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Just one moment

No. 6 Romantic Warriors
von

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Nasses Chaos

es geht weiter, ich weiß, es hat mal wieder ne weile gedauert ;)
 


 

Zwei Tage später hatte Eiri seine Kollegen gefragt, ob sie mit ihm mitkommen wollten zu diesem Junggesellenabschied den sein zukünftiger Schwager vorgeschlagen hatte. Doch wenngleich die Reaktionen unterschiedlich waren, waren die Antworten letztendlich doch die gleichen. Keiner von ihnen konnte. Oder wollte, wie Eiri sich denken konnte. Entweder hatten sie schon etwas vor, die anderen fragten, ob man diesen Junggesellenabschied nicht vorverlegen könnte. Das allerdings wollte Eiri wiederum nicht, denn Ryuchi hatte selbst gesagt, dass man das kurz vor der Hochzeit machte. Und da Ryuchi schon sagte, dass er es in zwei Wochen vorgesehen hatte, wollte er dessen Idee auch nicht eigenmächtig umwerfen.

Als er abends zu Hause war, nahm er sich sein Handy und schrieb Ryuchi, dass keiner kommen würde und sie es auch genauso gut sein lassen konnten.

Doch Ryuchis Antwort fiel anders aus, als er dachte. „Schade zwar, aber dann gehen wir beide eben alleine weg.“

Eiri starrte für eine Sekunde die SMS an, bevor er zurückschrieb: „Wir alleine? Ich dachte, du hast gesagt, das findest du blöd?“

Es dauerte nicht lange, bis Eiris Handy erneut vibrierte und Ryuchis Antwort verkündete: „Gut zugehört, aber nicht gut genug. Hab gesagt, das wäre zwar blöd, aber auch egal. Wir können doch ruhig mal zusammen weggehen. Macht doch Aya bestimmt auch.“

Macht sie das? Woher will er das denn wissen? Gut er ist ihr Bruder, aber... Eiri stand auf und ging zu Ayaka in die Küche. „Aya? Sag mal hast du die nächsten Wochen was vor?“, fragte er.

Sie schmeckte gerade eine Suppe ab, legte den Löffel beiseite und schaute ihn lächelnd an. „Ja, ich will in zwei Wochen mit ein paar Freundinnen weggehen. Warum fragst du?“

„Nur so.“, meinte Eiri ebenfalls lächelnd und ging ins Wohnzimmer zurück, wo er sich auf das Sofa fallen ließ und nach seinem Handy schnappte. „Das hast du doch eingefädelt! Wie stellst du dir das vor?!“, schrieb er.

Diesmal dauerte Ryuchis Antwort ein bisschen, bis sie kam: „Weiß nicht, wovon du redest. Willst du in einen der näheren Clubs gehen oder wollen wir uns lieber Senzoku Yon-chōme ansehen? Das sollte jeder vor seiner Hochzeit wenigstens einmal getan haben!“

Eiri traute seinen Augen nicht. „Senzoku Yon-chōme? Bist du verrückt?“

Ryuchis Antwort kam erstaunlich schnell. „Also, ja. Ins alte Yoshiwara! Das wird super!“

Eiri seufzte mürrisch und warf sein Handy neben sich auf das Sofa. Senzoku Yon-chōme, das alte Yoshiwara... Recht hat er ja, das sollte jeder Mann vor seiner Hochzeit wenigstens einmal gesehen haben...

Ayaka kam mit der Suppe ins Zimmer und füllte ihre Teller. „Sag mal... Was hältst du davon, wenn wir alle zusammen mal einen Abend schwimmen gehen? Ryu scheint ja im Moment mehr Zeit haben.“

Eiri schaute sie verdutzt an. Schwimmen? Wir beide und Ryuchi? … Das hört ja gar nicht mehr auf... Er wird mich auffressen, noch bevor ich überhaupt einen Zeh ins Wasser gesteckt habe! „Warum nicht... Okay.“, hörte er sich stattdessen sagen.

Er verfluchte sich im selben Moment selbst. Bin ich denn bescheuert? Ryu hier, Ryu da … Was mach ich bloß? … Jetzt fang ich schon an, ihn Ryu zu nennen! „Obwohl... Nur wir beide, das wäre mir auch ganz Recht.“, sagte Eiri sanft.

Ayaka ließ ihren Löffel sinken. „Eiri... Ich hatte lange Zeit keine Chance irgendwas mit Ryu zu unternehmen, weil er nie Zeit hatte... Jetzt hat er die Zeit gerade und dann willst du nicht mitkommen? Was soll das, Eiri?“, fragte sie enttäuscht.

Eiri schaute sie an, wollte etwas sagen, doch er konnte nichts anderes erwidern als: „Gut, dann gehen wir zusammen morgen Abend schwimmen.“

Ayaka lächelte. Es war ein schönes und dankbares Lachen. Eiri hatte dieses Lachen so sehr an ihr gemocht. Doch jetzt fiel ihm mit Entsetzen auf, dass ein gewisses anderes herzhaftes Lachen viel angenehmer erschien. Wie ein kleiner Stich fühlte es sich plötzlich an, als ihm das bewusst wurde.

„Dann ruf ich Ryu sofort an und sag es ihm!“, sagte sie freudig und sprang auf um zum Telefon zu flitzen.

All ihre Bewegungen und ihre gesamte Art hatte Eiri fasziniert, doch da folgte der ersten Gewissheit schon die nächste auf dem Fuß. Wie konnte es sein, dass er jetzt plötzlich ihr Verhalten zwar immer noch süß fand, sich aber das Wort „kindisch“ immer mehr in den Vordergrund drängte? Er hoffte, dass er ihr nicht entsetzt nachschaute, wenngleich er genauso fühlte.

Ayaka kam freudestrahlend zurück. „Wir gehen zusammen schwimmen!“, freute sie sich.

Eiri nickte jedoch nur, statt etwas zu sagen. Was hätte er auch sagen sollen? Stattdessen löffelte er weiter die Suppe, die ihm jetzt irgendwie fade vorkam. Was passiert mit mir? Fange ich an, schlechte Seiten an Aya zu finden? Oder fange ich wirklich an, mich in ihren Bruder zu verlieben?!
 

Mit gemischten Gefühlen ging Eiri zu Bett. Er träumte wirres Zeug. Er träumte davon, wie er Ayaka liebevoll küsste. Ihr Gesicht verwandelte sich plötzlich in Ryuchi. Dann träumte er von Wasser. Das Schwimmbad? Es sah aber mehr wie eine Unterwasserwelt aus. Und überall schauten ihn Ryuchis dunkle, fast schon geheimnisvolle und faszinierende Augen an...

Irgendwann gegen zwei Uhr nachts wachte er auf. Sein Blick ging suchend durch das Zimmer. Letztendlich stand er auf, nahm sein Handy und setzte sich in der Küche an den Tisch, neben sich ein Glas kaltes Wasser. Er wandte sich wieder dem Handy zu, nahm die Tastensperre heraus und sah eine SMS, die er noch nicht gelesen hatte. Sie war von Ryuchi.

„Schön, dass wir alle zusammen schwimmen gehen. Ich freu mich schon auf morgen Abend. Schlaf gut – Ryu“

Ryuchi hatte eine Verabschiedung geschrieben, aber die SMS schien noch weiter zu gehen, jedenfalls sah Eiri einen Balken an der Seite, der dies deutlich machte. Er scrollte nach unten und schaute auf ein etwas dunkleres Bild. Doch die strahlenden Augen waren deutlich zu erkennen. Es war ein Foto von Ryuchi, offensichtlich erst vorhin bei der Dämmerung gemacht. Eiri schaute das Foto eine Weile an. Wäre er nicht Ayakas Bruder und wären nicht so schräge Sachen in letzter Zeit passiert... dann würde ich das Foto als nichtssagend befinden... Aber, genauso ist es ja leider nicht. Er ist Ayakas Bruder und es sind seltsame Sachen passiert... Sein Blick, als er in der Tür stand... seine Berührung als er meine Hände von den Rosen genommen hat... Sein ganzes Verhalten, als er sich dafür entschuldigen wollte... Wie er gesagt hat, er kann nicht sagen, wie lange er es noch aushalten würde... Dieser Kuss... Verdammt, wo bin ich nur reingeraten?! Wo sind wir hinein geraten? Wie konnte das alles nur passieren?

Er legte seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Sofort schlich sich das Foto in seine Gedanken. Dann spürte er unverhofft ein Lächeln über seine eigenen Lippen huschen und riss sich hastig hoch. Seufzend legte er nun den Kopf in seine rechte Hand, das Handy in der linken, von wo aus ihn immer noch das Foto anschaute. Was stand da noch gleich in dieser Zeitung? … Auf leisen Sohlen schleicht sich plötzlich die große Liebe in dein Lieben... Verdammt!

Eiri schaltete das Handy aus, ging ins Schlafzimmer zurück, wo er es auf seiner Seite deponierte und legte sich wieder schlafen. Doch diesmal begann sein Traum nicht mit Ayaka. Ryuchi beherrschte für den Rest der Nacht seinen Traum.
 

Der darauf folgende Tag verging so schnell, dass es für Eiri schon fast zu schnell war. Für Ayaka hingegen schien der Tag so gar kein Ende genommen zu haben. Als Eiri nach Hause kam, hatte sie schon die Badetasche gepackt und wartete beinahe aufgeregt darauf, dass es endlich losgehen konnte. Eiri reagierte nicht auf ihre Eile sondern ließ sich Zeit damit, sich aus seinem Anzug zu schälen und in legere Kleider zu schlüpfen, bevor sie losgingen.

Als Eiri dann endlich fertig war und sich die Tasche über die Schulter warf, war Ayaka die erste die die Wohnung verließ und die Treppe hinuntersauste, während Eiri gemächlich die Tür abschloss. Unten angekommen, wartete Ayaka schon auf ihn.

„Mensch Eiri, du lässt dir aber Zeit. Komm schon, beeil dich! Ryuchi ist bestimmt schon da und wartet!“, flötete sie.

„Dann wartet er eben. Das wird er doch wohl können.“, meinte Eiri und schlenderte in aller Ruhe mit Ayaka im Arm in Richtung des nahe gelegenen Schwimmbads.

Und wie sie schon verkündet hatte, stand Ryuchi tatsächlich schon davor und wartete. „Da seid ihr ja! Ist noch ganz schön voll, aber egal. Lasst uns rein gehen! Ich war ewig nicht mehr schwimmen!“, begrüßte er sie.

Sie gingen gemeinsam hinein, bezahlten am Eingang und schlenderten zu den Umkleidekabinen. Ayaka tapste zu denen für die Frauen und winkte ihrem Bruder und Eiri zu, die gemeinsam in die andere Richtung gingen.

Ohne weitere Worte begann Eiri sich seiner Kleider zu entledigen und hinter der Blechtür für die Habseligkeiten der Badegäste in die Badehose zu schlüpfen. Währenddessen spürte er die ganze Zeit Ryuchis unverhohlenen Blick auf sich. Ich wusste doch, dass das kommt... Das war doch so klar...

„Hey, was beeilst du dich denn so?“, fragte Ryuchi.

„Ich hatte nicht vor, mich hier so lange aufzuhalten. Also, was ist? Kommst du mal in die Gänge?“, fragte Eiri und warf Ryuchi einen Blick zu.

Kaum, dass der nun ebenfalls anfing seine Kleider abzulegen und und in eine Badeshorts schlüpfte, warf Eiri ihm einen weiteren Blick zu. Ein anderes Wort, als „Wow“ fiel ihm nicht mehr ein. Er schüttelte den Kopf, schnappte nach seinem schwarzen Handtuch und flüchtete zu den Duschen, als Ryuchi gerade selbst nach seinem Handtuch langte.

„Warte auf mich!“, rief Ryuchi und lief ihm hinterher.

Bei den Duschen warf Eiri sein Handtuch auf eine der Halterungen und verschwand für ein paar Sekunden unter der Dusche. Ryuchi folgte ihm, doch wieder war Eiri als erster wieder draußen, nahm sein Tuch und ging zum Nassbereich. Kaum dass er auf dem Gang dorthin war, hörte er Ryuchi hinter sich hertapsen.

„Hey, jetzt warte doch mal, Eiri!“, meinte Ryuchi und holte ihn noch vor dem Durchgang ein. „Was ist los?“, fragte er.

„Was soll sein?“, fragte Eiri zurück, während er den Badebereich betrat.

„Du flüchtest...“, flötete Ryuchi leise.

Eiri blieb stehen und warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Ich flüchte nicht.“, antwortete er und lief weiter.

Ayaka stand ein paar Meter weiter und winkte beiden zu. „Da seid ihr ja! Eiri, ich will in den Whirlpool!“

„Dann komm.“, sagte Eiri liebevoll, legte einen Arm und sie und ging mit ihr weiter.

Ryuchi stand da und sah ihnen nach. Na toll... Und ich? Hallo? Ihr wolltet doch, dass ich mitkomme! Was wird das jetzt?

Während seine Schwester mit ihrem Verlobten die Treppe zu den höher gelegenen Whirlpools hinauf ging, tapste er ins lauwarme Wasser. Er spürte sofort jeden einzelnen Kratzer auf seiner Haut brennen, die er bei einem seiner beiden ehrenamtlichen Jobs abgekriegt hatte. Schließlich war das hier eine Salzwassertherme, da war das ja auch vorauszusehen. Er schwamm ein paar Meter, dann ging er hinaus. Aber lange wollte er auch da nicht bleiben. Allein macht das ja gar keinen Spaß! Was denken die sich?

Ayaka kuschelte sich an Eiri, der gelassen am Whirlpoolrand lehnte. Der Pool war für Ayaka beinahe zu groß. Wenn sie sich hinsetzte, dann stand ihr das Wasser bis zum Kinn, fast schon bis zu den vollen Lippen. Eiri wandte sich ihr zu und musste schmunzeln, als ihr das sprudelnde Wasser beinahe ins Gesicht spritzte.

„Komm her.“, sagte er lächelnd und zog sie fester an sich.

Sie schmiegte ihren Kopf an seine Schulter und er legte seinen Arm so um sie, dass ihre langen seidigen Haare nicht in das verstrebte Abflusssystem gerieten. Sanft strich er ihr ein paar nasse Strähnen aus ihrem Gesicht. Ayaka schloss genießerisch die Augen.

Nach ein paar Minuten schaute Eiri sich um. Wo ist Ryuchi eigentlich? Den haben wir ja jetzt völlig außen vor gelassen... Doch dann sah er ihn. Er kam gerade gemächlich die Treppe Richtung Whirlpool hoch geschlendert.

Als Ryuchi seine Schwester und Eiri im Whirlpool sitzen saß, verharrte er eine Sekunde, dann lief er genauso gemächlich weiter, wie er die Treppe hinauf gekommen war. Eiri schaute in eben jenem Moment zu ihm, als Ryuchi sie gerade einen Augenblick gemustert hatte. Ihre Blicke hatten sich gekreuzt und während Eiri Ryuchis Schopf hinter dem Treppenabsatz verschwinden sah, wurde ihm deutlich bewusst, was er da gesehen hatte. In den Augen seines zukünftigen Schwagers hatten so viele Gefühle gelegen. Er war ein wenig gereizt, weil sie ihn völlig vergessen hatten. Sicher auch enttäuscht. Eiri glaubte sogar, dass er etwas wie Neid in Ryuchis Blick gesehen hatte, wenngleich dies auch nur ein winziges Fünkchen gewesen war. Doch die anderen Gefühle, die er noch wahrgenommen hatte, zerrten geradezu an seinem Herz. Warum? Warum machte ihn Ryuchis Trauer und Einsamkeit so betroffen? Warum tut es mir weh, ihn so traurig zu sehen? Was hat das alles denn mit mir zu tun?

„Ayaka? Willst du nicht ein paar Bahnen schwimmen gehen?“, fragte Eiri.

Sie richtete sich auf. Ihren Bruder hatte sie nicht vorbei laufen gesehen, weil sie die Augen genießerisch geschlossen hatte. „Ja, na klar! Und weißt du was? Wenn ich fertig bin, gehe ich uns gebratene Nudeln bestellen! Ryuchi muss ich genauso wenig wie dich fragen, ob das okay ist. Der liebt gebratene Nudeln!“, sagte sie fröhlich und stieg winkend aus dem Pool.

Eiri nickte lächelnd. Er mag also gebratene Nudeln... Genau wie ich... Er erhob sich nun auch und stieg aus dem Pool. Während er Ayaka in den Schwimmbereich laufen sah, wo die meisten Leute eine Bahn nach der anderen schwammen, führte ihn sein Weg in die andere Richtung. Die Treppe hinunter, die zuvor Ryuchi hinunter gegangen war. Unten angekommen schaute er nach links zum Beckenrand. Da war er. Ryuchi hing wie ein Schluck Wasser über dem Beckenrand, die Augen geschlossen. Leise schlich sich Eiri nah an ihn heran. Noch während er sich ebenso leise in die Hocke begab, bemerkte er eine dunkle Strähne, die Ryuchi störend im Gesicht hing. Warum macht er sie denn nicht weg? Doch Ryuchi schien keine Anstalten zu machen, die Strähne mit der Hand wegzuschieben. Stattdessen schien er es mit Muskelzuckungen um sein Auge herum zu versuchen.

Eiri konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Vorsichtig hob er seine Hand und zog die Strähne behutsam aus Ryuchis Gesicht. Bedacht darauf, bloß nicht seine Haut zu berühren.

Plötzlich schnappte Ryuchi nach Eiris Handgelenk und riss ihn in einer fließenden Bewegung mit voller Kraft über sich hinweg und ins Wasser. Eiri hatte sich so sehr erschrocken, dass er keine Zeit mehr gehabt hatte, auch nur ansatzweise Luft zu holen.

Ryuchi schaute auf die Stelle, wo Eiri ins Wasser eingetaucht war. Als dort plötzlich Luftblasen hochkamen, tauchte Ryuchi eilig ab und zog Eiri wieder an die Wasseroberfläche. „Du kannst mich doch nicht so erschrecken!“, faucht Ryuchi, konnte aber ein Grinsen nicht unterdrücken.

Eiri hustete. „Das musst du gerade sagen!“, brachte er krächzend hervor.

„Entschuldige bitte... aber du hast mich wirklich erschreckt!“, wiederholte Ryuchi.

„Ja ja... Schon gut, ich wollte ja auch nur deine Faulheit unterstützen. Du hättest die Strähne ja auch mit der Hand aus deinem Gesicht nehmen können!“, erwiderte Eiri, während er immer noch nach Luft rang und hustete.

Ryuchi lächelte ihn an. „Weißt du Eiri... Manchmal versuche ich, das Unmögliche möglich zu machen.“ Und du bist dabei die größte und schönste Herausforderung...

„Was unmöglich ist, wird auch immer unmöglich bleiben!“, entgegnete Eiri.

Ryuchi lächelte immer noch. „Wenn es nur unmöglich erscheint, dann kann man es immer versuchen.“

Eiri schüttelte den Kopf.

„Wollen wir was essen?“, fragte Ryuchi.

Eiri schaute ihn stirnrunzelnd an. Wie kann man nur so rasch das Thema wechseln? „Ayaka ist ein paar Bahnen schwimmen. Danach will sie gebratene Nudeln holen gehen.“, hustete er.

„Oh super! Dann kann ich ja noch die Rutsche ausprobieren gehen! Kommst du mit?“

Eiri sah nun noch perplexer drein. „Bitte? Erst ertränkst du mich beinahe und dann soll ich auch noch mit dir rutschen gehen? Ich bezweifle, dass ich das tun werde!“, entgegnete er.

„Dann rutsche ich eben alleine!“, grinste Ryuchi, setzte sich in Bewegung und streife im Vorbeigehen Eiris Arm.

Eiri rührte sich für eine Sekunde keinen einzigen Millimeter. Diese Berührung hatte auf einmal eine so elektrisierende Wirkung gehabt. Er hatte sie beinahe überdeutlich wahrgenommen. Er fing sich rasch wieder und folgte dann Ryuchi. Was hätte er auch sonst tun sollen? Er blieb in gebührendem Abstand zur Rutsche stehen und seine Augen suchten nach Ryuchi. Er fand ihn, wie er gerade die Treppe nach oben tapste. Er beobachtete jeden Schritt und sah jede einzelne Muskelbewegung Ryuchis. Wie soll das weitergehen? Wie lange halte ich das noch aus?

Vor Ryuchi waren inzwischen nur noch ein Mädchen und ein Junge. Das Mädchen schwang sich in die Rutsche und verschwand nach ein paar Sekunden hinter der ersten Ecke.

„Hey, geht das auch ein bisschen schneller!?“, blaffte der Jugendliche hinter Ryuchi.

Doch Ryuchi beachtete ihn gar nicht, er schaute hinunter zu Eiri und sah, dass dieser ihn beobachtete. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Hinter sich hörte er noch so eine Tirade und dann spürte er plötzlich zwei Hände auf seinem Rücken, die ihn mit einem Stoß hinter dem Jungen her schubste, der gerade erst in die Rutsche gesprungen war. Er war so erschrocken, dass er nicht einmal die Chance hatte, die Stange zu greifen. Stattdessen schlug er mit der Stirn hart dagegen und rutschte auch sofort in die halbe Röhre und nach unten. Mit brennendem Schmerz.

Eiri hatte alles gesehen und Ryuchis Aufschrei gehört. Er beeilte sich nun, so schnell wie möglich an die Rutsche zu kommen. Da Ryuchi größer und schwerer als der Junge vor ihm war, würden sie wohl gleichzeitig unten ankommen und Ryuchi würde dem Jungen wohl ordentlich in den Nacken fallen. Und so kam es auch.

Eiri tauchte ab, packte beide, zog sie an die Wasseroberfläche und an den Beckenrand. Der Kleine hatte noch Glück gehabt, er schnappte sofort nach Luft und Eiri schob ihn so an den Beckenrand, dass er sich selbst halten konnte. Nur von Ryuchi spürte er keine Regung. Um ihn am Rand zu halten, drängte er sich gegen ihn und klatschte ihm ein paar Mal seine Hand auf die Wange. Erst jetzt bemerkte er die Platzwunde auf Ryuchis Stirn, direkt unter dem Haaransatz. Ein dünnes Rinnsal Blut fand seinen Weg an Ryuchis linkem Auge vorbei, über seine Wange bis hin zu seinen Lippen, wo es dann mit einem Wassertropfen verschmolz.

Kaum, dass Ryuchi die Augen langsam wieder geöffnet hatte, schob Eiri ihn soweit aus dem Wasser, dass er sich auf den Beckenrand setzen konnte. Eiri schwang sich aus dem Wasser und zog Ryuchi auf die Beine. Wortlos legte er einen Arm um Ryuchis Hüfte und Ryuchis rechten Arm um seine Schulter. So führte Eiri den taumelnden Ryuchi zum Erste-Hilfe-Raum, während der Vater des Jungen seinen Sohn noch hastiger an ihnen vorbeitrug.

„Willst du mich nicht auch tragen?“, murmelte Ryuchi.

Eiri blieb verdutzt stehen und warf einen Seitenblick auf Ryuchi. „Was? Du spinnst wohl!“, sagte er und führte Ryuchi energisch weiter bis zu dem Notfallversorgungsraum.

Dort drinnen hatte der Vater des anderen Jungen seinen Sohn bereits auf eine der Tragen gelegt, die aber mehr nach eine Mischung aus Trage und Bett aussah. Der große Mann stand daneben und sein Blick verdüsterte sich schlagartig, als er Eiri und Ryuchi sah.

„Der ist meinem Jungen in den Nacken gesprungen!“, fluchte er laut los und deutete unverhohlen auf Ryuchi.

Die Rettungsschwimmerin, oder Krankenschwester oder was auch immer sie war, schaute zu Eiri und Ryuchi und sogar ihr Blick war geradezu vernichtend.

Eiris Blick verdunkelte sich ebenfalls und er schaute beide für einen Moment an. „Stop mal, ja? Das war keine Absicht. Er ist von hinten angestoßen worden! Das ist ja wohl nicht zu übersehen, oder!“, sagte er und deutete auf Ryuchis Platzwunde auf der Stirn, wo noch immer ein bisschen Blut hervor sickerte.

Als er wieder zu Ryuchi schaute, sah er, dass sich um die Wunde herum bereits die Verfärbung eines typischen Blutergusses oder einer Prellung bildete.

„Legen Sie sich bitte auf die Trage.“, kam die sonore Stimme von hinten.

Eiri und Ryuchi drehten sich erschrocken um und blickten einem Mann ins Gesicht, der nicht wie ein Arzt aussah, dessen Namensschild ihn aber als eben jenen auswies. Die Worte registrierend führte Eiri Ryuchi zu der zweiten Trage, wo dieser sich niederließ und, für Eiris Geschmack, recht langsam hinlegte. Der Arzt namens Toshiro beugte sich über Ryuchi und schaute sich die Platzwunde in aller Ruhe an, während Eiri offensichtlich immer unruhiger wurde. „Ich geh den Typen suchen. Das wurmt mich grad.“, murmelte er.

„Bleib hier, bitte. Wenigstens so lange, bis ich verarztet bin.“, bat Ryuchi.

Eiri drehte sich zu ihm um. „Warum? Du bist doch erwachsen, das wirst du doch wohl ohne mich können.“

Ryuchi sagte nichs dazu, er schaute ihn nur bittend an.

„Also schön... Ich lass Ayaka ausrufen, dann kann sie herkommen.“, sagte Eiri, wusste aber sofort, dass es nicht das war, was Ryuchi wollte und schaute den Arzt an, statt das Gesagte umzusetzen.

„Ich kann versuchen es zu kleben, wenn das nicht geht, muss ich nähen.“, meinte dieser, als er Eiris Blick bemerkt hatte.

Eiri murrte, dann kam ihm eine Idee. „Warten Sie damit! Ich hole den, der dafür verantwortlich ist! Dann kann er sehen, was er angerichtet hat!“, sagte er. Und sich schon mal überlegen, wie er das wohl finden würde, wenn man das mit ihm macht!

Der Arzt Toshiro nickte und Eiri verließ den Raum. Schon nach ein paar Schritten kam ihm eine lächelnde Ayaka entgegen, die noch gar nichts von Ryuchis Unfall wusste.

Als Ayaka ihren Verlobten sah, fiel ihr sofort sein grimmiger, fast schon wütender Blick auf. „Eiri, was ist denn los? Ist was passiert, dass du so böse guckst?“, fragte sie.

„Kann man so sagen. Irgendein Idiot hat deinen Bruder in die Rutsche gestoßen. Jetzt hat er eine Platzwunde auf der Stirn und vielleicht auch noch eine Gehirnerschütterung. Und weil Ryuchi dabei auch noch auf einen Jüngeren gerutscht ist, ist dessen Vater stinksauer und meint, dein Bruder wäre Schuld. Deshalb such ich jetzt diesen Idioten, damit wir das klarstellen können.“, erklärte Eiri energisch.

Ayaka war während seines Berichts sichtlich erschrocken. Sie hatte noch immer die Hand vor dem Mund und schaute ihn aus großen, beinah entsetzt wirkenden Augen an. Noch bevor Eiri irgendetwas Beruhigendes sagen konnte, rannte sie schon in den Erste-Hilfe-Raum.

Eiri setzte seine Suche umgehend fort, um so schnell wie möglich wieder zu Ryuchi und Ayaka zu kommen. Um den Jugendlichen zu finden, brauchte er tatsächlich nur einen einzigen Rundgang um das große Becken. Er sah ihn, als er gerade wieder die Treppe zur Rutsche hinauf ging. Eiri stellte sich neben die Treppe, während der Jugendliche ins Wasser stürzte, wieder auftauchte und sich zum Beckenrand bewegte. Er kletterte aus dem Becken und wollte sofort wieder zur Rutsche hinauf, als Eiri ihn am Arm packte und wortlos mit sich zog. Ich halte jetzt lieber den Mund, wer weiß, was ich ihm alles an den Kopf knallen würde... Den lautstarken Protest ignorierte Eiri und schob ihn, ohne loszulassen, in den Raum, in dem sich Ryuchi, Ayaka, die Rettungsschwimmerin und der Arzt sowie der Vater mit seinem Sohn aufhielten und ihn musterten.

Eiri schob den Jugendlichen ein Stück vor, ohne ihn dabei loszulassen. „Schau dir an, was du mit deiner Aktion angerichtet hast!“, murrte er.

„Na und! Bist du irre oder was? Lass mich los!“, fluchte der Jüngere.

Eiri ruckte einmal kräftig an dessen Arm. „Na und? Wie würde es denn dir gefallen mit dem Kopf gegen die Stange oben an der Rutsche zu knallen?“

„Alter, was willst du?“

„Entschuldige dich gefälligst!“, bellte Eiri und schob den Jugendlichen in Ryuchis Richtung.

Der schaute wütend zu Eiri zurück, während auch die anderen Eiri ziemlich verdutzt ansahen. Da keine Entschuldigung des Halbwüchsigen zu hören war, ruckte Eiri noch einmal an dessen Arm. Kurz darauf hörte er so etwas wie eine gemurmelte Entschuldigung. Sein Blick fiel auf Ryuchi und er sah gerade noch, dass dieser die Entschuldigung lediglich mit einem Blick quittierte, der von Gleichgültigkeit zeugte.

Ohne weitere Worte und eine Vorwarnung zerrte Eiri den Jugendlichen in die andere Richtung zu dem Jungen und seinen Vater. „Da kannst du dich auch gleich entschuldigen!“

Auch hier kam nur eine kaum hörbare Entschuldigung heraus. Der Vater des Jungen nickte nur, während sein Sohn gar keine Reaktion zeigte.

Eiri schob ihn zur Tür und trat ein kleines Stück mit ihm hinaus. Er ließ ihn nicht gleich los. „Beim nächsten Mal fällts anders aus!“, knurrte er leise, woraufhin der Jugendliche hastig verschwand.

Als Eiri sich wieder umdrehte und die Tür hinter sich schloss, stand er augenblicklich dem Vater des Jungen gegenüber. „Entschuldigen Sie bitte mein voreiliges Handeln vorhin. Ich dachte, ihr Freund wäre Schuld gewesen.“, sagte er und deutete eine respektvolle Verbeugung an.

„Ist schon in Ordnung. Lassen Sie das.“, meinte Eiri peinlich berührt.

Dann trat Ayaka auf ihn zu. Erst musterte sie ihn eindringlich, dann aber war ihre Dankbarkeit stärker. Sie fiel ihm um den Hals. „Danke, dass du da warst.“, flüsterte sie an seinem Hals.

„Schon gut... Für dich tu ich doch alles, also auch für deinen Bruder.“, sagte Eiri ebenso leise. Sein Blick fiel zu Ryuchi. Was sag ich denn da schon wieder...

Ryuchi hatte den Satz nicht mitbekommen und er sah ihn auch nicht, da der Arzt gerade über ihn gebeugt war, um die Wunde zu behandeln. Er musste doch nähen, das kleben hatte wohl nicht gereicht. Als er damit fertig war, bat er Ryuchi sich aufzusetzen und wanderte mit dem Zeigefinger vor seinen Augen hin und her. Eiri sah sofort, dass Ryuchi dem Finger nicht genauso schnell folgen konnte, wie der Arzt ihn bewegte.

„Ist Ihnen übel?“, fragte der Arzt.

„Nein.“, war Ryuchis Antwort.

„Kopfschmerzen?“

Ryuchi schüttelte den Kopf.

„Nackenschmerzen?“ Und auf ein weiteres Kopfschütteln: „Können Sie sich erinnern, was passiert ist? Auch ohne, dass Ihr Freund das bereits dargelegt hat?“

„Ich wurde von hinten gestoßen, obwohl ich eigentlich hätte noch warten müssen. Ich bin mit dem Kopf gegen diese Stange gestoßen und dann bin ich am Beckenrand wieder wach geworden.“, erzählte Ryuchi.

Der Arzt schaute zu Eiri, der bestätigend nickte. „Gut, also keine Amnesie und nur eine Bewusstlosigkeit von wenigen Sekunden. Das ist nur eine leichte Gehirnerschütterung. Ich lasse Sie jetzt nach Hause gehen, aber sollte innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Stunden irgendetwas sein – Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen oder dergleichen – dann lassen Sie sich sofort in ein Krankenhaus bringen. Wegen der Platzwunde werden Sie sehr wahrscheinlich eine kleine Narbe zurückbehalten... Sie bekommen von mir gleich noch ein Protokoll, dass Sie im Fall einer stationären Aufnahme im Krankenhaus mitbringen müssen.“, erklärte der Arzt und verließ den Raum.

Ryuchi schaute zu Eiri, sagte aber kein Wort. Eiri sah zurück. Also eine Narbe tut seinem Gesicht keinen Abbruch. Er ist mindestens genauso ansehnlich wie Ayaka schön ist... Auch mit einer Narbe auf der Stirn... Dann wand sich Eiri aus Ayakas Umarmung und schaute sie an. „Geh du ruhig noch ein bisschen schwimmen, ich bring Ryuchi nach Hause.“, sagte er.

Ayaka schaute von Eiri zu Ryuchi, dann schüttelte sie den Kopf. „Ryuchi kommt mit zu uns. Das ist mir lieber, Eiri.“, sagte sie.

Eiri schluckte schwer. „Er wird die Nacht sicher auch alleine durchstehen.“, entgegnete Eiri.

Ayaka jedoch schaute ihn flehend an. „Bitte, Eiri... Er ist mein Bruder, ich mache mir Sorgen.“

Dann warf Eiri wieder einen Blick zu Ryuchi, der jedoch gerade eher teilnahmslos zuschaute. Und ich mach mir auch Sorgen... Sorgen, dass ich bald alle Schranken durchbreche, wenn ich jetzt zustimme...Sorgen, dass ich etwas Saublödes mache... „Also gut...“, hörte er sich sagen und an Ryuchi gewandt: „Du schläfst diese Nacht bei uns.“

Ryuchi blinzelte ihn an. Meint er das wirklich ernst?
 


 

:) hoffe es hat gefallen, bis zum nächsten Kappi



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