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Zorro und die Agentin des Königs

von

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Fragen über Fragen

Es war inzwischen 18 Uhr und Isabella hatte sich zu einem abendlichen Ausritt aufgemacht. Sie wollte sich noch einmal in aller Ruhe alles durch den Kopf gehen lassen, das konnte sie am besten, wenn ihr der Wind um die Nase wehte. Sie war die Straße zur Stadt entlang geritten, bog nun aber ab in Richtung Küste. Der Weg führte einige Hügel hinauf und auf der anderen Seite die Dünen wieder hinunter. Vor ihr lag der Strand. Er war einige Kilometer lang und wurde zu beiden Seiten von hohen Klippen begrenzt. Es war ein sehr breiter, flach abfallender Sandstrand, ein leichter Wind blies und die Wellen schäumten sanft an Land. Die Sonne stand flach über dem Horizont, sie würde innerhalb der nächsten Stunde im Pazifik versinken. Diese Szenerie erinnerte sie sehr an ihre andalusische Heimat, auch hier gab es kilometerlange Sandstrände und den Sonnenuntergang im Meer. Trueno trabte gemächlich durch die Brandung und Isabella hatte Gelegenheit in Ruhe über alles nachzudenken.

Sie hatte Antonio angelogen, einen Plan hatte sie nicht, zumindest keinen, den er akzeptieren würde, es war vielmehr eine Idee. Sie wollte versuchen, Zorro für ihre Mission zu gewinnen. Raymond hatte vor, mit den Kanonen gegen die Rebellen kämpfen, diese mußten also ebenfalls ein Interesse daran haben, ihm die Kanonen wieder abzunehmen. Sie hoffte, daß die Rebellen stark genug waren, ihn zumindest so lange in Schach zu halten, bis Oberst de Cantella hier war. Allerdings mußte sie auch damit rechnen, daß sich die Rebellen dann doch gegen sie stellen würden.

Antonio hatte recht, sie zur Vorsicht zu mahnen, was die Armee betraf. Sie mußte davon ausgehen, daß Oberst Jekyll vielleicht nicht mehr der loyale Offizier war, den sie vor fast zehn Jahren auf der Akademie kennengelernt hatte. Dennoch war er gewiß nicht so dumm, gegen die königliche Garde zu kämpfen, zumindest da war sie sich sicher. Womöglich stellten sich dann doch einige Offiziere und Soldaten gegen die Verschwörer und sie könnten den Putsch so ohne Blutvergießen niederschlagen, sie hoffte es sehr.

Letzten Endes hatte sie den Plan, es zu versuchen. Antonio würde allerdings Gewißheiten wollen, die hatte sie nicht zu bieten. Sie mußte irgendwie versuchen Zorro für sich zu gewinnen ohne ihn einzuweihen, keine einfache Aufgabe. Was, wenn er bemerkte, was gespielt wird? Was wenn er dann nicht bereit wäre, für den König zu kämpfen?

Sie seufzte.

Es ergab sich ja auch noch ein grundsätzliches Problem, wie sollte sie die Rebellen finden oder gar Zorro? Und selbst wenn ihr das gelänge, wie sollte sie sie überzeugen, ohne sich zu verraten?

Sie konnte es drehen, wie sie wollte, wenn sie in San Tasco keine Verbündeten fand, stand ihre Mission auf der Kippe. Sie würden den Putsch auf jeden Fall niederschlagen, doch zu welchem Preis?

Diese Gedanken quälten sie, sie mußte sie irgendwie aus ihrem Kopf vertreiben.

Sie gab die Zügel frei und Trueno preschte durch die Brandung. Das Wasser peitschte unter seinen Hufen hoch und ihr Kleid durchnäßte immer mehr, doch das bewerkte sie nicht. Sie brauchten etwa zehn Minuten, bis sie die Felsen an der anderen Seite des Strandes erreichten. Sie bremste Trueno ab und lenkte ihn auf einem schmalen Pfad die Klippen hinauf.

Von hier oben bot sich ihr ein atemberaubender Ausblick.

Etwa zwei Kilometer vor ihr lag San Tasco, sie konnte den Hafen erkennen. Er lag in einer natürlichen Bucht, die von der Mole zusätzlichen Schutz erhielt. Die Klippen waren der perfekte Platz um die Geschehnisse am Pier zu beobachten, das erkannte sie sofort. Sie würde sich am Donnerstag hier auf die Lauer legen und das Entladen der Kanonen beobachten, etwas anderes konnte sie sowieso nicht tun.

Ihr Blick wanderte weiter. Hinter den Hafengebäuden begann die Stadt, die Abendsonne ließ die weiß getünchten Häuser orange-rot erstrahlen. Weiter im Osten lagen die grünen Wiesen und gelben Felder, die sie schon bei ihrer Ankunft gesehen hatte. Auch sie strahlten das warme Licht der untergehenden Sonne zurück.

"Was für ein zauberhafter Flecken Erde."

Sie war der einzige Mensch weit und breit, kein Wunder, über den Bergen im Nordosten hing bereits die Nacht. Das mahnte sie, ebenfalls langsam den Heimweg anzutreten.

Sie hatte sich entschieden. Sie würde es mit Zorro zu versuchen. In nicht einmal zwei Tagen sollte das Schiff in San Tasco ankommen, dann mußte sie ihn gefunden haben, dann mußte sie wissen, ob sie auf ihn zählen konnte.
 

Diego saß in seinem Zimmer und starrte auf die Taschenuhr. Vor ihm auf dem Tisch lag ein heraldisches Buch. Er hatte es bereits 3 mal durchgeblättert, doch das Wappen war nicht zu finden gewesen. Jetzt wollte er jedes Symbol des Wappens einzeln heraussuchen, vielleicht würde er ja so in Erfahrung bringen, um welche Familie es sich handelte.

Es klopfte.

"Diego, kann ich reinkommen?"

"Natürlich." Er hatte Bernard in die Stadt geschickt. Die Kirche hatte eine kleine Bibliothek, vielleicht gab es dort ja ein neueres Buch.

"In der Stadt hatten sie kein Wappenbuch, tut mir Leid Diego. Hast Du schon etwas herausbekommen?"

"Nein, das Wappen war nicht zu finden, aber vielleicht finde ich ja die restlichen Symbole."

"Hast Du es auch nicht übersehen? Ich denke, es stehen alle Wappen der spanischen Adeligen in diesem Buch?"

"Wenn Mitglieder der königlichen Familie heiraten, bekommen sie meistens einen neuen Titel und dementsprechend auch ein neues Wappen. Dieses Buch gehört meinem Vater und es ist schon fast 30 Jahre alt. Ich vermute mal, das Wappen ist neuer."

"Verstehe."

Diego hatte sich den ganzen Nachmittag den Kopf über die Ereignisse der letzten Tage zerbrochen und er blieb immer wieder bei ein und derselben Frage hängen: Warum kämpft ein Mitglied der königlichen Familie gegen die Armee?

Um diese Frage zu beantworten, mußte er zuerst in Erfahrung bringen, wer dieses Mädchen eigentlich war, dann konnte er vielleicht auch herausfinden, was sie hier wollte. Und so hoffte er, in dem Buch doch noch einen Hinweis auf die Besitzerin der Uhr zu finden.
 

In der Garnison saßen die meisten Soldaten beim Abendessen. Die einfachen Soldaten saßen in einem Großen Saal an langen Bänken, die Unteroffiziere hatten einzelne Tische am Rand des Saalbereichs, unterhalb des Offiziersbereichs. Dieser war um etwa zwei Meter erhöht und wurde von einem Geländer begrenzt.

"Das hättet ihr sehen sollen, der Junge ist flink wie ein Wiesel und hat den Schlag eines Boxers, so etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt!" Sergeant Gonzales saß an einem der Unteroffizierstische und erzählte von den Ereignissen des Nachmittags, während er Unmengen an Brot und Wurst in sich hinein stopfte. Das Duell vor der Taverne hatte sich inzwischen herumgesprochen und so lauschten 4 Sergeants den Worten von Gonzales. "Und als er dann gefochten hat, ich konnte es kaum glauben. Wenn ich nicht wüßte, daß der Junge erst seit zwei Tagen hier ist, ich würde darauf wetten, daß er Zorro ist."

"Aber Gonzales, hat er nicht mit ihrem Degen gefochten?"

Gonzales zuckte zusammen und sprach kleinlaut weiter.

"Ich kann doch nichts dafür, wenn mir die Gräfin plötzlich um den Hals fällt, was hätte ich denn machen sollen?"

"Na da wissen sie ja jetzt wenigstens, wie sie bei den Frauen landen können." Die Soldaten brachen in Gelächter aus. Gonzales, dem dieser Teil der Geschichte offensichtlich mehr als peinlich war, lief hoch rot an. Er hatte sich vor lauter Schreck an einem Stück Brot verschluckt und fing nun furchtbar an zu husten. Die Soldaten um ihn herum begannen noch mehr zu lachen, was Gonzales gänzlich aus der Fassung brachte.

Oberst Jekyll saß mit Lieutenant Placid an einem Offizierstisch, genau oberhalb von Gonzales und hatte die Geschichte mit angehört.

"Sie waren doch auch in der Stadt, Lieutenant, sagen Sie, wie alt würden sie den Jungen schätzen?"

"Auf das Alter habe ich nicht wirklich geachtet. Ich würde sagen, er dürfte fünfzehn oder sechzehn sein."

"Hm. Gonzales, Sie haben den Jungen doch länger gesehen, was meinen Sie, wie alt er ist?"

Gonzales hatte den Kampf mit dem Brot zwar inzwischen gewonnen, allerdings hatte er Tränen in den Augen und hustete immer noch.

"Ich schätze ihn auf etwa sechzehn, Sir"

"Sechzehn. Nicht älter?"

"Vielleicht siebzehn oder achtzehn aber älter ist er auf keinen Fall."

"Hm, achtzehn. Das ist zu jung." Jekyll hatte den Satz leise vor sich hin gemurmelt.

"Tut mir Leid Oberst, ich hab sie nicht verstanden, was meinten Sie?"

"Nichts weiter, Lieutenant. Ich habe noch etwas zu erledigen, bitte entschuldigen sie mich."

Er stand auf und ließ seinen halbvollen Teller zurück. Lieutenant Placid sah ihm irritiert nach.

Oberst Jekyll ging in den Keller eines Seitenflügels der Garnison. Er öffnete eine Tür und zündete eine Kerze an. Vor ihm lag ein langgestreckter Raum mit vielen Regalen voller Akten, sie reichten bis zur Decke. Er schritt die Gänge ab, blieb vor einem Regal stehen und nahm einen der Ordner heraus.

"Hm"

Er stellte die Kerze auf einen Tisch, setzte sich und begann zu lesen.
 

Es war 5 Uhr morgens. Isabella ritt zu dem Wald, wo sie zwei Abende zuvor Zorro und den Rebellen geholfen hatte. Sie hoffte, eine Spur zu finden, die sie zu ihnen führen konnte, obwohl die Chancen dazu doch ehr gering waren. Sie machte ihr Pferd dieses Mal nicht am Waldrand fest, sondern ritt bis zur Lichtung. Das war keine leichte Aufgabe, sie mußte im Slalom um die Bäume reiten und immer wieder tief hängenden Ästen und dichten Sträuchern ausweichen. Sie wollte sich möglichst unentdeckt im Wald bei der Höhle umsehen, deshalb wäre es am besten gewesen, noch bei Dunkelheit loszureiten. Um jedoch etwas sehen zu können, hatte sie bis zur Morgendämmerung warten müssen, jetzt hatte sie es eilig.

Die Lichtung war nach kurzer Zeit erreicht und sie band Trueno an einen Baum. Es war noch etwas dämmrig, den Eingang zur Höhle konnte sie trotzdem schon erkennen. Sie zündete sich eine Fackel an und ging hinein. Die Höhle war ziemlich eng, an der breitesten Stelle vielleicht zwei Meter, kaum zu glauben, daß sich hier so viele Menschen verkrochen hatten.

Auf dem Boden lagen einige Decken, feucht vom Morgentau klebten am steinigen Untergrund. In einer Nische entdeckte sie einige Krüge, die Meisten waren zerbrochen. In einer weiteren Nische lagen Kisten mit Äpfeln und Brot, es hatte bereits angefangen zu schimmeln. Außer einem Gewehr und ein paar leeren Kisten fand sich nichts weiter, kein Hinweis auf die Rebellen. Sie ging wieder hinaus ins Freie und schaute sich um. Der Felsen der Höhle mochte etwa sieben Meter hoch sein, vielleicht konnte sie von dort oben etwas entdecken. Sie versuchte an verschiedenen Stellen hinauf zu klettern, doch es wollte ihr nicht gelingen. Das Gestein war viel zu rutschig, sie fand einfach keinen Halt.

"Mist."

Wenn sie doch noch einen Hinweis auf die Rebellen finden wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als in die Richtung weiter zu reiten, in die sie mit den Familien an jenem Abend geflüchtet sind. Das war eine Entscheidung, die sie bald bereute. Der Wald wurde immer Dichter, sie mußte teilweise um zugewucherte Bereiche weit herumreiten, so daß es immer schwerer wurde, die Orientierung zu behalten. Sie beschloß, wieder zurückzureiten. Das Risiko, sich in diesem Dickicht zu verirren, war ihr dann doch zu groß. Als sie sich wieder aus dem Wald herausgekämpft hatte, stand die Sonne bereits über den Bergen. Sie hatte keine Uhr, doch ihr Gefühl sagte ihr, daß sie über eine Stunde durch den Wald geirrt sein mußte.

Sie ritt im leichten Trab die Straße in Richtung Stadt entlag. Nach etwa 2 Kilometern machte diese einen weiten Bogen und führte eine leichte Anhöhe hinauf. Von hier oben konnte sie Rauch am Horizont erkennen, irgendwo in Richtung der Stadt brannte es. Als sie ihre Hazienda fast erreicht hatte, stürmten einige Soldaten unter der Führung von Oberst Jekyll an ihr vorbei, dieser nickte ihr kurz zu.

"Die haben es aber eilig, was da wohl passiert ist?"

Nachdem sie Trueno auf die Weide gebracht hatte, zog sie sich um. Es war fast acht, in einer halben Stunde würde es Frühstück geben und für danach hatte sie Felipe in die Bibliothek bestellt. Sie war immer noch der Meinung, daß er sich nicht mit dem Soldaten hätte anlegen sollen. Im Laufe des vergangenen Tages war in ihr allerdings die Überzeugung gereift, wenn er sich schon mit jemandem duelliert, dann sollte er gefälligst auch gewinnen. Sie würde mit ihm Fechten üben, das machte sich in einem Kleid nicht all zu gut. Sie zog sich eine grüne Hose, schwarze Stiefel und eine weiße Bluse an und ging ins Eßzimmer. Antonio und Louisa saßen bereits am Tisch und tranken Tee, Felipe war noch nicht im Zimmer. Sie begrüßte die beiden, setzte sich an den Tisch und goß sich ebenfalls eine Tasse Tee ein.

"Sag mal, wo steckt eigentlich Felipe?"

"Ich vermute mal, der schläft noch. Ich habe ihm ausgerichtet, daß Du ihn nach dem Frühstück zu sprechen wünschst. Deinem Aufzug nach zu schließen, hast Du vor, ihm eine Fechtstunde geben. Hältst Du das für eine gute Idee, nach dem, was gestern passiert ist?"

"Er hat gefochten wie ein Anfänger! Ohne Beherrschung hat er seinem Gegner sämtliche Tricks offenbart und mit ihm so lange Katz und Maus gespielt, bis ihn selbst die Kräfte verlassen haben. Wenn er schon öffentlich gegen einen Soldaten kämpft, dann hat er sich zurück zu halten und nur das zu zeigen, was nötig ist, um seinen Gegner so schnell wie möglich zu entwaffnen. Das hat er nicht getan und deshalb werden wir es heute üben."

"Wie Du meinst. Ich möchte Dir trotzdem dazu raten, Dich möglichst bald wieder etwas weiblicher zu kleiden. Sollten wir Besuch bekommen, dürfte es schwer werden dem zu erklären, weshalb Du eine Hose trägst."
 

Diego war früh aufgestanden. Er hatte sehr spät in der Nacht ein Wappen gefunden, daß mehrere Symbole enthielt, die auch auf dem Wappen der Uhr zu finden waren. Laut Buch gehörte es der Grafenfamilie de Bonares, der Name sagte ihm nichts.

Er hatte sich deshalb einen Atlas aus der Bibliothek seines Vaters geholt und suchte nun verzweifelt nach einem Ort oder einer Gegend mit dem selben Namen. Es war manchmal so, daß der Herkunftsort und der Name übereinstimmten, vielleicht hatte er ja Glück und die Familie de Bonares war so ein Fall.

Es klopfte und Bernard kam ins Zimmer.

"Guten Morgen Diego, hast Du etwas gefunden?"

"Vielleicht. Ich will es gerade überprüfen."

"Weißt Du, ich habe mir überlegt, warum fragen wir nicht Isabella nach dem Wappen?"

"Isabella?"

"Ja. Ich meine sie ist doch eine Adelige, vielleicht kennt sie sich ja mit Wappen aus und kann uns sagen, wem es gehört."

Während Bernard das erzählte, hatte Diego eine Entdeckung gemacht.

,Das ist ja interessant.'

"Ich denke nicht, daß wir sie fragen sollten. Womöglich wäre es nicht gut, wenn irgend jemand weiß, daß der Besitzer des Wappens hier ist. Wir werden bestimmt auch so herausfinden, was es mit dieser Uhr auf sich hat." Er lächelte optimistisch zu Bernard hinüber und klappte den Atlas wieder zu.

Es war besser, wenn er Bernard noch nichts von seiner Entdeckung erzählte, es war einfach zu verwirrend. Er hatte jetzt zwar einen Hinweis, woher die Familie de Bonares stammte, trotzdem paßte noch lange nicht alles zusammen. Er würde noch weiter recherchieren müssen, denn das, was er herausgefunden hatte, war nicht sehr aufschlußreich.
 

Isabella stand in der Bibliothek und übte einige Angriffsschritte mit Degen um sich aufzuwärmen. Felipe würde in den nächsten Minuten zu ihr kommen. Sie hatte vor, ihm seine Grenzen aufzuzeigen. Einen Augenblick später klopfte es und Felipe trat ein. Er schaute etwas irritiert zu Isabella, die Fechtjacke und Fechtmaske trug.

"Schau nicht so entgeistert, zieh Dir lieber die Schutzkleidung über." Sie deute auf eine Fechtjacke und einen Fechtmaske, die auf einem Lesesessel lagen. Etwas zögernd ging Felipe darauf zu und zog sie sich über. Als er sich zu Isabella umdrehte, warf die ihm einen Degen zu.

"Ich dachte, ich soll nicht mehr fechten."

"Sollst Du auch nicht, aber falls Du es irgendwann einmal mußt, dann sollst Du keine so miserable Vorstellung abliefern, wie gestern."

"Wieso miserabel, ich hätte ihn fast besiegt!" Felipe fühlte sich zu tiefst gekränkt. Er war der festen Überzeugung, ausgezeichnet gekämpft zu haben.

"Du hast ihn aber nicht besiegt, im Gegenteil. Hätte Raymond das Duell nicht unterbrochen, dann hättest Du verloren."

Felipe zog eine Schnute, Isabella mußte grinsen. Er hätte ihn leicht besiegen können, wenn er effektiver gefochten hätte. Sie hielt es allerdings für besser, ihm das so nicht zu sagen.

"Dann beweis mir, daß Du es besser kannst!" Sie stellte sich auf, stemmte ihren linken Arm in die Hüfte und hielt ihm ihren Degen entgegen. Felipe stellte sich ebenfalls auf und sie begannen zu fechten. Felipe war vorsichtig. Er hielt sich zwar für einen hervorragenden Fechter, aber er wußte dennoch, daß er Isabella nicht gewachsen war. Ihr konnte er nichts vormachen, sie kannte alle seine Tricks, immerhin hatte sie sie ihm selbst beigebracht. Außerdem kannte sie noch eine ganze Menge Tricks mehr und er würde mit Sicherheit darauf hereinfallen. Das Berechnende lag ihm nicht, er konnte einfach nicht vorausschauend kämpfen. Antonio hatte sein Bestes versucht, um ihm den Scharfblick beizubringen, doch irgendwie hatte er einfach kein Gefühl dafür. Er konnte auch mit dem Schachspiel nichts anfangen und er wußte wie sehr seinen Großvater dieses mangelnde Verständnis für Logik ärgerte. Er führte seinen Degen sicher aber zurückhaltend und auch Isabella blieb passiv.

"Was ist mit Dir los, gestern hast Du Dich doch auch nicht zurück gehalten. Zeig mir was Du kannst!"

Isabella war die Ruhe selbst, sie parierte seine halbherzigen Versuche wie im Schlaf. Felipe blieb passiv. Sie wußte, daß er Respekt vor ihren Fechtkünsten hatte, sie mußte ihn irgendwie aus der Reserve locken, also begann das Tempo etwas zu erhöhen und setzte gelegentlich eine Finte. Felipe parierte die meisten davon, doch er fiel auch auf manche herein. Wenn sie gewollt hätte, wäre seinen Degen schon längst los. Es war ein Drama mit dem Jungen, bei ihr kämpfte er zu vorsichtig, bei einem fremden Gegner konnte er sich nicht zurückhalten.

"Eines solltest Du wissen, Du kommst heute erst hier raus, wenn Du mich entwaffnet hast."

"Wie bitte?!" Felipe sah sie entgeistert an. Das sie nutze aus, um ihm den Degen abzunehmen. Sie warf ihn zurück und sie fochten erneut.

"Ich will, daß Du alles gibst. Du sollst etwas lernen und das wird nichts, wenn Du hier nur herumhüpfst."

Es brauchte noch eine ganze Weile, bis Felipe auftaute, doch dann hatten sie das Tempo erreicht, bei dem es interessant wurde. Felipe war an diesem Morgen ernsthafter bei der Sache, als die Male zuvor, die Standpauke seinen Großvaters hatte anscheinend doch etwas genützt.
 

Es war fast Mittag und sie trainierten immer noch. Antonio hatte sich zwischenzeitlich verabschiedet, er wollte in die Stadt und noch ein paar Ermittlungen anstellen. Gegen 11:30 Uhr klopfte es und Louisa trat ins Zimmer.

"Verzeihen sie Seniorita, ein Oberst aus der Garnison wünscht sie zu sprechen."

"Was? So ein Mist! Bitte bring ihn in den Salon, ich werde mich so schnell wie möglich umziehen." Noch während sie das sagte, zog sie sich die Schutzkleidung aus und warf sie zu Felipe hinüber.

"Räum das bitte weg und zieh Dir ebenfalls die Fechtsachen aus. Es wäre nicht gut, wenn er uns so sieht."

Sie spähte aus der Tür und wartete bis Louisa hinter Oberst Jekyll die Tür schloß und ihr ein Zeichen gab. Anschließend schlich sie die Treppe hinauf, zog sich die Stiefel und die Bluse aus und streifte sich ihr rot-weißes Kleid über. Sie hoffte, daß ihre Hose darunter nicht auffallen würde und eilte die Treppe hinunter. Als sie den Salon betrat, stand der Oberst vor dem Kamin und betrachtete das Bild darüber. Es zeigte ein kleines, dunkelhaariges Mädchen mit einem rosafarbenen, rüschenverzierten Kleid. Es saß auf einem schwarzen Pferd, den Hintergrund bildete eine mediterrane Landschaft. Sie erschrak etwas, doch das verflog sofort wieder. Selbst wenn der Oberst auf die Idee kommen würde, daß sie dieses Mädchen war, er würde gewiß nicht erkennen, von wem dieses Bild gemalt wurde.

"Guten Tag Oberst, was kann ich für sie tun?" Sie trat auf ihn zu und lächelte. Der Oberst löste seinen Blick nur zögerlich von dem Gemälde, drehte sich dann allerdings doch um und begrüßte Isabella.

"Bitte verzeihen, Sie falls ich störe."

"Aber ich bitte sie, sie sind mir jederzeit willkommen."

Sie nahmen auf den Sofas platz, die im Halbkreis vor dem Kamin angeordnet waren.

"Ich habe dennoch nicht die Absicht, sie lange aufzuhalten. Es gibt da nur etwas, was ich gern mit ihnen besprochen hätte. Es betrifft ihren Stallburschen."

"Oh, nun, ich habe es bereits ihrem Lieutenant gesagt, der Vorfall gestern tut mir wirklich aufrichtig Leid. Er ist halt noch sehr unvernünftig und es ist nicht immer leicht, ihn zu bremsen." Sie schaute den Oberst mit einem gequälten Lächeln an. Der blickte nachdenklich auf den flachen Tisch vor ihnen und sprach weiter ohne auf ihre Worte einzugehen.

"Sagen sie, wie lange kennen Sie den Jungen schon?"

"Felipe? So etwa ein halbes Jahr." Das entsprach sogar der Wahrheit. Sie hatte Antonio nicht mehr gesehen, seit sie Madrid vor vier Jahren verlassen hatte, damals war sein Enkel noch ein Kind gewesen und lebte bei Antonios Sohn und dessen Frau in Barcelona.

"Und wie haben sie ihn kennengelernt, wenn ich fragen darf?"

Isabella wurde langsam stutzig. Wieso interessierte sich der Oberst so sehr für Felipe?

"Seine Eltern stehen in Spanien in den Diensten meines Notars. Er war der Meinung, daß es dem Jungen nicht schaden könnte, mal etwas von der Welt zu sehen."

"Verstehe."

"Darf ich erfahren, warum sie mich das alles fragen?"

"Bitte verzeihen Sie, das kann ich ihnen leider nicht sagen."

"Oberst, gibt es irgend etwas, was ich wissen sollte?" Sie wollte nicht so einfach klein bei geben.

"Nein, es ist wirklich nichts, machen sie sich bitte keine Gedanken. Sie sollten nur dafür sorgen, daß ihr Stallbursche in Zukunft keinen Ärger mehr macht."

"Das werde ich." Sie war mehr als verwirrt. Es hatte keinen Sinn, weiter nachzuhaken, der Oberst würde ihr doch nichts erzählen, das war klar. Dennoch machten sie diese Fragen mehr als nervös. Nachdem er sich verabschiedet hatte, setzte sie sich auf die Terrasse und beobachtete die Pferde. Antonio war noch nicht aus der Stadt zurück und Felipe hatte die Gelegenheit genutzt und sich aus dem Staub gemacht. Louisa würde bald das Mittagessen fertig haben, dann würde sicherlich auch Antonio wieder da sein. Sie mußte diesen Zwischenfall unbedingt mit ihm besprechen.
 

Etwa eine halbe Stunde später kam Antonio aus der Stadt zurück. Er setzte sich mit ernster Miene zu Isabella auf die Terrasse.

"Du schaust ja so besorgt aus, was ist denn passiert?"

"Du hattest doch heute morgen bei Deinem Ausritt Rauch gesehen." Sie hatte Antonio nicht erzählt, daß sie nach den Rebellen gesucht hatte.

"Ja, es sah aus, als kam es aus der Stadt."

"Es kam nicht aus der Stadt, es war ein Getreidelager der Südindischen Handelsgesellschaft etwas außerhalb. Die Rebellen haben es letzte Nacht geplündert und danach in Brand gesteckt."

"Ach so?"

"Ja und Raymond scheint jetzt ernst zu machen. Überall in der Stadt und im Umland wimmelt es von Soldaten, sie durchsuchen jede Scheune, jede Hütte, jeden Stall, jedes Haus und jeden Wagen und mit durchsuchen meine ich durchsuchen!"

"Dann sollten wir wohl besser einige Sachen in die Geheimkammer bringen."

"Das wollte ich Dir auch vorschlagen. Ich hoffe bloß, daß niemand sie findet. Du siehst aber auch nicht übermäßig glücklich aus, Isabella."

"Nun ja, ich hatte vorhin Besuch von Oberst Jekyll."

Antonio schreckte förmlich hoch, als sie das sagte. Er traute dem Oberst nicht. Die meisten Soldaten der Garnison waren nicht besonders helle und die, die es waren, hatten keinen Grund sie in irgendeiner Weise zu verdächtigen. Bei Oberst Jekyll war das anders, er kannte sie, auch wenn er sich daran bis jetzt offensichtlich nicht erinnern konnte. Außerdem unterstellte er dem Oberst eine gewisse kombinatorische Intelligenz, er machte sich Gedanken und das war für ihre Mission in höchstem Maße gefährlich.

"Hat er etwas über uns herausgefunden?"

"Tja, wenn ich das wüßte. Er hat mich über Felipe ausgefragt."

"Über Felipe?"

"Er wollte wissen wie lange ich ihn schon kenne und woher."

"Hat er auch gesagt, warum er das wissen will?"

"Nein, das ist es ja. Er meinte nur, ich solle dafür sorgen, daß er keinen Ärger mehr macht."

"Hm. Ich denke, Felipe sollte sich ab sofort lieber auf dem Grundstück aufhalten, zumindest bis wir wissen, was der Oberst von ihm will. Wo steckt er eigentlich?"

"Er hat sich abgesetzt, als ich Jekyll empfangen habe. Zum Essen wird aber bestimmt wieder hier auftauchen."

"Als ob wir nicht schon genug Probleme hätten. Ich werde dafür sorgen, daß er sich in Zukunft als Soldat sieht und nicht als Abenteurer." Antonio stand ärgerlich auf und ging ins Haus. Isabella beobachtete noch eine Weile die Pferde auf der Weide. Die Armee suchte also in der ganzen Gegend nach den Rebellen, das war nicht gut. So würde es noch schwerer werden, sie zu finden. Am nächsten Tag sollte das Schiff mit den Kanonen in San Tasco eintreffen und ihr lief unaufhaltsam die Zeit davon.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2008-04-13T10:49:29+00:00 13.04.2008 12:49
deine geschichte is echt net schlecht, gefällt mir sehr gut!!
ich hoffe du schreibst bald weiter (vielleicht könntest du mir eine ens schicken , wenn das nächste kapi raus is, währe echt nett ;p)
freue mich schon auf die nächsten kapis
liebe grüße
kathi ^.~
Von: abgemeldet
2007-01-25T18:58:42+00:00 25.01.2007 19:58
Solange kein Update? Ich würde mich sehr über eine Fortsetzung freuen, vor allem da mir die Protagonistin gut gefällt.
Von: abgemeldet
2005-11-02T17:51:44+00:00 02.11.2005 18:51
Das Kapitel ist spannend geschrieben und flüssig zu lesen.
Die Charaktere wirken kein bißchen OOC. Schreib recht bald weiter.

MFG
Allix Ayndra
Von: abgemeldet
2005-10-24T14:54:54+00:00 24.10.2005 16:54
Hi!
Weiter so! Freu mich schon auf das nächste Kapitel!

Bye,
Chichi86


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