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Bloody Twins

von

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Desmond Immer noch liege ich wie versteinert auf meinem Bett. An Schlaf ist nicht zu denken. Zu groß ist der Schmerz in meinem Inneren. Wieso nur haben sie mir das angetan? Ich begreife es einfach nicht.

Weitere Tränen verlassen meine Augen, bis ich schließlich vollkommen erschöpft in einen, glücklicherweise traumlosen, Schlaf falle.
 

Am nächsten Morgen werde ich schon früh von einem der Wächter geweckt. "Aufstehen!", herrscht er mich an, "Du wirst nun in eine andere Zelle verlegt!"

Andere Zelle? Wieso denn das? Vielleicht war das hier ja nur eine Übergangszelle... hoffentlich komme ich nicht zu meinen Peinigern von letzter Nacht...

Rasch schnappe ich meine Sachen und folge dem Wärter, welche mich zu einer Zelle einige Flure weiter führt.

Ich habe die Tür zur neuen Zelle gerade erst passiert, als diese auch schon wieder geschlossen wird.

"Hey", erklingt es von einem der Betten und ich fahre herum. Dort liegt ein Vampir. Vielleicht ein paar Jahre älter als ich.

"Hey...", antworte ich schließlich und mustere ihn skeptisch. Sollte es wirklich sein, dass es hier Leute gibt, die mir nichts antun wollen? Abwarten.

Langsam lasse ich mich auf meinem Bett nieder und ein brennender Schmerz schießt durch meinen Körper. Schmerzerfüllt zucke ich zusammen, bemühe mich aber, meine Schmerzen nicht zu deutlich zu zeigen. Immerhin weiß ich nicht, ob ich ihm vertrauen kann.

"Scheint als hätten dich Derleth und seine Freunde schon ‘begrüßt'...", spricht er und sieht mich mitleidig an.

Meine Miene ist ausdruckslos, als ich schließlich antworte. "Scheint, als hättest du ebenfalls Erfahrung damit..."

Ein schwaches Lachen entkommt seiner Kehle. "Da müssen alle Neuen durch..." Ich nicke leicht. "Wer bist du eigentlich?", frage ich schließlich, denn so langsam interessiert es mich doch, mit wem ich mir die nächsten beiden Wochen die Zelle teilen darf.

"Malthur", erwidert er lächelnd, "Und du?"

"Desmond", antworte ich und Malthur nickt leicht. "Weshalb bist du hier?", fragte er dann. Ich zögere. Soll ich ihm erzählen, was mich hierher gebracht hat? Er scheint zwar ganz nett zu sein, doch kann ich ihm so weit vertrauen?

Naja... von der Rede sollte ich ihm noch nicht unbedingt erzählen...

"Alkoholmissbrauch...", antworte ich ausdruckslos, "und du?"

"Verschiedenes...", erwiderte er, "Schlägereien, Diebstähle, Drogen... und dann natürlich Wiederholungstäter... ist auch nicht das erste Mal, dass ich hier bin"

Ich nicke leicht. Das alles kommt mir doch sehr bekannt vor. Es ist schon Jahre her, seit ich selbst Erfahrungen in dem Bereich gemacht hatte... und zwar die ganze Palette... man hatte ich damals viel Ärger mit meinen Eltern gehabt, zumal Mutter damals ja auch noch lebte...
 

Ashlee Endlich, endlich fertig! Gerade noch rechtzeitig, wie mir meine Armbanduhr zeigt. Wie gut, dass ich mich sofort an die Hausaufgaben gemacht habe. Sonst hätte das wirklich schief gehen können. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was mir geblüht hätte, wenn ich nicht fertig geworden wäre. Bestimmt hätte ich eine Nachtschicht heute einlegen müssen, das ist gewiss. Und wahrscheinlich hätten sie mir wieder meine eine Stunde Freizeit am Tag gestrichen. Genauso wie sie es letztens für einen ganzen Monat gemacht haben. Und das nur, weil ich zwei Mal vergessen hatte, die Post aus dem Briefkasten mit rein zu nehmen, als ich nach Hause gekommen bin…

Wie schön es doch in einer anderen Familie sein müsste. Keinen den ich kenne, hat so einen beschissenen Tagesablauf wie ich. Wieso muss ich auch 7 Fremdsprachen lernen? Wo die vier Fremdsprachen, die ich in der Schule mehr oder weniger freiwillig lerne noch nicht einmal hinzu gehören. Und wer hat dann noch daneben, jeden Tag zwei Stunden extra Sportunterricht, einen Tanzkurs, Klavierstunden, Geigenunterricht, muss eine Kunstakademie besuchen, sich zig Vorträge anhören von irgendwelchen ach so berühmten Leuten anhören und daneben noch zur Schule gehen und natürlich nur Einsen mit nach Hause bringen? Keiner, niemand hat so blöde Eltern wie ich. Merken die denn überhaupt nicht, was sie mir damit antun? Merken die nicht, dass ich so langsam nicht mehr kann? Der Tag hat zwar 24 Stunden, aber auch ein Vampir braucht mal mindestens 5 Stunden Schlaf! Ich habe schon lange nicht mehr so lange geschlafen. Jede Nacht lerne ich, zu groß ist die Angst auch nur in einer einzigen Klausur zu versagen…
 

Schnell raffe ich meine Hausaufgaben zusammen und stürme nach unten ins Wohnzimmer. Natürlich darauf bedacht, unten nicht so viel Krach zu machen und noch schnell die Blätter sorgfältig zu sortieren. Was meine Eltern nämlich neben vielen anderen Angewohnheiten, die ich habe, nicht mögen ist Unordentlichkeit! Vater sitzt auf seinen Sessel und liest die neue Ausgabe des Vampir-Journals. Als ich nach einem vorbildlichen Anklopfen eintrete, senkt er die Zeitung. „Gerade noch rechtzeitig!", ermahnt er mich streng. Schuldbewusst senke ich den Kopf und lege ihm meine Hausaufgaben sorgfältig auf den Wohnzimmertisch. Sofort faltet Vater die Zeitung behutsam zusammen und nimmt das erste Blatt zur Hand. Mein Herz rast wie jedes Mal. So groß ist die Anspannung. Wenn er auch nur einen kleinen Fehler findet, bin ich regelrecht geliefert. Dann wird mir noch mehr von meiner so kleinen Freizeit genommen.

Und gerade heute möchte ich Vater auch noch wegen Desmond ausfragen. Wie soll ich das nur schaffen? Völlig verzweifelt stehe ich vor dem Wohnzimmertisch und schaue Vater an. Wieso muss er sich auch immer alles so sorgfältig durchlesen? Endlich nimmt er das letzte Blatt. An seiner Miene kann man nicht erkennen, wie es bisher aussieht. So sehr hoffe ich, dass er keinen Fehler gefunden hat. Bitte!

Langsam legt er die Blätter zusammen und schaut mich an. Der Moment ist dar, vor dem ich mich fast jeden Tag fürchte. „Gut gemacht." Erleichterung macht sich in mir breit. „Aber…" Nein! Bloß kein Aber! Bitte nicht!! „Aber das nächste Mal kannst du ruhig etwas schneller arbeiten. Schließlich musst du auch noch für die anderen, vor allem die Vampir-Fächer, lernen.", sagt er ziemlich streng, sodass mir ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft. „Ja, Vater!", sage ich schuldbewusst. „Du weißt doch wohl noch, dass du noch die Liste abarbeiten musst, die ich dir oben auf deinem Schreibtisch gelegt habe?" „Ja, Vater! Ich werde es bestimmt zu deiner Zufriedenheit fertigstellen.", entgegne ich. „Das will ich aber auch hoffen!" Die Liste, scheiße. Damit bin ich noch überhaupt nicht angefangen. Vielleicht sollte ich heute Nacht auch wieder weniger schlafen, sonst schaff ich das nie bis Freitag. Wieso musste auch die Trauerfeier nur dieses Wochenende sein? Nur deshalb ist der Vampir-Privatunterricht am Wochenende ausgefallen. Und das darf ich jetzt natürlich alles wieder alleine nachholen…
 

Mmmh, die Trauerfeier… Soll ich es jetzt vielleicht mal versuchen Vater auszufragen? Ob wohl jetzt der richtige Moment ist? Wie fange ich nur am besten an? Wie angewurzelt stehe ich dar. „Ist noch etwas?", fragt Vater erstaunt, als er bemerkt, dass ich nicht wie gewohnt meine Sachen vom Wohnzimmertisch nehme und gehe. Jetzt muss ich etwas sagen. Komm schon Ashlee trau dich! Jetzt oder nie! „Ähmm…", nehme ich allen Mut zusammen. „Ich … ich wollte dich fragen, ob du mir nicht etwas erzählen kannst, wie Floras und Desmonds Mutter damals ums Leben gekommen ist. Also was genau geschehen ist", mein Herz pocht wie verrückt. Gebannt schaue ich zu Vater. Ich sehe sein erstauntes Gesicht, doch sogleich verhärtet es sich. Das ist kein gutes Zeichen. Bitte, lass mich das einfach nur falsch gedeutet haben! „Du fragst mich, ob ich dir etwas davon erzählen kann.", erklingt Vaters verärgerte Stimme. Der Zorn ist deutlich raus zu hören. Ich habe mich nicht getäuscht, leider… aber ein Versuch war es wert…

„Ich habe mit dir gesprochen!", schellt mir Vaters Stimme erneut entgegen. „Ja. Ich habe dich gefragt!", gebe ich mit zitternder Stimme von mir. Was jetzt wohl geschehen mag? Ich habe solche Angst… „Also habe ich tatsächlich richtig gehört! Ich bin so enttäuscht von dir, Ashlee! Glaubst du wirklich, dass ich dir etwas darüber erzählen würde? Nein, ganz gewiss nicht! So habe ich dich nicht erzogen! Violetta hätte mich so etwas nie gefragt!", seine Stimme wird immer lauter. Ich muss ihn wohl ziemlich verärgert haben. Mir zittern die Knie, wie gebannt warte ich auf die nächsten Beschimpfungen. Was war nur so falsch an meiner Frage? „Du hast unten im Keller eine riesige Bibliothek. Und anstatt dich bei mir zu erkundigen könntest du ruhig ein paar Bücher durchlesen. Das würde dir bestimmt nicht schaden! Vor allem, wenn du noch nicht einmal etwas von dem wichtigsten Ereignis in unserer Geschichte gehört hast. Violetta wäre sofort darauf gekommen! Was haben wir nur in unserer Erziehung mit dir falsch gemacht?" Immer Violetta! Den ist es doch ehe am liebsten, wenn es mich nicht geben würde… Aber Recht hat er schon ein wenig. Darauf hätte ich selber kommen können…die Bibliothek….nur wie soll ich da das richtige Buch finden….

„Scher dich sofort auf dein Zimmer, Ashlee!", donnert Vaters Stimme erneut in meinen Ohren. „Das mir so etwas ja nicht wieder vorkommt! Du blamierst noch mal unsere ganze Familie! Die nächste Woche ist deine Stunde Freizeit pro Tag gestrichen! Das wird dir hoffentlich eine Lehre sein. Stattdessen werde ich dich höchstpersönlich beaufsichtigen, wie du deine Arbeiten erledigst. Und nun geh mir aus den Augen! Ich habe noch ein wichtiges Telefonat mit deiner wunderbaren Schwester zu führen. Wenn du nur etwas mehr von ihr hättest…"
 

Flora Langsam schlendere ich die Straßen entlang. Es ist ein ziemlich komisches Gefühl hier alleine langzugehen. Bisher haben wir diesen Weg immer zusammen hinter uns gebracht und nun bin ich alleine. Nicht einmal Lucern ist noch da, was eigentlich nicht wirklich schlimm ist. Nur Desmond fehlt mir eben so sehr…

Am liebsten würde ich zu Hause bleiben, aber leider geht das nicht. Wenn Vater davon erfahren würde…ich möchte mir gar nicht ausmalen was dann mit mir geschieht. Ist sowieso ein Wunder, dass ich bisher so glimpflich davon gekommen bin. Nicht einmal eine einzige Ohrfeige, kein einziger Schlag! Was ist nur mit Vater los?
 

Lange zum Überlegen, ob ich nun wirklich zur Schule gehe oder nicht bleibet mir nicht, denn da stehe ich auch schon vor dem eisernen Schultor, wo sich noch die letzten Schüler schnell durchquetschen um ja nicht zu ihrer ersten Stunde zu spät zu kommen. Mich interessiert das überhaupt nicht, soll Frau J. mich doch anschnauzen, solange sie Vater nicht benachrichtigt ist doch alles gut! Und bei so einer Kleinigkeit traue ich ihr das nicht mal zu. Nur wenn ich überhaupt nicht kommen würde, könnte es vielleicht auffallen…

Niedergeschlagen gehe ich durch das Tor, nachdem ich eine halbe Ewigkeit davor verbracht habe und die anderen dabei beobachtet habe, wie sie in die Schule hetzen. Gerade als ich die Hälfte der Strecke zur Eingangstür hinter mir habe, klingelt es zum zweiten und somit auch zum letzten Mal.

Aber das beunruhigt mich nicht, ich habe ehe keine Lust auf Deutsch. Und die Schule kann mir eigentlich auch gestohlen bleiben! Schon interessant, wenn man nach dem zweiten Klingeln ganz langsam und gemütlich durch die Schulflure spaziert und immer wieder vereinzelt Schüler an einem vorbei rennen, um nicht noch später zu kommen. Vor allem wenn diese bei ihrem schnellen Tempo nicht mehr die nächste Kurve erwischen, wie der kleine Junge gerade. Ich kann mein Lachen nicht verkneifen, dass sieht einfach so lustig aus, wie er jetzt alle viere von sich gestreckt auf den Fußboden liegt und anfängt zu heulen. Ein wirklich erbärmliches Bild! Aber auch ziemlich amüsant. Langsam gehe ich mit erhobenen Hauptes an ihm vorbei und lache ihn arrogant an bzw. aus. Wie er mich doch anguckt, so verheult und schmerzverzerrt, da fühlt man sich doch gleich wieder besser!!

Ich sehe noch aus dem Augenwinkel, wie der Kleine sich langsam aufrafft und nun auf allen vieren vor sich hin kriecht. Einfach nur herrlich! Wonach der Kleine wohl suchen mag? Oder krabbelt er nur Hilfe suchend in der Gegend umher? Nein, er muss was suchen. Ob ich ihm wohl behilflich sein kann, denke ich gehässig und mache eine elegante Kehrtwendung! Mal sehen wonach er sucht… Ich stehe nur ein oder zwei Meter von ihm entfernt und begutachte das herrliche Trauerspiel. Es dauert nicht lange bis ich etwas auf dem Fußboden funkeln sehe. Schlagartig wird mir klar, was dort liegt. Der Kleine hat bei seinem Crash mit der Wand seine Brille vernichtet, obwohl die Gläser bisher noch heile sind. Sie liegen nur außerhalb des Gestells auf dem Fußboden, direkt vor meinen Füßen. Auch der Kleine scheint die Gläser bemerkt zu haben. Wie ein Wilder krabbelt er auf mich zu und will gerade nach den Gläsern greifen, doch zu spät… Blitzschnell trete ich mit meinen Fuß die Brillengläser klein. Ein tolles Gefühl, vor allem weil der Kleine jetzt noch mehr anfängt zu weinen. Irgendwie gefällt mir der Tag! Eiskalt drehe ich mich um und lächle ihn noch einmal gehässig zu. Dann schreite ich weiter ohne mich auch nur noch ein einziges Mal umzudrehen. Ich höre nur noch das leise wimmern…
 

Nur noch ein kleiner Flur trennt mich von dem Klassenzimmer, in dem ich Deutsch habe. Am liebsten würde ich wieder umdrehen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Vater etwas mitbekommen würde, wenn ich blau mache ist leider zu groß. Schweren Herzens gehe ich weiter.

Doch plötzlich wirft mich etwas unsanft zu Boden. Ich bin im ersten Moment benommen. Ob der Kleine… ach quatsch, als ob der mich umschmeißen könnte. Der flennt doch bestimmt immer noch rum und schreit nach seiner Mama. Aber was hat mich zu Boden gerissen und wieso? Verdattert drehe ich meinen Kopf und sehe wie etwas auf mir liegt. Eine Gestalt, die etwa 1,80m groß ist und sich langsam von mir herunter bewegt. Ich fasse es nicht, wer mich gerade über den Haufen gerannt hat, es ist Elliot. Mein Herz fängt sogleich an zu rasen, als ich ihn erkenne, genau wie gestern bei Ernesto. Oder sogar noch mehr? Verlegen murmelt er ein „Entschuldigung". Zumindest glaube ich so etwas in der Art verstanden zu haben. Ich sitze immer noch auf dem Boden, als Elliot mir die Hand reicht. Mein Herz macht einen großen Hüpfer und scheint sich fast zu überschlagen. Wie von Sinne greife ich nach seiner Hand. Sie ist warm und weich, und verkörpert dennoch Stärke. Mit einem Rück bin ich wieder auf den Beinen und stehe nun ganz nah vor ihm. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Wieso fällt mir nur immer in solchen Situation nicht gescheites ein? Aber ihm scheint es ähnlich zu gehen. Eine Weile schauen wir uns einfach nur an. Ich bin wie hypnotisiert von seinen Augen. „Du bist Flora, oder?", fragt er mich schließlich. Ich nicke, komm schon Flora jetzt musst dir doch noch was Gescheites einfallen. Was soll er denn sonst von dir denken? „Und du musst Elliot sein! Zülal hat mir schon ein wenig was von dir erzählt.", gebe ich etwas verlegen von mir und hoffe, dass er es nicht bemerkt hat. „Ich hoffe mal, dass sie nur gutes erzählt hat.", gibt er nach einer Weile zurück. Aber irgendwie wirkt er komisch dabei, als ob er etwas vor mir verheimlichen möchte… oder als ob er Angst hat, dass ich etwas Bestimmtes über ihn wissen könnte…

Und dabei weiß ich doch so gut wie gar nicht über ihn, leider… Aber vielleicht bilde ich mir das auch einfach nur ein…

„Klar! Oder hast du irgendwelche düsteren Geheimnisse, die keiner wissen darf?", frage ich scherzend und bin froh, dass dieser Spruch relativ locker über meine Lippen geht. Doch irgendwie ist Elliot komisch, irgendetwas stimmt nicht mit ihm, das merke ich doch. Aber was nur? Hat es womöglich mit dem Thema zu tun? Aber das ist doch ein stink normales, ich bin völlig verzweifelt und erst jetzt bemerke ich, dass er ein großes, dunkles, blaues Veilchen an einem seiner Augen hat. Ob ich ihn darauf ansprechen soll? Nur wie? Einfach danach fragen?

„Man weiß ja nie.", sagt er lachend, auch wenn es gequält rüber kommt. „Wir sollten nun wirklich in die Klasse gehen. Nicht das wir noch mehr Ärger bekommen. Schließlich sind wir schon fast eine halbe Stunde zu spät.", sagt er schließlich mit einem prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. „Ja, das wird wohl das Beste sein.", gebe ich etwas enttäuscht wieder. Am liebsten würde ich mich noch etwas mit ihm unterhalten, obwohl das vielleicht doch keine gute Idee ist. Wieso kann ich nur nicht normal mit Menschen reden, die mir…

„Na, dann komm!", sagt er jetzt ganz liebevoll oder bilde ich mir das nur ein. Er lächelt mich doch an, oder? Langsam gehe ich neben Elliot her, während ich ihm zu lächle…
 

„Wo kommt ihr beiden denn jetzt auf einmal her? Wisst ihr nicht wie spät wir es schon haben?", donnert uns die Stimme von Frau J. entgegen. Elegant gleitet Elliot zu seinem Platz, aber er bewegt sich noch lange nicht so schön fort wie Ernesto. „Ich habe euch etwas gefragt!", erklingt nochmals die verärgerte Stimme von Frau J. Auch ich sitze nun an meinem Platz. Der Platz neben mir ist frei. Ach Desmond, wenn du nur hier wärst.

„Ich hab eben verschlafen. Ist das etwa so schlimm?", höre ich Elliot patzig sprechen. Zugleich verfärbt sich Frau J. Gesicht leicht rot. „Das ist doch wohl nicht dein ernst!", schnaubt sie empört. „Das ist jetzt schon das 8-mal, dass du in diesem Monat zu spät kommst! Ich muss dir ja wohl nicht sagen, dass ich deine Eltern benachrichtigen muss!" „Tun sie sich keinen Zwang an!", sagt Elliot lässig. Auch wenn ich glaube, dass ihm der Gedanke so gar nicht gefällt. Ich würde an seiner Stelle sterben, wenn sie meinen Vater benachrichtigen würde. Man hört nur ein verächtiges murmeln von Frau J. bis sie sich schließlich mir zuwendet. „So. Nun zu dir! Vielleicht ist bei dir ja noch nicht alles verloren.", sagt sie gereizt. Wenn sie nur wüsste, was ich und mein Bruder uns schon alles geleistet haben…

„Also, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?", fordert sie mich zum Sprechen auf. „Ich…ich…" Scheiße, was soll ich nur sagen? Soll ich auch so gehässig antworten, wie Elliot? Vielleicht kann ich ihn ja damit beeindrucken? Doch bevor ich meinen fiesen Spruch, der mir gerade in den Sinn gekommen ist aussprechen kann, ertönt wieder Frau J. Stimme. „Ach, entschuldige Flora!" Was? Habe ich etwas verpasst? „Das kommt alles nur wegen…", sie hält inne. „Ich habe total vergessen, dass man mich heute Morgen schon in Kenntnis gesetzt hat, dass Desmond ins Krankenhaus gekommen ist. Wirklich eine schreckliche Geschichte…", beginnt sie nachdenklich. Alle schauen sie und dann mich an. Sie scheint es wohl noch nicht in der Klasse erzählt zu haben. Jetzt verstehe ich auch, was sie meint. Vater hat heute ganz früh morgens doch noch beim Schulleiter angerufen und hat die Sache mit Desmonds fehlen in den nächsten zwei Wochen geregelt. „Ja, ihr Lieben. Ich glaube jetzt ist der richtige Moment euch über die Ereignisse in Kenntnis zu setzten. Desmond wird uns voraussichtlich in den nächsten zwei Wochen nicht im Unterricht besuchen können. Er hat sich gestern Abend das Handgelenk gebrochen und wurde daraufhin ins Krankenhaus eingeliefert. Heute Morgen hat sich herausgestellt, dass er sich über Nacht dort eine schlimme Infektion eingefangen hat. Aber es geht ihm schon wieder besser. Es ist nicht lebensgefährlich, nur eben extrem ansteckend." Ich sehe die enttäuschten Gesichter der anderen. Sie haben wohl mit etwas Aufregenderes gerechnet. „Aber Desmond ist nicht der einzige der für einen längeren Zeitraum nicht hier sein kann. Hannah hat sich ebenfalls verletzt!" Das ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass sie nicht da ist. Aber ich bin genauso erleichtert, wie all die anderen. Hannah ist wirklich eine Qual! Wieso mussten wir sie nur kennenlernen? „Sie wollte wohl am Wochenende eine Sonnenblume pflücken und hat sich dabei mit dem Messer etwas unglücklich in die Hand geschnitten.", erklärt Frau J. schadenfroh. „Auf jeden Fall wird sie uns wohl die nächste Woche nicht besuchen könne, der Arzt hat ihr Gott sei Dank Bettruhe verschrieben. Flora, du wirst ihr jetzt jeden Tag die Hausaufgaben vorbei bringen. Ihr scheint auch ja gut genug zu kennen.", NEIN! Das werde ich bestimmt nicht machen. Doch bevor ich protestieren kann, redet sie auch schon weiter. „Und nun machen wir mit unseren Unterricht weiter! Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren!" Als ob ich der die Hausaufgaben bringen würde, wenn ich gnädig bin schicke ich die ihr per Post…aber auch nur mit sehr, sehr viel Glück…
 

Endlich Mittagspause. Ich dachte schon die Stunden gehen gar nicht mehr rum. Gelangweilt gehe ich raus in den Innenhof. Zum Glück gleich nur noch Sport. Etwas worin ich und Desmond spitze sind. Nur was soll ich in der Zeit dazwischen machen? Während ich sinnlos umherwandere und das trübe Wetter draußen genieße, sehe ich Zülal, die wie gewohnt auf der Bank unter dem dicken Baum in der Mitte des Schulhofes sitzt. Ich überlege nicht lange, sondern gehe auf sie zu. Eigentlich macht sie ja auch einen sehr netten Eindruck und außerdem ist sie meine einzige Chance an Elliot ranzukommen. Ob sie wohl weiß, woher er das Veilchen hat? „Hallo! Darf ich mich zu dir setzten?", begrüße ich sie so freundlich wie ich kann. „Ja, klar gerne.", lächelt sie mir zu. „Was sitzt du denn hier so alleine rum? Nina gar nicht da?", versuche ich ein Gespräch zu beginnen. Und zum Glück ist Zülal redselig, so dass es kein Problem darstellt. „Nein, sie ist schon nach Hause gefahren. Sie hat mal wieder Probleme mit ihrer Hand. Aber nichts Schlimmes. Ich schätze mal, dass sie sowieso keine Lust auf Sport hatte. Dafür kenne ich sie zu gut! Aber sag mal, wie geht es deinem Bruder denn? Hört sich ziemlich schlimm an mit er Infektion.", fragt sie besorgt. „Ja, das stimmt. Aber die Infektion ist nicht lebensgefährlich. Du kannst dir das so vorstellen, wie eine schlimmere Grippe. Also er wird es überleben.", versuche ich etwas zu scherzen. Obwohl mir bei dem Thema mit Desmond gar nicht danach zumute ist. „Das blöde ist nur, dass die Infektion ansteckend ist. Deshalb kann ich ihn leider nicht besuchen." „Das ist aber auch ärgerlich. Wer rechnet schon damit, dass man sich im Krankenhaus noch etwas anderes einfängt?", ich merke wie sie sich innerlich über Krankenhäuser aufregt. „Grundsätzlich niemand. Ich war ziemlich geschockt, als Vater mir davon erzählt hat. Wir waren noch nie wirklich voneinander getrennt, höchstens mal ein oder zwei Tage als wir klein waren. Er fehlt mir jetzt schon.", sage ich mit trauriger Stimme. „Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Vor allem als Zwillinge, muss man doch noch eine engere Verbindung zueinander haben.", sagt sie mitfühlend und versucht mich in den Arm zu nehmen. Eigentlich lehne ich so etwas strikt ab, besonders wenn es darum geht mit einem Menschen körperlichen Kontakt zu haben, sei es schon ein einfaches Händeschütteln. Aber jetzt lasse ich es über mir ergehen. Ich muss ihr Vertrauen gewinnen, mit ihr Freundschaft schließen. Und bei den Menschen ist es leider üblich sich jederzeit zu umarmen…

„Mmmmhh…", höre ich Zülal dicht neben meinem Ohr grübeln. „Was hältst du davon, wen wir zwei mal etwas zusammen unternehmen. Also uns außerhalb der Schule mal treffen?" Man ist das einfach. Ich glaube, sie zählt mich jetzt schon zu ihren Freundinnen. Wie naiv die doch ist. „Ja klar, gerne.", entgegne ich und versuche dabei eine Stimme zu benutzen die traurig, aber zugleich etwas erfreut klingt. „Und ich bin immer für dich da, wenn es dir schlecht geht. Nur damit du es weißt. Du kannst mit allen zu mir kommen. Auch wenn du Heimweh nach Desmond hast. Ist kann ganz gut zuhören.", sagt sie einfühlsam. „Danke!", heuchle ich ihr froh vor. Ob ich jemals auch nur ein Hauch Freundschaft zwischen uns spüren werde?

Sie nimmt mich noch fester in den Arm. Wahrscheinlich denkt sie, dass mich ihre Worte so sehr rühren, dass es ein guter Moment dafür wäre. Es dauert eine Weile, bis sie wieder etwas sagt und ich bin ihr dankbar darum. Noch länger hätte ich es kaum noch ausgehalten. „Was hältst du von einem DVD-Abend? Vielleicht diesen Freitag." „Das klingt klasse.", gebe ich strahlend von mir. „Mmmh, hättest du was dagegen, wenn ich Elliot frage, ob er auch kommen möchte? Er hat momentan ziemlich viele Probleme zu Hause und könnte auch etwas Abwechslung gebrauchen.", bittet sie mich.

Als ob ich dazu nein sagen würde…
 

Elliot Seufzend mache ich mich nach der Schule auf den Weg nach hause. Das kann ja heiter werden... Im Unterricht hatte ich zwar so getan, als würde es mir nichts ausmachen, wenn Frau J. meine Eltern benachrichtigte, doch dem ist nicht so. Eigentlich hab ich sogar ziemlich Panik davor. Wobei diese Panik sich weniger auf meine Mutter, als vielmehr auf Jürgen bezieht... Was er mir wohl antun wird, wenn er davon erfährt? Ich hoffe nicht noch schlimmeres, als er eh schon macht.

Aber noch habe ich nichts zu befürchten. Ein Brief würde eh erst in zwei Tagen eintreffen.

Als ich zuhause ankomme, ist niemand da. Doch das macht mir nichts aus. Ich mache mir rasch etwas zu essen und gehe dann nach oben in mein Zimmer, um meine Hausaufgaben zu machen.

Ich habe gerade die erste Aufgabe erledigt, als mein Handy klingelt. Es ist Zülal. Was mag sie wohl wollen? "Hey, was gibts?", begrüße ich sie. "Hey, ich wollte fragen, ob du vielleicht Freitag Abend Lust hättest, mit mir und Flora ein paar DVDs zu gucken?", fragt sie fröhlich.

Ich zögere. DVD gucken hört sich ja eigentlich ganz gut an, aber was wird mit Charlie wenn ich nicht da bin? Wenn Jürgen sich nicht an mir vergreifen kann?

"Ich weiß nicht recht...", antworte ich zögernd, "du weißt doch, wie Jürgen drauf ist..." Wenn er so etwas wie ein netter Mensch wäre, müsste ich ja auch keine Angst um Charlie haben, wenn ich nicht da bin.

"Ach nun komm schon", bettelt sie, "du könntest dringend mal etwas Ablenkung gebrauchen." Eigentlich hat sie da ja recht, aber was wird geschehen, wenn ich abends nicht da bin?

"Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist...", erwidere ich skeptisch, "ich will nicht, dass Charlie leiden muss, weil ich nicht da bin.."

Doch Zülal gibt einfach nicht nach. "Dann nimm sie doch einfach mit. Sie kann doch mit meinem kleinen Bruder spielen. Die beiden verstehen sich doch so gut", antwortet sie nach kurzen Nachdenken.

Mh... An sich eigentlich gar keine so schlechte Idee, nur ob Jürgen das zulassen wird, ist fraglich. Aber vielleicht wird es was, wenn ich mit meiner Mutter spreche.

"In Ordnung", gebe ich schließlich nach, "Ich werde meine Mutter gleich fragen..."

Zülal freut sich sichtlich und legt auf, nachdem ich ihr versprochen habe, ihr nachher auch wirklich noch Bescheid zu sagen. Jetzt muss ich also nur noch mit Mutter und Charlie sprechen, aber ich ahne bereits, dass sie begeistert sein werden. Allerdings will ich nicht wissen, was nach meiner Rückkehr hier auf mich wartet...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-07-02T19:24:40+00:00 02.07.2011 21:24
neues kapi!!!
(und ich bin auch mal wieder on, so das ich das kapi endlich lesen kann! ^^)
ich find das kapi sau cool! mal schaun vllt. findet desmond ja nen neuen freund und vllt. kommt flora ja elliot näher. . .
ich freu mich schon voll wenns wieder weiter geht! ^^
ich liebee diese ff! *_____________________*

Hi-chaan


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