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In Blut getränkte Sonne

von

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Verlassen

Leutnant Thinael Blutsonne hatte sich mit dem Umstand abgefunden, einen Platz einzunehmen, dessen Titel sie nicht auf diese Weise verdienen wollte. Es war in ihren Augen Unrecht, eine Tote zu ersetzen, statt durch ihre Leistung zu dem erhoben zu werden, was sie geworden war. Leutnant des 4. Trupps mit 70 Jahren. Dabei sperrte sie sich gegen den Gedanken, dass ihre bisherigen Leistungen und Erfolge einen großen Teil dessen ausmachten, was Sonnenhoffnung dazu bewogen hatte, ihre Stellung an die Jüngste weiterzugeben, bevor sie im Lazarett verstarb.

Noch immer bereitete der neue Rang ihr Magenschmerzen, wenn sie an den Angriff der Amani zurückdachte. Mit den Jahren waren dem noch viele weitere gefolgt, doch die Verluste wogen - zumindest für Thinael - nicht so schwer, wie dieser eine.

Thariel und Athriel halfen der kleinen Schwester, wo es nur ging. Zwangen sie dazu, sich immer wieder freie Tage zu gönnen und achteten gewissenhaft darauf, dass Thinael diese Zeit auch wie Urlaub behandelte. Denn in den letzten Jahren hatte sich der Leutnant zu tief in Arbeit gestürzt. Nächtelang blieb sie wach, um über Lageberichten, Taktikplänen und Ausbildungsvorschriften zu brüten. Wenn das ihr nicht genug Ablenkung verschaffen konnte, hetzte sie ihre Rekruten durch den Wald, dreimal den Elrendar hoch und runter, oder schlich in der Dunkelheit allein bis zum Morgengrauen durch die Gegend. Immer öfter traf man sie in Tristessa an - dem nächstgelegenen Ort an der Trollstadt Zul'Aman. Dem Herzen der Amani.

Es war einer dieser Tage, an dem Thinael auf einem der Streifzüge beinahe drohte, übermüdet zusammenzubrechen. Thariel zwang seine Schwester fast schon gewaltsam dazu, ihn nach Goldnebel zu begleiten, wo Athriel bereits auf die beiden wartete. Es galt, Truppen im Dorf abzustellen, auch wenn der Ort zu einem derjenigen zählte, der vor den größten Angriffen verschont blieb. Gerade deshalb wollten die Brüder den Leutnant dazu bringen, den 4. Trupp dort zu melden.

Die Sonne begann bereits unterzugehen und tauchte Goldnebel in unzählige, warme Farben, da drang leiser Klagegesang an die Ohren der Dorfbewohner. Wieder ein Angriff auf eines der Waldläuferlager, die zur Beobachtung nahe der Trollstadt abgestellt wurden, wieder Verluste. Das bedeutete dieser Gesang jedes einzelne Mal, nichts anderes.

Thariel, Athriel und Thinael lehnten am Geländer jenes Balkons, dessen Behausung sie für die nächsten Wochen in Anspruch genommen hatten. Das dem Waldrand am nächsten.

Sie sahen, wie die Windläuferschwestern mit einem kleinen Trupp in Goldnebel Einzug hielten, um sich wie Katzen nach diesem weiteren, ungezählten Angriff die Wunden zu lecken. Besonders eine von ihnen ließ Thinael nicht aus den Augen. Sylvanas, ihr General. Das Oberhaupt aller Waldläufer.

Schließlich kam die kleine Gruppe im Kern Goldnebels zur Ruhe und ließ sich ins Gasthaus führen. Der seltene Moment, die drei Schwestern zu Gesicht zu bekommen, zog vorüber. Auf dem Platz übrig blieb nur ein junger Elf, dessen enge Freundschaft zu Sylvanas' rechter Hand - Lor'themar Theron - ihn zu dem Zeitpunkt noch als einzige "große Tat" anhaftete.

"Ist er das?" flüsterte Thariel seinen Geschwistern zu. "Wolkenglanz? Ich glaub' schon." murmelte Athriel seinem Bruder zu, während Thinael nur zu erwidern wusste: "Sieht 'n bisschen schlacksig aus."

Halduron Wolkenglanz stand unten nah dem Dorfbrunnen und verlas mit respektvoller Tonlage die Namen derer, die gefallen waren. Hin und wieder entwich den Geschwistern ein leiser Seufzer über jene, deren Verlust zu beklagen war. Entfernte Bekannte.

Erst der letzte Punkt auf der Liste, bewegte Thariel dazu, Thinael wie gewohnt in seine Arme zu ziehen. Nur diesmal war sein Griff fester, er schien zu zittern. Etwa Tränen?

Thinael konnte es nicht sagen, klammerte sie sich doch selbst mit aller Kraft an den Bruder und versuchte eisern, ihre eigenen Tränen zurückzuhalten. Es war wie ein tiefes Loch, eine wahnwitzige Lüge, vor der man nicht fliehen konnte. Die es als Wahrheit zu akzeptieren galt.

Thariels Umarmung zwang den jungen Leutnant dazu, das Gesicht an der geliebten Brust zu verbergen und erstickte die leisen Schreie, die das Mädchen statt Tränen schüttelten.

Bis schließlich nicht mehr aufzuhalten war, was sich so brutal an die Oberfläche zu kämpfen versuchte.

Nur ein Name auf der Liste des Elfen hatte gereicht, um drei Welten völlig zu zerbrechen:

"Anthiela Blutsonne."

Nur ein leises, ersticktes Flüstern, vom Schluchzen der Quel'Dorei gezeichnet war in der hereingebrochenen Nacht noch zu hören:

"Mama."

Niemand hatte in all der Trauer bemerkt, dass einer fehlte. Athriel.



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