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Der letzte erste Donnerstag

von

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Montag 9. Oktober 2111

Die Übungen die Damien mir gegeben hat, sind nicht besonders schwer. Wenn ich in meinen erfolglosen Psi-Übungsstunden etwas gelernt habe, dann Konzentration und Visualisierung. Und im wesentlichen geht es darum, sich eine Barriere vorzustellen. Ich wählte ein grosses schweres Tor an das ich viele Ketten mit schweren Schlössern hängte.

Ich habe das Bild genau im Kopf, kann es in Sekundenbruchteilen erscheinen lassen. Die Frage ist, funktioniert es auch in der Praxis. Ich bräuchte jemanden, der mit mir übt. Aber ausser Damien weiss ich keinen. Und ich traue mich nicht, Damien zu bitten.
 

Der Morgen begann mir einer Rede des neuen Generals. Diesmal nur vor den Schülern. Aquila ist ein Showmensch, er genoss die Aufmerksamkeit. Mir bereitete sein selbstzufriedenes Grinsen eher Übelkeit. Auch wenn er es nicht direkt aussprach, machte er klar, dass er von jetzt an einen härteren Kurs fahren würde. Und damit sprach er indirekte Kritik an Hochwürden Michelangelo aus.

„Ich werde den Brauch, Bestleistungen mit einer Einladung zum Abendessen auszuzeichnen, beibehalten. Und wirklich nur Bestleistungen. Also strengt euch an.“ Ich hatte den Eindruck, dass sich bei dieser Ankündigung alle in meine Richtung umdrehten. Au jeden Fall mussten alle an mich denken. Als ob ich die Einladungen selbst ausgesprochen hätte.

Ich bin sowieso kein bisschen traurig, dass das jetzt vorbei ist. Einen Abend neben Aquila sitzen und sich sein selbstherrliches Geplauder anhören, dürfte eher eine Folter als eine Belohnung sein. Selbst wenn Damien dabei wäre.

„Aber es wird sich auch einiges ändern. Ich habe beschlossen, den Orden etwas zu öffnen. Die Leute sollen wissen, was wir leisten. Sie sollen wissen, dass wir sie beschützen, denn das tun wir.“ Kunstpause. Applaus.

„Nun ist es aus Sicherheitsgründen nicht möglich, dass Aussenstehende den Orden besuchen. Also werden wir zu ihnen gehen. Während der Adventszeit werdet ihr alle an Projekten in ganz Rom teilnehmen. Wie diese aussehen werden, bestimmen eure Klassenlehrer. Wichtig ist einzig und allein den Leuten zu zeigen, dass wir für sie da sind. Dass wir sie beschützen.“ Wieder Applaus.

Ich fragte mich, was er sich vorstellte. Öffentlich Dämonen verschiessen? Das wäre sein Stil. Aber selbst Aquila ist nicht so unvorsichtig. Die Gefahr einen Zivilisten zu verletzen wäre zu gross. Und als er weiter sprach, zeigte sich, dass er eher an gemeinnützige Arbeit dachte. Gute Publicity, auch wenn das Wort nie fiel.

„Die zweite Neuerung wird etwas besonderes, aber dazu informiere ich euch erst, wenn alles geregelt ist.“ Und sogar ich war neugierig, was noch kommen würde. Schliesslich entliess er uns, nicht ohne noch mal zu betonen, dass er Höchstleistungen erwartete.
 

Trotzdem verlief der Unterricht wie gewohnt. Bis zur Italienischstunde am Nachmittag. Sig. Martinez, klärte uns, in seiner Funktion als Klassenlehrer, über die Details der Adventsaktion auf.

„Unsere Einsätze finden jeweils an den Adventssonntagen statt. Da ihr im letzten Jahr seid, darf deswegen der Unterricht nicht ausfallen. Überlegt euch ein soziales Projekt, das ihr umsetzen möchtet. Benachteiligten Kinder eine Freude bereiten oder so. Ich gebe euch eine Woche Zeit, dann will ich wissen, was ihr machen wollt und werde beurteilen, was möglich ist.

Also, fünf Minuten um Dreiergruppen zu bilden, danach will ich den Unterricht fortsetzen.“

Ich hasse Gruppenarbeiten. Und bei neunzehn Schüler bleibt bei Dreiergruppen immer jemand übrig. Ich.

Ich startete den halbherzigen versuch, sah mich um, ob jemand Interesse hätte, doch sie wichen meinen Blicken aus. Sig. Ramirez notierte sich die Namen und fragte dann ungeduldig: „Wer ist noch allein?“

Ich hob langsam die Hand. Es war nicht nötig, alle sahen mich an. Beziehungsweise gleich wieder weg, als Sig. Ramirez fragte, welche Gruppe mich aufnehmen wolle. Plötzlich versuchten alle, möglichst unauffällig zu sein und ich wäre am liebsten nicht da gewesen. Gern hätte vorgeschlagen, ich würde einfach nicht mitmachen. Doch das war natürlich unmöglich.

„Na gut, Maria, wem willst du dich anschliessen?“ machte Sig. Ramirez die Situation noch schlimmer. Wieso konnte nicht einfach er entscheiden? Jede Gruppe würde mich dafür hassen, dass ich mich ihnen aufdrängte. Ramirez sah mich an, trommelte ungeduldig mit den Finger auf dem Tisch. Ich war überfordert, wusste nicht was antworten. Versuchte abzuwägen, welche Taktik am besten funktionieren würde. Eine Gruppe wählen und mich dann aus allem raus halten. Oder ihnen anbieten, die Drecksarbeit zu machen.

Ausgerechnet Nathalie rettete mich. „Sie macht bei uns mit,“ bestimmte sie und ich hörte ihre Freundinnen wütend zischen.

„Danke“ murmelte ich. Sie zwinkerte mir zu. Was hatte sie vor?

Nathalie als Klassenbeste war lange an vorderster Front, wenn es darum ging mich zu mobben. Sie zeige mir gern, wie wenig ich taugte. Dass ich Hochwürden Michelangelos Einladungen nicht verdiente. Aufgehört hatte es, nachdem sie mit Damien zusammen kam. Sein Einfluss? Oder hatte sie einfach keinen Grund mehr, auf mich eifersüchtig zu sein? Ich weiss es nicht. Ich nahm die Veränderung dankbar und ohne zu hinterfragen hin.

Sig. Ramirez setzte den Unterricht gnadenlos fort und rief mich auf. Ich hatte keine Zeit weiter zu grübeln und versuchte verzweifelt, zu erraten, welche Antwort er gerade hören wollte.
 

Nach dem Unterricht liess ich mir Zeit, das unterrichtsprotokall zu speichern und den Bildschirm herunterzfahren. Ich wollte Nathalie fragen, wie es mit der Gruppenarbeit laufen sollte. Ihre Freundinnen gaben sich nicht die Mühe ihren Unmut vor mir zu verheimlichen, als ich schliesslich auf sie zu ging.

„Ähm, wegen der Gruppenarbeit“ begann ich, ohne dass ich wusste, was ich sagen wollte. „Sagt mir einfach, was ich tun soll, und ich halte mich aus dem Rest raus.“ Das schien mir der einfachste Weg.

„Gut“, antwortete Nathalie ging. Milla warf mir einen bösen blick zu, bevor sie ihr folgte. Saöome ignorierte mich einfach. Ich folge mit etwas Abstand und war kein bisschen schlauer als vorher.
 

Bis Unterrichtsschluss beachteten sie mich nicht mehr. Und danach machte ich mich sofort auf zur Bibliothek. Ich brachte Ruhe, Zeit für mich und mein Tagebuch.

Aber anstelle der leeren Bibliothek fand ich Damien. Vor dem Esoterikregal. „Sucht er nach dem Buch?“ Fragte ich mich. Für einen Moment blitzte das Bild des Tores in meinem Kopf auf. Die Schlösser sprangen auf. Mir wurde klar, dass Damien gerade dabei war, zu meinen Gedanken vorzudringen.

„Richtig, und ich bin nur hier, um das Verwirrspiel noch ein bisschen weiter zu treiben.“ Erklärte Damien und zeigte einen leeren Papierzettel. Dann begann er einen Zauber zu murmeln und ich bemühte mich das Tor zu schliessen.

Der Zettel in Damiens Hand verschwand. Er nahm einige Bücher aus dem Regal. Platzierte den, inzwischen unsichtbaren, Zettel auf dem Tablar, und stellte die Bücher wieder hin. Er sprach einen weiteren Zauber. Damien ist so gut, dass er keine Gesten mehr braucht. Das ist so viel cooler als die herumfuchtelnden und rufenden Anfänger.

Dann wandte er sich wieder mir zu. „Du merkst also schon, wenn jemand in deinen Kopf eindringt. Gut, jetzt musst du nur noch dafür Sorgen, das Aquila nichts von dem hier sieht.“ er deutete wage auf das Regal.

„Ich habe deine Übungen gemacht, aber es hat nicht geholfen. Oder? Und gegen Aquila habe ich bestimmt auch keine Chance.“ Nicht dass ich wirklich erwartete, dass ich mich so schnell schützen konnte.

Als Antwort sah ich das Tor erneut aufspringen. Damien beobachtete mich von oben herab.

„Wenn du die Technik beherrschst, ist es nur noch eine Frage des Willens. Stell dir einfach vor, welche Peinlichkeiten ich noch finden könnte.“

Damit hatte er mich, panisch liess ich das Tor zuschlagen. Als ich die Augen wieder öffnete, grinste Damien.

Dann näherten sich Schritte. Ich drehte mich um, Nathalie bog um das Regal. „Damien!“ Rief sie erfreut und warf sich ihm um den Hals. Sie küssten sich und ich beschloss, dass es an der Zeit war, zu verschwinden. Aber Nathalie rief mich zurück.

„Maria! Eigentlich kam ich wegen dir.“ Ich drehte mich um. „Wir treffen uns um sieben Uhr in unserem Zimmer um die Gruppenarbeit zu besprechen.“

Ich versuchte, mich auszuladen, aber Nathalie gab mir keine Chance.

„Du musst kommen. Mach dir keine Sorgen wegen Milla und Salome, ich habe ihnen schon erklärt, dass du mitmachen wirst.“ Ich war mir nicht sicher, ob sie es ernst meinte oder ob sie bloss versuchte, vor Damien Eindruck zu schinden.

„Ok“ meinte ich und wandte mich zum gehen.

„Bis sieben Uhr“ rief sie mir nach.
 

Fortsetzung: Um punkt sieben stand ich vor Nathalies Zimmer. Ich hatte das Abendessen damit verbracht, mir irgendwelche Horrorszenarien auszumalen. Es stellte sich heraus, dass ich mir umsonst Sorgen gemacht hatte.

Es war das erste mal, dass ich das Zimmer betrat. Wie überall sonst standen vier Betten an den Wänden, daneben die wandhohen Schränke, je nach Vorliebe dekoriert. Über einem der Betten hängte ein Foto von Damien, das musste Nathalies Ecke sein.

Die Mädchen sassen in der Mitte des Zimmers, über den Bildschirm auf der Tischplatte gebeugt. Milla hob den Kopf, als ich die Tür hinter mir schloss.

„Da bist du ja. Wie haben beschlossen, dass wir einen Selbstverteidigungskurs für Mädchen machen. Du wirst die Schlagpuppe spielen“ Sie sah aus, als wollte sie gleich los lachen. Ich fand die Idee weniger witzig. Die anderen beiden begannen zu kichern und ich war drauf und dran, wieder zu gehen. Dann brach Nathalie in Lachen aus und rief mir etwas wie „warte“ zu.

Ich blieb stehen. Was würde als nächstes kommen?

„Das war ein Witz“, erklärte Nathalie, als sie sich wieder gefasst hatte. „Sorry, du hättest dein Gesicht sehen müssen. Und das war auch der letzte auf deine Kosten für heute.“

Am liebsten hätte ich ihnen erklärt, dass ich allen Grund hatte, nicht an einen Witz zu glauben. Aber ich wollte sie nicht auf die Idee bringen, es doch ernst zu nehmen.

„Komm, setz dich“, Nathalie lächelte mir zu. „Keine Angst, wir beissen nicht. Noch wissen wir nicht, was wir machen. Hast du einen Vorschlag?“

Natürlich hatte ich keine Idee, ich hatte noch nicht einmal darüber nachgedacht. Ich schüttelte den Kopf und setzte mich auf den freien Stuhl. Aber sie sahen mich erwartungsvoll an.

„Na ja“, begann ich, als die Stille unerträglich wurde, „etwas für Strassenkinder tun, klang nicht schlecht. Vielleicht könnten wir ihnen eine warme Mahlzeit servieren und die Weihnachtsgeschichte erzählen.“

„Eine Geschichte erzählen? Wer würde da zuhören?“ Fragte Milla, nicht abwertend sondern einfach als Frage.

„Etwas spannender müsste es schon sein.“ Stimmte Salome zu. „Wie wär's mit magischen Illusionen?“

„Das fänden die Kinder bestimmt toll“, stimmte ich zu.

„3D Projektionen sind inzwischen besser und spektakulärer als Magie. Ich will etwas besonderes machen. Aquila geht es doch um Publicity, oder? Wie brachen etwas, das auffällt. Als Engel verkleidet durch die Stadt schweben oder ein Eispalast, oder wir heilen Kranke“, fantasierte Nathalie begeistert.

„Sind deine Ideen nicht etwas blasphemisch?“ Fragte Salome grinsend.

„Das waren doch nur Beispiele in welche Richtung ich gehen möchte. Uns wird schon was angemessenes einfallen. Mal sehen, was haben wir zu bieten? Ich Magie, Salome auch Magie, Milla Phyrokinese, Maria?“ Sie sah mich fragend an.

„Telekinese, rein theoretisch jedenfalls, rechnet besser nicht damit“, erklärte ich.

„Ok, es muss ja keine übernatürliche Fähigkeit sein. Worin bist du sonst noch gut?“

„Ich weisse es nicht“, gab ich zu.

„Quatsch,“ meinte Nathalie, „jeder hat ein Talent, etwas was er besonders gut kann. Was machst du gern?“

„Lesen?“ Antwortete ich nach einigem zögern. Das war keine Fähigkeit die mit einem Talent zusammenhing.

„Eben, du kennst bestimmt viele Geschichten, oder weisst viel. Irgendwas was wir klauen können?“ Nathalie hatte einen Stift genommen und begann Stichwörter auf den Bildschirm zu notieren. Ich durchsuchte mein Gedächtniss, fand aber keine Szene, die auf unser Vorhaben gepasst hätte.

Die anderen begannen Ideen einzuwerfen und zu diskutieren, Nathalie ordnete sie in Stichwörter an und schliesslich beteiligte ich mich der allgemeinen Suche. Eine Stunde später hatten wir uns noch nicht entschieden, einige Möglichkeiten gesammelt. Dabei beliessen wir es.
 

Ich kann es noch immer nicht recht glauben, wie locker alles lief. Wieso auch immer, Nathalie und ihre Freundinnen haben mich einfach in ihrer Runde aufgenommen. Und natürlich finde ich tausend Gründe, wieso es so ist. Und keiner davon ist positiv. Aber ich will mir den Abend nicht damit verderben, dass ich mir alles mies rede.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nisichan
2011-03-20T14:36:08+00:00 20.03.2011 15:36
Na sowas, auf einmal sind sie nett zu ihr? O_o Das kommt mir irgendwie suspekt vor. Hat Damien was damit zu tun? Okay, ich werde es sicher bald erfahren.


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