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Der letzte erste Donnerstag

von

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Mittwoch 11. Oktober 2111

Ich hasse Aquila. Er ist machtbesessen und überheblich. Heute hat er mich nach dem Unterricht zu sich zitiert. Ich hatte ja schon damit gerechnet, das es dazu kommen würde. Aber nicht so!

Erst verbrachte er gefühlte Stunden damit, auf meinen schlechten Noten herumzuhacken. Gut, die sind wirklich schlecht, aber um mir das zu vermitteln hätte ein Satz gereicht. Oder eine Andeutung, ich weiss es schliesslich selbst.

Aber dann meinte er: „Du bist eine Zumutung, kurz vor Abschluss deiner Offiziersausbildung darfst du keine so gravierenden Lücken mehr aufweisen. Jede Truppe die ich mit dir losschicken würde, wäre dem Tod geweiht.“ Nicht dass ich mich darauf freue, eine Truppe zu befehligen. Aber wie will er das beurteilen? Wenn es drauf ankommt, werde ich mich eben anstrengen.

„Du magst vielleicht hoffen, zur Soldatin degradiert zu werden, um dich deiner Verantwortung zu entziehen. Aber deine sportlichen Leistungen lassen ebenso sehr zu wünschen übrig.“

Eigentlich will ich überhaupt nicht kämpfen, weder als Offizierin noch als Soldatin. Daher war die Überlegung für mich neu. Auf jeden Fall klang „der Verantwortung entziehen“ unglaublich verlockend. Immer noch, obwohl ich natürlich weiss, dass das nicht so einfach geht.

Das machte mir Aquila auch unmissverständlich klar:„Oder hoffst du, aus dem Orden austreten zu können, wenn du durch die Prüfungen rasselst? Ich verrate dir was, deine Ausbildung hat den Orden viel gekostet. So einfach kommst du nicht davon. Und dir sollte klar sein, dass obwohl du deine telekinetischen Fähigkeiten nicht im Griff hast, sie bestätigt sind. Und damit würde dich das Verlassen des Ordens zu unserem Gegner machen. Und du weisst, wie wir mit Dämonen umspringen.“

Ich hatte den Eindruck, er könne es kaum erwarten, mich zu jagen. Natürlich sagte ich nichts, ich war viel zu eingeschüchtert und jede Verteidigung hätte das Gespräch nur unnötig in die Länge gezogen.

„Michelangelo mag dich bevorzugt haben“, begann er und der Moment, den ich schon die ganze Zeit gefürchtet hatte, trat ein. Er versuchte in meinen Kopf einzudringen. Ich hielt stand, konzentrierte mich darauf, das Tor geschlossen zu halten und kriegte nicht mehr mit, was er erzählte. Ich hatte die Augen geschlossen, um besser am Bild festhalten zu können. Ich sah seine Hand nicht, als er nach meiner Griff. Ich zuckte zurück, als ich sie spürte, aber er hielt fest.

Er nutzte meine Überraschung und die Schlösser sprangen auf. Es ging zu schnell. Ich fing mich wieder, aber die Schrecksekunde hatte mich viel gekostet. Ich hielt mit aller Kraft die Torflügel zusammen.Ich wollte ihn nicht in meinen Kopf lassen. Auf keinen Fall. Aber ich hatte keine Chance, das Tor brach in Flammen aus und zerfiel zu Asche. Und da war nichts mehr um ihn aufzuhalten.

Nach dem ersten Panikmoment versuchte ich, ihn loszuwerden, wusste aber nicht wie. Also beschränkte ich mich darauf, wenigstens nichts verdächtiges zu denken. Ich begann zu zählen um ihn und mich abzulenken.
 

Als er endlich meine Hand losliess, lächelte er zufrieden. Ich verbarg meine Hände sofort hinter meinem Rücken und vermied jeden Blickkontakt.

„Damien versucht also sein eigenes Spiel zu spielen? Und ich dachte, er wäre neutral“

Ich antwortete nicht, starrte vor mir auf den Boden und schämte mich. Damien hatte mich gewarnt, und ich konnte es trotzdem nicht verhindern. Es half nichts, mir zu sagen, dass ich kaum eine Woche geübt hatte. Es war zu spät. Ich fühlte mich hilflos und hasste mich dafür. Ich hätte Aqiula gern geschlagen oder angeschrien, aber dazu fehlte mir der Mut. Vielleicht war auch noch ein bisschen Verstand übrig, der mich davon abhielt, das Ganze noch schlimmer zu machen.

„Also, wenn Michelangelo nicht mal Damien vertraut, wieso gibt er dir eine solch wichtige Nachricht? Das war ziemlich naiv von ihm. Damien ist es ein leichtes, dich um den Finger zu wickeln. Wieso sollte er sich sonst noch um dich kümmern. Ich frage mich bloss, welches Puzzleteil das Rätsel mit der Nummer lösen wird. Also, wenn du es herausfindest, überleg dir, wem du es erzählen willst. Ich könnte da vielleicht etwas für dich tun.“ Aquila sprach ruhig und deutlich und jedes seiner Worte war wie ein Stich. Mich ärgerte nicht nur, dass er dachte, er könne mich bestechen. Viel schmerzlicher war die Wahrheit die in seiner Aussage steckte.

Ich hielt die Tränen zurück, die schon lange in meinen Augen brannten und wollte nur noch gehen. Raus aus dem Büro und diesem Leben. Aquila nie mehr sehen. Den Orden und all die schlechten Erinnerungen hinter mir zurücklassen.

„Du bist immer noch hier?“ Fragte Aquila nach einiger Zeit. Ich hatte weiter auf den Boden gestarrt und nicht gemerkt, dass er sich weggedreht hatte um mir zu zeigen, dass ich gehen konnte.

Ich entschuldigte mich hastig und lief aus dem Büro. Raus. Ich eilte dem Flur entlang. Damien und Nathalie kamen mir entgegen, ich machte einen Bogen, lief weiter. Ich glaube ich weinte.
 

Ich fand mich auf dem Trainingsgelände wieder. Auf DEM Trainingsgelände. In der Mitte ist ein Kreuz zum Andenken errichtet. Oder als Warnung. Im Sommer war ich oft hier. Die Kinder trainierten nur Tagsüber und für die normalen Soldaten ist der Platz zu klein. Am Abend ist es genauso ruhig wie in der Bibliothek.

Aber heute war es vor allem kalt. Unentschlossen stand ich vor dem Kreuz bis ich mich schliesslich wie gewohnt auf dem Sockel niederliess. Ich war planlos aus dem Gebäude gelaufen und hatte nicht mal eine Jacke. Also zog ich die Beine eng an den Körper, um wenigstens dass bisschen Wärme, das mir blieb zu erhalten. Ich liess den Kopf auf die Knie sinken und überliess mich meinen Tränen.

Vielleicht hätte ich damals einfach mit den anderen Kinder sterben sollen. Dann wäre ich nie in diese Situation geraten.
 

Wie waren die übliche Gruppe, der Anführer erklärte uns die Aufgabe. Wir sollten uns an taktisch wichtigen Positionen verstecken und nach einem unbekannten Feind Ausschau halten. Immer wenn er es befahl, sollten wir die Plätze tauschen. Das war nicht neu, wir übten das öfters. Ab und zu kam ein Erwachsener in schwarzer Verhüllung um zu sehen, ob wir aufmerksam waren.

Aber an dem Tag waren wir noch nicht mal auf unseren Plätzen als die verletzte Frau kam. Sie war angeschossen worden und blutete aus einer Wunde im Bauch.

Damien war der einzige, der dachte, sie gehöre zur Übung. Der Anführer widersprach natürlich und Rahel machte sich daran, die Wunde zu untersuchen. Im Hauptbunker hatte es einen kleinen Erste Hilfe-Kasten, doch der würde nicht ausreichen. Ich meldet mich sofort, als Rahel sagte, jemand sollte Hilfe holen. Damien bestand darauf, mitzukommen. Um die Erwachsenen zu informieren, wie er mir erklärte, als wir ausser Hörweite waren.

Damals kam mir das Gelände noch riesig vor. Es dauerte lange, bis wir zum Zaun kamen. Und dann war da plötzlich diese Hitze, das Donnern und die fliegenden Bettonbrocken.

Wenn ich wenigstens noch wüsste, wie ich uns geschützt habe. Selbst das hätte mein Leben seither einfacher gemacht.

Hätte ich nicht gesehen, dass Damien noch erstaunter war als ich und wären nicht seine neugierigen, immer wiederkehrenden, Fragen gewesen, würde ich glauben, dass es sein Werk war. Aber Magie braucht Zeit, die wir nicht hatten.
 

Ich fror, meine Ärmel waren Nass von den Tränen und meine Hände hatten kaum noch Gefühl, trotzdem blieb ich sitzen. Ich fragte mich, ob es kalt genug sei, um zu erfrieren. Das war es natürlich nicht, aber ich hatte ich nicht wirklich vor zu sterben.

Als mein BiT klingelte verstand ich erst nicht, was los war. Der Orden schreib Nachrichten und ausserhalb des Ordens kennt niemand meine Nummer. Ich spielte mit dem Gedanken, den Anruf zu ignorieren, drückte schliesslich doch auf empfangen.

Es war Nathalie. „Maria, wo bist du?“

„Auf dem kleinen Trainingsplatz“, antwortete ich überrascht. Langsam dämmerte mir, dass wir heute eine weitere Gruppenbesprechung abgemacht hatten.

„Was hast du dort verloren?“ Ich zögerte mit der Antwort, es war kompliziert. Aber Nathalie wollte es gar nicht wissen. „Komm sofort in unser Zimmer, wir warten.“

Ich zögerte wieder. Ich wollte fragen, ob ich wirklich dabei sein müsse. Ich fühlte mich nicht in der Lage entspannt zu diskutieren. Aber Nathalie liess mir keine Wahl. „Beeil dich!“befahl sie und hängte auf.

Ich überlegte einen Moment, ob ich einfach bleiben sollte, aber es kalt. Und irgendwie freute es mich ja auch, dass Nathalie angerufen hatte, weil ich nicht da war. Sie hätten locker ohne mich diskutieren oder sich genüsslich über mein wegbleiben unterhalten können. Also ging ich mit steifen Beinen in den Orden zurück.
 

Sie warteten am Tisch. Diesmal standen ein Krug Kaffee und Keksen darauf. Unnötigerweise knurrte mein Magen und erinnerte mich daran, dass ich schon wieder das Abendessen verpasst hatte. Blicke folgten mir von der Tür bis zu meinem Stuhl, ich wich ihnen aus, setzte mich und rieb mir verlegen die kalten Hände.

„Jetzt wo sie da ist, kannst du es endlich sagen“, begann Milla.

Und Salome erklärte: „Sie hat eine Idee.“

„Wenn ihr mich zu Wort kommen lasst“, begann Nathalie und wartete, bis auch ich sie ansah. „Wir schenken jeden Sonntag einem Waisenhaus einen Schutzengel.“

Ich starrte sie an. Wir starrten sie alle an.

„Wie willst du das anstellen?“ „Einen Schutzengel?“ „Wie willst du einen beschwören, das ist ein aufwändiges Ritual.“ „Das braucht enorme Energie!“ „Ich weiss schon, wir tun nur als ob.“ redeten Milla und Salome durcheinander. Sie sprachen aus, was ich dachte.

„Was denkt ihr denn. Auf jeden Fall einen echten“, unterbrach Nathalie sie empört. „Es ist spektakulär, hilft den Kinder und stärkt ihren Glauben. Wir sind zwei Magierinnen, haben zwei unterstützende Eingeweihte und wir haben die Kinder. Wenn alle mithelfen, ist es möglich, das Ritual innerhalb einer Stunde durchzuführen“, erklärte Nathalie liess sich durch kein geäussertes Bedenken irritieren. Sie hatte tatsächlich an alles gedacht.

„Wenn man nur will, gibt es immer einen weg. Erstens suchen wir uns christliche Waisenhäuser aus. Am besten welche von Klostern, die auf geweihtem Boden oder in der Nähe davon stehen. Dann optimieren wir die Beschwörungsformel auf die Teilnehmenden. Und natürlich arbeiten wir mit einem Beschwörungszirkel. Maria wird sich eine Geschichte ausdenken, die wir den Kinder erzählen, damit sie mit voller Energie dabei sind. Wichtig ist, dass sie an das Ergebnis glauben, dann nehmen sie uns viel Arbeit ab.“

Während ich mich freute, dass sie mir tatsächlich eine wichtige Aufgabe geschaffen hatte, redeten Milla und Salome auf Nathalie ein. Aber es dauerte nicht lange, bis alle einverstanden waren.

Als letzte Hürde bleibt Sig. Ramirez Einverständniss.
 

Jetzt sollte ich wirklich schlafen. Ich habe halb unter der Bettdecke getippt. Diese Advendsaktion hat mir den Tag gerettet.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nisichan
2011-03-20T14:52:39+00:00 20.03.2011 15:52
Ein Schutzengel? Hm, klingt spannend. Bin mal gespannt wie sie das machen.


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