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Sherlock Holmes - Das Phantom von Maiwand

von

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Rückkehr in die Baker Street

Anmerkung des Autors John H. Watson: Folgende Erzählungen finden im Juli 1894 statt, drei Monate nach Holmes' Rückkehr nach London, welche ich mit der Geschichte ' Das leere Haus' veröffentlichte und auf die breite Begeisterung der Masse stieß. Zudem möchte ich mich im Vorfeld für meine kritischen Äußerungen gegenüber dem britischen Militärs entschuldigen, denen ich bereits zuvor in meiner Erzählung des 'Erbleichten Soldaten' verfallen bin, mir jedoch trotz jeglicher Kritik herausnehmen möchte. Am Ende möchte ich noch meinem Freund Clifford - seit kurzem mit eigener Arztpraxis in London ansässig - und den ich bereits in der Geschichte des 'Geheimnisses um Rosies Hall' erwähnte für seine Mithilfe danken.
 

Etwas wehmütig hatte ich einen letzten Blick auf meine Besitztümer geworfen, von denen viele in Kartons verpackt waren, wieder andere jedoch unweigerlich den Weg zum Sperrmüll antreten mussten. Ich gestand mir ein, über die Jahre hinweg einfach zu viel an unnötigen Gegenständen angehäuft zu haben. Seien sie der bloßen Dekoration, oder wegen dem alltäglichen Nutzen angeschafft worden. Mit dem Wissen meine Räumlichkeiten nicht mehr so schnell zu betreten, sei es denn, der Mieter würde sich noch anders entscheiden, schloss ich die Tür hinter mir.

Ich schritt die Treppe zu meinen Praxisräumen hinab, in denen sich seit Jahren keine Veränderung mehr bemerkbar gemacht hatte. Als meine Frau Mary noch unter den Lebenden weilte, verstand sie es gut, alles so herzurichten, dass sich meine Patienten wohl fühlten, so dass ich mich meiner eigentlichen Arbeit widmen konnte. Ich verspürte nicht die Muße, diese Tradition fortzuführen und vertraute auf meine Stammpatienten, darüber hinwegzusehen. Ich zog einen schweren Koffer mit mir und wartete draußen auf die bestellte Droschke. Der Kutscher war ein freundlicher Zeitgenosse, der mir sofort half mein Gepäck einzuladen.

Die Fahrt ging los und eine milde Welle der Nostalgie überkam mich. Früher, als ich noch regelmäßig Post von Holmes erhalten hatte, der einen spannenden Fall ankündigte, hatte ich mich häufig auf diese Strecke begeben. Kaum eine Stunde später hatten wir unser Ziel erreicht, die gute, alte Baker Street 221B.

Den Rest des Weges musste ich mein Gepäck alleine tragen. Ich verzichtete sogar zu läuten, in der Erkenntnis, dass Mrs. Hudson mir bestimmt zur Hilfe geeilt wäre. Als Gentleman wäre mir dies selbstverständlich niemals eingefallen. Von Holmes hingegen hätte ich sofort Hilfe angenommen, wusste aber natürlich, dass von Seiten dieser Front jede Hoffnung verloren war.

Nachdem ich meinen Koffer abgestellt und in den Wohnbereich eintrat, roch meine Nase bereits das alt Vertraute. Holmes hatte sich noch nicht wieder vollständig eingerichtet, jedoch war ich mir sicher, dass seine Schränke bereits randvoll mit seiner geliebten Kokainlösung gefüllt waren. Vermutlich hatte er sich in diesem Bereich auch weiterentwickelt, hatte es ihn doch die vergangenen Jahre durch halb Europa und darüber hinaus getrieben.

Obwohl er gerade die Zeitung studierte, bemerkte er mein Eindringen und nickte mir leicht zu.

Gequält nahm ich Platz und schenkte mir ein Glas Whisky ein. Ich bereite es nicht, zurück in die Baker Street gezogen zu sein. Es war eine logische Entscheidung gewesen. Sowohl von finanzieller als auch gesellschaftlicher Seite. Nach dem Tod meiner Frau hatte mich die Trauer überwältigt. Durch Holmes' Rückkehr tat sich jedoch eine Chance auf einen Neuanfang für mich auf.

„Studieren Sie die Times bereits nach neuen Fällen? Ich hatte angenommen, Sie würden es erst mal ruhig angehen lassen, alter Freund.“, begann ich die Unterhaltung.

Holmes strafte mich eines skeptischen Blickes.

„Watson, ich bezweifle, dass Sie während meiner Abwesenheit meine Abneigung zur Untätigkeit vergessen haben. Sie mögen in der Zwischenzeit vielleicht dem Müßiggang verfallen sein, ich jedoch habe mich kontinuierlich weitergebildet.“

Daran hegte ich keinerlei Zweifel. Mein Freund hatte bestimmt auf vielschichtiger Art seinen Horizont erweitert.

„Ich meine ja nur. Der Großteil Englands weiß vermutlich noch gar nicht, dass Sie zurück sind. Es könnte für den Anfang schwer werden, neue Klienten zu akquirieren“, führte ich ihm vor Augen.

Holmes ließ sich davon wenig beeindrucken.

„Doktor, meine Fähigkeiten stehen für sich. Dasselbe gilt natürlich auch für meine Erfolge. Die Klienten werden schon bald Schlange stehen. Neue.... und alt bekannte. Solche, die schon immer sehr penetrant waren.“, erwiderte mein Freund.

Ich wollte mich erkundigen, ob er sich auf jemand bestimmten bezog, doch dann fuhr er bereits fort.

„Ach richtig, von Ihrem Platz aus können Sie nur schwerlich einen Blick aus dem Fenster werfen. Vor kaum einer Minute hat ein junger Mann die Droschke verlassen und mit mehrfachen Blicken die Umgebung abgesucht.“

Ich staunte. Ich war davon ausgegangen, dass er sich gänzlich der Times widmete, doch mein Freund nahm jede Veränderung seiner Umgebung wahr.

„Glauben Sie... dieser junge Mann möchte zu uns? Ein neuer Klient womöglich?“

Holmes verzichtete auf eine Antwort, vermutlich in dem Wissen, dass ich diese ohnehin jeden Moment erhalten würde. Leise Stimmen halten aus dem Treppenhaus. Eine davon nahm ich als die unserer treuen Haushälterin wahr, die andere war eindeutig männlich.

Schwere Schritte zeichneten sich nun ab und wir beide erwarteten unseren Gast gespannt.

Dieser klopfte und Holmes bat ihn herein.

Es handelte sich um einen jungen Mann, vielleicht Mitte 20, sehr adrett gekleidet. Ich erwartete, dass er sich gleich seines Hutes und Mantels entledigen würde, doch dem war nicht der Fall. Er wirkte sehr gehetzt und taxierte sofort Holmes mit seinem Blick.

„Mr. Holmes? Frederic Woodrow mein Name. Es tut mir leid, dass ich einfach unangemeldet hereinstürme, doch Sie müssen mich sofort begleiten.“, platzte er nun heraus.

Mein Freund ließ sich nicht beirren und genoss weiterhin ruhig seine Pfeife.

„So? Muss ich das? Lassen Sie mich raten, die Zukunft des Empires steht wieder mal auf dem Spiel.“, erwiderte er lapidar.

Woodrow aber nickte mehrmals aufgeregt.

„Ja, Mr. Holmes, damit haben Sie absolut recht. Eine Katastrophe ist dabei sich anzubahnen!“, sagte er aufgeregt.

Ich gestand mir ein, den beiden nicht ganz folgen zu können.

„Holmes, kennen Sie unseren neuesten Gast etwa?“, hakte ich nach.

Der Detektiv schüttelte nur leicht den Kopf.

„Nein, aber inzwischen fällt es mir schwer in den Lakaien meines Bruders irgendeinen Unterschied zu sehen. Jedes Mal steht die Welt am Abgrund.“

Diese Bemerkung überraschte mich.

„Ihr... Bruder?“, hakte ich nach.

Holmes nickte.

„Allein die teure, maßgeschneiderte Kleidung ist bei dem Alter des Burschen aussagekräftig. Schon als er sich draußen nach Verfolgern umgesehen hat und das in einer disziplinierten und vor allem antrainierten Weise wurde es mir klar. Ob er nun von Whitehall oder direkt dem Diogenes-Club aus losgeschickt wurde, spielt dabei keine Rolle. Früher machte sich mein Bruder noch selbst die Mühe mich in meinen Gemächern aufzusuchen, doch während meiner Reise scheint er noch träger geworden zu sein.“

Nun schien das Ganze schon mehr Sinn für mich zu ergeben. Je mehr ich den jungen Mr. Woodrow betrachtete, umso mehr konnte ich in ihm einen Beamten des Geheimdienstes erkennen.

„Also wurden Sie von Mr. Mycroft Holmes entsandt?“, wandte ich mich an ihn.

Der junge Agent zögerte leicht.

„Ja... nein... also... Mr. Holmes, wenn ich Sie nun bitten dürfte mich zu begleiten.“, kehrte er zu seinem ursprünglichen Anliegen zurück.

Ich erkannte, wie mein Freund gereizt die Lippen verzog.

„Mr. Woodrow, sollte das Ihr wahrer Name sein. Richten Sie meinem werten Bruder aus, dass ich ihm dankbar für seine Unterstützung während der letzten Jahre bin, aber nicht vorhabe, dafür ewig in seiner Schuld zu stehen. Ich habe nicht vor, den Schoßhund zu mimen.“, erwiderte er trocken.

Dies war eindeutig nicht die Reaktion, mit der Woodrow gerechnet hatte.

„Ja, aber... ich weiß nicht, ob ich im Stande bin, Ihre Antwort weiterzuleiten, Mr. Holmes.“, antwortete dieser nur.

Nun konnte ich ihm nicht folgen und als ich zu meinem Freund blickte, erkannte ich, dass er es mir gleich tat. Zum Glück führte Woodrow seine Ausführungen gleich darauf fort.

„Ich komme direkt vom Empfang, wo das Treffen mit dem deutschen Würdenträger stattgefunden hat. Ihr Bruder war für seine Sicherheit zuständig und... naja...“, war er schließlich in ein leichtes Stammeln verfallen.

„Jetzt rücken Sie schon raus! Was ist denn nun mit Mr. Mycroft Holmes?“, musste ich meine Stimme etwas erheben um ihn zum Fortfahren zu bewegen.

Woodrow schluckte schwer.

„Mr. Holmes... auf Ihren Bruder wurde geschossen.“, offenbarte er nun endlich sein wahres Anliegen.

Zugegeben, ich hatte Holmes seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Dennoch zweifelte ich daran, dass er sich in dieser Zeit groß verändert hatte. Er war immer noch der schwer zu beeindruckende Stoiker, der er früher war. Und dennoch... die Regung im Gesicht meines Freundes war etwas, das mir noch nie untergekommen war. Und noch etwas.

Er war sprachlos. Also oblag es mir, die Situation etwas zu beschleunigen.

„Jetzt lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen! Wie ist sein Zustand?“, musste ich gestehen mehr aus freundschaftlichem, als aus medizinischem Interesse zu fragen.

Woodrow schien zum Glück in sein professionelles Verhalten zurückzufallen.

„Das weiß ich nicht genau. Er wurde ins St. Bartholomew's eingeliefert. Die letzte Anweisung, die ich erhielt war, Sie aufzusuchen und mit den Ermittlungen zu betrauen.“

Weitere Worte waren nicht nötig. In Windeseile hatte Holmes seine Times, sowie seine Pfeife beiseite gelegt und war aufgestanden.

„Ich nehme an, Sie haben der Droschke Anweisung gegeben zu warten? Gut, dann können Sie uns auf dem Weg mit den Details versorgen.“

Als er sich schließlich seinen Mantel und seinen Deerstalker griff, wurde mir bewusst, dass er mich während dieses Vorhabens dabei haben wollte. Auch ich überlegte fieberhaft, wo ich denn meine Ausgehkleidung belegt hatte und stieß zu den beiden zurück, als diese bereits die Treppe hinabstiegen. Mrs. Hudson blickte uns fragend nach, doch es blieb keine Zeit für Erklärungen.

Wie Holmes vorausgesagt hatte, wartete der Kutscher bereit auf uns uns Woodrow gab ihm Anweisungen ins Bartholomew's zu fahren.

Ich und Holmes quetschten uns zusammen mit dem Agenten ins Innere und dann wurden die Pferde bereits angetrieben. Mein Freund musste sich erst räuspern um Woodrow um Reden zu bringen. Vermutlich hatte dieser Bedenken, dass der Kutscher etwas aufschnappen konnte. Schließlich rang er sich dazu durch.

„Ihr Herr Bruder war für den Schutz des deutschen Botschafters zuständig, der im Londoner Wyndham-Hotel abgestiegen war. Es ging um die Besprechung einer neuen Handelsroute, welche mit dem britischen Außenminister diskutiert werden sollte.“

Ich verstand sofort, dass die Lage ernst war.

„Was ist mit den beiden Männern? Wurde auch auf sie geschossen?“, fragte ich stockend.

Woodrow zögerte.

„Der werte Herr Minister war noch nicht eingetroffen. Mr. Mycroft Holmes führte den Botschafter durch die Lobby des Hotels als es geschah. Wir haben bis dato noch keine Ahnung von welcher Position aus der geschossen haben könnte. Der innere Bereich des Hotels war gesichert. Jedenfalls wurde der deutsche Botschafter tödlich getroffen. Ein Kopfschuss. Jegliche Hilfe kam zu spät. Weitere Kugeln drangen ein und eine davon erwischte schließlich Ihren Bruder.“,

Ich konnte nicht anders als mir die Hand vor den Mund zu halten. Ein ausländischer Würdenträger war auf britischem Boden ermordet worden. Ein Skandal sondergleichen. Dennoch war meinem Freund anzusehen, dass ihn dies eher peripher tangierte. Die Sorge um seinen Bruder stand für ihn an oberster Stelle.



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