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Curse Of The Moonlight

Wichtelgeschichte für Hopey [WW 2o23 | Eigene Serie | Werwölfe
von

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Ungewollte Begegnung


 

Kapitel 5

Ungewollte Begegnung
 

Meine Ankunft war weit weniger spektakulär und von filmreif weit entfernt. Vereinzelte Lichter brannten in den Zimmern, die ich unmöglich würde beziffern können. Nicht einmal Carmine wusste, wie viele Räume dieser Palast besaß. Und es war ein Palast und seine Königin war mehr Diktatorin statt Direktorin.

Carmine versuchte, mich mit Worten zu ködern, dass Grandma Liz sich nur selten blicken ließe, doch in Anbetracht der Tatsache, dass ich nunmehr diesen Ort besuchte, wäre ihre Anwesenheit in naher Zukunft nicht ausgeschlossen. Und sie war es nicht, die ich fürchten musste.

Der Fahrer hievte meine Habseligkeiten aus dem Kofferraum. Ich bedankte mich und wurde mit einem kurzen Tippen an der Chauffeur-Mütze bedacht. Carmine half mir, meine Taschen und Koffer in den großzügigen Vorraum zu schaffen.

Ich hatte schon etliche Foyers gesehen, meistens ließen sich solch edle Hallen in den hiesigen Skyscraper finden, die wichtige Firmen beherbergten oder in den noblen Gegenden New Yorks, wo auch ein Page stets den Eingang bewachte. Ich schluckte meine Panik herunter und starrte zu dem monströsen Bauwerk auf. J.K. Rowling konnte einpacken! DAS war das Non plus ultra uralter, verstaubter, mystischer Anwesen. Ein gewaltiges Bollwerk, das gänzlich auf Türmchen verzichtete, so viel Romantik gab es dann doch nicht. Wie dieses Prachtstück wohl erst bei Tageslicht wirkte? Eine Vorstellung, die mir die Knie zittern ließ.

Ich folgte meinem Onkel ins Innere des Hauses und, wie bereits erwähnt, stand der Vorraum den äußeren Mauern in nichts nach. Carmine musste mich mehr als ein Mal daran erinnern, Luft zu holen. Er stellte meine Koffer ab und erklärte, dass er jemanden kommen ließ, der mich abholen und meine Habe auf eines der Zimmer bringen ließ.

»Du lässt mich allein?«, fiepte ich und spürte kalte Angst in mir Aufsteigen.

»Nur für einen Augenblick, Kay«, versicherte er mir. »Deine Ankunft war nicht geplant.«

»Und ... und ... und wenn mich jemand wegbringt, ohne, dass du weißt, wohin?« Ich hasste solche Situationen.

Carmine tippte sich an die Nase. »Ich finde dich.«

Ich wusste nicht, ob ich mich freuen, oder angewidert das Gesicht verziehen sollte. Dass meine Familie aus Wölfen bestand, die Fährten witterten, machte mir das Herz nicht leichter.
 

Mein Onkel verschwand in einem der Korridore, die sich wie Äste eines Baumes in die Himmelsrichtungen erstreckten. Ich wusste nicht, wo ich war, einzig, dass dies ein Ort war, an dem ich vor vermeintlichen Attacken wilder Bestien – vorerst – in Sicherheit war. Langsam aber stetig machte sich der Tag bemerkbar. Ich ließ mich auf dem robusten Korpus meines Trolleys sinken, stützte die Ellenbogen auf meine geschundenen Knie und bettete mein Kinn auf die gefalteten Hände. Mein Körper war Zeuge der Blessuren, die mich, scheinbar vor Wochen, ereilt hatten, und doch war all das nicht einmal einen Tag her. Mein Magen gab einen protestierenden Laut von sich. Ich hatte nicht mal Moms Sandwiches gegessen. Beklommen senkte ich den Kopf. Ich hatte binnen weniger Augenblicke mein Zuhause, meine Freunde, meine Stadt verloren. Meine Mom. Warum hatte sie zugelassen, dass Carmine mich mitnahm und mir von Ereignissen berichtete, deren Wahrheit ich nie für möglich gehalten hätte? Ich war nur ein Mädchen, okay, eine junge Frau auf dem Weg, ihr Leben zu meistern. In wenigen Monaten hätte ich die Schule beendet, hätte vielleicht ein Studium begonnen oder mir einen Job gesucht. Die Buchhandlung fehlte mir, Mom fehlte mir, Ivee ... Etwas Nasses tropfte mir auf die Finger. Ich fluchte leise und wischte mir die Tränen von den Wangen. Gerade rechtzeitig, denn eine Gestalt schlenderte auf mich zu, als sei herrlichster Sonnenschein, als würden Vögel zwitschern und irgendwo in der Ferne The Hills Are Alive von Julie Andrews erklingen.

»Hi«, grüßte der Fremde, ohne, dass ich den Blick hob.

Ich wollte keine geheuchelte, freundliche Begrüßung und erst recht kein »der-erste-Junge-der-dich-anspricht-ist-dein-Crush«-Getue. Ich wollte nach Hause. In mein Leben. Zurück dahin, wo ich aufgewachsen war und ich alt werden würde. Widerwillig entschied ich, der netten Stimme eine Chance zu geben, denn nett klang er wirklich. Ich sah auf und stellte fest, dass ich aussehen musste wie die schlimmste Kreatur, die diesem Jungen je untergekommen war. Seine Augen sprachen das, was sein Mund sich nicht traute preiszugeben.

»Entschuldige«, murmelte ich, wischte mir nochmals über die Wangen und versuchte, die verirrten Strähnen, die mir ins Gesicht hingen, zu bändigen. Zwar hatte ich die halbe Schuluniform, die die noch übrig war, und auch die Jogginghose gegen Jeans und einen Hoodie getauscht, doch ein filmreifer Auftritt war in diesem Moment nicht von mir zu erwarten.

»Ich tue so, als wären hier nicht gerade Dämme gebrochen, okay?« Der Fremde streckte mir seine Hand entgegen. »Hi, ich bin Sy und ich soll deine Sachen aufs Zimmer bringen.«

»Danke«, krächzte ich, erwiderte die Begrüßung und erntete ein erstauntes Pfeifen.

»Wow, ein ziemlich fester Händedruck für ein ... Mädchen.« Die Coolness von eben verlor sich in einem flüchtigen Augenblick der Unsicherheit.

»Und Sy ist die Kurzform für?«, fragte ich, nun, da ich wusste, dass meine erste Begegnung mit dem blonden, Surfer-Sonnyboy auf ein anderes Level gehoben wurde.

»Seymore«, sagte er unumwunden.

Knapp neigte ich den Kopf. »Nicht Cyrus?«

»Nope«, gab er mit einem lässigen Zucken der Schultern zurück.

Unfreiwillig hüpften meine Mundwinkel nach oben. »Seymore, ja? Wie der arme Kerl aus »The Little Shop of Horrors«? Hast du auch eine fleischfressende, sprechende Pflanze zu Hause?«

»Genau wie der«, gestand Seymore, stemmte die Hände in die schmalen Hüften und wippte vom Hacken auf Ballen im Wechsel. »Oh und, du meinst Audrey II.?«

»Ja«, sagte ich und erhob mich von meiner Sitzgelegenheit. Leichter Schwindel erfasste mich. »Cyclops ginge auch, oder?«

»X-Men-Fan?«, riet er.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nicht so.«

Sy seufzte erleichtert. »Zum Glück. In Ordnung Fremde, und wie lautet dein Name?« Als ich nicht antwortete, stieß er mich sanft mit dem Ellenbogen an. »Hey, was ist? Die Neuigkeit ist noch nicht bei jedem angekommen. Das große Trara gibt es erst morgen.«

Seine Worte lösten den vor Panik anschwellenden Knoten in meiner Kehle nicht. »Kaeli«, erwiderte ich und mied den Blickkontakt.

»Wie in dem Song von Marillion?« Seymores Lippen hoben sich zu einem Grinsen.

Ich stutzte. »Ja – nein, ich glaube, die Arme wird Kayleigh geschrieben.«

»Aber ich war dicht dran, oder?«, neckte Sy und ich entdeckte tatsächlich ein Grübchen, das sich auf seiner rechten Wange zeigte. Allerdings nur dort. »Das Album ‚F.E.A.R.‘ hat mein Dad rauf und runter gespielt.«

»Fear?«, riet ich.

»Fuck everyone and run«, gab Sy zurück.

»Fuck everyone and run?«, sinnierte ich. »Das ist genial. Ich glaube, das lasse ich mir auf ein Shirt drucken.«

Seymore grunzte lachend. »Oh, ein Fan von Lebensweisheiten?«

»Manchmal«, gab ich zu. »Und du heißt wirklich Seymore

»Eigentlich schreibt man mich mit zwei ‚e‘«, murmelte er und rieb sich den Nacken. Dass ich einen Jungen in Verlegenheit brachte, sollte rot in einem Kalender angestrichen werden! »Und du fragst dich gerade, wo die hingehören, richtig? Ja, das fragen sich die meisten. Also. Es heißt Seemore. So wie in ‚sehen‘ ... also ‚mehr sehen‘.«

»Eltern sind manchmal wirklich grausam.« Niemand konnte darüber besser ein Liedchen trällern, als ich.

Meine neue Bekanntschaft teilte meinen Missmut offenbar nicht. »Findest du? Als Halbdruide finde ich den Namen nicht schlecht.«

Ich nahm den Jungen vor mir in Augenschein. »Halbdruide?«

»Ah, du bist noch nicht ganz vertraut mit all den Sagen und Mythen, was?«, fragte er, dann warf er einen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk, als wäre er das weiße Kaninchen, das ständig zu spät dran war – so wie ich, heute Morgen.

»Noch nicht, nein«, gestand ich ungern. Doch unter den gegebenen Umständen brauchte ich mich meiner Unwissenheit nicht schämen. Das hoffte ich und wenn ich mir selbst gut zuredete, wäre das alles halb so schlimm. »Ich habe erst vor wenigen Stunden erfahren, dass meine Familie ein wenig anders ist.«

»Entschuldige bitte, aber wie lautet dein vollständiger Name?« Seymores Neugierde wurde mir plötzlich unangenehm.

»Kaeli Connemara.« Ich hatte meinen Namen so oft sagen, buchstabieren müssen, dass es mir in Fleisch und Blut übergegangen war.

»Connemara? Wie die Region in Irland?« Und Sy war nicht der Erste, aber bisher der Cleverste, wenn es darum ging, sich geografisch mit meiner Herkunft auseinanderzusetzen. Und ich entschied für mich, Carmine zu fragen, ob wir wirklich etwas mit Irland zutun hätten.

Ein gedehnter Seufzer entfloh mir. »Ja, genau wie die Region in Irlands Westen.«

»Dann ist Carmine dein Onkel?« Dass ein Strahlen in seine Augen trat, behagte mir nicht. »Und ... und ... Misstress Eliz-«

»Misstress? Wenn du Grandma Liz meinst, dann ... habe ich hier wohl keinen guten Start«, murmelte ich.
 

Sy half mir beim Tragen der Koffer. Er lotste mich durch so viele Gänge, Flure und Treppen hinauf, dass ich schnell den Überblick verlor und hoffen konnte, nicht vor Hunger und Durst zu sterben, bis mich jemand fand.

Seymore redete und redete. Doch vielleicht war es auch nur der Aufregung geschuldet. »Hast du gewusst«, begann er, »dass dein Name gälischen Ursprungs ist?«

Ich wusste das. Natürlich ... Vor Jahren, als ich die dritte Klasse besuchte, sollte jedes Kind seinen Namen recherchieren. Meine Mutter fand keine Zeit, mir bei der Suche behilflich zu sein, also trat ich den Weg, quer durch die Stadt, zu meinem Onkel an. Kaeli, so erklärte mir Carmine, sei ein Name irisch-gälischen Ursprungs. Er bedeutete so viel wie Hüter des Schlüssels. Als ich Mom voller Stolz davon erzählte, wiegelte sie Carmines Worte ab und sagte, dass sie und Dad sich nicht zwischen Katherine und Elizabeth hätten entscheiden wollen. Statt mir beide Namen zu geben, entschied Dad, dass ich mit diesen klangvollen Silben durch das Leben gehen sollte. Mir gefällt die Version meiner Eltern besser. Doch jetzt konnte ich diese Variante, wie ich zu meinem Namen kam, ad acta legen.

Um Seymore nicht zu kränken, spielte ich die Unwissende, schüttelte den Kopf und ließ ihn berichten. Er hatte mir nicht viel Neues zu erzählen, doch ich lächelte tapfer, tat überrascht, ungläubig und hoffte, dass wir diesem Labyrinth aus Fluren bald entkamen.

»Hier müsste es sein.« Er hielt vor einer schmalen Tür.

Ich sah mich auf dem Gang um und hatte vollkommen die Orientierung verloren. »Okay ich ... habe keine Ahnung, wo ich bin.«

»Planet Erde, immer noch«, sagte er und wieder bohrte sich das Grübchen in seine Wange. »Ich sage Carmine Bescheid, wenn ich ihn sehe, dass ich dich erfolgreich abgeliefert habe, okay?«

»Und wo willst du hin?«, fragte ich hastig, blickte zu den Taschen und Koffern zu beiden Seiten.

»Ich gehe etwas essen.« Lässig zuckte er die Schultern. »Ich hab hunger.«

»Und dann lässt du mich einfach hier? Ich hatte heute nichts weiter als ein Glas Wasser und Traubenzucker«, rief ich ihm nach. »Ich finde mich hier nie zurecht.«

Er steckte die Hände in die Hosentaschen und wippte wieder von den Ballen auf den Hacken. »Dann bring deine Sachen rein und komm mit!«

Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer, schaltete nicht einmal das Licht ein, sondern schob Koffer und Taschen ins Rauminnere, schloss die Tür und folgte ihm.
 

To Be Continuned
 



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