Herbst
Ich liebe den Herbst. Er ist so vielfältig.
Alle höre ich nur über den Herbst schimpfen, wie feucht und trist er sei. Dabei kann er auch bunt und erfreulich sein. Wenn mich jemand fragt warum ich gerade den Herbst mag und nicht den blumenreichen Frühling, den heißen Sommer oder den stillen Winter, so weiß ich nur eine Erklärung.
Es muss an ihm liegen.
Vor einem Jahr im Herbst lernte ich ihn kennen. An dem Tag war es neblig und jeder wirkte irgendwie niedergeschlagen. Ich sah ihn auf einer Bank in unserem Park sitzen. Keiner beachtete ihn. Er sah so verloren aus, so allein gelassen, als würde er schon ewig auf jemanden warten.
Nur meiner Neugier hatte ich es zu verdanken, dass ich ihn überhaupt ansprach. Er schien nicht überrascht zu sein, sondern redete freundlich mit mir. Ich erfuhr, dass er auf seine Schwester wartete, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hätte.
Während unseres Gespräches verschwand der dichte Nebel und die Sonne strahlte, wie seit langem nicht mehr. Es war komisch, je länger ich mit ihm sprach und er von seiner einsamen Atmosphäre verlor, desto schöner wurde der Tag. Ich war erstaunt wie schnell sich seine Gefühle ändern konnten, von traurig zu fröhlich, von allein zu gesellig, von schüchtern zu mutig. So verging die Zeit ohne , dass wir es merkten.
Als es spät wurde, musste ich nach hause und verabschiedete mich von ihm. Er würde weiter auf seine Schwester warten; sagte er und lächelte dabei. Es wehte ein warmer Wind, als ich ging.
Ich habe ihn nie wieder gesehen. Nirgendwo habe ich ihn mit seiner Schwester oder allein getroffen. doch der Herbst erinnert mich an ihn. Ich weiß nicht einmal seinen Namen und trotzdem ist er mir so vertraut. Wie der Herbst.
Ja, ich liebe den Herbst.
