen Fenstern hinaus in den Garten oder weiter zum Wald und versuchte nebenbei andere Details zu finden, die ihren Ermittlungen eventuell weiterhelfen könnten. Nach einiger Zeit erblickten seine Augen den großen Springbrunnen, das Zentrum des prachtvollem Gartens und er trat noch etwas näher ans Fenster heran. “Sagen Sie, dieser Brunnen,…” John musste gar nicht weiter sprechen, Mr. Cooper war schon aufhorchend näher an ihn heran getreten und ergriff sogleich das Wort. “Ja, so ist es! Dort hat sich - zu aller Bedauern - die Enkelin des Hausherren ertränkt! Sie müssen wissen, dass uns keine andere Wahl blieb, als dieses schöne Grundstück zu verkaufen, da man, kurz nach dem die  beiden Familienmitglieder verstorben waren, den letzten, noch lebenden Erben nicht auffinden konnte! Wie vom Erdboden verschluckt wenn Sie verstehen was ich meine?!”
 

Der Makler räusperte sich und wandte sich zu Sherlock, der gerade ein Zimmer verließ. Dieser hatte natürlich jedes einzelne Wort der Unterhaltung zwischen Mr. Cooper und seinem Freund mitbekommen und stellte sich, den Gehstock einmal herum schwingend, sogleich einfach mit dazu. “Was für eine traurige Geschichte!”, fing er mit verstellter Miene und beileidsvoller Stimme zu reden an. “Was kann nur mit diesem Erben geschehen sein? Wie kann man in solch einer Grafschaft ein Grundstück verweigern?” John hielt sich weiterhin im Hintergrund, wollte dem Anderen seinen Auftritt nicht vermasseln und stellte zur selben Zeit mal wieder fest, wie gut sein Mitbewohner doch schauspielern konnte. “Das weiß keiner so genau! Die Berichterstattung war auch in diesem Punkt sehr dürftig! Was für uns zählt ist,  der junge Mr. Brown ist und bleibt verschwunden und hat offenbar einfach alles zurück gelassen!” Kopfschüttelnd drehte sich Mr. Cooper Richtung Treppe, wo sie alle hergekommen waren und ging wieder los. Sherlock und John sahen sich nur kurz  schweigend an, wohl wissend, dass sie dem, vom Erdboden 'verschluckten' Mr. Brown längst begegnet waren und konnten sich deshalb ein wissendes Grinsen nicht verkneifen, bevor sie dem Makler wieder immer noch wortlos folgten.
 

Es dauerte nicht lange, da betraten sie schließlich den weitläufigen, gepflegten Garten. Eine Augenweide. Die Vielfalt an Pflanzen, der künstlich angelegte Bach mit dem kleinen Holzbrücken und nicht zu vergessen der große Springbrunnen im blühenden Zentrum dieser kleinen Grünanlage. Staunend umrundete der Blondschopf, direkt hinter ihm Sherlock, eben jenen Brunnen, in dessen Wasserbecken vereinzelte violett-schimmernde, blühende Wasserrosen auf der Oberfläche herum schwammen. Der Springbrunnen an sich funktionierte noch fantastisch, das Wasser schoss nur so aus der Düse nach oben und verteilte alles in der Luft. “Ich hoffe die Sache vor zwei Monaten beeinflusst oder stört nicht Ihre Entscheidung dieses Grundstück zu erwerben?” Typisch Makler. “Keineswegs, ich wusste schließlich von Anfang an über die Hintergründe des Verkaufs Bescheid. Mein Interesse gilt alleine der vorteilhaften Lage, dem gepflegten Park und der ausreichenden Anzahl an Zimmern!" entgegnete der Detektiv kühl.
 

Zufrieden und sichtlich erleichtert über diese Aussage, nickte der wohlgenährte Mann, zündete seine Zigarre wieder an und wurde dann, keinen Wimpernschlag später, schon auf einen monotonen Klingelton aufmerksam. Sofort griff er in seine Tasche und holte sein Handy heraus. “Entschuldigen Sie mich bitte für ein paar Minuten, wenn Sie möchten, können Sie sich hier ruhig erst einmal alleine noch weiter umsehen!” Und schon hatte er sich vom Brunnen entfernt und ließ die beide Männer dort zurück. Der Makler konnte dabei nicht ahnen, wie gelegen es ihnen kam. Nun konnten sie Fakten austauschen und Beobachtungen äußern. Sherlock machte wie immer den Anfang, ging an eine bestimmte Stelle des Brunnenrandes und sah von dort aus hinab ins kalte Nass. “Hier ist es passiert! Genau an dieser Stelle!” John stellte sich neben ihn und sah ebenfalls hin. “Hier ist also dieses Mädchen gestorben!…Und Sie meinten es war kein Selbstmord?”
 

“Natürlich war es das nicht! Ich habe Nora Brown in den sozialen Netzwerken überprüft und konnte dadurch leicht in Erfahrung bringen, dass diese junge Frau in keinerlei Hinsicht suizidgefährdet war! Und das ist nur ein Punkt von vielen, der dafür spricht, dass die Situation hier ganz anders abgelaufen sein muss! Das Wasser ist nicht mal einen halben Meter tief, was allerdings nichts bedeuten muss, Menschen sind schon in Pfützen ertrunken,... aber….” John sah aufmerksam zu, wie der Größere sich nach unten beugte, seine Hand ausstreckte und ins Wasser griff, die Innenseiten des Brunnenrandes abtastete. “Hab ich es mir doch gedacht!”, kam es knapp. Der Kleinere verstand nur Bahnhof. Sherlock bemerkte das und seufzte ergeben. “Die Innenseiten dieses Brunnens sind etwas mit Moos bedeckt. Offensichtlich wurde bei früheren Ermittlungen nur der Grund abgesucht, nachdem das ganze Wasser abgepumpt worden war! Jenes Moos hat fühlbare Vertiefungen, genauer gesagt ziemlich viele davon, die nicht natürlichen Ursprungs sind!…Sie hatte um ihr Leben gekämpft!”
 

Bei diesem Satz musste John schlucken. Er fragte sich ob es dieser Noah Brown gewesen war, der seine eigene Schwester umgebracht hatte. Verrückter Weise konnte und wollte er das nicht glauben. “Es war nicht Noah!”, kam es plötzlich auch schon, was den Kleineren aufschauen ließ. Während sein Gegenüber mit ruhiger Stimme weitersprach, setzten sich beide, wie auf Kommando, gleichzeitig auf den Brunnenrand. Sherlock nahm ein neutrales Taschentuch aus seiner rechten Hosentasche und wischte sich schnell das nasse Moos von den Fingern. “Hier lief etwas ganz anderes ab! In Mr. Browns Portmonee fand ich ein sauberes und gepflegt auf bewahrtes Foto von seiner Schwester, offenkundig hatte er sie geliebt! Der springende Punkt ist, dass diese drei, Mr. Thomson, Nora und ihr Bruder Noah, die Familienmitglieder im Haus waren, es aber noch vier weitere Zimmer im ersten Stock gibt, die bis  vor nicht all zu langer Zeit noch komplett eingerichtet waren! Keine Gästezimmer, keine vorübergehenden Behausungen! Dort hat jemand für sehr lange Zeit gelebt, mutmaßlich eine Frau und drei Männer! Die Schatten und die zurück gebliebenen Einkerbungen der Möbel an den Wänden und auf dem Boden in allen vier Zimmern, deuten auf genau jene Einrichtung einer jungen Frau und drei Herren hin! Die anderen Gästezimmer befinden sich außerdem im Westflügel des Hauses, ansonsten gibt es keine weiteren  Schlafzimmer!”
 

Weiterhin wurde dem Detektiv gespannt zugehört. John begriff so langsam und dachte noch einige Sekunden lang über die Anzahl der Zimmer nach. Insgesamt sieben Zimmer, eines für Mr. Thomson und jeweils eines seine Enkeltochter und seinen Enkelsohn. Dann diese vier übrigen Zimmer. Vier Stück. … Vier. … Eine Frau und drei Männer... Das ist doch…!!! “Moment mal! Sherlock, wollen sie etwa auf diese drei Morde hindeuten, wo wir den dritten, Henry oder wie der hieß, im Regent’s Park gefunden haben? Hatten Sie Lestrade nicht deduziert, dass es sich um eben solch eine Gruppen Konstellation handeln könnte?” “Exakt!” Mit einem gewieften Lächeln sah Sherlock zu seinem Sitznachbarn und stützte sich mit seinen Händen auf dem Brunnenrand, jeweils rechts und links von sich, ab. “Und jetzt überlegen Sie mal, wer die ersten drei umgebracht haben könnte?” Johns Augen weiteten sich. Doch wieso ausgerechnet Noah? Nur er konnte es gewesen sein, doch aus welchem Grund?
 

“Etwa weil diese vier gemeinsam Noahs Schwester umgebracht haben und wahrscheinlich auch bei Mr. Thomson nachhalfen?” Sherlocks Augen fingen an zu leuchten. "Und das wäre welcher entscheidende Punkt bzw. welches Motiv?” “Rache!”, sprach John mit finsterem Blick kurz und knapp bitter aus, woraufhin Sherlock eine Augenbraue hob und John zufrieden musterte. Er rückte ein Stück näher an den Kleineren heran, was dieser im Moment offensichtlich überhaupt nicht mitbekam. “Doch was könnte diese vier Leute dazu veranlasst haben den Herrn des Hauses und dessen Enkeltochter zu ermorden?” Nachdenklich starrte der John in die Augen des Größeren, versuchte dort eine Antwort auf dessen Frage zu finden und mit ihr hinter diese verzwickten Sache zu kommen. Der Detektiv merkte, dass sich der Doktor noch schwer tat und gab ihm einen kleinen Hinweis.
 

“Wenn man im Internet und in den sozialen Netzwerken nach den drei Namen sucht, bekommt man so gut wie keine Informationen! Nirgends werden sie aufgelistet, nur ab und an mal am Rande erwähnt! Wenn diese Frau und die drei Männer also nicht zur Familie gehören, aus dem Nichts hier auftaucht sind, für viele Jahre hier friedlich mit der Familie zusammen gelebt haben und dann eines Tages plötzlich verschwunden sind, nachdem sie den Hausherren und seine Enkeltochter kaltblütig ermordet haben, dann kann das nur eins bedeuten!!” In Johns Kopf machte sich eine Lösung breit, er hatte da so eine Vermutung, aber ob diese der Realität entsprach?… “Ebenfalls aus… Rache? Weil Thomson sie nicht in seinem Testament begünstigen wollte?” Noch während Sherlocks Nebenmann seine Überlegungen aussprach, bemerkte der Dunkelhaarige plötzlich etwas Warmes auf seiner Hand. Anscheinend hatte John beim Abstützen den Brunnenrand ein wenig verfehlt, als er eben selbst näher an Sherlock heran gerutscht war. Sofort änderte sich der Blick des Größeren, schaute, ohne sich zu rühren, kurz flüchtig nach unten und wurde in seiner Vermutung bestätigt.
 

Erst als der Kleinere den veränderten Blick des Detektivs bemerkte, sah er fragend ebenfalls kurz nach unten und nahm sogleich seine Hand, welche er, ohne es selbst überhaupt zu bemerken, tatsächlich, versehentlich, zur Hälfte auf Sherlocks Hand abgelegt hatte, schnell wieder weg. “Pardon!”, kam es nun leise von John, welcher den anderen nun unsicher musterte, doch Sherlock zuckte mit den Schultern. “Kann passieren!”, entgegnete er nur, hielt dabei den Blick Kontakt zwischen ihnen aufrecht, die Augen des Doktor dabei fixierend. “John,…” Sherlock wollte gerade neu ansetzen als sie beide plötzlich eine vertraute Stimme vernahmen. “Es ist eine alte Familiengeschichte, die noch viel tiefer geht, als es den Anschien hat!” Hinter ihnen, nicht weit entfernt, stand der Diener den sie vorhin am Eingang kennengelernt hatten. Sofort war Sherlock wieder bei der Sache und drehte sich von seinem Freund weg zu dem Butler hin. Dieser versuchte derweil noch zu realisieren, was Sherlocks Reaktion zu bedeuten haben könnte und warum er ihn mit solch einem untypischen Blick angesehen hatte. Seine Augen waren gerade eben so…
 

Doch um keine unangenehmen Fragen in sich aufkommen zu lassen, konzentrierte sich der Veteran lieber auf die Worte des älteren Herren, welcher nun auf sie zukam und mit gesenktem Blick vor ihnen stehen blieb. “Inwiefern?” Auf Sherlocks Frage hin atmete der Butler einmal tief durch, sah dabei wieder auf und in Richtung des Hauses. “Ich entschuldige mich dafür, dass ich sie beide belauscht habe, doch ich denke, ich kann Ihnen vertrauen und vielleicht auch ein wenig mit der Spurensuche weiter helfen!!” Sieh einer an. Sherlock war sichtlich erfreut über die Offenheit des Dieners. “Ich bin in Normalfall zwar gegen diese halbherzig und geradezu stümperhaften Ermittlungen, jedoch sehe ich schon, dass sie zwei ganz anders sind! Ich will wirklich, dass diese Sache endlich aufgedeckt wird und ich Ruhe habe!” Sherlocks Augen verengten sich bei dieser Aussage und er wusste schon, auf was der Mann genau hinaus wollte. “Sie wurden bedroht!” Der Diener schaute abrupt zu ihm - das war Antwort genug. Sherlock stand auf und sprach ruhig und leise weiter.
 

“Sie wurden damals von genau diesen vier Leuten bedroht, weil sie etwas gesehen haben! Sie haben gesehen wie die Enkeltochter ihres Freundes, Mr. Thomson, hier in diesem Brunnen ertränkt wurde! Die ersten drei Personen wurden mittlerweile ermordet, Ben Clarks, Amber White und Henry Jagger, dessen Leiche mein Freund und ich, durch Zufall, in einem Park entdeckt haben! Doch wer war der Vierte im Bunde?” Mit fassungslosem Blick wurde Sherlock angestarrt, der kleine Butler schluckte und versuchte ein anfängliches Zittern unter Kontrolle zu halten. “G-George!….George Clapton!!” Augenblicklich zog der Detektiv scharf die Luft ein, überlegte wieder und sah sich dabei etwas in der Gegend um. John derweil war nun ebenfalls wieder aufgestanden und näher gekommen und fing nun, mit beruhigender Stimme an, dem Diener noch ein wenig mehr zu entlocken. “Wissen Sie denn auch was mit Noah Brown passiert ist?” “Noah?”, der Mann sah überrascht auf. “Noah war damals so ein lieber Junge, nie war er negativ aufgefallen, jeder der ihn kannte, liebte ihn! Er und seine Schwester waren praktisch unzertrennlich und Harvey hätte jederzeit alles für seine geliebten Enkelkinder getan!” //Harvey heißt Mr. Thomson also mit Vornamen!//, dachte sich John und hörte weiter aufmerksam zu.
 

“Während Nora hier auf dem Anwesen ein Fernstudium absolvierte, wollte der Junge auf eigenen Beinen stehen und mit etwas Startkapital in der Stadt einen Laden eröffnen. Dazu kam es aber nicht mehr. Noah hat eine Leidenschaft für... "" Schokolade" ergänzte John selbstständig, gebot dem Älteren, der ihn sogleich verwirrt ansah, weiter zu sprechen. "Was mit Noah nach der Sache hier passiert ist, weiß ich leider nicht! Keiner weiß wo er sich derzeit aufhält, wenn er denn überhaupt, bei Gott, der arme Junge, noch lebt! Er hat damals vor der Polizei vehement ausgesagt, dass sein Großvater und seine Schwester ermordet worden seien, aber niemand hat ihm geglaubt. ” Der Butler schien gedanklich für Noah zu beten, hoffte inständig, dass dieser noch am Leben war. Sherlock ergriff wieder das Wort. “Glauben Sie uns, wenn wir Ihnen versichern, dass Ihr Noah am Leben ist, doch er ist nicht mehr ganz so unschuldig wie Sie ihn in Erinnerung haben! Es gibt im Leben ‘keine’ Rechtfertigung, weder Rache noch Selbstjustiz, für einen begangenen Mord, wenn Sie verstehen was ich meine!” “Bitte nicht! Wollen Sie damit sagen, dass er diese drei Morde begannen hat? Das würde natürlich so Einiges erklären!” Auf Sherlocks fragenden Blick hin erläuterte der Butler sogleich seinen letzten Satz.
 

“Nun, Mr. Thomson lag vor zwei Monaten schon im Sterben und rief mit letzter Kraft seine Enkelkinder und seine Freunde zu sich! Er wollte allen mit seiner eigenen Stimme sein Testament vorlesen! Ich bekam natürlich alles mit, weil er auch mich dabei haben wollte! Seine vier Freunde - Ben, Amber, Henry und George - sollten zusammen ein Viertel des gesamten Geldes vererbt bekommen! Noah und Nora, die beiden Enkelkinder, würden den Rest, sowie dieses Grundstück mitsamt seiner Dienerschaft, und-….” “Und was?”, hakte John nach. “…Und ein sehr wertvolles Familienerbstück erben, welches die verstorbene Mrs. Thomson angeblich irgendwo in diesem Anwesen versteckt hat! Das mag seltsam klingen, aber dieser Gegenstand soll sich tatsächlich hier irgendwo befinden und vor der Verlesung seines eigenen Testamentes wusste nur Mr. Thomson davon!…Einige Tage danach… ich wollte wie jeden Tag durch den Garten zu dem kleinen Holzschuppen, musste dabei an diesem Brunnen vorbei, sah ich plötzlich von Weitem wie Nora von den Vieren aus dem Haupteingang zum Brunnen hinüber gezerrt wurde! Ich versteckte mich und versuchte mitzubekommen was geschehen würde!
 

So wie ich es verstanden habe, hatte Nora mitgehört wie die vier darüber geredet hatten, sie und ihren Bruder loszuwerden, um an das gesamte Erbe zu kommen! Sie wollte irgendjemandem Bescheid geben, wurde aber beim Rückzug entdeckt, von diesen vier Mördern letztendlich in den Brunnen gestoßen und… brutal ertränkt! Ich höre noch immer ihre Schreie,… doch sonst hatte sie keiner gehört... und Ich… ich kam zu spät, wurde bei dem Versuch sie zu retten auf bzw. festgehalten und wurde nur am Leben gelassen unter der Bedingung sie nicht zu verraten!.. Kurz darauf, starb Mr. Thomson eines, augenscheinlich natürlichen Todes und nach der Beerdigung verschwand zuerst Noah und dann auch die vier Mörder spurlos, wahrscheinlich um auf den Jungen Jagd zu machen! "
 

John atmete tief ein. Mitfühlend seufzte er und wollte gerade etwas Passendes sagen, als sich Sherlock auch schon wieder, etwas grob wie John fand, einmischte. “Das wäre zu einfach! Warum haben Sie das der Polizei nicht erzählt. Irgendetwas müssen die vier doch gegen Sie in der Hand haben, bzw. mittlerweile nur noch dieser George!… Lassen Sie mich raten... Die vier haben Sie am Leben gelassen, damit SIE für die Mörder, von denen nun nur noch George übrig geblieben ist, das wertvolle Familienerbstück finden und dann sollen Sie es zu ihm bringen. Er selbst kommt hier nicht mehr einfach so rein und kennt offensichtlich auch sonst keinen der hier Angestellten privat! Natürlich bedarf es, zur Durchsetzung einer solchen Forderung, einem wirkungsvollen Druckmittel, welches höchstwahrscheinlich ihre Familie darstellt, welche von George ebenfalls beschattet wird!” Ein zaghaftes Nicken bestätigte die Theorie des Lockenkopfs, welcher sofort anfing die neuen Informationen in seinem Gedankenpalast einzuordnen und das Ziel des Falls zu ändern. Sein Kopf arbeitete auf Hochtouren, er legte seine Hände dabei aufeinander, nahm die typische ‘Beten’-Pose ein und konzentrierte sich.
 

John blieb still, fand keine passenden Worte für den älteren Herren und konnte seinen Kollegen gleichzeitig auch nicht wirklich beim Nachdenken unterstützen. Er selbst rätselte noch und suchte ebenfalls nach einer Lösung. “Bevor wir von hier wieder verschwinden, habe ich noch ein letztes Anliegen und eine Bedingung!” Der Diener sah zu Sherlock auf, schluckte, nickte. “Sollte sich dieser George wieder bei Ihnen melden geben Sie uns sofort Bescheid, hier meine Handynummer!…”, Sherlock gab dem Diener einen kleinen Zettel mit ein paar Zahlen darauf. “…Und nun muss ich Sie noch darum bitten uns das Zimmer der verstorbenen Ehefrau zu zeigen!” Überrascht und ebenso verwirrt konnte der kleine, alte Mann darauf hin nur nochmals nicken, fragte sich offenbar jedoch, was Mr. Holmes damit bezweckte? “Keine Sorge, er weiß schon was er tut!”, beruhigte ihn John mit einem verständnisvollen Lächeln.
 

Schon verließen alle drei den Garten und gingen zurück ins Haus, dabei den Makler komplett ignorieren, welcher für sie eh keine Rolle mehr spielte. Sie wollten nun nur noch schnell und in Ruhe ihre Ermittlungen im Innenbereich zu Ende bringen. “So, hier wären wir! Dies ist das Privatzimmer von Mrs. Thomson, gleich nebenan ihr Schlafgemach, alles so wie sie es verlassen hat! Es wurde, auf Mr. Thomsons Wunsch hin, nichts verändert oder weggeschmissen!” “Sehr gut, dann wollen wir mal!” Mit diesem Satz fing Sherlock an sich im Zimmer umzusehen, nach Details Ausschau zu halten, die für die Suche nach dem Familienerbstück wichtig sein könnten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  White-Orchidee
2023-12-14T05:48:02+00:00 14.12.2023 06:48
Die arme Familie 😭


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