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Maybe...

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No-Life-Queen (2)

Integra gewöhnt sich an ihre neue Daseinsform...

Liebe Lesenden, ich bin in einer irgendwie merkwürdigen Verfassung - mir sind fast nur Slapstick-Szenen mit der armen Neu-Vampirin Integra eingefallen (hihi, Integra, der Vampir-Azubi!! ß seht ihr? Da geht's schon los!)

Aber ich habe mich entschlossen, dieses nun doch kein Comedy-Kapitel werden zu lassen.

Nein - ich versuche, dass sich ernste, humorvolle, tragische und dramatische Szenen ungefähr die Waage halten. (Gar nicht einfach... u_u° - vor allem, wenn man in so einer seltsamen Slapstick-Phase ist...)

Hmmm, ich glaube, es wird Zeit für einen weiteren Maxwell-Auftritt... Nyarharhar... ^ ^ )

Aber zunächst einmal...

...wir erinnern uns - Integra hat gerade einen ihrer eigenen Rekruten "gemaßregelt" und dabei ihre neuen Kräfte entdeckt...
 

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Entgeistert starrte sie ihre Hände an. Sie fürchtete sich vor sich selbst, vor dem zerstörerischen Potential ihrer neuen Kräfte.

Obwohl... Eigentlich... Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Ein Lächeln, das für irgendwen nichts Gutes bedeutete.

Sie fühlte sich in Stimmung für eine Begegnung mit Alucard...
 

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Es war soviel mehr

Soviel mehr als nur ein Biss

Soviel mehr als der damit verbundene Schmerz

Soviel mehr als die Träne, die über meine Wange liefen

Soviel mehr als die Angst, was danach passieren würde

Es war der Schmerz über das Verlorengegangene

Es war der Gedanke an das, was war und nie wieder so sein würde

Es war der Gedanke an all das, was noch nie geschehen war und nun vielleicht geschehen würde

Es war eine Befreiung

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Walter trank seinen Tee und tat so, als würde er die beiden Vampire, die ihm gegenüber saßen und ihn mit rotglühenden Augen erwartungsvoll anstarrten, gar nicht sehen.

"Und?" fragten Alucard und Seras schließlich unisono.

"Wie geht es denn Lady Integra" fragte Seras. "Ist sie sehr... aufgeregt oder wütend oder was?"

"Ach", sagte Alucard mit einer Lässigkeit, die er gar nicht empfand, "ich bin mir sicher, good old Walter hat unserem aufgeregten Vögelchen das Gefieder geglättet."

Walter warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Ich finde die Situation nicht sehr spaßig. Sie neigt zu selbstzerstörerischen Maßnahmen. Sie hat sich ja schon einmal fast umgebracht, um sich von unreinem Blut zu reinigen!"

"Aber Lady Integra ist doch jetzt auch ein Vampir, nicht?" fragte Seras. "Und sie ist bestimmt ziemlich mächtig, denke ich mir. Selbst wenn sie versucht, sich umzubringen, das wird ihr nicht so leicht gelingen. Obwohl...", Seras legte den Zeigefinger an ihr Kinn und überlegte. "Lady Integra kennt da bestimmt Methoden..."

"Danke für diese Einschätzung der Situation", sagte Walter zynisch und trank noch einen Schluck Tee. Dann seufzte er. "Sie wirkt relativ ruhig. Aber ich halte sie für völlig unberechenbar - oder wenigstens kurz davor."

Alucard erhob sich. "Ich glaube, ein Besuch ihres Masters wird sie beruhigen." Er grinste.

"Lass sie in Ruhe!" warnte Walter. "Ich glaube, du bist das letzte, was sie augenblicklich sehen will. Sie wird dich anfallen, versteht du?"

Alucards Grinsen wurde noch breiter. "Wunderbar! Ich wollte schon immer mal von Integra angefallen werden. Bisher hat sie sich leider immer allzu gut beherrscht."

"Na schön", murmelte Walter. "Und wenn sie dir dann den Kopf abreißt, werde ich nachsehen, was du die ganze Zeit als Hirn benutzt hast."

Alucard wölbte spöttisch eine Augenbraue. "Walter, Walter, so kenn ich dich ja gar nicht. Ich möchte ihr einfach nur guten Morgen sagen..."

"Guten Morgen, Alucard", sagte Integra mit sanfter Stimme und mörderischer Miene.

Seras sprang auf. "Guten Morgen, Sir! Boss... Chefin. M...mylady....L...Lady Hellsing." Sie wusste einfach nie, wie sie Integra anzusprechen hatte. Und nun erst recht nicht mehr. Diese Frau war ihr schon als Mensch unheimlich gewesen - aber jetzt...

Sie war... sie sah aus... Sie hatte... Sie war atemberaubend.

Integra stand in der Türöffnung und starrte Alucard an. In ihren Augen glimmte was undefinierbares.

"Sieh an", sagte Alucard leise. Er betrachtete ihr Gesicht mit forschendem Blick. Er schien zu finden, was er darin suchte. Seine Erwartungen waren hoch gewesen, doch sie hatte sie weit übertroffen. Eine berauschende Schönheit. Bezaubernd, betörend, tödlich.

Walter und Seras waren mit ihren Stühlen zurück, bis an die Wand, gerutscht. Ihre Blicke schnellten zwischen Alucard und Integra hin und her, wie bei einem Tennismatch.

Alucard erwiderte den Blick aus Integras rätselhafterweise noch immer tiefblauen Augen.

Er kannte Integra, wenn sie wütend auf ihn war. Natürlich. Wütend auf ihn zu sein, das war eigentlich ihre Grundstimmung... Aber die Emotionen, die jetzt in ihr tosten, waren... gewaltiger als alles, was er jemals an ihr erlebt hatte.

Ich werde mich nicht entschuldigen, meine Liebe, dachte er. Ich werde mich nicht mal rechtfertigen!

"So, wirst du nicht?" fragte sie.

"Aha, das kannst du also schon", sagte Alucard. (Verdammt! Er würde sich daran gewöhnen müssen, dass sie nun auch seine Gedanken lesen konnte...)

"Natürlich - es ist das Blut der Hellsings, das dich zu etwas besonderem macht. Trotzdem wirst du noch viel lernen müssen. Betrachte dich als Klassenkameradin von ihr." Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf Seras.

"Alucard...", sagte Integra drohend.

"Ab sofort bitte: Master", sagte Alucard und grinste süffisant. "Ich kann es kaum erwarten, das aus deinem Mund zu hören, Integra: Alucard, my Master."

"Ich werde dich bestimmt nicht so nennen, mein Lieber", erwiderte Integra. Sie schenkte ihm ein atemberaubend tödliches Lächeln.

Seras hielt die Luft an und Walter schloss die Augen.

"Pass gut auf, Integra", Alucards Stimme war leise. "Bilde dir nicht ein, du seiest stärker als ich. Ich habe dich zu dem gemacht, was du bist. Ich bin dein Meister. Du willst es nicht wahrhaben, aber du jetzt bist bestenfalls auf Seras' Level... äh..."

Integra kam auf ihn zu. Mit festen, entschlossenen Schritten. Und noch etwas geschah: Ihre tiefblauen Augen veränderten sich. Es war, als würde Blut in sie hineinlaufen. Das Tiefblau wurde rot.

"Dir scheint immer noch nicht klar zu sein, wer hier wessen Master ist. Das ist bedauerlich, Alucard. Wirklich bedauerlich."

Sie packte seinen Kragen, machte eine kurze Ausholbewegung - und (ein zutiefst verblüffter) Alucard flog krachend gegen die Wand.

Er richtete sich wieder auf und betrachtete sie mit fasziniertem Entsetzen.

Integra schluckte. OK - das hatte funktioniert. Aber was, was, was wenn er jetzt aufstand und das gleiche (oder schlimmeres?!) mit ihr veranstaltete?

"Nicht übel", sagte Alucard wie ein Lehrer zu seinem Lieblingsschüler, der eine korrekte, aber nicht ganz vollständige Antwort gegeben hatte. "Obwohl ich vermute, diese Kraft resultiert bloß aus deiner momentanen Wut. Das war nur ein Affekt."

"Dann pass auf, dass ich nicht noch einen Affekt kriege", fauchte Integra. "Außerdem bist du nicht der erste, mit dem das funktionierte. Affekt!"

"Ach du liebe Zeit", murmelte Walter.

"Aha", Alucard war hingerissen. "Hast du das gesehen, Fräulein Polizistin? Dabei ist sie eine blutige Anfängerin - sozusagen." Er grinste und erhob sich ganz. "Wenn ich nur daran denke, wie du sein wirst, nachdem du mein Blut getrunken hast..." Er betrachtete sie voller Besitzerstolz. Seine Augen glühten.

"Dein Blut kann mir gestohlen bleiben", erklärte Integra.

"Warum auf einmal so abweisend?" Alucard kam vorsichtig näher. "Du warst doch gestern noch anders. Lass uns da weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben."

Integras Gesicht wurde eine regungslose Maske. "Keine Ahnung, was du meinst."

Er zuckte mit den Schultern. "Es wird dir schon wieder einfallen."

Er legte seine Hand unter ihr Kinn und hob so ihr Gesicht an, zwang sie ihn anzusehen. Ihre Augen waren nun wieder blau.

Er lächelte. "Ich krieg dich sowieso. Das ist längst beschlossene Sache. Das weißt du. Du ahnst es schon lange, vielleicht schon dein Leben lang. Dein Herz ahnt es. Na, du weißt schon", er deutete auf ihre linke Brust, sein Finger stoppte wenige Millimeter, bevor er den Stoff ihres Jacketts berührte. "Im Grunde deines Herzens - irgendwo da, wohin schon seit Jahren kein Licht mehr gefallen ist."

"Das sagt der richtige!" zischte Integra. "Du hattest überhaupt noch nie Licht im Herzen."

Alucard sah sie ernst an. "Du bist das Licht meines Herzens."

Walter verschluckte sich am Tee.

Seras sagte etwas, das so klang wie mmnnnääähhh.

Integra schien nicht zu wissen, ob sie schreien, ihm eine scheuern, ihm in die Arme fallen oder einfach lachen sollte. Ihre linke Augenbraue zuckte.

Sie drehte sich ohne ein weiteres Wort um und trug ihre wütende Ratlosigkeit in ihr Arbeitszimmer.
 

Integra saß an ihrem Tisch im Arbeitszimmer. Das matte Sonnenlicht, das den Raum durchflutete, schien weit entfernt, eher eine Erinnerung als die Gegenwart. Sie stand auf und wollte die Vorhänge zuziehen... Nein! Nein, das Sonnenlicht durfte ruhig hereinkommen. Sie würde sich eben daran gewöhnen müssen, dass sie nun etwas lichtempfindlicher war. Mit etwas Disziplin würde sie das sicher hinbekommen...

Schuldbewusst warf sie dem Porträt ihres Vaters einen Blick zu. Wenn du wüsstest...

Alucard glitt durch die Wand in den Raum.

"Hab ich dich gerufen?" fragte Integra gereizt.

"Nein. Ich wollte mich lediglich erkundigen, ob ich dir irgendwie helfen kann?"

"Kannst du. Raus!" schrie Integra.

Alucard verbeugte sich spöttisch und glitt rückwärts durch die Wand.

Integra kehrte zu ihrem Tisch zurück.

Ja, gestern war noch einiges anders gewesen... Nie hätte sie es zugegeben, aber Alucard hatte recht; schon seit längerem spürte sie, dass eine Veränderung in ihr Leben eintreten wollte. Wollte, denn sie hatte beschlossen, sich dagegen zu sträuben.

Diese Veränderung hatte mit Alucard zu tun, mit Träumen und Wunschvorstellungen, die sie seit ihrer Jugend gesponnen und daraus einen Umhang gewoben hatte, mit dem sie Alucard umhüllt hatte.

Aber er hasst uns Hellsings für immer. Er wird mir weh tun. Wann immer ich ihm vertraue oder ihm gegenüber eine Schwäche offenbare, wird er mir weh tun. Er kann gar nicht anders.
 

Die dreizehnjährige Integra hatte es wahnsinnig aufregend gefunden, bei ihrer Jagd gegen Vampire ausgerechnet einen Vampir zur Seite zu haben. Sie mochte Alucard. Sie mochte seinen staubtrockenen Humor, mit dem er den armen Walter gern schockierte. Er war so stark und mächtig - und er gehörte ihr! Sie war völlig unbefangen mit ihm umgegangen, wie ein Kind, dass mit einem riesigen Hund aufgewachsen war und ihn lieb und nett fand, während er auf alle anderen einfach nur gefährlich wirkte.

Oft hatte sie Alucard spät abends mit der Erklärung, sie könne gar nicht schlafen (seufz) in ihr Zimmer zitiert. Er musste dann auf der Bettkante sitzen und ihr von "früher" erzählen. Alucard ließ sie stets lange bitten und betteln und quengeln, bevor er sich dazu herabließ - mit höchst genervter Miene, versteht sich. Aber im Grunde hatte er Spaß daran. Er mochte seine "kleine Herrin" (und er mochte es, wie sie wütend wurde, wenn er sie so nannte...).

Natürlich, sie war nervtötend altklug, aber gleichzeitig ein bezauberndes kleines Ding. Oft saß er noch lange, nachdem sie eingeschlafen war, auf ihrer Bettkante und betrachtete sie. Da waren Empfindungen für dieses Mädchen, von denen er geglaubt hatte, er hätte all das längst hinter sich.

Aber...

Sie ist eine Hellsing. Eine gottverdammte Hellsing.

Er sagte sich das immer und immer wieder.

Und doch saß er immer und immer wieder auf ihrer Bettkante und betrachtete ihr schlafendes Gesicht im Mondlicht. Sie wusste nicht, dass er sie beobachtete. Vielleicht wusste sie es aber auch...

Die Zeit verging und Integra wurde immer schöner und fraulicher. Und irgendwann merkte sie selbst, dass sie längst aufgehört hatte, ein Kind zu sein und dass Alucard vielleicht mehr für sie sein könnte, als eine Waffe...

Sie betrachtete ihn nun ebenfalls... Alucard. Er war von einer eigentümlichen, irgendwie morbiden Schönheit. Keiner der "normalen" Männer war wie er. Und auf dem Truppenübungsplatz der Hellsings lief ja genügend "Vergleichs-Material" herum. Natürlich, einige der Rekruten waren wirklich nett und einige wirklich gutaussehend und ein paar waren sogar beides - aber Integras Gedanken kreisten immer und ausschließlich um Alucard.

Und dann kam dieser Tag...

Integra - sie war inzwischen 15 - hatte ihr tägliches Kampf-Training absolviert. In der Nacht zuvor waren zwei Ghouls zur Strecke gebracht worden; einen davon hatte Integra höchstselbst erledigt. Und am Vormittag hatte sie den Knights einen Vorschlag zur Umstrukturierung der Truppen vorgelegt - und die Knights hatten erstmals ohne Gegenstimme einen Vorschlag von ihr akzeptiert. Integra war in euphorischer Stimmung. Sie hatte Alucard in die Umkleiden der Trainingshalle beordert, um ihm von ihren Erfolgen der letzten 24 Stunden zu berichten.

Alucard lehnte an der weiß gekachelten Wand vor den Duschkabinen. Integra duschte in einer der Kabinen und plapperte ohne Punkt und Komma. Gerade erzählte sie, wie sie die Knights mit ihren Vorschlägen "platt gemacht" hatte. ("Oh Alucard, die blöden Gesichter hättest du sehen sollen, als ihnen nichts besseres einfiel! Ha!")

Alucard hörte ihr nicht wirklich zu. Er hatte die Augen geschlossen und hörte das Rauschen des Wassers. Verdammt. Er konnte an nichts anderes denken, als an dieses Wasser, heißes Wasser, das an ihrer bronzefarbenen Haut hinunterperlte... Und an Hände, die duftenden Schaum überall auf diesem Körper verteilten...

Er riss die Augen auf. "Integra!" sagte er. "Ich gehe jetzt."

"Warum?" fragte sie.

Alucard seufzte. "Weißt du", sagte er in einem scherzhaften Ton, "ich möchte Walters Nerven schonen. Wenn er erfährt, dass ich hier bin, während du duschst, nun... Er könnte denken, ich bin hier, weil... weil du mir gefällst oder so."

Das Wasserrauschen in der Duschkabine endete abrupt. Die Tür der Kabine öffnete sich und Integra stieg heraus. Direkt vor Alucard blieb sie stehen. Sie hatte sich ein weißes Handtuch um den Körper gewickelt. Wasser tropfte von den Spitzen ihrer langen mondhellen Haare. Sie strich sich die Haare mit einer Hand unbeholfen aus dem Gesicht und sah ihn an mit ihren irritierend blauen Augen. Sie lächelte schüchtern und schluckte. Ihre Hände umklammerten die obere Kante des Handtuchs. "Gefalle ich dir denn?" fragte sie leise.

Sie war absolut hinreißend. Alucard musste nun ebenfalls schlucken. Ihre Schönheit, ihre Jugend, ihre schüchterne Unbeholfenheit ...

Aber du bist eine Hellsing, du bist eine verdammte Hellsing...

"Ob du mir gefällst?" fragte er heiser. "Lass mal sehen."

Mit diesen Worten riss er ihr das Handtuch weg.

Kompliment - sie war reaktionsschnell. Sie ließ sich sofort auf die Knie fallen, verschränkte die Arme vor der Brust und machte sich ganz klein - so dass nichts "wesentliches" von ihrem nackten Körper zu sehen war.

Wie sie nackt vor ihm auf den Fliesen kauerte, das Gesicht auf ihren Knien - diese Erniedrigung zerriss ihm das Herz, aber er konnte nicht mehr zurück.

"Du fragst, ob du mir gefällst", sagte er abfällig. "Also - nicht besonders."

"Alucard, warum?" flüsterte sie.

"Warum? Schau mal in den Spiegel, du leidenschaftslose, flachbrüstige, kleine Eule."

Er wandte sich ab und ging.

"Das meinte ich nicht", murmelte sie. Tränen tropften auf die Fliesen.

Alucard hasste sich für diesen Zwischenfall. Wenn er wenigstens so etwas wie Häme, Genugtuung oder zynische Freude dabei empfunden hätte... Er hatte sie zutiefst gedemütigt. Und alles war gelogen. Natürlich gefiel sie ihm. Und wer sie einmal in Wut erlebt hatte, wusste, dass sie alles andere als leidenschaftslos war. Na, und von flachbrüstig konnte auch keine Rede sein... (auch wenn sie sich fortan in Anzugjacken und Jacketts einschnürte, in denen sie tatsächlich so wirkte).

Seit diesem Tag war ihr Verhältnis ein völlig anderes gewesen. Ihr Zimmer war fortan für ihn tabu. Nie wieder hatte sie ihn darum gebeten, ihr von "früher" zu erzählen. Seit diesem Tag war Integra ihm gegenüber kühl, distanziert und zynisch. Nur manchmal ertappte er sie, wie sie ihn nachdenklich, fast traurig, betrachtete.
 

Bei der Erinnerung an damals knirschte die heutige Integra mit ihren neuen Fangzähnen.

Dann drückte sie einen Knopf der Sprechanlage und orderte Frühstück.

Wenig später näherte sich Walter mit einem Frühstückstablett und sorgenvoller Miene der Tür zum Arbeitszimmer. In einer dunklen Ecke des Flures beobachteten ihn zwei rotglühende Augen. Walter zuckte zusammen, das Frühstückstablett klirrte leise. Walter ärgerte sich über seine Schreckhaftigkeit. Er atmete tief durch.

"Nun, Alucard", sagte er zu den rotglühenden Augen. "Was stehst du hier wie eine Teufelsfratze im Flur herum? Hast du nichts zu tun?"

"Noch nicht", murmelte Alucard. "Sie hat mich gerade rausgeschmissen. Das heißt, sie wird in etwa ein oder zwei Stunden wieder nach mir brüllen. Da kann ich ja gleich hier bleiben."

"Leg dich in deinen Sarg und schlaf", empfahl Walter, betrat den Raum und servierte Integra das Frühstück. Integra stand vor einer verspiegelten Schranktür und betrachtete ihr Spiegelbild. (Da ist aber jemand eitel geworden, du liebe Zeit... ~_^)

"Walter", sagte sie. "Habe ich mich verändert? Abgesehen von den Zähnen..."

Walter, der gerade Tee eingeschenkt hatte, richtete sich auf. "Ja", sagte er. "Du siehst umwerfend aus. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf."

"Oh, jederzeit", erwiderte Integra und lächelte ihrem Spiegelbild anerkennend zu. Dann kehrte sie zu ihrem Arbeitstisch zurück und widmete sich ihrem Frühstück.

Integra bewies einen geradezu trotzigen Appetit. Sie verschlang zunächst ein Sandwich mit Orangenmarmelade. Dann eines mit Roastbeef. Und dann noch ein Gurkensandwich...

Walter beobachtete das und äußerte Besorgnis. Immerhin sei sie nun ein Geschöpf der Nacht und als solches sollte sie doch eigentlich Blut...

Integra winkte ungeduldig ab und leerte ihre Teetasse.

Sie konnte und wollte sich nicht damit abfinden, sich fortan ausschließlich von Blut zu ernähren. Sie hätte es niemals zugegeben - aber allein der Gedanke war widerlich. (Himmel hilf, dachte sie, ich stelle mich genauso peinlich an wie diese kleine Polizistin...)

Walter seufzte. "Aber vielleicht ist es schädlich", sagte er ratlos.

Integra entgegnete etwas, was jedoch nicht zu verstehen war, da sie den Mund voller Sandwich hatte.

"Wenn du erlaubst", sagte Walter, "befrage ich lieber einen Experten."

Er öffnete die Tür. "Alucard? Komm doch bitte herein."

Verunsichert durch die wechselhafte Behandlung, die ihm hier zuteil wurde, trat Alucard durch die Tür. "Und?" fragte er.

"Sie isst!" Walter deutete mit dem Finger auf Integra. Die hatte beide Fäuste auf ihren Arbeitstisch gestemmt und kaute trotzig.

"Darf sie das?"

Alucard zuckte mit den Schultern. "Dieses Zeug", er zeigte auf die Sandwiches, den Tee und die Obstschale, "überhaupt Lebensmittel - sie enthalten für dich fast keinen Nährwert mehr. Obwohl", er sah in ihre blauen Augen, "bei dir weiß ich nicht genau... Aber im Prinzip ist das alles bloße Zugabe, reine Nostalgie. Oder auch Gier. Naschsucht." Er lachte leise.

"Aber es schadet ihr nicht?" erkundigte sich Walter.

"Nein, ganz sicher nicht", sagte Alucard.

In diesem Moment war ein unterdrückter Schmerzenslaut von Integra zu hören, sie krümmte sich, verzog das Gesicht und schlug sich beide Hände vor den Mund.

"Ich denke, es schadet ihr nicht", zischte Walter.

"Also..., ich dachte wirklich...", murmelte Alucard verunsichert. Die beiden traten vorsichtig näher zu Integra und betrachteten sie besorgt.

"Verdammt!" herrschte sie die beiden an. "Ich hab mir mit diesen verdammten Zähnen auf meine verdammte Zunge gebissen!"

"Beneidenswert", hauchte Alucard. "Du musst zugeben - dein Blut ist köstlich, nicht wahr?"

"Apropros Blut", sagte Walter. "Du solltest wirklich versuchen... also... es wäre besser für dich..." Er stellte ein Longdrink-Glas, gefüllt mit Blut, auf den Tisch.

"Genau", Alucard bleckte die Zähne. "Du willst doch deine wunderbaren Kräfte nicht gleich wieder verlieren? Integra?"

Integra betrachtete das Blutglas und schauderte innerlich. Allein dieser leicht metallische Geruch... Alucard verfolgte ihre Gedanken, als würde er sie selbst denken.

"Ich will das nicht", sagte sie leise, aber entschlossen.

"Du wirst dich daran gewöhnen müssen", erwiderte Alucard. "Das ist dein neues Dasein. Es wird nie mehr so werden wie früher, aber es wird normal werden, weil sich deine Konzeption für das Normale ändern wird."

"Ach, hau doch ab mit deinen abgelutschten Floskeln!" fauchte Integra. "Neues Dasein. Konzeption. Wenn ich das schon höre!"

Alucard grinste und beobachtete sie, wie sie grübelnd das Blutglas betrachtete. Nachdenklich nagte sie mit ihren langen Zähnen an ihrer Unterlippe und bei ihr sah sogar das zauberhaft aus. Dann ging sie zu einem der Schränke - und kehrte mit einer Whisky-Flasche zurück. Entschlossen kippte sie einen ordentlichen Schuss Whisky in das Glas.

"Na, ich weiß ja nicht...", bemerkte Walter.

"Aber ich", sagte Integra. "Cheers."

Sie leerte das Glas in einem Zug. Sie schloss die Augen und schüttelte sich etwas. Aber - nun, sie hätte es niemals zugegeben - aber... dieses rote Zeug hatte eine... belebende Wirkung. Irgendwie.

Sie lehnte sich zurück und blickte unentschlossen vor sich hin. Sah kurz Alucard an. Dann Walter. Dann wieder die Tischplatte direkt vor sich.

"Nun", sagte sie schließlich, "ich weiß alles, was man über Vampire und Ghouls wissen kann. In der Theorie gibt es wirklich nichts über diese Nachtschattengewächse, was ich nicht weiß. Aber...", ihr rechter Zeigefinger malte unsichtbare Figuren auf die blanke Tischplatte. Kringel. Kreise. Achten. Integra runzelte die Stirn. "Aber... seit ich selbst... also, das ist etwas völlig anderes. Ich fürchte, mein theoretisches Wissen hilft mir nicht viel." Sie lächelte verlegen. "Alucard...", sie atmete tief durch. Diese Worte kosteten sie Überwindung.

"Alucard", sie sah ihn an, "bring mir bei, was es bedeutet, ein Geschöpf der Nacht zu sein. Das ist ein Befehl", setzte sie hinzu.

"Sehr gern." Alucard deutete eine Verbeugung an. "Unter einer Bedingung..."

"Nein!" schnaubte Integra. "Ich werde dich NICHT meinen Master nennen!"

Alucard seufzte gespielt gequält und grinste Walter zu. "Ich glaub', ich tu's trotzdem", sagte er gönnerhaft.

"Nett von dir", erwiderte Walter. Er warf dem Porträt von Integras Vater einen Blick zu und zuckte hilflos mit den Schultern.
 

Etwas weiter weg, irgendwo im Luftraum über England...

Paladin Alexander Anderson lehnte sich in seinem Flugzeugsessel zurück und kicherte vor sich hin. (Die Stewardessen tuschelten bereits.)

Anderson sah aus dem Fenster. London verschwand unter ihnen. Er grinste.

Dieses lächerliche Protestanten-Geschmeiß. Anderson hätte losbrüllen mögen vor Lachen. Hellsing!

Ihr könnt eure Lady - diese babylonische Hure, dieses herrische, verblendete Weib - vom Rasen abkratzen...

Was wohl Signore Maxwell dazu sagen würde...
 

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P.S. Wie immer möchte ich mich bei meinen lieben, fleißigen Kommentar-Schreibern aufs allerherzlichste bedanken!!!!! ^___________^

Danke an Aaliyah1, Xell, Saiyama, kiddo-chan, Feurrige, Kaen, MicaAurel, VeggieGirl, Nerissa (danke noch mal für die Empfehlung!!!! *mega-knuff*), Marishka, black-snow, Cherry10001, Jaecky-chan, Nex_Caedes, Yoela, das-schrecken und black-drancer!!!

Fühlt euch geknuddelt!



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Kommentare zu diesem Kapitel (18)
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Von: abgemeldet
2005-01-24T15:37:40+00:00 24.01.2005 16:37
alsssooooo.....wie soll ich das nu sagen ..ich finde deine Geschichte ist......*nachdenk*



TOLLLLLLL,GENIAL,EINFACH NUR PREFEKT.....gits noch was????....Hammermässig, absolutet spizenkalsse.....
*sichvorderAutorinverbeug**ganzausdemhäschensein*
mach so weiter...bittte ja?
Kisses and Hugs
Brazi
Von:  Integra-sama
2005-01-22T14:59:23+00:00 22.01.2005 15:59
Coole Story! Bitte mach weiter so und ich hoffe dass bald ein neues Kapitel erschein!
Von:  Xell
2005-01-15T14:41:38+00:00 15.01.2005 15:41
Der Gedanke dass Integra jetzt nach Alucard Pfeife tanzen muss fand ich wirklich witzig ^^ Oder dass sie sich auf die Zunge gebissen hat. Es ist immer wieder lustig wenn sich die zwei streiten. gg
Schreib bitte ganz schnell weiter, wir wollen mehr davon!
Von:  Yusuka_Chan
2005-01-14T18:32:04+00:00 14.01.2005 19:32
wow Alucard bekommt eins auf die Mütze^^ ich glaub er sollte Integra nicht unterschätzen^^ Hm das mit dem Wiskey fand ich echt realitätsnah... dafür ein Kompilment^^ Mach bitte schnell weiter, ok?
Von: abgemeldet
2005-01-13T14:41:50+00:00 13.01.2005 15:41
Man war das GENIAL!!! Noch besser als der erste Teil. Und die humoristischen Einlagen waren echt zum totlachen. Die Mischung ist genau die richtige. Hach ich kann von deiner FF einfach nicht genug kriegen. *schwärm* *knuddel* ^.~
Weiter so. Snow
Von: abgemeldet
2005-01-11T20:29:07+00:00 11.01.2005 21:29
Ach.....Alucard ist vielleicht ein unsymphat....naja wenigstens is er gegen ne Wand geflogen *gg*! Na, ich freu mich schon, wenn Maxwell erfährt dass unsre Chefin noch lebt (naja mehr oder weniger...) muahahah! Deine FF is einfach der Hammer, ich könnt Stunden weiterlesen!
Von: abgemeldet
2005-01-11T19:23:06+00:00 11.01.2005 20:23
Ich liebe diese Wortgefechte zwischen Alucard und Integra! Na, wird sie ihm jemals den Gefallen tun und ihn mit "Meister" ansprechen? ^^
Aber das Beste sind Walters Kommentare zu dem Ganzen!
Ich kann gar nicht aufhören zu grinsen!
Von: abgemeldet
2005-01-07T21:26:09+00:00 07.01.2005 22:26
Astrein, wird immer besser ^^
Von:  Kaen
2005-01-06T17:04:17+00:00 06.01.2005 18:04
Deine Kapitel werden immer besser! Endlich ist Integra Alucard kräftemäßig so gut wie ebenbürtig. Das verspricht sehr, sehr spannend zu werden! Bitte schreib so bald es geht weiter!
PS: Das Knuddeln geb ich dankend an dich zurück!
Von: abgemeldet
2005-01-06T16:38:22+00:00 06.01.2005 17:38
Also erstmal wünsche ich dir noch ein gesundes, neues Jahr und viel Glück im JAhr.

Das Kapitel war mal wieder meeeeeeegaaaaageeeeeeeeeilooooo.
So wunderbar wie du das schreibst, einfach köstlich einerseits muss man schmunzeln über manche Dinge andererseits ist es aber auch ernst, du hast einfach einen perfekten Schreibstil.
Schreib ganz schnell weiter!!!


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